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Heute auf Seite 3: „Das Volk ist klüger"

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Heute auf Seite 3: „Das Volk ist klüger"

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U N A B H Ä N G I G E W O C H E N Z E I T U N G F Ü R D E U T S C H L A N D

Jahrgang 48 - Folge 44 Erscheint wöchentlich

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt 1 . N o v e m b e r 1 9 9 7 Landsmannschaft Ostpreußen e.V. r± CCOA

Parkallee 84Ä6, 20144 Hamburg 3 M H

D o r t m u n d e r I n n o v a t i o n s k o n g r e ß :

„Reines Konsensgeschwafel"

L a f o n t a i n e v e r s u c h t e i n D o r t m u n d d i e D ü s s e l d o r f e r S c h m a c h a u s z u b ü g e l n

Eine kleine Schmach, erlitten vor fünf Monaten auf einem SPD-Zu- kunftskongreß i n Düsseldorf, woll- te Parteichef Oskar Lafontaine nicht ewig auf sich sitzen lassen. Damals hatte ihm sein Dauerkontrahent Gerhard Schröder gezeigt, wo es langgeht. Schröders Helfer, der nordrhein-westfälische Wirt- schaftsminister Wolfgang Clement, hatte ein bemerkenswertes M a n i - fest verfaßt, in dem nachzulesen war, es sei nicht mehr alles W ü n - schenswerte finanzierbar. Lafontai- ne redete zwar i n Düsseldorf, war jedoch mehr Getriebener denn Trei- bender. Jetzt, ein knappes halbes Jahr später, ließ Lafontaine selbst nach Dortmund einladen, u m über Zukunft und neue Technologien z u debattieren und die nach einem SPD-Wahlsieg kommende Wende am Arbeitsmarkt a n z u k ü n d i g e n .

Der Saar-Napoleon, eigentlich fürs Verhindern und Blockieren zu- ständig, schien i n Dortmund eine Wende z u vollziehen. Er beschwor Erfindergeist, neue Technologien und Innovationen, vergaß jedoch auch die soziale Gerechtigkeit nicht. Nachdem Helmut Kohls Thronfolge-Regelung i n der Union heftige Nachbeben ausgelöst hatte, wollte die SPD eigenen Streit u m ihren Kanzlerkandidaten vermei- den. Die Partei erlebte den Schulter- schluß beider A n w ä r t e r auf den Spitzenposten. „Die SPD hat nur ei- nen Kandidaten, und der heißt L a - fontöder", witzelte die Frankfurter Allgemeine.

Die Wahl des Tagungsorts Dort- mund war an Symbolik kaum noch z u überbieten. Die Ruhrgebietsme-

D I E S E W O C H E S c h a u b ä c k e r e i

Ein Landwirtschaftsminister in tiefen Nöten

F r a g e n z u r Z e i t

Straßburger Fototermin

V e r w e i g e r t e E i n r e i s e

Kleine Fluchtwelle aus Europa

J u b i l ä u m

275 Jahre Gräfe und Unzer

W i e g e d e r p r e u ß i s c h e n M a r i n e

Die Danziger Werft

gestern und heute 12

D e n W a h r h e i t e n a u f d e r S p u r

Zwei Gedenksteine beschreiben das deutsch-polnische Verhältnis 23

tropole war einst Synoym für Kohle und Stahl. A m Beispiel dieser Stadt, in der die letzte Zeche längst ge- schlossen ist und die Stahlindustrie immer kleiner wird, wird deutlich, wie der Strukturwandel verschla- fen werden kann. W ä h r e n d sich Bayern und Baden-Württemberg neuen Unternehmen und ihren Pro- dukten geöffnet und damit zusätzli- che Stellen geschaffen haben, vege- tiert der Arbeitsmarkt i m Ruhrge- biet dahin. Eine einzigartige Filzo- kratie von SPD und Gewerkschaf- ten i n Nordrhein-Westfalen ver- harrte z u lange i n alten Strukturen und erstickte jeden Innovationsver- such bereits i m Keim.

ein Finanz-Desaster ohnegleichen, forderte die deutsche Wirtschaft auf, sie müsse wieder eine Vorrei- terrolle übernehmen. N u r starke und leistungsfähige Unternehmen seien das Fundament für die Z u - kunft des Landes. Im nächsten A b - satz warnte der SPD-Chef davor, die Modernisierung mit einem A b - bau des Sozialstaates gleichzuset- zen. Denn Deutschlandund seiner Volkswirtschaft gehe es prima, aber es mangele an einer sozial gerechten Verteilung der Reichtümer, weil die

„Daumenschrauben für die Schwa- chen" immer fester angezogen w ü r - den.

