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Archiv "ENDZEITSTIMMUNG: Sterbendes Volk - warum?" (23.02.1978)

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen

ENDZEITSTIMMUNG

Gedanken über ein wieder gängiges Thema:

Sterbendes Volk - warum?

Von allen Seiten sind die lauten und lebhaften Klagen darüber zu hören, die Deutschen seien ein sterbendes Volk ... Die einen machen eine fa- milienfeindliche Steuerpolitik ver- antwortlich für den Rückgang der Geburtenziffern ... Die anderen se- hen den Grund in einer sich ausbrei- tenden Genußsucht, Diesseitigkeit und in hemmungslosem Materialis- mus derer, die eigentlich aufgerufen wären, jetzt und heute den Bestand des Volkes zu erhalten, wobei zu fra- gen ist, ob die letztere Gruppe nicht eher ein Opfer des Konsumzwanges ist, ... Und Geld, das „verkonsu- miert" wird, steht nun einmal nicht zu dem konstruktiven Zweck der Kinderaufzucht und -Erziehung zur Verfügung. Hinter all diesem scheint aber noch etwas anderes hervorzu- schimmern, welches den Konsum, das Augenblicksvergnügen, viel er- strebenswerter erscheinen läßt, als es eine in die Zukunft gerichtete Aufgabe wie die Erzeugung und Auf- zucht von Nachwuchs ist. Anders als in früheren Generationen, in denen

— bei allen Krisen, Kriegen und Seu- chen — der Bestand der Erde, auf der wir leben, nie ernsthaft in Frage ge- stellt war, leben wir in einer Zeit, in der — beispiellos in der Menschheits- geschichte — die Gefahr einer globa- len Katastrophe real ist ... Leben wir in unserem Land nicht — ohne uns dessen bislang recht bewußt ge- worden zu sein — vielleicht doch schon in einer Art „Endzeitstim- mung", in der nur das Heute zählt, in der das selbstverständliche Weiter- bauen an einer dem Ganzen dienen- den Zukunft deswegen seinen Sinn verloren hat, weil der einzelne die Gewißheit dieser Zukunft für den Or- ganismus seines Volkes nicht mehr hat? Ganz gewiß muß jeder von uns zur Kenntnis nehmen, daß sein Le- ben als Individuum endlich ist — ob es ihm nun paßt oder nicht. Die ehe- dem vorhandene Gewißheit, daß uns, die Sterblichen, doch irgend et- was überdauert, scheint geschwun- den. Vielleicht liegt hier der tiefere

Grund für den Geburtenrückgang?

Unser Gemeinwesen ist zerbrechlich

— wie ein Ameisenstaat, den der Fuß eines Rindviehs vernichten kann, ohne daß letzteres etwas davon zu merken braucht. Wir sind jedoch keine Ameisen, die instinktsicher ih- ren Staat trotz aller Katastrophen wieder und wieder restaurieren kön- nen. Wir sind Menschen, deren Da- sein Sinnhaftigkeit erfordert, die oh- ne die Sinngebung nicht bestehen können. Die Seuchenzüge vergan- gener Jahrhunderte überstanden die Menschen im Glauben an die All- macht und die Gerechtigkeit Gottes, der auch das Leiden, auch die Prü- fung geschickt hatte. Wo ist der Glaube heute geblieben? Wir um- tanzen das Goldene Konsum-Kalb mit der Verzweiflung derer, denen nichts anderes geblieben ist als das, was wir hier und heute in uns hinein- schlingen können, denn das Letzte Hemd hat leider keine Taschen. Wo führt der Weg heraus aus der Mise- re? Gewiß nicht über ein Verbot von Pille, Spirale und Interruptio. Derlei Verbote haben Menschen schon im- mer zu umgehen gewußt, meist mit großem Risiko für die unmittelbar Beteiligten. Entweder, wir wenden die reale Gefahr ab, die uns bedroht, politisch und indem wir die Ein- Sicht in die Not-wendigkeit fördern.

Oder wir lernen mit dem Gefühl wirklich zu leben, daß wir uns auf einem Vulkan befinden

Dr. med. Hans R. Herrmann Ridlerstraße 38

8000 München 2

GESCHMACKSFRAGEN

Zu dem Schleyer-Zitat „Letzte Ursache"

in Heft 46/1977, Seite 2734:

Grenze

Ich finde, daß mit diesem „Zitat" die Grenze der Geschmacklosigkeit er- heblich überschritten wurde. Hier fehlt jedes Gespür, jedes Fingerspit- zengefühl; es ist instinktlos und oh- ne Takt, oder, wenn Sie wollen, ohne Pietät....

Dr. med. Diether Görte 6460 Gelnhausen 2 und Verallgemeinerung auf dem Ni-

veau reiner Beschreibung; ein star- kes Vorurteil, daß wir Bewußtseins- zustände haben und daß sie vom Gehirn abhängen; aber kein einzi- ges Gesetz in dem Sinne, in wel- chem die Physik uns Gesetze zeigt, kein einziger Satz, von welchem ir- gendwelche Folgerung ursächlich geschlossen werden kann. Wir ken- nen sogar nicht die Bedingungen, unter welchen die elementaren Ge- setze vor sich gehen würden, wenn wir diese hätten. Das ist keine Wis- senschaft, es ist nur die Hoffnung auf eine solche. Der Gegenstand für eine Wissenschaft ist vorhan- den.

Bestimmtes geschieht, wenn einem gewissen Gehirnzustand ein gewis- ses Bewußtsein entspricht. Die rich- tige Einsicht in das, was dies ist, würde diejenige wissenschaftliche Errungenschaft sein, vor der alle vorangegangenen erbleichen wür- den. Gegenwärtig aber ist die Psy- chologie im Zustand der Physik vor Galilei und den Bewegungsgeset- zen, der Chemie vor Lavoisier und dem Gesetz der Erhaltung der Mas- se. Die Galilei und Lavoisier der Psy- chologie werden wirklich berühmte Männer sein, wenn sie kommen, wie sie eines Tages mit Bestimmtheit er- scheinen werden, oder Errungen- schaften der Vergangenheit sind kein Hinweis für die Zukunft. Wenn sie jedoch wirklich auftreten, so wird die Notwendigkeit des Gegenstan- des sie metaphysisch machen. Die beste Weise, inzwischen ihr Erschei- nen zu erleichtern ist, sich Rechen- schaft zu geben, wie groß die Fin- sternis ist, in der wir tappen, und niemals zu vergessen, daß die Vor- aussetzungen einer Naturwissen- schaft, von denen wir ausgingen, vorläufige sind und einer wiederhol- ten Prüfung unterzogen werden müssen."

William James hat in Spinozas Ethik die Grundlage der Psychologie gefunden, die es nun auszubauen gilt.

Dr. med. H. Kristukat Gerichtstraße 31-33 1000 Berlin 65

BRIEFE AN DIE REDAKTION Spinoza

454 Heft 8 vom 23. Februar 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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