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Archiv "Pseudokrupp: Luftverunreinigung als Auslöser? Epidemiologische Aspekte bei der Bewertung eines Zusammenhangs" (06.02.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

EDITORIAL

G

egenwärtig wird in der Bun- desrepublik Deutschland viel darüber diskutiert, ob Pseudo- krupp und andere Säuglings- und Kinderkrankheiten von Luftschadstoffen verursacht oder mitverursacht werden. Es gibt dazu unterschiedliche For- schungsergebnisse, die Auffas- sung von Ärzten und Umwelt- fachleuten ist uneinheitlich. In anderen Ländern mit zum Teil schlechteren Luftqualitäten hat diese Problematik dagegen kei- ne große Aufmerksamkeit ge- funden.

Zur Entwicklung

der Atemwegskrankheiten Im Gegensatz zu den hierzulan- de geäußerten Befürchtungen zeigen die Statistiken, daß in der Bundesrepublik insgesamt und in den Bundesländern seit 30 Jahren ein Abwärtstrend für Atemwegskrankheiten vorhan- den ist. Das gilt besonders für die Sterbeziffer an Atemwegs- krankheiten bei Säuglingen und Kleinkindern, die zu den zuver- lässigen Kategorien der Medizi- nalstatistik gehören. Wichtig ist außerdem, daß der Anteil der Atemwegskrankheiten an der gesamten Säuglingssterblich- keit innerhalb der letzten drei Jahrzehnte von zwölf auf drei Prozent gesunken ist. Die Mi- krozensuserhebungen zeigen, daß die auf die Bevölkerung be- zogene Zahl der Kinder mit Atemwegskrankheiten von 1972 bis 1980 ebenfalls zurückge- gangen ist. Die für 1982 wieder angestiegene Rate entspricht dem Anstieg aller Krankheiten für dieses Alter, der noch nicht interpretierbar ist. Die Zahl der Kinder, die aufgrund von Atem- wegskrankheiten im Kranken- haus behandelt werden, ist seit Jahren etwa gleichbleibend.

Das ist jedenfalls die Tendenz der mit großen Schwankungen behafteten Krankenhaus-Fall- statistiken der Ortskrankenkas- sen.

Pseudokrupp:

Luftverunreinigung als Auslöser?

Epidemiologische

Aspekte bei der Bewertung eines Zusammenhangs

Hans Hoffmeister, Burckhard Junge und Konrad W. Tietze

Der Pseudokrupp macht, nach vorsichtigen Schätzungen von Kinderklinikern, etwa fühf bis zehn Prozent der Atemwegs- krankheiten im Kleinkindalter aus. Nach einer anderen Quelle (6) betrifft er fünf bis zehn Pro- mille aller Vorschulkinder in ei- nem Jahr. Ob Pseudokrupp, im Gegensatz zu den Atemwegs- krankheiten, in den letzten Jah- ren zugenommen hat, oder aber gleich häufig geblieben ist, beziehungsweise abgenom- men hat, ist weder für die Bun- desrepublik insgesamt noch für einzelne Regionen bekannt. Wo liegen dann aber die Gründe für die aufgeregte Diskussion um den Pseudokrupp, wurden neue Tatsachen für dieses Krankheitsbild gefunden?

Ein Krankheitsmodell

zum Phänomen Pseudokrupp Das mit Krankheiten der Region des Larynx, der Trachea und der großen Bronchien verbun- dene Krupp-Syndrom ist ein

„Sammelbegriff für besondere, im Kleinkindalter auftretende Erkrankungen der Atemwege mit Atemwegsstenose und bel- lendem Husten" (Leiber/Olbrich 1981): es handelt sich um ein Syndrom, dessen Ätiologie viel- fältig und überwiegend unspe- zifisch, dessen pathogenetische Endstrecke jedoch eher einheit- lich anzusehen ist. Nach wie vor steht im Vordergrund der

den Anfall auslösenden Ursa- chen die virale und bakterielle Infektion. Aber das Vorhanden- sein eines Erregers bedeutet noch nicht die Krankheit, viel- mehr sind zusätzliche Faktoren für einen Pseudokrupp-Anfall vonnöten. Diese offensichtlich wechselnden, inneren und äu- ßeren Bedingungen machen die geringe Spezifität des ätiologi- schen Geschehens aus. Abge- sehen von sozial-hygienischen Verhältnissen, die für die Krankheitsentstehung immer ei- ne Rolle spielen, werden in der Literatur, wie bei allen Infek- tionskrankheiten, natürlich jah- reszeitlich bedingte äußere Fak- toren genannt. So wurden Häu- figkeitsgipfel mit dem Auftreten unterschiedlicher Viren in Zu- sammenhang gebracht (5) aber auch mit Kaltlufteinbrüchen, In- versionswetter und mangelnder Frischluftzufuhr in Talorten (1).