,Reines Konsensgeschwafel, tak- Wenn Lafontaine jetzt auf Bio- t i s c h u aber programmat isch und Gentechnologie setzt, hat er es w en i g b e l l e n d * / kommentierte doppelt schwer, fir m u ß zuerst die

Beaenkenträger i m eigenen .Lager umstimmen, oevor ihm die Öffent- lichkeit Glauben schenken dürfte.

Denn die Gegner neuer Technologi- en, ob es u m Gentechnik oder die Magnetschwebebahn geht, sitzen bekanntlich nicht i n C D U / C S U oder FDP.

D a ß Arbeit i n Deutschland z u teuer ist, war von Lafontaine vor seiner Dortmunder Rede schon häufiger z u hören. Er hätte sich längst mit der Koalition auf eine Steuerreform einigen und damit ei- nen Erfolg verbuchen können.

Wenn der SPD-Chef erneut eine Ausbildungsplatzabgabe fordert, beweist das seinen offenbar durch nichts z u erschütternden Irrglau- ben an die These, der Staat könne alles besser regeln.

Der Saarländer, i n seinem eige- nen Bundesland verantwortlich nir

der stellvertretende Vorsitzende der Jungsozialisten, Schaller. Damit könnten alle leben - von den linken Jusos bis hin z u m „rechten" Cle- ment/Schröder-Flügel.

Geradezu revolutionär klang La- fontaines Erkenntnis, der Staat dür- fe die Menschen nicht an Soziallei- stungen gewöhnen. Die Bürgerin- nen und Bürger, so verkündete er, hätten „Einsicht in unvermeidliche Einschränkungen". Das mag sogar stimmen. Aber war es nicht stets der SPD-Chef, der bei jedem Versuch, überhöhte Zahlungen einzuschrän- ken, vor einem sozialen Kälteein- bruch warnte und eine Neid-Dis- kussion entfachte?

Lafontaine bleibt auch nach dem Dortmunder SPD-Kongreß, was er stets war: Ein geschickter Taschen- spieler und Konstrukteur politi-

scher Nebelkerzen. H L

Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, derzeit Ratspräsi- dent der E u r o p ä i s c h e n U n i o n , zeigte dieser Tage V e r s t ä n d n i s für die Forderung Deutschlands u n d der anderen „ N e t t o " - Z a h l e r nach K o r - rektur der geltenden Zahlungsregelungen Foto dpa

Nein

Z U r

Ökodiktatlir / Von Wolfgang Thune

D

ie global vernetzte „ g r ü n e

1 Bewegung" hat sich vorge- nommen, endlich i m 3. A n - lauf i m japanischen Kyoto den

„Klimascnutz" ü b e r feste C O 2- R e - duktionsquoten zur völkerrecht- lich einklagbaren N o r m z u erhe- ben. Zweck ist es, durch „Selbst- verpflichtungen" die Industriena- tionen permanent auf die Umwelt- Anklagebank z u locken. Die staats- anwaltliche Funktion ü b e r n e h m e n dabei „Nicht-Regierungsorganisa- tionen" oder „Öko-Polizisten" wie W W F und Greenpeace: Ziel ist

W a r t b u r g f e s t

„Es lebe das

heilige Deutschland 24

A u f S t i m m e n f a n g m i t „ B r o t u n d S p i e l e n "

Streit um Fernsehrechte offenbart Tiefstand der politischen Kultur

Brot ist ein Grundnahrungsmittel - jedenfalls in unseren Breiten. Daß auch die Fußballspiele ein solches sind, nämlich ein „gesellschaftli- ches Grundnahrungsmittel", wis- sen wir, seit i n der vergangenen Woche Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber in der linksgewirk- ten „Frankfurter Rundschau" ko- stenlosen Konsum von Fußballspie- len i m Fernsehen wünschte.

