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Archiv "Medizinische Versorgungszentren: Aktiengesellschaften müssen draußen bleiben" (07.10.2011)

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A 2064 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 40

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7. Oktober 2011

MEDIZINISCHE VERSORGUNGSZENTREN

Aktiengesellschaften müssen draußen bleiben

Ginge es nach dem Bundesgesundheitsministerium, dürfen zukünftig nur noch Ärzte und Krankenhäuser MVZ gründen. Damit soll

ärztliche Unabhängigkeit bei der Therapiewahl gewährleistet werden.

S

eit es Medizinische Versor- gungszentren (MVZ) gibt, wird über die Unabhängigkeit der medizinischen Entscheidungen der angestellten Ärzte diskutiert. Vor allem die Beteiligung von aus- schließlich ökonomisch motivier- ten Kapitalgebern wird kritisch ge- sehen: „In einem MVZ, das über- wiegend oder ausschließlich mit Fremdkapital finanziert wird, be- steht die Gefahr, dass sich die Be- handlung der Patienten nicht pri- mär an den medizinischen Anforde- rungen orientieren kann, sondern wirtschaftliche Interessen die medi- zinischen Belange überlagern und dominieren“, erklärten beispiels- weise die Kassenärztliche Bundes- vereinigung und Bundesärztekam- mer in einem gemeinsamen Gesetz-

gebungsvorschlag zur Organisation der MVZ. Es drohe der Verlust ärztlicher Diagnose- und Therapie- freiheit.

Keine MVZ-Gründungen durch dritte Träger

Die aktuelle Regierung ist der glei- chen Auffassung: Schon im Koali - tionsvertrag hatte sie angekündigt, dass MVZ nur von Ärzten ge- führt werden sollten. Mit dem kom- menden Versorgungsstrukturgesetz (VStG) will man dies nun umset- zen: Zukünftig sollen nur noch Ver- tragsärzte und Krankenhäuser ein MVZ gründen dürfen und in Aus- nahmefällen gemeinnützige Träger.

Damit soll die Unabhängigkeit ärzt- licher Entscheidungen gesichert werden. „Die Leitung der medizini-

schen Versorgung des MVZ muss rechtlich und faktisch in ärztlicher Hand liegen.“

Der Bundesverband Medizini- sche Versorgungszentren – Gesund- heitszentren – Integrierte Versor- gung (BMVZ) kritisiert in einer Stellungnahme den Gesetzesvor- schlag: Es fehle eine sachliche Grundlage für eine Selektion von MVZ-Trägern. Dabei beruft sich der Verband auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion (Druck- sache 17/3131). Danach gibt es kei- ne Hinweise dafür, dass Kapitalge- ber ärztliche Entscheidungen beein- flussen würden. Auch lagen keine Daten vor, die eine bessere Behand- lungsqualität an nur von Ärzten ge- führten MVZ zeigen würden.

Foto: Reinhold Schlitt

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Deutsches Ärzteblatt

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7. Oktober 2011 A 2065 Der BMVZ hat auf die im Versorgungsstrukturge-

setz geplanten Änderungen zur Trägerschaft von Medizinischen Versorgungszentren reagiert und ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Die vor- gesehenen Beschränkungen auf Ärzte und Kran- kenhäuser bei der Gründung von MVZ seien „so- wohl verfassungswidrig als auch europarechts- widrig“, stellten die Rechtsanwälte Prof. Dr. Ru- pert Scholz und Dr. Reimar Buchner darin fest.

Damit würde sowohl die Berufswahlfreiheit be - einträchtigt als auch das Gleichheitsgrundrecht verletzt.

Zwar sei die Sicherstellung der Unabhängig- keit der medizinischen Versorgung ein legitimes Allgemeinwohl. Die geplante Gesetzesänderung

sei jedoch ungeeignet, um dies zu erreichen, so die Einschätzung der Juristen.

Zu einem ähnlichen Urteil kommt der Deut- sche Anwaltverein (DAV): Die Rechtsform des Unternehmens und die Eigentümerstruktur seien kein sicheres Indiz dafür, ob angestellte Ärzte ihre Entscheidungen nur nach medizinischen Kriterien treffen. „Auch in Krankenhäusern börsennotierter Aktiengesellschaften werden von angestellten Ärzten ärztliche Entscheidungen getroffen. Hierin sieht der Gesetzgeber aber offensichtlich keine Gefahr für die Unabhängigkeit der ärztlichen Ent- scheidungen, da sonst auch der Betrieb von Krankenhäusern ähnlich beschränkt werden müsste“, erklärt der DAV in einer Stellungnahme.

VERFASSUNGSRECHTLICHE BEDENKEN

Würde das VStG wie bisher ge- plant umgesetzt, wären nicht nur Aktiengesellschaften von der Trä- gerschaftsbeschränkung betroffen, so der BMVZ. Alle sogenannten dritten Träger, darunter auch Ver- tragspsychotherapeuten, Vertrags- zahnärzte und Hochschulambulan- zen, dürften kein MVZ mehr grün- den. „Dabei handelt es sich um ori- ginäre Leistungserbringer, deren Ausschluss folglich weder begrün- det noch sachgerecht ist“, heißt es dazu in der Stellungnahme des BMVZ. Zurzeit werden knapp 20 Prozent der MVZ von dritten Trä- gern betrieben (Quelle: KBV, Stand 31. Dezember 2010).