Neben den „äußeren" Faktorer, werden „innere" Gründe als Auslöser für Pseudokrupp-An- fälle diskutiert. Stichwörter sind die „allergische Genese" und

„spastischer rezidivierender Krupp" (10). Es ist plausibel, daß hierbei auch klinische Ge- meinsamkeiten mit dem Asthma bronchiale festgestellt wurden (7). Die nun wiederum mit die- sem Krankheitsbild verbundene psychosomatische Komponente ist für den Pseudokrupp unse- res Wissens nur mit einer Ar- beit belegt worden (4).

Epidemiologie

Die wahrscheinlich „multifakto- rielle Krankheitsentstehung"

bedeutet nicht nur, daß mehre- re Faktoren am Entstehen der Krankheit beteiligt sind, son- dern daß im Einzelfall sowohl unterschiedliche Auslöser als auch unterschiedliche fördern- de Bedingungen vorliegen kön- nen. Klarheit über die Wirkun- gen einzelner Auslöser und ein- zelner Bedingungen ist nur durch aufwendige epidemiolo-

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 6 vom 6. Februar 1985 (55) 329

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

gische Studien und unter Auf- wendung größter Sorgfalt zu gewinnen — eben weil es sich um die Klärung eines „Sammel- begriffes" handelt.

Die ersten Arbeiten, die sich in neuerer Zeit mit der Frage des ursächlichen Zusammenhanges zwischen Krupp-Syndrom und Luftverunreinigung befassen, sind schon zu Anfang der 70er Jahre geschrieben worden (1, 3, 5). Auch bei den neueren Stu- dien (8, 9) handelt es sich um retrospektive klinisch-epidemio- logische Studien, in denen im Krankenhaus oder in einer Pra- xis behandelte Pseudo-

krupp-Fälle gezählt wurden. Da- bei ist zu bedenken, daß so- wohl der Zähler als auch der Nenner Schwächen aufweisen.

Voraussetzung für brauchbare Ergebnisse ist die einheitliche standardisierte Diagnose von Pseudokrupp-Fällen. Die Zahl der festgestellten Erkrankungs- fälle müßte strenggenommen auf die Gesamtzahl der im ent- sprechenden Alter befindlichen Kinder bezogen werden. Diese Grundgesamtheit der exponier- ten Kinder näherungsweise zu bestimmen ist das Anliegen der Studie von Haupt (8). In den an- deren Studien werden pragma- tisch die Gesamtaufnahmezif- fern der pädiatrischen Abteilun- gen zu Hilfe genommen. Diese enthalten sowohl Aufnahmen mit nachfolgenden, lang andau- ernden Verläufen und solche von kurzfristiger Dauer, eine Unterscheidung nach spasti- schen, rezidivierenden und ein- malig auftretenden Fällen wur- de nicht getroffen. Je nach An- teil der kurzdauernden Aufnah- men ist das Verhältnis von ge- zählten Kruppfällen zu der Ge- samtzahl ein anderes.

Eine zweite Schwierigkeit be- steht in der Trennung von ge- meinsam auftretenden, gleich- gerichteten Wirkungen (konfun- dierenden Faktoren). Das gilt zum Beispiel für das gemeinsa-

me Auftreten feuchter Kaltluft und Inversionswetterlagen im Winter. Bei regionalen Verglei- chen ist auch zu beachten, daß stärker durch die Umwelt bela- stete Wohngebiete gleichzeitig von gesundheitlich stärker ge- fährdeten Sozialschichten be- wohnt werden. Hier darf auch die Bedeutung des Passivrau- chens für die Kinder nicht ver- gessen werden, weil Raucher in sozial schlechter gestellten Fa- milien häufiger anzutreffen sind als in besser gestellten (2).