Beifall war ihm aus allen politi- schen Ecken gewiß, denn uberall hocken die Fans. Darum war auch kaum z u erwarten, d a ß Stoibers Kollegen i m Bundesrat Gefallen an der möglichen Einspeisung solcher Spiele ins abgescnottete Bezahl- Fernsehen finden könnten. Der Mainzer Ministerpräsident Kurt Beck, der als Verhandlungspartner der Länder in Rundfunkfragen mit den Rechteverwertern Kirch und Bertelsmann sowie den Rechteinha- bern, den Sportverbänden, einen Kompromiß ausgehandelt hatte, wurde denn auch arg gezaust und m u ß zur Strafe nachverhandeln.

So grotesk es auf den ersten Blick erscheinen mag, d a ß sechzehn pro- blemüberlastete Regierungschefs

und andere deutsche Spitzenpoliti- ker ihre spärliche Zeit damit ver- bringen, sich die Köpfe darüber heiß z u reden, ob denn dieses oder jenes Spiel in dieser oder jener Gattung von Fernsehen gezeigt werden soll, so beunruhigend erweist sich dieser Vorgang bei genauerem Hinsehen:

Der Wunsch von Politikern, mög- lichst viele Fußballspiele i m soge- nannten „Free-TV" z u übertragen - sprich: im zwangsfinanzierten öf- fentlich-rechtlichen Fernsehen - und nicht in jenen werbefreien pri- vaten Sendern, für deren Program- me die Konsumenten nach freier Entscheidung einige Pfennige oder Mark berappen müssen, berührt nämlich eines unserer wichtigsten grundgesetzlich abgesicherten Rechte - das Recht auf Eigentum.

Damit nehmen es viele unserer Politiker nicht so genau, wie sich an der einem großformatigen Dieb- stahl ähnelnden Bestätigung der unter kommunistischer Wfllkür- herrschaft in Mitteldeutschland zwischen 1945 und 1949 erfolgten Enteignungen ablesen läßt. N u n zeichnet sich die Gefahr eines zwei- ten großen rechtspolitischen Sün- denfalles ab: In der Hoffnung auf

Wählerstimmen aus dem Lager der Fußballfreunde w ü r d e n Sportver- bände teilenteignet werden, wenn man ihnen - wie manche Politiker drohen - gesetzlich verbieten sollte, frei über inr Eigentum z u verfügen.

U n d ihre Spiele sind ihr Eigentum.

Wäre dem nicht so, müßte nicht je- der Fußball-Fan, der ein Spiel i m Stadion miterleben möchte, eine Eintrittskarte bezahlen. Und der auf dem heimischen Sofa soll bevorzugt behandelt werden?

Es geht nicht in erster Linie um den Mediengroßunternehmer Leo Kirch und den Bertelsmannkon- zern, die für gewaltiges Geld rechts- gültig Übertragungsrechte zur Ver- wertung gekauft haben: Es geht schlichtweg darum, ob ein rechtspo- litischer Damm eingerissen und un- sere Verfassung weiter ausgehöhlt werden soll. Heute Fußball weltmei- sterschaftsspiele, morgen Konzerte, übermorgen Theateraufführungen und Kinoveranstaltungen... U n d wer soll das bezahlen? Natürlich der Staat, der das Geld dafür wiederum bei den Steuerzahlern eintreiben m u ß . Dies wäre die Konsequenz aus der drohenden Teilenteignung der Sportverbände. Elimar Schubbe

die Verwirklichung eines öko- logischen Paradieses mit den In- strumenten dirigistischer Plan- wirtschaften.

