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Archiv "Serie: Alkoholismus - Epidemiologische und ökonomische Aspekte des Alkoholismus" (05.04.2002)

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A

A936 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 99½½Heft 14½½5. April 2002

D

ie Begriffe Alkoholabhängigkeit und Alkoholmissbrauch werden entscheidend durch die Krank- heitsklassifikationssysteme ICD-10 der WHO und das US-amerikanische DSM- IV-System geprägt. In Tabelle 1 sind die Kriterien für Abhängigkeit und für Missbrauch beziehungsweise für schäd- lichen Gebrauch zusammengestellt. In- haltlich ist für eine Realdefinition der Abhängigkeit von einer psychotropen Substanz die körperliche und vor allem die psychische Abhängigkeit entschei- dend. Bei der körperlichen Abhängig- keit sind es nicht allein die Entzugs- symptome, die theoretisch bei jedem Menschen mit erzwungenem Alkohol- konsum ohne Wahlmöglichkeit von alko- holfreien Getränken auch auftreten wür- den, sondern die Symptome der körperli- chen Abhängigkeit unter der Bedingung der Wahlmöglichkeit, die diese zu einem guten Indikator für die Abhängigkeit machen. Auch im Tiermodell ist die Wahlmöglichkeit zwischen alkoholfreien

und alkoholhaltigen Getränken eine not- wendige Bedingung für die Entwicklung einer Abhängigkeit (35). Der Kern der psychischen Abhängigkeit besteht in ei- nem Verlangen nach Alkohol einerseits und einer mangelnden Kontrolle ge- genüber diesen Trinkimpulsen anderer- seits, unabhängig davon, ob diese durch biologische oder psychosoziale Faktoren bestimmt sind. Letztlich muss aus den be- obachteten Kriterien auf das Konstrukt Abhängigkeit geschlossen werden, auch wenn man von einem Abhängigkeitssyn- drom spricht.

Hinsichtlich der Definition des schäd- lichen Gebrauchs beziehungsweise Miss- brauchs von Alkohol ist die Überein- stimmung zwischen den beiden Klassifi- kationssystemen deutlich geringer als hinsichtlich der Abhängigkeitsdefinition.

Schädlicher Gebrauch gemäß ICD meint nicht eine einmalige Schädigung durch

Alkoholkonsum, sondern eine wieder- holte Schädigung im psychischen oder körperlichen Bereich. Die Übereinstim- mung der Klassifikationssysteme bezüg- lich der Kriterien für eine Abhängig- keitsdiagnose ist deutlich höher als die für eine Missbrauchsdiagnose.

Prävalenz des Alkoholkonsums und Alkoholismus

Alkoholkonsum in Deutschland

Bühringer et al. (4) definieren Konsu- mentengruppen über die Menge des täg- lich konsumierten Alkohols und schla- gen eine Einteilung des Alkoholkonsums in den letzten zwölf Monaten in Absti- nenz, risikoarmen Konsum (Männer: > 0 bis 30 g, Frauen: > 0 bis 20 g), riskanten Konsum (Männer: > 30 bis 60 g, Frauen:

> 20 bis 40 g), gefährlichen Konsum (Männer: > 60 bis 120 g, Frauen: > 40 bis 80 g) und Hochkonsum (Männer: > 120 g,

Serie: Alkoholismus

Epidemiologische und

ökonomische Aspekte des Alkoholismus

Zusammenfassung

Nach einer Repräsentativerhebung der 18- bis 59-Jährigen im Jahr 2000 wurde nach DSM-IV bei drei Prozent der Untersuchten in den letz- ten zwölf Monaten vor Datenerhebung eine Alkoholabhängigkeit diagnostiziert und bei fünf Prozent Alkoholmissbrauch. Eine Hoch- rechnung auf die Erwachsenenbevölkerung ab 18 Jahren ergab eine Zwölf-Monatsprävalenz von aktueller Alkoholabhängigkeit bei 1,6 Mio.

(2,4 Prozent) und eine remittierte Abhängig- keit bei 3,2 Mio. (4,9 Prozent) Personen. Bei 2,65 Mio. liegt ein aktueller Missbrauch vor, die Zahl von Personen mit einem früheren Alkohol- missbrauch wird auf 8 Mio. (12,1 Prozent) ge- schätzt. Im internationalen Vergleich steht Deutschland mit einem Pro-Kopf-Konsum von 10,6 L reinem Alkohol pro Jahr an fünfter Stel- le. Von 1990 bis 1999 ergab sich ein Rückgang des Pro-Kopf-Konsums um 0,9 L (-7,8 Prozent).

Der WHO-Aktionsplan sah für die Zeit zwi- schen 1990 und 2000 eine Reduktion um 25 Pro-

zent vor. Als risikoarmer, aber nicht risikofreier Alkoholkonsum gelten bei Männern ein tägli- cher Konsum von bis zu 30 g reinem Alkohol und bei Frauen bis zu 20 g Alkohol. Nach Ko- sten-Nutzen-Analysen steht den alkoholbe- dingten Gesamtschäden in Höhe von 40 Mrd.

DM als Nutzen der Gesamtumsatz der Alkohol- industrie von 27,9 Mrd. DM gegenüber.

Schlüsselwörter: Alkoholismus, Diagnose, Prä- valenz, Epidemiologie, Kosten, Nutzen

Summary

Epidemiological and Economic Aspects of Alcoholism

In a representative survey of 18 to 59 years old persons in Germany in 2000 the prevalence- rate of alcohol dependance in the last twelve months according to DSM - IV was three per cent of the population and alcohol abuse amounts to five per cent. An extrapolation to the adult popu-

lation yielded 1.6 million (2.4 per cent) of alcohol dependent persons and 3.2 million (4.9 per cent) persons with remitted alcohol dependence.

