• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Die Idee vom eigenen Weg hat wieder viele Freunde" (22.03.1990)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Die Idee vom eigenen Weg hat wieder viele Freunde" (22.03.1990)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Die Idee vom eigenen Weg hat wieder viele Freunde

Die DDR ist für manche Über- raschung gut. Was für Politik und Gesellschaft im großen gilt, gilt für Gesundheitspolitik und Arzteschaft im kleinen. Auch hier wird über Wendehälse und Blockflöten, über Karrieristen und Anpasser gestrit- ten, auch hier der Streit um das Erst- geburtsrecht an der friedlichen Re- volution.

Überraschend waren zum Bei- spiel die Vorgänge um die Gründung des Ärzteverbandes zu Leipzig. Die Leipziger Initiatoren waren mit ih- rem Plan eines unabhängigen, fö- derativ aufgebauten Ärztevereins schon sehr früh auf dem Plan, mögli- cherweise waren sie sogar die ersten in der DDR. Der Berliner Virchow- Bund hat ihnen aber, zumindest was das formale Gründungsdatum an- geht, den Rang abgelaufen. Diese Uberrundung durch die Berliner hatten die Leipziger gerade verkraf- tet, da kam der nächste Schlag:

Der bundesdeutsche Hartmannbund kreuzte in der Heldenstadt auf und gründete einen Landesverband Sachsen. Hätte es da noch Platz ge- geben für einen weiteren allumfas- senden Ärzteverband? Die verunsi- cherte Leipziger Initiativgruppe sann auf einen Ausweg und fand ihn in letzter Stunde im Marburger Bund.

Die Idee überraschte nicht nur viele der Ehrengäste, sondern auch einen Großteil der Arzte aus Leipzig und Umgebung, die zu der Gründungs- versammlung ins Gewandhaus geeilt waren. Der Uberraschungseffekt war gewiß zum Teil den kläglichen tech- nischen Kommunikationsmitteln zu- zuschreiben. Doch auch die ge- schickt im Hintergrund agierende MB-Zentrale in Köln hatte ihren Anteil an dem Coup.

Wie dem auch sei, rund 400 Ärz- te haben schließlich am 8. März in Leipzig den „Ärzteverband zu Leip- zig — Landesverband Sachsen des Marburger Bundes" gegründet. Von den ursprünglich 600 anwesenden.

Ärzten fehlten bei den Abstimmun- gen schätzungsweise an die 200. Das

dürften jene gewesen sein, die ei- gentlich einen eigenständigen, um- fassenden Ärzteverband hätten gründen wollen.

Nun, solche Querelen gehören zu den Geburtswehen neu entste- hender Selbstverwaltungen. Die Ärz- te in der DDR haben damit wenig Erfahrung, und sie werden aus den jetzt beginnenden Erfahrungen ler- nen und sich schließlich so orientie- ren, wie es den jeweiligen Gruppen- interessen am besten entspricht.

Auch in der DDR wird es somit Ver- tretungen niedergelassener Ärzte, Berufsverbände und eben auch um- fassende ärztliche Vereinigungen ge- ben. Ärztekammern eingeschlossen.

Gründungsinitiativen dazu laufen.

Was fehlt, ist die gesetzliche Grund- lage. Die wenigen niedergelassenen Arzte und die vielen niederlassungs- willigen Ärzte sind zudem dabei, Vereinigungen, die als Vorstufe zu Kassenärztlichen Vereinigungen die- nen können, zu gründen. Für Kas- sensärztliche Vereinigungen im bun- desdeutschen Sinne fehlen allerdings bisher wesentliche Voraussetzungen, ist doch die Kranken„versicherung"

bisher Teil eines großen Sozial- Konglomerates, das mit dem FDGB verbunden ist.

Ob am Ende die ambulante, die stationäre und die betriebsmedizini- sche Versorgung in der DDR so or- ganisiert wird wie im Bundesgebiet, das ist freilich noch die Frage. Auch hier dürfte mit Überraschungen zu rechnen sein. Es gibt zwar in der DDR viele Ärzte, die einer vollstän- digen Übernahme des Gesundheits- systems der Bundesrepublik das Wort reden. Je weiter aber die Zeit fortschreitet und je intensiver über die Konsequenzen einer solchen Übernahme nachgedacht wird, je mehr also der erste Überschwang verebbt, desto vernehmlicher werden in der DDR jene Stimmen, die vor einer pauschalen Übernahme bun- desdeutscher Verhältnisse warnen und Besonderheiten der DDR erhal- ten wissen wollen.