Drittens muß Einigkeit über die Qualität des zu zählenden Syn- droms bestehen. Gilt Luftverun- reinigung als toxisch-allergisch wirkender Auslöser, so könnte das plötzliche Auftreten des spastischen Pseudokrupps (spasmodic croup) in den Mit- telpunkt der Betrachtung rük- ken. Zum Einfluß des Wetters und der gleichzeitig auftreten- den Luftverschmutzung als Be- dingungsfaktor der viralen Form mit längerer Anamnese gibt es genügend Anhaltspunkte (3, 5, 6).

Hat aber sowohl das eine als auch — in der Folge — das ande- re zugenommen?

Forschung und ihre Probleme Unseres Erachtens kann auf der Basis der vorangegangenen Überlegungen nicht behauptet werden, daß die Frage einer Zu-

nahme von Pseudokrupp-Anfäl- len durch Luftverunreinigung bereits beantwortet wäre. Die eigentliche Schwäche vieler umweltorientierten Untersu- chungen zum Pseudokrupp liegt darin, daß andere in Frage kommende Ursachen (zum Bei- spiel Infektionen, Immunlage der Kinder, Rauchen der Eltern, soziale Situation) nicht mit glei- cher Systematik, Intensität und Fachkenntnis einbezogen wer- den. Gelöst werden muß die Frage nach der oder den Ursa- chen einer altbekannten Kin- derkrankheit, nicht aber eine isolierte lufthygienische Frage.

Richtlinie der Forschung sollten die im Juli vergangenen Jahres auf einer Expertentagung (durchgeführt von der Weltge- sundheitsorganisation unter Mitwirkung des Instituts für So- zialmedizin und Epidemiologie des Bundesgesundheitsamtes) zum Thema „Acid Rainfall in Relation to Human Health" er- arbeiteten Empfehlungen sein:

• Standardisierung des Krank- heitsbildes „Pseudokrupp"

nach Typ und Schweregrad,

> Bestimmung der Inzidenz und Letalität von Pseudokrupp, I> Feststellung regionaler Un- terschiede der Inzidenz und des Schweregrades von Pseudo- krupp-Fällen. Gibt es Zusam- menhänge mit örtlichen Beson- derheiten der Luftverschmut- zung? Kann man Belastungs- grenzen bestimmen?

> Abgrenzung disponierter Kinder und Definition spezieller Risikofaktoren.

Literatur

(1) Ambs, E.; Vahle A., et al.: Stenosieren- de Laryngotracheitis und geländebedingte Wettereinflüsse, Münch. med. Wschr. 114 (1972) 2161-2166 — (2) Charlton, A.: Chil- dren's Coughs Related to Parental Smoke, Brit. med. J. 288 (1984) 1647-1649 — (3) Bender, S. W.; Jaklin, R. H., et al.: Umwelt- einflüsse beim Krupp-Syndrom, DEUT- SCHES ÄRZTEBLATT 48 (1972) 3135-3137

— (4) Blöchliger, A.; Herzka, H. S., et al.:

Psychosomatische Aspekte des Pseudo- krupps, Heiv. paediatr. Acta 33 (1978) 563-566 — (5) Buchan, K. A.; Manen, K. W.:

Aetiology and Epidemiology of Viral Croup in Glasgow, 1966-72, J. Hyg. 73 (1974) 143-150 — (6) Hall, C. B.; Hall, W. J.: Viral Croup: Acute Laryngotracheobronchitis, Update, March (1975) 561-565 — (7) König, P.: The Relationship Between Croup and Asthma, Ann. Allergy 41 (1978) 227-231 — (8) Mühling, P.; Bory, ,J.; Haupt, H.: Effekt der Luftbelastung auf Atemwegserkrankun- gen des Kleinkindes, Fortschr. Med. 102 (1984) 23-26 — (9) Wemmer, U.: Krupp-Syn- drom und Schadstoffe in der Atemluft, Fortschr. Med. 102 (1984) 29-31 — (10) Zach, M. S.; Messner, H.: Serum IgA in Re- current Croup, Am J. Dis. Child. 137 (1983) 184-185

Anschrift für die Verfasser:

Professor Dr. Hans Hoffmeister Leiter des Instituts für

Sozialmedizin und Epidemiologie

des Bundesgesundheitsamtes General-Pape-Straße 62-66 1000 Berlin 42

330 (56) Heft 6 vom 6. Februar 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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