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Archiv "Pseudo-Krupp: Luftverunreinigung als Auslöser?: Stellungnahme" (04.06.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

AUSSPRACHE

Stellungnahme

Mit

seinem Beitrag übt Herr Wich- mann indirekt Kritik am Editorial von Hoffmeister et al. in Heft 6/1985 und weist darauf hin, daß es Arbeiten gibt, „die in metho- disch einwandfreier Weise den Zu- sammenhang zwischen kindlichen Atemwegserkrankungen (ein- schließlich Pseudokrupp) und Luftschadstoffen aufgezeigt ha- ben." Er zitiert den 8. Kriterien- band der WHO sowie die epide- miologischen Untersuchungen im Rahmen der amerikanischen CHESS-Studie. Zu diesen Untersu- chungen wird ausgeführt, daß die an der CHESS-Studie bekannter- maßen allgemein geübte Kritik für den Teil der Kinderuntersuchun- gen nicht zutrifft. Insbesondere wird von Wichmann der erheb- liche Unterschied der Pseudo- kruppfälle zwischen „niedrig" und

„hochbelasteten" Gebieten im Salt Lake Basin herausgestellt.

Diese Aussage kann zu Mißver- ständnissen führen. In dem offi- ziellen Prüfbericht des US-Reprä- sentantenhauses zur CHESS-Stu- die*) wird an der von Wichmann zi- tierten Kinderuntersuchung ge- nauso massiv Kritik geübt wie an den übrigen Teilen der Studie, und zwar unter anderem mit folgender Begründung:

f In der CHESS-Studie werden Häufigkeiten der Erkrankung der unteren Atemwege innerhalb und zwischen Salt Lake Basin sowie Gebieten in den Rocky Mountains mit den Belastungen durch Schwefeldioxid und Sulfatpartikel verglichen. Bei diesem Vergleich ist zu berücksichtigen, daß die Schwefeldioxiddaten für den Ex- positionszeitraum nicht aus Im- missionsmessungen, sondern aus

der Emission der in den Untersu- chungsgebieten ansässigen Kup- ferhütten abgeleitet und die Sul- fatdaten wiederum aus den ge- schätzten Schwefeldioxiddaten abgeschätzt wurden.

Hierfür stand zum Beispiel in dem (höchstbelasteten) Gebiet von Ma- gna/Salt Lake Basin eine einjähri- ge Meßreihe an Schwefeldioxid zur Verfügung, die auf den Ge- samtuntersuchungszeitraum mit Hilfe der Emissionsdaten hochge- rechnet wurde, ohne meteorolo- gisch bedingte unterschiedliche Ausbreitungsverhältnisse von Jahr zu Jahr auch nur im Ansatz zu be- rücksichtigen. Am problematisch- sten ist jedoch zu werten, daß im Vergleichsjahr infolge Streik die Emission der Kupferhütte in Ma- gna über insgesamt acht Wochen im Sommer, mit spezifischen Aus- breitungsbedingungen während dieser Zeit, nahezu Null war. Fer- ner wurden bei der zur Hütten- emission proportionalen Hoch- rechnung Emissionsanteile aus benachbarten Gebieten (= Hinter- grundbelastung) außer acht gelas- sen. Schließlich wurde offensicht- lich noch die Emission von Schwefel mit der von Schwefel- dioxid (2faches Molekularge- wicht!) verwechselt. In Anaconde/

Rocky Mountainswurden sogar Im- missionen mit der Bleikerzenme- thode (relative Raten- statt Konzen- trationsmessungen) mit Emissio- nen einer benachbarten Hütte ver- glichen. Immerhin sind die Auto- ren der CHESS-Studie so ehrlich, daß sie selber bekennen: „A ma- jority of the pollution exposure da- ta in both studies were estimated from emissions data. The degree to which these give reasonable es- timates of individual exposures may be questionable" (Seite 7 bis

9 in der Zusammenfassung der CHESS-Studie).