Am deutlichsten kommen Ideen vom eigenen Weg in programmati- schen Erklärungen des Virchow- Bundes zum Ausdruck. Doch auch der nach dem bundesdeutschen Mu- ster gegründete Landesverband Sachsen des Marburger Bundes be- tont die DDR-Besonderheiten. Des- sen neugewählter Vorsitzender, Dr.

Gerhard di Pol, hält eine „kritiklose Übernahme bundesrepublikanischer Strukturen" derzeit ebenso verfehlt wie die unüberlegte Zerschlagung dessen, was im Verlaufe von Jahr- zehnten organisch gewachsen sei.

Niederlassungsfreiheit dürfe nicht zum Niederlassungszwang werden.

Jedem Arzt, auch im ambulanten Bereich, müsse „bei Gewährung der vollen Niederlassungsfreiheit zumin- dest für eine lange Übergangszeit, die sich für mich in Jahren bemißt, die Möglichkeit eingeräumt werden, auch angestellt tätig sein zu kön- nen". Auch viele Errungenschaften des Betriebsgesundheitswesens seien nicht in das System arbeitsmedizini- scher Betreuung der Bundesrepublik einzuordnen. Eigenständige Kon- zeptionen seien gefragt.

Letztlich wird auch die Entwick- lung des DDR-Gesundheitswesens davon abhängen, wie die DDR oder einzelne der künftigen Länder der DDR sich mit dem Bundesgebiet vereinen. Kommt es zu einer Verei- nigung nach § 23 des Grundgesetzes, dann dürfte es mehr oder weniger schnell zu einer Übernahme der ge- samten bundesdeutschen Rechts- und Wirtschaftsordnung kommen.

Kommt es zu einem längeren Verei- nigungsprozeß, dann sind vielfältige Übergangslösungen denkbar. Da könnte es sehr vorteilhaft sein, wenn der Föderalismus in dem sich neu bildenden Deutschland gestärkt wird. Auch die DDR-Arzteschaft setzt auf Föderalismus und Aufbau von unten, nicht nur die Leipziger, die sich von der Berliner Zentrale absetzen wollen. Auch der Virchow- Bund hat die allgemeine Stimmungs- lage erkannt und befürwortet eine föderale Struktur der Arzteschaft — wenn auch, wie aus einem Kommen- tar des Bund-Initiators Professor Mau in diesem Heft hervorgeht, der Föderalismus nicht in Partikularis- mus ausarten sollte. NJ Dt. Ärztebl. 87, Heft 12, 22. März 1990 (17) A-909

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

při rozboru děl konstruovaných jako texty Góngorovy, Gracianovy, a třeba i ]oyceův Odysseus, ale ani dokončená práce mě nepřesvědčila, že této metody lze

zavrhla (na základě nejnovější grimmelshausenovské literatury) obvyklý naratologický postup a zvolila obtížnější postup výkladu pomocí alegorie, opírajíc se

Ayala und Lang (2008) geben an, dass bei Kirschbäumen die Früchte (generatives Wachstum) die primären Bestimmungsorte (sink) für produzierte Assimilate sind und nicht die Triebe und

Předkládaná diplomová práce se věnuje skloňování adjektiv v přívlastku, které bývá v prostředí němčiny jako cizího jazyka vyučováno poměrně jednoduše, takže

Doré: «Die grosse Mehr- zahl der im menschlichen Darm leben- den Spezies ist nur dort lebensfähig und lässt sich ausserhalb des Organismus nicht anzüchten.» Damit sind die

Otázka výuky gramatiky v prostředí němčiny jako cizího jazyka patří mezi základní problémové okruhy, jejichž relevance se podává v podstatě automaticky

věnovaným diplomatice a základním pojmům této pomocné vědy historické (kap. 5.), které se zejména vážou ke klasifikaci a struktuře listin jako výchozího

Zde se do textu vloudily nepřesnosti (Bertold místo Bertolt Brecht, Zuckermayer místo Zuckmayer, Der Teufels General místo správného Des Teufels General, s. 8-14),