M E N DER ZEIT AUFSÄTZE/BERICHTE
Eine jetzt abgeschlossene Studie des Bundesforschungsministeriums (BMFT) liefert neue Erkenntnisse über die Belastung von Wohnräumen durch textile Beläge. Die Untersu- chungen zeigen, daß nicht die Textil- fasern der Teppichböden, sondern de- ren Fixierschicht (Vorstrich und Gummirücken) die Hauptquelle für mögliche gesundheitsschädliche Stof- fe sind. Den größten Marktanteil ha- ben in Deutschland derzeit Tep- pichböden mit Polyamidfasern und einem Styrol-Butadien-Gummi- rücken beziehungsweise einem tex- tilen Zweitrücken. In den Ausgasun- gen dieser textilen Bodenbeläge wur- den insgesamt 116 chemische Verbin- dungen identifiziert, die meist in sehr geringen Konzentrationen auftraten und nur durch Einsatz sehr empfindli- cher Untersuchungsmethoden nach- weisbar waren. So wurden die klimati- schen Verhältnisse in Innenräumen möglichst realitätsnah (Temperatur, Luftfeuchte und -austausch) in spezi- ellen Prüfkammern simuliert.
Die Vielzahl der Verbindungen und Verbindungsklassen überraschte die Fachleute, da sowohl der Vor- strich als auch der Gummirücken der untersuchten Teppichböden im Grun- de genommen nur aus den chemi- schen Verbindungen Butadien und Styrol aufgebaut sind. Diese beiden Grundbausteine werden durch den Vulkanisationsvorgang miteinander vernetzt und gleichzeitig aufge- schäumt, wobei der eigentliche Gum- mischaumrücken entsteht. Auf der Suche nach der Quelle für die ande- ren Emissionsprodukte — zum Bei- spiel die relativ hohen Toluolkonzen- trationen — zeigte sich, daß das zur Herstellung eingesetzte großtechni- sche Styrol mit einer Vielzahl von ver- wandten Verbindungen, den Alkyl- benzolen, verunreinigt ist. Andere der nachgewiesenen Chemikalien er- klären sich durch die Beimischung von Latex, das den Vulkanisations-
prozeß beschleunigt und als Alte- rungsschutzmittel dient. Während die Konzentration flüchtiger Verbindun- gen, wie zum Beispiel Toluol, inner- halb weniger Tage rasch abnimmt, können andere Verbindungen noch nach Wochen in den Ausgasungen nachgewiesen werden.
Auch wenn die bei den Untersu- chungen festgestellten Chemikalien- konzentrationen vergleichsweise ge- ring sind und weit unterhalb der Grenzwerte liegen, die an gewerbli- chen Arbeitsplätzen erlaubt sind, bleibt die Frage offen, ob die Ausga- sungen aus Teppichböden gesund- heitlich unbedenklich sind, da über die Wirkung von organischen Verbin- dungen in geringen Konzentrationen und insbesondere über die Wirkung von komplexen Chemikaliengemi- schen noch zu wenig bekannt ist.
Vor einigen Jahren haben sich die deutschen und ein Großteil der eu- ropäischen Hersteller von Teppichbö- den zusammengeschlossen und für ih- re Ware ein Gütesiegel „schadstoffge- prüft" herausgegeben. Die Aussage- kraft dieses Gütesiegels ist allerdings umstritten. So garantieren die Her- steller von Teppichböden zwar, daß ihre Materialien frei von Penta- chlorphenol und Asbest sind. Das ist jedoch in Deutschland ohnehin be- reits gesetzlich vorgeschrieben.
Außerdem werden die meisten der in dem Forschungsvorhaben ge- messenen Chemikalien von den Be- stimmungen des Gütesiegels nicht er- faßt. Wünschenswert ist, daß für die Herstellung von Teppichböden künf- tig reinere Ausgangsstoffe eingesetzt werden, um die Ausdünstungen zu re- duzieren. Damit würde sich die Be- schreibung der Qualität eines Tep- pichbodens nicht nur durch seine Ma- terialeigenschaften, wie Strapazier- fähigkeit oder Gehkomfort, sondern auch durch seine geringen Ausdün- stungen von Chemikalien auszeich- nen. EB von ihren Bewohnern als nicht ver-
äußerbares Erbeigentum übernom- men werden. Nach der Wiederverei- nigung bezog die Bundeswehr das ehemalige NVA-Gelände.
Anspruch auf Rückerstattung des gesamten ehemaligen Gutsbesit- zes machte nunmehr die Kassenärzt- liche Vereinigung Mecklenburg-Vor- pommern als Rechtsnachfolgerin der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands geltend. Geplant sei, so Dr. Dietrich Thierfelder, Vorsitzen- der der KV Mecklenburg-Vorpom- mern, auf dem Gelände in Kooperati- on mit anderen KVen eine offene Be- gegnungsstätte einzurichten, die ins- besondere der Zusammenarbeit mit Gesundheitspolitikern Osteuropas dienen solle.
Von der Oberfinanzdirektion als Vermögenszuordnungsstelle wurde der Anspruch der KV Mecklenburg- Vorpommern jedoch nicht aner- kannt, weil keine „Funktionsnachfol- ge" zu erkennen sei, und der Grund- besitz teils der Bundeswehr, teils der Gemeinde zugesprochen. Über den gegen diese Entscheidung eingeleg- ten Einspruch der Kassenärztlichen Vereinigung wird nun das Verwal- tungsgericht in Greifswald zu ent- scheiden haben.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärzteb11995; 92: A-1588-1591 [Heft 22]
Fundstellen zu den kursiv gesetzten Zitaten:
(1) Rundschreiben Nr. 16 der KVD vom 7.
Mai 1935. — (2) „Alt-Rehse-Lied", Deutsches Ärzteblatt, 1936, S. 26. — (3) „Alt-Rehse. Be- richt über den Kurs vom 26. Mai bis 6. Juni", Deutsches Ärzteblatt, 1935, S. 635. — (4) Paul Sperling, PG Äskulap (unveröffentlichtes Manuskript), S. 26. — (5) Aussage von Kurt Blome, stellvertretender Reichsärzteführer, im. Rahmen des Nürnberger Ärzteprozesses, 5. Dezember 1946. — (6) Ansprache von Hans Deuschl bei der feierlichen Eröffnung von Alt-Rehse, Deutsches Ärzteblatt, 1935, S.
560. — (7) Einführungsvortrag zu den Kursen in Alt-Rehse, Deutsches. Ärzteblatt, 1935, S.
563ff. — (8) Deutsches Ärzteblatt, 1937, S.
10. — (9) Deutsches Ärzteblatt, 1935, S.
567. — (10) Rundschreiben Nr. 21 der KVD vom 27. Mai 1935. — (11) Deutsches Ärzte- blatt, 1936, S. 8. — (12) Paul Sperling, PG As- kulap (unveröff. Ms.), S. 25f. — (13) Schrei- ben des Arztes zit. bei Paul Sperling, PG As- kulap (unveröff. Ms.), S. 46.
Anschrift des Verfassers:
Thomas Gerst Ottostraße 12 50858 Köln
BMFT-Stuc ie zur Luftverunreinigung in Innenräumen
Ausgasungen
durch Teppichböden
Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 22, 2. Juni 1995 (49) A-1591