Z u r Erreichung der Macht ist den selbstauserkorenen „ U m w e l t w e i - sen" jedes Mittel dialektisch er- probter, raffinierter Propaganda und Desinformation recht. Die wichtigste Waffe ist die Erzeugung von „Klimaängsten" und „Schuld- gefühlen". Verheimlicht w i r d , d a ß der Begriff „Klimaschutz" i n Wahrheit nur ein Synonym für völ- lige Umgestaltung der „reichen"

Industriegesellschaften zugunsten der „ a r m e n " Enwicklungsländer ist.

Die „Klima-Ideologen" selbst wissen am besten, d a ß das Wetter überall auf dem Globus noch nie CCh-abhängig war, auch jetzt nicht ist und nie sein w i r d . Es ist natür- lich verständlich, d a ß alle Ideolo- gen, die sich dem utopischen Welt- verbesserungswahn, der Mensch k ö n n e in seiner Allmacht das kom- plexe globale Wettergeschehen so steuern, d a ß seine statistische Er- findung, das K l i m a , plötzlich

„ k o n s t a n t " bleibt, nun „aufheu- len" und ihrer „moralischen Ent- t ä u s c h u n g " ü b e r die U S A und Ja- pan freien Lauf lassen, die ihnen nicht auf dem Weg i n die von A r - mut gezeichnete „Knechtschaft"

folgen wollen.

S

chon ein einziger Blick i n die jüngste 1000jährige Klimage- schichte w ü r d e zeigen, d a ß weder „ S o n n t a g s r e d e n " noch ker- nige „ C 0 2- R e d u k t i o n s b e s c h l ü s s e "

etwas an der Klimavariabilität ä n - dern w ü r d e n . Die 1000jährige K o n - stanz des C02-Gehalts zwischen 860 und 1860 hat das Wetter nicht daran gehindert, uns sowohl das hochmittelalterliche Klimaopti- m u m und anschließend die „Klei- ne Eiszeit" als Klimapessimum z u bescheren. Für beides konnte man nicht pauschal die Industrienatio-

(2)

Politik £>as SDfiprtußtnblaii

1. N o v e m b e r 1997 - Folge 44 - Seite 2 nen „ s c h u l d i g " sprechen, denn die

gab es damals noch nicht. D e r p o l i - tische Glaube an den „ K l i m a - schutz" ist als A u s f l u ß eines a l l z u reduktionistischen Denkens ein

„ I r r e l a u b e " , eine Kapitulation v o r der K o m p l e x i t ä t der Wirklichkeit.

D a diese ob ihres Detailreichtums weder durchschaubar noch abbild- bar ist, vereinfacht man sie, bis m a n ein M o d e l l hat, das m a n intellektu- ell z u beherrschen meint. Das Pro- b l e m ist, d a ß man einer derart skla- vischen M o d e l l h ö r i g k e i t verfallen kann, d a ß das virtuelle M o d e l l i m B e w u ß t s e i n die Stelle der realen Wirklichkeit einnehmen kann. D i e Folge ist, d a ß m a n die borstige Wirklichkeit der idealisierten M o - dellwelt i n ideologischer Verses- senheit anpassen w i l l , notfalls mit Z w a n g u n d Greenpeace-Ketten.

Dies ist das Strickmuster aller fun- damentalistischen Ideologien.

E

s bleibt z u hoffen u n d z u w ü n s c h e n , d a ß i n K y o t o die amerikanisch-britisch-japa- nischen S t ä r k e n - der pragmati- sche Blick für die WirkUcnkeit u n d der „ k ü h l e " Rationalismus - sich durchsetzen gegen die b l i n d „ v o r - anreitende" deutsche ideologische M o d e l l h ö r i g k e i t sowie unsere Ten- denz z u „ h e i ß e m " Idealismus. D e r M e n s c h w i r d d e m globalen „ W e t - tergott" mit seinen zahlreichen re- gionalen „ W e t t e r g ö t t e r n " , welche die herrliche K l i m a d i v e r s i t ä t auf der Erde zustandebringen, nie ins H a n d w e r k pfuschen k ö n n e n . E i n einheitliches „ G l o b a l k l i m a " w ü r - de jegliche Lust auf den reizvollen G e n u ß fremder K l i m a t e nehmen.