2.65 million show an alcohol abuse in the last twelve month, and 8 million persons (12.1 per cent) were classified as former alcohol abusers.

According to an international comparison of alcohol use, Germany is ranking fifth with a per capita consumption of 10.6 L pure alcohol.

Since 1990 the yearly consumption of alcohol has decreased by 7.8 per cent. The WHO action plan on alcohol demanded a reduction of 25 per cent between the years 1990 and 2000.

Alcohol consumption up to 30 g alcohol for men and 20 g alcohol for women is regarded as being connected with few risks, but not free of risks. In cost-benefit analysis the alcohol related costs for Germany were estimated to 40 billion DM against 27.9 billion turnover of the alcohol industry.

Key words: alcoholism, diagnosis, prevalence, epidemiology, costs, benefit

IFT, Institut für Therapieforschung (Direktor: Dr. rer. soc.

Dipl.-Psych. Gerhard Bühringer), München

Heinrich Küfner

Ludwig Kraus

(2)

Frauen: > 80 g) vor. Die Mehrheit der Be- fragten in der Bundesstudie 2000 (14) liegt nach dieser Definition innerhalb der Grenzen für risikoarmen Konsum (ge- samt: 78 Prozent; 74 Prozent der Männer und 83 Prozent der Frauen). In allen an- deren Kategorien sind Männer prozentu- al stärker vertreten als Frauen: Riskan- ten Konsum (insgesamt 12 Prozent der 18- bis 59-Jährigen) weisen 15 Prozent der Männer, aber nur 5,5 Prozent der Frauen auf. Gefährlicher Konsum (ins- gesamt vier Prozent) konnte bei sechs Prozent der Männer und bei vier Prozent der Frauen festgestellt werden und in die Kategorie Hochkonsum (insgesamt 0,7 Prozent) fielen 0,9 Prozent der Männer und 0,6 Prozent der Frauen (Grafik 1).

Diagnose Alkoholabhängigkeit und Alkoholmissbrauch

In Deutschland gibt es nur wenige Stu- dien, die sich mit der Epidemiologie von Alkoholabhängigkeit und -missbrauch in der Bevölkerung befassen (Tabelle 2).

Häufig genannt wird die Schätzung von 2,5 Mio. Alkoholabhängigen. Die Basis für diesen epidemiologischen Schätz- wert bildet eine Studie aus dem Jahre 1974 (11). Gestützt wird diese Schät- zung durch die Ergebnisse der Oberbay- ern-Studie, bei der mit differenzierterer Diagnostik 2,1 Prozent der Befragten innerhalb der letzten sieben Tage einen behandlungsbedürftigen Alkoholismus aufwiesen und weitere 2,3 Prozent einen Alkoholismus mit geringerem Schwere- grad (7).

Jüngere Studien (13–15, 17) verwen- den für die Erfassung von Alkoholab- hängigkeit und -missbrauch das inter- nationale Diagnosesystem DSM-IV (25). In regionalen Studien in München (13) und Lübeck (17) wurden persönli- che Interviews mit dem M-CIDI (34) durchgeführt. In den schriftlich durch- geführten Bundesstudien 1997 (15) und 2000 (14) fand eine an den M-CIDI an- gelehnte Fragebogenversion Anwen- dung sowie die Screeningverfahren CAGE (10), Lübecker Alkoholabhän- gigkeits- und -missbrauchs-Screening- test (LAST; 24) und Alcohol Use Disor- ders Identification Test (AUDIT), ein Instrument zur Früherkennung alko- holbedingter Störungen (1, 26). Wäh- rend es für Screeningverfahren umfang-

reiche Daten zur Validität aus Berei- chen der medizinischen Versorgung gibt, fehlen derartige Untersuchungen für den Einsatz in Bevölkerungsstudien fast vollständig.

In der 1997 durchgeführten Repräsen- tativerhebung zum Konsum psychotro- per Substanzen bei Erwachsenen in Deutschland erhielten bezogen auf die letzten zwölf Monate drei Prozent der

befragten 18- bis 59-Jährigen die Diagno- se Alkoholabhängigkeit und fünf Pro- zent die Diagnose Alkoholmissbrauch ohne Abhängigkeit (15). Der Kurzfrage- bogen CAGE ermittelt für denselben Zeitraum einen Anteil von 8,7 Prozent von Personen mit Anzeichen von Miss- brauch oder Abhängigkeit, was in etwa dem Wert beider Diagnosen nach DSM- IV entspricht. Legt man für den AUDIT

´ Tabelle 1C´

Kriterien für Missbrauch und Abhängigkeit nach DSM-IV und ICD-10

DSM-IV ICD-10

Kriterien für Missbrauch Schädlicher Gebrauch

❃ Vernachlässigung von Pflichten ❃ Schädigung der psychischen oder

❃ Alkohol trotz körperlicher Risiken physischen Gesundheit

❃ Alkohol trotz Problemen mit der Polizei

❃ Alkohol trotz psychosozialer Probleme

Kriterien für Abhängigkeit (3 von 7) Kriterien für Abhängigkeit (3 von 6)

❃ Toleranzentwicklung, definiert durch eines ❃ Nachweis einer Toleranzentwicklung der folgenden Kriterien: (gesteigerte Drogenaufnahme bei gleicher – Verlangen nach ausgeprägter Dosis- Wirkung)

steigerung, um einen Intoxikationszustand oder erwünschten Effekt herbeizuführen – Deutlich verminderte Wirkung bei fort-

gesetzter Einnahme derselben Dosis

❃ Entzugssymptome ❃ Ein körperliches Entzugssyndrom bei – Charakteristisches Entzugssyndrom der Beendigung oder Reduktion des Konsums

jeweiligen Substanz

– Die gleiche oder eine ähnliche Substanz wird eingenommen, um Entzugssymptome zu lindern oder zu vermeiden.