Entsprechend kontrovers wurde das Thema auch auf dem 5. Jahres- kongress des BMVZ diskutiert. Jörn Schröder-Printzen, Rechtsberater des BMVZ, wies in seinem Vortrag auf die rechtlichen Probleme des Ge- setzentwurfs hin: Die Regelung sei so, wie sie vorliegt, verfassungs - widrig. Dies bestätigten auch zwei Rechtsgutachten (Kasten), die Kon- flikte mit der Berufswahlfreiheit und dem Gleichheitsgrundrecht se- hen. Schröder-Printzen stellte je- doch klar, dass sich „keine ernsthaf- ten Probleme aus praktischer Sicht“

ergeben würden, wenn die Befug- nisse zur MVZ-Gründung so umge- setzt würden.

Lars Lindemann (FDP), Mitglied des Gesundheitsauschusses des Bun- destags, erklärte, dass dem Bundes-

gesundheitsministerium (BMG) die Gutachten zwar bekannt seien: „Das BMG teilt diese Rechtsauffassung jedoch nicht.“

Neben den Änderungen bei der Trägerschaft sieht das VStG noch weitere Regelungen vor, die MVZ betreffen: Unter anderem soll zukünftig der ärztliche Leiter eines MVZ dort auch als ange- stellter Arzt oder Vertragsarzt tätig sein müssen. „Das ist eher ein organisatorisches Problem“, erklärte Dr. med. Bernd Köppl, Vorsitzender des BMVZ. Vor allem bei MVZ mit mehreren Außenstellen, aber einem ge- meinsamen ärztlichen Leiter, könnte es schwierig werden.

„Das ist aber lösbar“, so Köppl.

Nachbesetzungen werden schwieriger Problematischer ist hingegen eine Neuregelung bei der Ver - legung von Praxissitzen: Der Standort einer Praxis dürfte dann nur noch verlegt werden, wenn dadurch die Versorgung am vorherigen Standort nicht gefähr- det wird. Die Entscheidung darüber fällt der jeweilige Zulassungsaus- schuss. Die Verlegung von Praxis- sitzen ist allerdings für MVZ eine der wenigen Möglichkeiten, um sich zu vergrößern. Der BMVZ be- fürchtet, dass durch diese Regelung die Entwicklung von MVZ zukünf- tig davon abhängt, ob der zustän -

dige Zulassungsausschuss MVZ- freundlich ist oder nicht. Denn auch bei Nachbesetzungen seien MVZ im Nachteil, so der Verband, da sie durch die Kriterien für die Vergabe von Praxissitzen nachran- gig berücksichtigt würden.

Ebenfalls weitreichende Fol- gen ergeben sich aus den geplanten Änderungen beim Nachbesetzungsverfahren: Hier ist laut VStG-Entwurf vorgese- hen, dass Praxissitze in über- versorgten Gebieten von der Kassenärztlichen Vereinigung aufgekauft werden können.

Dies würde sich nach Ein - schätzung des Verbands deut- lich auf die Planungssicherheit der MVZ-Betreiber auswirken.

Stellen eines MVZ werden häufiger nachbesetzt als Sitze von Niedergelassenen, wo- durch sie von dieser Regelung auch stärker betroffen wären.

Für nicht mehrheitlich von Ärzten geführte MVZ gibt es darüber hinaus noch eine weitere Verschärfung: Erhalten sie den Zu- schlag für einen Sitz, hat ein sich mitbewerbender Vertragsarzt trotz- dem ein Vorkaufsrecht. Nur wenn dieses nicht in Anspruch genommen wird, erhält das MVZ endgültig den Zuschlag.

„Im Gesetz wird der Status der KV aufgewertet. Dadurch gibt es auf unserer Seite viele Ängste, die auch gerechtfertigt sind“, sagte Köppl. „Wie scharf das nachher ausgelegt wird, müssen wir abwar- ten.“ Die Befürchtungen zeigen sich auch in einer Umfrage des BMVZ unter seinen Mitgliedern.

Diese gaben Nachbesetzungssorgen schon jetzt als ihr größtes Problem an. In den vergangenen Jahren be- reiteten den MVZ-Betreibern vor al- lem die Regelungen der Vergütung erbrachter Leistungen am meisten Sorgen.

„Wenn das Gesetz so verabschie- det wird, wie es jetzt ist, wird der Rechtsrahmen für MVZ enger, das muss man ganz klar sagen“, räumte Lindemann ein. Je nach KV würde sich das sicherlich anders auswirken.

„So schlimm wie befürchtet wird es nicht werden“, so Lindemann.

Dr. rer. nat. Marc Meißner

„Es gibt berech- tigte Ängste“ – fasst Bernd Köppl, Vorstand des BMVZ, die Stimmung unter den MVZ-Betreibern zusammen.

Foto: BMVZ

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