Es entspricht d e m W u n s c h b i l d der

„ Ö k o d i k t a t o r e n " , denen die p h y s i - sche u n d geistige Mobilität des frei- en u n d m ü n d i g e n B ü r g e r s ohnehin ein „ D o r n i m Ä u g e " ist.

Es w i r d h ö c h s t e Zeit, d a ß m a n den r e v o l u t i o n ä r - t o t a l i t ä r e n Impe- tus der „ g r ü n e n B e w e g u n g " er- kennt u n d den A n f ä n g e n wehrt.

Ö k o p a r a d i e s ? N e i n danke! M ö g e die „ V e r n u n f t " Immanuel Kants m K y o t o siegen!

B r a n d e n b u r g :

£ a s £ f ! p r r u f u n t > l u l i UNABHÄNGIGE W O C H E N - ZEITUNG FÜR D E U T S C H L A N D Chefredakteur: E l i m a r S c h u b b e

(Verantwortlich f. d. redaktionellen Teil) Politik, Zeitgeschehen, Feuilleton, Le- serbriefe: Peter Fischer, Hans Heckel (Freier Mitarbeiter); Kultur, Unterhal- tung, Frauenseite: Silke Osman; Ge- schichte, Landeskunde, Ostpreußen heute, Wissenschaft: Dr. Jan Heitmann;

Heimatkreise, Gruppen, Aktuelles:

Maike Mattern; Ostpreußische Familie:

Ruth Geede.

Ständige Mitarbeiter: Alfred v. Arneth (Wien/Bozen), Wilfried Böhm (Melsun- gen), Pierre Campguilhem (Paris), Hel- mut Kamphausen (Gartow), Eleonore Kutschke (Allenstein/Stettin), Jürgen Ma- thus (Bonn), Dr. Paul Polak (Prag), Willy Fehling (Berlin).

Anschrift für alle: Parkallee 84/86,20144 Hamburg. Verlag: Landsmannschaft Ost- preußen e.V., Parkallee 86,20144 Ham- burg. Das Ostpreußenblatt ist das Organ der Landsmannschaft Ostpreußen und erscheint wöchentlich zur Information der Mitglieder des Förderkreises der Lands- mannschaft Ostpreußen. - Bezugspreis Inland 11,50 DM monatlich einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ausland 14,90 DM monatlich, Luftpost 21,40 DM monatlich. Abbestellungen sind mit einer Frist von einem Monat zum Quartalsende schriftlich an den Verlag zu richten.

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Landwirtschaftsminister in Not

Z i m m e r m a n n - A f f ä r e h a t d a s A n s e h e n d e r S t o l p e - R e g i e r u n g a n g e k r a t z t

ger u n d Plage. U n d i c h glaube i h m das", versicherte der M i n i s t e r p r ä - sident. Unterdessen reibt sich d i e

B r a n d e n b u r g o h n e h i n sehr Brandenburgs Landwirtschafts-

minister E d w i n Z i m m e r m a n n ist i m Potsdamer L a n d t a g unter schweren B e s c h u ß geraten. D e r m ä r k i s c h e S P D - M a n n w i r d m i t z w e i V o r w ü r f e n konfrontiert:

Z u m einen verweigerte er i n e i - n e m parlamentarischen U n t e r s u - c h u n g s a u s s c h u ß d i e Aussage.

Z u m z w e i t e n sorgt e i n U n t e r s u - chungsbericht ü b e r eine Schau- b ä c k e r e i für A u f s e h e n .

Z u n ä c h s t w a r Z i m m e r m a n n m i t seiner A u s s a g e v e r w e i g e r u n g v o r einem parlamentarischen U n t e r - s u c h u n g s a u s s c h u ß i n d i e Schlag- zeilen geraten. Besonders ä r g e r - l i c h für i h n : N i c h t n u r die C D U u n d P D S attackieren i h n , schwere V o r w ü r f e erhebt a u c h seine eige- ne S P D - F r a k t i o n . S P D - A b g e o r d - neter Peter M u s c h a l l a : „ E i n u n - glaublicher Affront g e g e n ü b e r d e m U n t e r s u c h u n g s a u s s c h u ß . "

Z u r Vorgeschichte: D a s L a n d B r a n d e n b u r g hatte A n f a n g der neunziger Jahre eine L a n d g e s e l l - schaft als hundertprozentige Tochter g e g r ü n d e t . D e r A u f t r a g der Landgesellschaft lautete, i m l ä n d l i c h e n R a u m Bodenbevorra- t u n g z u betreiben u n d i m A u f t r a g der K o m m u n e n W o h n - u n d G e - w e r b e f l ä c h e n z u e n t w i c k e l n .