❃ Die Substanz wird häufig in größeren ❃ Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Mengen oder länger als beabsichtigt Beginns, der Beendigung und der Menge des

eingenommen. Konsums (unzureichende Kontrolle)

❃ Anhaltender Wunsch oder erfolgloser ❃ Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, Versuch, den Substanzgebrauch zu ver- psychotrope Substanzen zu konsumieren ringern oder zu kontrollieren. (Suchtverlangen)

❃ Viel Zeit für Aktivitäten, um die Substanz zu beschaffen, sie zu sich zu nehmen oder sich von ihrer Wirkung zu erholen.

❃ Wichtige soziale, berufliche oder Freizeit- ❃ Fortschreitende Vernachlässigung anderer aktivitäten werden aufgrund des Substanz- Vergnügen oder Interessen zugunsten des missbrauchs aufgegeben oder Substanzkonsums (Einengung des Verhaltens

eingeschränkt. auf den Substanzkonsum)

❃ Fortgesetzter Substanzmissbrauch trotz ❃ Anhaltender Substanzkonsum trotz eindeutig Kenntnis eines anhaltenden oder wieder- schädlicher Folgen, im körperlichen, kehrenden körperlichen oder psychischen psychischen oder sozialen Bereich.

Problems, das wahrscheinlich durch den Substanzmissbrauch verursacht oder verstärkt wurde.

(3)

einen Schwellenwert von acht Punkten (26) zugrunde, dann ergibt sich bezogen auf die letzten zwölf Monate bei 21,7 Pro- zent der Stichprobe ein riskanter und schädlicher Alkoholkonsum. Bei Män- nern ist der Anteil mit 34,7 Prozent unge- fähr viermal so hoch wie bei Frauen (8,5 Prozent). Im Vergleich dazu kommen, bezogen auf die Lebenszeit, die beiden Screeningverfahren CAGE und LAST auf einen Anteil von 15 bis 16 Prozent von Personen, die einmal im Leben die Kriterien von Missbrauch und/oder Ab- hängigkeit erfüllt haben. Der Wert des LAST ist dabei geringfügig niedriger.

In der Lübecker Studie „transitions in alcohol consumption and smoking“

(TACOS) waren 3,8 Prozent der befrag- ten 18- bis 64-Jährigen nach den Kriterien von DSM-IV im Lebensverlauf alkohol- abhängig. Weitere 4,5 Prozent hatten ir- gendwann in ihrem Leben einen Alko- holmissbrauch betrieben, erfüllten je- doch nie die Diagnose der Abhängigkeit (17). Für die letzten zwölf Monate be- stand bei 1,4 Prozent der Befragten eine

Alkoholabhängigkeit und bei 1,1 Prozent ein Alkoholmissbrauch. Legt man für die Schätzung von alkoholbedingten Störun- gen keine kriterienorientierte Diagnostik wie in der ICD-10 oder DSM-IV zugrun- de, sondern stützt sich auf Screeningver- fahren, so weisen in der Lübecker Studie 6,1 Prozent der Stichprobe ein auffälliges Ergebnis im Alcohol Use Disorders Iden- tification Test (AUDIT) auf, wenn man

den empfohlenen Schwellenwert von mindestens acht Punkten ansetzt (4). Im Lübecker Alkoholabhängigkeits und -missbrauchs-Screeningtest (LAST) wa- ren 7,6 Prozent der Stichprobe über dem Schwellenwert von zwei Punkten (24).

In der Münchner Studie „Early Deve- lopmental Stages of Psychopathology“

(33) wiesen 9,7 Prozent der befragten 14- bis 24-Jährigen die Diagnose eines Alko- holmissbrauchs nach DSM-IV auf, wei- tere 6,2 Prozent die Diagnose einer Al- koholabhängigkeit nach DSM-IV. We- sentlich mehr Jungen als Mädchen erfül- len die Kriterien für Missbrauch (15,1 Prozent versus 4,5 Prozent) und für Ab- hängigkeit (10 Prozent versus 2,5 Pro- zent). Deutlich wird auch, dass mit stei- gendem Alter die Häufigkeit einer Dia- gnosestellung zunimmt. Überraschend ist die hohe Prävalenz der Entwicklung eines Alkoholmissbrauchs beziehungs- weise einer Alkoholabhängigkeit bei den 14- bis 15-Jährigen (jeweils 1,2 Prozent).

Ein Vergleich der Schätzwerte der Lü- becker Studie mit denen der Münchner

EDSP-Studie weist auf regionale Unter- schiede in der Prävalenz von Störungen durch Alkohol hin. In der Überschnei- dungsgruppe der 18- bis 24-Jährigen, fin- den sich in der Münchner Studie etwa dreifach höhere Prävalenzen für Alkoholabhängigkeit und -missbrauch.

Bühringer et al. (2000), die eine Hochrechnung auf die Bevölkerung bei Personen ab 18 Jahren vornehmen (66

Mio. Personen), ermitteln eine aktuelle Alkoholabhängigkeit (Zwölf-Monats- prävalenz) bei 1,6 Mio. Deutschen (2,4 Prozent) und eine remittierte Alkohol- abhängigkeit bei 3,2 Mio. (4,9 Prozent).

Bei 2,65 Mio. Personen liegt ein aktuel- ler Alkoholmissbrauch vor (4 Prozent), und die Zahl der Personen, die früher einmal einen Alkoholmissbrauch zeig- ten, der aber heute nicht mehr vorliegt, wird auf acht Mio. Personen geschätzt (12,1 Prozent).