C Die epidemiologischen Daten wurden so erhoben, daß Mütter von Kindern unter 12 Jahren mit- tels Fragebogen unter anderem gefragt wurden, wie oft ihre Kinder während der zurückliegenden Jahre von einer Pseudokrupper- krankung betroffen gewesen wa- ren. Wegen des retrospektiven Charakters der Studie wird die Va- lidierung der Daten in dem bereits zitierten Prüfbericht als kritisch angesehen. Tatsächlich haben Schwestern (nicht die behandeln- den Ärzte, wie von Wichmann an- gegeben) dann Überprüfungen der von den Müttern angeführten Diagnose vorgenommen, wenn im Fragebogen ein entsprechender positiver Hinweis vorlag. Damit waren Verfälschungen des stati- stisch erhobenen Materials, die durch wohnortgebundene unter- schiedliche Motivationen der Müt- ter begründet waren, natürlich nicht ausgeschlossen. Die Auto- ren der CHESS-Studie sind wie- derum so ehrlich, einschränkend zuzugeben: „The recall ability of the parents could affect the valid- ity of the data, as could the degree of cooperation of the parents"

(Seite 7 bis 9 in der Zusammenfas- sung der CHESS-Studie).

e

Die originär erhobenen Häufig- keiten innerhalb der unterschied- lich belasteten Gebiete wurden aufgrund eines linearen Modells hinsichtlich Alter, Geschlecht und sozioökonomischer Einschätzung der Mutter standardisiert. Für die statistische Gültigkeit dieses Ver- fahrens wird keine Prüfgröße an- gegeben. Die standardisierten Häufigkeiten, die höher sind als die ursprünglichen, sind zwar im höchstbelasteten Gebiet von Salt Lake Basin sowie denen der Rok- ky Mountains höher als im jeweils niedrigstbelasteten Gebiet, jedoch nicht in strikter Übereinstimmung zur Luftverunreinigung, wenn die mittelbelasteten Gebiete mit be- trachtet und wenn Salt Lake Basin

*) Literatur vom Verfasser anzufordern

Pseudo-Krupp:

Luftverunreinigung als Auslöser?

Zu dem Beitrag von Privatdozent Dr. med. Dr. rer. nat.

Heinz E. Wichmann in Heft 41/1985, Seiten 2979 bis 2982

1700 (56) Heft 23 vom 4. Juni 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Pseudo-Krupp

mit den Gebieten der Rocky Mountains verglichen werden. Der Prüfbericht des US-Repräsentan- tenhauses schließt daher, daß zwar in der Umgebung von Hüt- tenanlagen, deren Belastung mit geschätzten 92 jtg S0 2/m 3 im Fall von Salt Lake Basin fast doppelt und in den Rocky Mountains mit geschätzten 177 [.ig S0 2/m 3 sogar fast viermal so hoch liegt wie im Ruhrgebiet, eine erhöhte Erkran- kungshäufigkeit auftreten mag, daß aber zahlreiche Inkonsisten- zen bestehen, die wohl auch mit dem beschränkten Vermögen der Mutter zusammenhängen, sich präzise an die dreijährige Krank- heitsgeschichte ihrer Kinder zu er- innern.

In dem von Wichmann ebenfalls zitierten Kriteriendokument der WHO über Schwefeloxide und Schwebstäube, an dessen Erar- beitung der Verfasser dieser Stel- lungnahme mit achtzehn anderen international berufenen Experten beteiligt war, wird in einem beson- deren Kapitel ebenfalls kritisch zur CHESS-Studie Stellung genom- men. Diese Kritik betrifft auch in ausdrücklicher Weise die von Wichmann erwähnten Kinderstu- dien. Die Arbeitsgruppe kommt daher zu dem Schluß (Seite 83): „lt was the opinion of the WHO Task Group that these data could not be used for the estimation of an expo- sure-effect relationship".

Leider ist im Umweltschutz eine überschnelle wissenschaftliche Schlußweise Mode geworden. Nur für wenige besteht jedoch die Möglichkeit, ein gründliches Quel- lenstudium zu betreiben, so daß der Normalleser auf Gedeih und Verderben den publizierten Mei-

nungen einiger „Experten" ausge- liefert ist. Um so wichtiger scheint es daher zu sein, ab und zu den Dingen auf den Grund zu gehen, was mit dieser Stellungnahme ex- emplarisch beabsichtigt war.