Alkoholkonsum im internationalen Vergleich

Verbrauchszahlen

Ein Vergleich verschiedener Länder kann nur hinsichtlich der Verbrauchszah- len, nicht aber für die Prävalenz von Al- koholmissbrauch und -abhängigkeit vor- genommen werden. Bei der Berechnung der Verbrauchszahlen geht man von der Formel „Produktion minus Ausfuhr plus Einfuhr“ aus. Im Jahr 1999 wurden im Durchschnitt der Bevölkerung pro Kopf 10,6 L reiner Alkohol verbraucht. Das bedeutet, dass pro Kopf 127,4 L Bier (4,8 Volumenprozent), 18,1 L Wein/Sekt (11,0 Volumenprozent) und 6,0 L Spiri- tuosen (33,0 Volumenprozent) getrun- ken wurden (5).

Betrachtet man die Verbrauchszahlen für alkoholische Getränke im internatio- nalen Vergleich (18), dann liegt Deutsch- land mit 10,6 L reinem Alkohol an fünf- ter Stelle knapp hinter Frankreich mit 10,7 L. Die Spitzenstellung von Luxem- burg ist durch den Verkauf im Grenzver- kehr bedingt und insofern nicht aussage- kräftig. An der Spitze liegt danach Irland mit 11,6 L reinem Alkohol pro Kopf der Bevölkerung, gefolgt von Portugal mit 11,0 L reinem Alkohol. Hinsichtlich des Bierkonsums liegt Deutschland im eu- ropäischen Vergleich an zweiter Stelle hinter der Tschechischen Republik, beim Weinkonsum nimmt Deutschland die 13.

Stelle und beim Spirituosenkonsum die zwölfte Stelle ein. Beim Weinkonsum lie- gen – abgesehen von Luxemburg – Por- tugal und Frankreich, beim Spirituosen- konsum liegt Rumänien an der Spitze der europäischen Länder.

Im Vergleich zu den Alkoholkonsum- angaben in Befragungen haben die Ver- A

A940 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 99½½Heft 14½½5. April 2002

Grafik 1

Alkoholkonsum in den letzten zwölf Monaten (Bundesstudie 2000 modifiziert nach [14])

(4)

brauchszahlen Vor- und Nachteile: Sie sind einerseits unabhängig von subjekti- ven Verfälschungstendenzen der Befrag- ten (Vergessen, Antworttendenz der so- zialen Erwünschtheit oder bewusstes Verfälschen) und hängen nicht von der Erreichbarkeit und Bereitschaft der Pro- banden in einer Erhebung ab. Außerdem erreichen die Angaben der Befragten über die getrunkenen Alkoholmengen nur etwa 40 bis 60 Prozent der Pro-Kopf- Mengenangaben in den Statistiken zum Alkoholverbrauch (4). Will man jedoch Aussagen über Konsummuster oder über verschiedene Teilgruppen machen, sind Befragungen zum Alkoholkonsum unverzichtbar.

Trends

Im Verlauf der letzten 20 Jahre zeigt sich in Deutschland und den meisten europäi- schen Ländern ein Rückgang des Alko- holverbrauchs (Tabelle 3). In einer Reihe von Mittelmeerländern, in denen vor- wiegend Wein getrunken wird, konnte zwischen 1980 und 1999 ein deutlicher Rückgang des Alkoholkonsums be- obachtet werden: zum Beispiel Italien mit – 40,8 Prozent oder Frankreich mit – 28,2 Prozent. In Deutschland kam es in diesem Zeitraum nur zu einem Rück- gang um – 7,3 Prozent. In einigen Län-

dern kam es aber auch zu einem be- trächtlichen Anstieg: in Irland um 57,9 Prozent oder in Russland um 39,7 Pro- zent, im letzteren Fall allerdings bei nicht sicherer Datenlage. Der WHO-Aktions- plan Alkohol hatte zum Ziel, dass zwi- schen 1990 und 2000 der Alkoholkonsum um 25 Prozent gesenkt werden sollte, das entspricht für Deutschland einer Reduk- tion um 2,9 L reinen Alkohol. Tatsäch- lich zeigte sich von 1990 mit 11,5 L rei- nem Alkohol bis 1999 ein Rückgang um 0,9 L, das entspricht einer Reduktion um 7,8 Prozent. Die Wichtigkeit des Pro- Kopf-Konsums von Alkohol ergibt sich daraus, dass der Durchschnittskonsum von Alkohol in der Bevölkerung und die Häufigkeit von Alkoholfolgekrankhei- ten und anderen negativen Folgen eine deutliche Korrelation aufweist (8) und eine Reduktion des Pro-Kopf-Konsums auch mit einer Reduktion von Leber- zirrhosen und anderen Alkoholfolgeer- krankungen verbunden ist.

Alkoholbedingte Schäden

Zusammenhänge zwischen Alkoholkon- sum und Schäden werden mithilfe einer Dosis-Wirkungs-Beziehung erfasst. Als Beispiel ist in Grafik 2der Zusammen- hang zwischen Alkoholkonsum und

Schlaganfall bei Männern dargestellt. Ab 10 bis 15 g reinem Alkohol pro Tag (0,25 L Bier) ergibt sich demnach bereits ein Anstieg des Risikos für einen Schlagan- fall in den meisten dargestellten Studien und ab etwa 30 bis 40 g reinem Alkohol pro Tag zeigt sich der negative Effekt in allen Studien (für die unterschiedliche Wirkung auf ischämische und hämorrha- gische Schlaganfälle) (30). Für die Ent- wicklung von Speiseröhrenkrebs steigt das Risiko bei gleichzeitigem mäßigen Alkoholkonsum und mäßigen Rauchen auf das 12fache bei Männern und das 19fache bei Frauen (6). Alkoholkonsum ist ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Krebserkrankungen, gastrointestinale Störungen, Stoffwech- selstörungen und Erkrankungen des Nervensystems (28, 29, 30). Es gibt prak- tisch kein Organ, das nicht durch Alko- hol geschädigt werden kann. Hervorzu- heben ist auch die Alkoholembryopathie (fetales Alkoholsyndrom) als einem der wichtigsten und vermeidbaren Faktoren für angeborene Schäden (Missbildungen und körperliche und geistige Retardie- rungen) beim Säugling. Die Anzahl der Kinder mit einer Alkoholembryopathie wird für Deutschland auf etwa 2 200 pro Jahr geschätzt (16), die schwächeren For- men der teratogenen Schädigung sind dabei nicht berücksichtigt (30).

´ Tabelle 2C´

Ausgewählte epidemiologische Studien in Deutschland zum Alkoholismus (nur mit DSM-IV Diagnosen)

Studie Angewandte Verfahren Probanden In den letzten 12 Monaten Lebenszeit

Bundesstudie 1997 DSM-IV 18–59-Jährige in 3 % Alkoholabhängigkeit 15–16 % mit

(15) CAGE-Test Deutschland 5 % Alkoholmissbrauch Alkoholmissbrauch oder

AUDIT (N = 7987) mit CAGE: 8,7 % mit Miss- Abhängigkeit

LAST brauch und Abhängigkeit (mit CAGE oder LAST)

TACOS-Studie 1999 DSM-IV mit M-CIDI Repräsentativstudie der 1,4 % Alkoholabhängigkeit 3,8 % Alkoholabhängigkeit

(17) 18–64-Jährigen im Raum 1,1 % Alkoholmissbrauch 4,5 % Alkoholmissbrauch

Lübeck

EDSP-Studie 1998 DSM-IV mit M-CIDI 14–24-Jährige im Raum 6,2 % Alkoholabhängige

(33) München (N = 3021) 9,7 % Alkoholmissbrauch

Bundesstudie 2000 DSM-IV 18–59-Jährige in 3,1 % (1,5 Mio.) Alkohol-

(14) Deutschland (N = 8139) abhängige (4,8 % Männer;

1,3 % Frauen)

3,3 % (1,6 Mio.) Alkohol- missbrauch (Männer: 5,4 %;

Frauen: 1,2 %)

Hochrechnung 2000 Basierend auf der Bundes- Bezogen auf Erwachsene 2,4 % (1,6 Mio.) mit 4,9 % (3,2 Mio.)

(4) studie 1997 und der (ab 18; entspricht Alkoholabhängigkeit

TACOS-Studie 66,0 Mio.) 4,0 % mit Alkoholmissbrauch 12,1 % (8 Mio.)

(5)

Die sozialen und psychischen Auswir- kungen des Alkoholmissbrauchs sind ebenfalls erheblich. Alkoholmissbrauch führt häufig zu schweren Konflikten und dauerhaften psychischen Schäden insbe- sondere bei den Kindern in den betroffe- nen Familien. Bei Gewaltkriminalität be- trug der Anteil von Personen mit Alko- holeinfluss 25 Prozent, bei Widerstand gegen die Staatsgewalt 56,3 Prozent. Bei Straßenverkehrsdelikten erfolgten 8,9 Prozent aller Unfälle mit Personenscha- den unter Alkoholeinfluss. Das Risiko ei- nes Kraftfahrers in Bezug auf Unfälle mit Verletzten und Toten ist bei einem Blutal- koholspiegel von 0,5 Promille doppelt so hoch, bei 0,8 Promille 4fach und bei 1,5 Promille um ein 16faches höher als bei ei- nem nüchternen Kraftfahrer (12).

Wie bei allen Substanzen gilt es aber auch Vor- und Nachteile abzuwägen, wobei jeweils eine beträchtliche Dosis- abhängigkeit besteht. Neben einem volkswirtschaftlichen Nutzen (Produkti- on, Arbeit, Beschäftigung, Steuerein- nahmen) wurde vor allem in den letzten Jahren die krankheitsprotektive Alko- holwirkung diskutiert (27, 30).

In einer metaanalytischen Studie, die alle englischen experimentellen Studien über biologische Marker für Herz-Kreis- lauf-Erkrankungen und Alkoholkon- sum zwischen 1965 und 1998 einbezieht, verringerte sich nach Berechnung der Autoren (basierend auf dem Zusam- menhang von einzelnen biologischen Markern und Herz-Kreislauf-Erkran- kungen) die Wahrscheinlichkeit für eine koronare Herz-Kreislauf-Erkrankung um 24,7 Prozent bei einem täglichen Konsum von 30 g reinem Alkohol ge- genüber keinem Konsum (22). Zur Dis- kussion über weitere Aspekte der pro- tektiven Wirkung von Alkohol siehe den bereits erwähnten Beitrag im Deutschen Ärzteblatt von Singer und Teyssen (30).