Dr. Bernhard Prinz

Landesanstalt für Immissionsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen Wallneyer Straße 6, 4300 Essen 1

Schlußwort

In seiner Stellungnahme setzt sich Herr Prinz kritisch mit den von mir zitierten amerikanischen CHESS- Studien auseinander, welche an- geben, daß das Krupp-Syndrom (auch nach Berücksichtigung des Einflusses von Alter, Geschlecht und Sozialstatus) in stärker bela- steten Gebieten 1,5- bis 3mal so häufig wie in weniger belasteten Gebieten aufgetreten ist. Er greift dabei die Diskussion auf, die in den USA Mitte der 70er Jahre hin- sichtlich der Frage geführt wurde, ob sich aus diesen Studien Grenz- werte für SO 2 und partikelförmige Substanzen ableiten lassen. Unab- hängige Gutachtergremien kamen zu dem Ergebnis, daß dies wegen der unzureichenden Qualität der Immissionsdaten nicht möglich sei, waren ansonsten aber der Auf- fassung, daß die CHESS-Studien keine systematischen Verzerrun- gen enthalten und daß die epide- miologischen Daten die gesund- heitlichen Risiken von Luftschad- stoffen deutlich machen. Ich habe mich mit den damals vorgetrage- nen Argumenten detailliert in ei- ner Übersichtsarbeit (Staub-Rein- haltung der Luft 45 [1985]

580-586) auseinandergesetzt, auf die ich verweisen darf.

Nun zu den Argumenten von Herrn Prinz im einzelnen:

Zu 1: Seine Kritik an den in den CHESS-Studien verwandten Im- missionsdaten, die sicher nicht den bei uns üblichen Qualitätsan- forderungen entsprechen, ist be- rechtigt und wird von mir geteilt.

Der Vollständigkeit halber sollte man aber erwähnen, daß die Rangfolge der einzelnen Untersu- chungsgebiete hinsichtlich der Belastung durch Luftschadstoffe, wie sie in den CHESS-Studien an- gegeben wurde, in späteren Meß- programmen bestätigt wurde. Ge- nerell neigt Herr Prinz zu einer Überbewertung meßtechnischer Aspekte. So kritisiert er ausführ- lich, daß im (höchstbelasteten) Gebiet von Mag na/Salt Lake Basin im Vergleichsjahr die Emission

wegen Streik über acht Wochen im Sommer nahezu Null war, was bei der Auswertung nicht berück- sichtigt worden sei. Dieser Kritik- punkt ist formal berechtigt, für das Krupp-Syndrom aber irrelevant, denn (1) tritt dieses unabhängig von allen Luftschadstoffen aus meteorologischen und virologi- schen Gründen im Sommer nur selten auf, (2) wurden die Erkran- kungshäufigkeiten über einen Zeitraum von vier Jahren erfaßt, so daß der Wegfall der Belastung für acht Wochen nicht als bedeutend angesehen werden kann und (3) geht das Argument in Hinblick auf die Fragestellung in die umge- kehrte Richtung, weil der Einfluß, der den Luftschadstoffen angela- stet wird, hierdurch allenfalls un- ter- nicht aber überschätzt worden wäre.

Zu 2: Zu den epidemiologischen Daten bemerkt Herr Prinz, daß die Validität der Elternangaben wegen möglicher Erinnerungsschwächen kritisch zu bewerten sei. Auch dies ist prinzipiell richtig, es ist aber zu fragen, ob das hierdurch erhöhte statistische Rauschen nicht eher zu einer Verwischung von Unter- schieden führt; wieso es zu einem selektiven Vortäuschen von Bela- stungseffekten führen sollte, ist unklar. Um den „Recall Bias" zu verringern, wurden im übrigen die Elternangaben anhand von Ärzte- diagnosen validiert, und dabei ist es unerheblich, ob diese Aufgabe zum Teil vom medizinischen Hilfs- personal ausgeführt wurde (zumal Schwestern in der Regel deutlich sorgfältiger dokumentieren als Ärzte). Ferner wurde in den Stu- dien die Ähnlichkeit der demogra- phischen Zusammensetzung der Untersuchungsgebiete ausführ- lich untersucht, um potentielle Fehlinterpretationen zu vermei- den.

Zu 3: Die fehlende Angabe einer statistischen Prüfgröße mag be- dauerlich sein, sollte aber wohl nicht überbewertet werden. Wich- tiger ist der Hinweis, daß ein Teil der Daten gewisse Inkonsistenzen aufweist — dennoch bleiben die

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 23 vom 4. Juni 1986 (59) 1701

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