Generell lässt sich gegen rein epide- miologische Studien über den Zusam- menhang von Alkoholkonsum und Er- krankungsrisiko beziehungsweise Mor- talität (19) einwenden, dass die Effekte, die auf die protektive Wirkung des Al- kohols zurückzuführen sind, konfun- diert sind durch bestimmte Selektionsef- fekte. Abstinente sind demnach häufiger ehemalige Trinker, Personen mit psy- chisch und körperlich guter Verfassung passen ihren Alkoholkonsum an die kul- A

A942 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 99½½Heft 14½½5. April 2002

´ Tabelle 3C´

Rangfolge ausgewählter Länder hinsichtlich des gesamten Alkoholkonsums pro Kopf in Liter reinem Alkohol und deren Änderung 1980 bis 1999

Rang Land Datenzuver- 1996 1997 1998 1999 1980–

lässigkeit 1999 (%)

1 Luxemburg ++1) 11,6 11,4 13,3 12,2 11,8

2 Irland +++ 9,9 10,5 11,0 11,6 57,9

3 Portugal ++ 11,6 11,3 11,3 11,0 *2)

4 Frankreich ++ 11,2 10,9 10,8 10,7 –28,2

5 Deutschland*1 +++ 10,6 10,8 10,6 10,6 –7,3

6 Tschechische Republik*1 ++ 10,3 10,5 10,5 10,5 9,5

7 Rumänien + 9,6 9,8 10,5 10,3 29,4

8 Spanien ++ 9,3 10,2 10,1 9,9 –27,5

9 Ungarn ++ 10,3 10,1 10,2 9,7 –16,8

10 Dänemark +++ 10,0 9,9 9,5 9,5 3,7

11 Österreich ++ 9,7 9,5 9,3 9,3 –15,2

12 Schweiz +++ 9,3 9,2 9,2 9,2 –15,3

13 Griechenland + 8,7 8,8 8,6 8,9 –12,4

14 Russland*1 + 7,3 7,3 7,9 8,6 39,7

15 Belgien ++ 9,1 9,1 8,2 8,2 –23,9

16 Niederlande +++ 8,1 8,2 8,1 8,2 –7,8

17 Slowakische Republik*1 ++ 8,3 8,3 8,0 8,2 –18,1

18 Großbritannien +++ 7,9 8,1 7,9 8,1 10,7

19 Italien +++ 8,0 8,0 7,8 7,7 –40,8

20 Australien ++ 7,5 7,5 7,6 7,5 –21,9

21 Neuseeland +++ 7,8 7,3 7,6 7,4 –22,3

22 Finnland +++ 6,7 7,0 7,1 7,3 16,4

23 Polen + 6,3 6,7 6,7 6,9 –21,3

24 USA +++ 6,6 6,6 6,6 6,7 –19,5

25 Bulgarien + 7,8 7,0 6,8 6,6 –23,4

26 Japan ++ 6,7 6,4 6,5 6,6 21,3

27 Kanada +++ 6,2 6,1 6,2 6,3 –25,1

28 Schweden ++ 4,9 5,1 4,9 4,9 –14,0

29 Norwegen ++ 4,1 4,4 4,3 4,4 –4,5

30 Island ++ 3,7 3,9 4,3 4,0 4,1

+++ sehr zuverlässig; ++ zuverlässig; + weniger zuverlässig (Bewertung durch Produktschap).

*1Ältere Daten beziehen sich jeweils auf die ehemalige BRD, Tschechoslowakei, Sowjetunion

*2Prozentänderung weniger als + 0,05 %

Quelle: Produktschap voor Gedistilleerde Dranken (2000); World Advertising Research Center Ltd.

(6)

turelle Norm an, das heißt, sind weder abstinent noch extreme Trinker, oder psychisch und körperlich Kranke – ver- zichten als Schutzmechanismus – entwe- der völlig auf Alkohol oder benutzen diesen als Selbstmedikation gegen ihre Krankheit (30).

Als Indikator riskanten Alkoholkon- sums werden in der Regel Konsumgren- zen pro Tag verwendet, oberhalb derer auf Dauer physische, psychische und so- ziale Folgeschäden zu erwarten sind. Ab welcher Grenze Alkoholkonsum ge- sundheitliche Schäden zufolge hat, wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert (8).

Dies führt in verschiedenen Ländern zur Festsetzung unterschiedlicher „Gefähr- dungsgrenzen“ in Gramm Reinalkohol, ab der jeweils ein höheres Gesundheitsri- siko zu erwarten ist. In der jüngsten Stel- lungnahme der British Medical Associa- tion (3) werden Empfehlungen für risi- koarmen Alkoholgebrauch von weniger als 21 Getränkeeinheiten (Units) pro Woche für Männer und 14 Getränkeein- heiten für Frauen gegeben. Dies ent- spricht in etwa maximal 30 g pro Tag für Männer maximal (circa 0,75 L Bier oder 0,33 L Wein) und 20 g reinen Alkohol pro Tag für Frauen maximal (circa 0,5 L Bier oder knapp 0,25 L Wein).

Die Diskussion um Grammgrenzen wird auch vor dem Hintergrund der oben erwähnten empirischen Ergebnisse ge- führt, die zeigen, dass mäßiger Alkohol- konsum ein niedriges, Abstinenz dage- gen ein geringfügig höheres Risiko für koronare Herzerkrankungen darstellt.

Der bivariate Zusammenhang zwischen Alkohol und koronaren Herzerkrankun- gen vernachlässigt allerdings andere Ri- siken, die mit Alkoholkonsum einherge- hen. Wie sich zeigt, lassen sich beispiels- weise für durch Alkohol bedingte Unfäl- le oder soziale Probleme keine Grenzen für ein verringertes Risiko angeben (19, 23). Bei Angaben von Grenzwerten soll- te daher darauf hingewiesen werden, dass ein Konsum unterhalb dieser Gren- zen keine „Sicherheit“ bedeutet. Inso- fern besteht international weitgehend Konsens, Trinkmengen bis zu 20 g bezie- hungsweise 30 g pro Tag als „risikoarm“

und nicht als risikolos oder harmlos zu bezeichnen. Allgemeine Empfehlungen für einen geringfügigen Alkoholkonsum lassen sich nicht ableiten. Bei einer Emp- fehlung im Einzelfall sollte auch die indi-

viduelle Gesamtsituation des Betroffe- nen (zum Beispiel Vorschädigungen der Leber, soziale Umstände, Religionszu- gehörigkeit) berücksichtigt werden.

Sozioökonomische Aspekte:

Kosten-Nutzen-Analyse

Kosten-Nutzen-Analysen können in un- terschiedlicher Weise komplex und um- fassend sein (21). Bis vor kurzem hat man sich im Wesentlichen auf die Kostensi- tuation bezogen und den eventuellen Nutzen einer Droge nicht berücksichtigt.

Für Deutschland liegen wenig zuverlässi- ge Zahlen für Kosten-Nutzen-Analysen vor. Die neueste und umfassendste Ana- lyse stammt von Bergmann und Horch (2). Im Textkasten wird ein Gesamt- überblick über die Kosten gegeben. In der Regel wird zwischen den direkten Ko- sten, die den Ressourcenverbrauch, das heißt vor allem die Aufwendungen für die Behandlung darstellen, und den indi- rekten Kosten, die sich im Wesentlichen aus dem Verlust an Produktivität zusam- mensetzen, unterschieden. Die direkten Kosten machen etwa 40 Prozent der Ge- samtkosten aus. Den größten Einzelpo- sten stellen hier Krankenhausaufenthal-

te mit 3,75 Mrd. DM dar. Wenn man alle Behandlungsmaß- nahmen suchtspezifischer Art einschließlich vorbeugender Maßnahmen zusammenrech- net, ergibt sich für Deutschland ein Wert von 6,1 Mrd. DM. Un- gewöhnlich hoch erscheinen dagegen die Kosten für Kran- kentransporte von 388 Mio.

DM, die aber wahrscheinlich durch eine Pauschalberech- nung von zehn Prozent der ge- samten Kosten in diesem Be- reich zustande gekommen sind. Die anderen Posten er- scheinen durchaus plausibel.

Bei den indirekten Kosten nimmt die Mortalität bei wei- tem den größten Stellenwert mit 13,7 Mrd. DM ein. Die Be- rechnung erfolgt hauptsächlich über den Ausfall an Erwerbs- jahren. Die zugrunde liegende Berechnung basiert auf einem Katalog von Krankheiten (9, 31), der an deutsche Verhält- nisse angepasst wurde. Ausgehend von relativen Risiken für die verschiedenen Gruppen von Alkoholkonsumenten (ri- sikoarm, riskant, gefährlich) und den zu- gehörigen Prävalenzwerten wurden für jede Diagnose so genannte ätiologische Fraktionen (AAF) gebildet. Wenn es sich zum Beispiel um eine Alkohol- psychose als Todesursache handelt, dann beträgt die ätiologische Alkoholfraktion 100 Prozent. Bei der Todesursache isch- ämische Herzkrankheiten ergeben sich für einen risikoarmen Konsum negative Werte, die epidemiologisch auf eine Schutzfunktion eines risikoarmen Alko- holkonsums für diese Todesursachen hinweisen. Die geschätzten Gesamtko- sten belaufen sich auf rund 40 Mrd. DM und stellen nach Aussagen der Autoren eher eine Untergrenze für die tatsächli- chen Kosten dar. So wurden beispiels- weise die Kosten alkoholbedingter De- likte nicht berücksichtigt. Auf den mögli- chen Nutzen eines Alkoholkonsums wurde in dieser Studie nicht eingegan- gen. Bei einer Nutzen-Berechnung kann zwischen dem volkswirtschaftlichen Nut- zen und protektiven gesundheitlichen Effekten des Alkoholkonsums unter- schieden werden. Beim volkswirtschaftli- chen Nutzen geht es hauptsächlich um Grafik 2

Sterblichkeit infolge Schlaganfall bei Männern und Alkohol- konsum. Ergebnisse aus sieben Studien (8). Edwards G et al.:

Alkohol policy and the public good. Oxford Medical Publica- tions 1994; 56; Abb. 3.3. Mit freundlicher Genehmigung von Oxford University Press.

(7)

die Beschäftigung von Mitarbeitern und um den Umsatz der alkoholproduzieren- den Industrie und die Steuereinnahmen.

Nach den Angaben des Bundesverban- des der deutschen Spirituosenindustrie und Importeure (5) waren im Jahr 1999 insgesamt 69 790 Beschäftigte mit einem Gesamtumsatz von 30,0 Mrd. DM in der Alkoholproduktion und im Alkoholver- trieb tätig. In dem Gesamtumsatz ist die Alkoholbesteuerung mit 7,16 Mrd. DM enthalten, die im Vergleich zur Tabak- steuer mit 22,8 Mrd. und der Mineralöl- steuer mit 71,3 Mrd. DM deutlich darun- ter liegt. Ungewöhnlich ist bei der Alko- holbesteuerung, dass die Weinprodukti- on im Gegensatz zur Bierproduktion und zur Spirituosenproduktion nicht speziell besteuert wird. Für die protektiven ge- sundheitlichen Effekte des Alkoholkon- sums gibt es in Deutschland keine ver- fügbaren Zahlen. Als Beispiel für die et- was ungewöhnliche Gegenüberstellung seien Zahlen von Kanada für das Jahr 1992 erwähnt (20). Hier wurden 6 701 Todesfälle auf Alkoholkonsum als To- desursache zurückgeführt. Dem stehen 7 401 verhinderte Todesfälle gegenüber.

Diese ergeben sich hauptsächlich aus der protektiven Wirkung eines geringen risi- koarmen Alkoholkonsums bei korona- ren Herzerkrankungen und bei ischämi- schen Schlaganfällen. Bei einer eventuel- len Verrechnung solcher Zahlen muss betont werden, dass die alkoholbeding- ten Todesfälle in jedem Fall vermieden werden könnten und die durch einen risi- koarmen Konsum verhinderten Todes- fälle davon nicht berührt werden. Wenn man die verhinderten Todesfälle auf die gewonnenen, beziehungsweise verlore- nen Lebensjahre bezieht, dann zeigt sich, dass die alkoholbedingten Todesfälle mit 186 257 verlorenen Lebensjahren sehr viel stärker zu Buche schlagen, als die verhinderten oder eingetretenen alko- holbedingten Todesfälle mit insgesamt 88 656 gewonnenen Lebensjahren. Auch ein Vergleich der damit verbundenen, beziehungsweise vermiedenen Hospita- lisierungen zeigt klar, dass die alkoholbe- dingte Ursache dieser Störungen mit 86 076 Hospitalisierungen sehr viel stär- ker in Erscheinung tritt, als die Anzahl der vermiedenen Hospitalisierungen mit 45 414. Ein Gesamtvergleich von Kosten und Nutzen des Alkoholkonsums ergibt in jedem Fall ein sehr hohes Ausmaß an

Kosten im Vergleich zu dem geschätzten Nutzen. Alkohol bleibt nach dem Rau- chen der Risikofaktor Nummer 1 für ver- schiedenste Erkrankungen mit einer klar negativen Kosten-Nutzen-Bilanz.

Manuskript eingereicht: 10. 9. 2001, revidierte Fassung an- genommen: 6. 11. 2001

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 936–945 [Heft 14]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. phil. Dipl.-Psych. Heinrich Küfner IFT-Institut für Therapieforschung Parzivalstraße 25, 80804 München E-Mail: kuefner@ift.de

In der Serie Alkoholismus sind bisher erschienen:

Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit Prof. Dr. med. Rainer Tölle

Dtsch Arztebl 2001; 98: A 1957 [Heft 30]

Das Alkoholproblem in der Medizingeschichte Prof. Dr. med. Dr. phil. Heinz Schott

Dtsch Arztebl 2001; 98: A 1958–1962 [Heft 30]

Alkoholassoziierte Organschäden Befunde in der Inneren Medizin, Neurologie und Geburtshilfe/Neonatologie

Prof. Dr. med. Manfred V. Singer, Priv.-Doz. Dr. med. Stephan Teyssen Dtsch Arztebl 2001; 98: A 2109–2120 [Heft 33]

Neurobiologie der Alkoholabhängigkeit Prof. Dr. med. Karl F. Mann

Dtsch Arztebl 2001; 98: A 2279–2283 [Heft 36]

Missbrauch oder Abhängigkeit von Alkohol Frühdiagnostik und Frühintervention in der Praxis Prof. Dr. phil. Ulrich John

Dtsch Arztebl 2001; 98: A 2438–2442 [Heft 38]

Beziehung von Alkoholismus, Drogen und Tabakkonsum

Priv.-Doz. Dr. med. Anil Batra

Dtsch Arztebl 2001; 98: A 2590–2593 [Heft 40]

Psychische und soziale Folgen chronischen Alkoholismus

Prof. Dr. med. Michael Soyka

Dtsch Arztebl 2001; 98: A 2732–2736 [Heft 42]

Neue ärztliche Aufgaben bei Alkoholproblemen Von der Behandlungskette zum Behandlungsnetz Prof. Dr. med. Karl F. Mann

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 632–644 [Heft 10]

Alkoholabhängigkeit bei jungen Menschen Prof. Dr. med. Dr. phil. Helmut Remschmidt Dtsch Arztebl 2002; 99: A 787–793 [Heft 12]

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 99½½Heft 14½½5. April 2002 AA945

Kosten-Nutzen-Analyse des Alkoholkonsums

Nutzen

Volkswirtschaftlicher Nutzen (BSI, 2000) Umsatz in Milliarden

DM Beschäftigte, Produktion

67 566 Beschäftigte 27,9

Alkoholbesteuerung 7,16

Zum Vergleich:

Tabaksteuer 22,8

Mineralölsteuer 71,28

Protektive gesundheitliche Effekte – Keine Zahlen für Deutschland verfügbar

Beispiel Kanada 1992 (Rehm et al., 1997):

6 701 Todesfälle mit Alkoholursache 7 401 verhinderte Todesfälle Dies entspricht

– 88 656 gewonnene Lebensjahre versus 186 257 verlorene Lebensjahre

– 45 414 vermiedene Hospitalisierungen versus 86 076 verursachte Hospitalisierungen Kosten* (2)

Direkte Kosten (Ressourcenverbrauch circa 40 % der Gesamtkosten)

In Millionen DM

Krankenhausaufenthalte 3 753*

Stationäre medizinische

Rehabilitation 621

Ambulante medizinische

Rehabilitation 20

Ambulante Behandlung 1 992

Vorbeugende und betreuende

Maßnahmen 3 479

Ausbildung und Forschung 819

Verwaltungs- und

Investitionsausgaben 2 093

Krankentransporte 388

Sterbegeld 84

Sachschaden 1 954

Arbeits- und Wegeunfall 1 899 Direkte Kosten gesamt 15 833 Indirekte Kosten

Verlust an Produktivität (60 % der Gesamtkosten)

Mortalität 13 725*

Arbeitsunfähigkeit 1 729

Frühberentungen 6 075

Arbeits- und Wegeunfall 1 360 Indirekte Kosten gesamt 23 372

Kosten gesamt 39 205

* Die Kosten für alkoholbedingte Delinquenz wurden nach Angaben der Autoren (2) nicht berücksichtigt

Textkasten

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