A u s g e r ü s t e t w u r d e die L a n d g e - sellschaft m i t 50 M i l l i o n e n M a r k Stammkapital. A b e r schon b a l d machte die F i r m a M i n u s . A l s sich die V e r l u s t m e l d u n g e n ü b e r s c h l u - gen, liquidierte d i e R e g i e r u n g 1995 die Gesellschaft m i t der K o n - k u r s m e l d u n g .

D i e O p p o s i t i o n spricht v o n d u n k l e n F i n a n z g e s c h ä f t e n u n d forderte A u f k l ä r u n g . Daher w u r - de e i n U n t e r s u c h u n g s a u s s c h u ß eingesetzt, der schon seit M o n a t e n arbeitet, ohne d a ß seine A u f k l ä - rungsarbeit i r g e n d ein wichtiges E c h o i n D e u t s c h l a n d hervorgeru- fen h ä t t e . E i g e n t l i c h w u ß t e k a u m jemand etwas v o n d e m A u s s c h u ß . D o c h d a n n k a m der Eklat: M i n i - ster Z i m m e r m a n n , der v o r d e m A u s s c h u ß aussagen sollte, v e r w e i - gerte schlicht die Aussage. F i n a n z - m i n i s t e r i n W i l m a S i m o n hatte v o r

w e n i g e n W o c h e n mit der gleichen

P

auschalen G e n e h m i g u n g alle ragen des Ausschusses Deant- wortet. SPD-Fraktionschef B i r t h - ler sieht i n Z i m m e r m a n n s V e r h a l - ten d e n n auch eine leichtfertige

„ P r o v o k a t i o n des Untersuchungs- ausschusses".

E i n z e l n e Sozialdemokraten ä r - gerten sich, d a ß Z i m m e r m a n n

„ o h n e N o t " nach der n o c h nicht ausgestandenen Backofenaffäre u m ein A B M - P r o j e k t auf seinem H o f schon w i e d e r i n die Schlagzei- len g e r ä t .

Bei d e m z w e i t e n S k a n d a l geht es u m die u n d u r c h s i c h t i g e n G e - schäfte einer S c h a u b ä c k e r e i , d i e

D i e u n d u r c h s i c h t i g e n F i n a n z - G e s c h ä f t e d e r S c h a u b ä c k e r e i

e i n v o n Z i m m e r m a n n g e g r ü n d e - ter F ö r d e r v e r e i n auf d e m H o f e sei- nes Bruders errichtet hatte. Dieser V e r e i n b e s c h ä f t i g t e ü b e r d r e i Jahre fünf A B M - K r ä f t e u n d w a r v o n v i e - l e n Personen u n d Institutionen m i t auffallend v i e l e n u n d hohen G e l d s p e n d e n versorgt w o r d e n . So hatte eine Lebensmittelkette auf Betreiben des M i n i s t e r s z w e i Backöfen i m W e r t v o n 120 000 M a r k gespendet.

F ü r Z i m m e r m a n n w i r d es jetzt ernst, z u m a l die Rufe nach einem R ü c k t r i t t i m m e r lauter w e r d e n . D o c h die für d e n Angegriffenen gute N a c h r i c h t lautet: M i n i s t e r - p r ä s i d e n t M a n f r e d Stolpe (SPD) nat sich v o l l hinter seinen L a n d - wirtschaftsminister gestellt. „ E r hat nichts z u f ü r c h t e n , w e d e r E r - m i t t l u n g e n der Staatsanwalt- schaft n o c h einen parlamentari- schen U n t e r s u c h u n g s a u s s c h u ß " , sagte Stolpe. M i n i s t e r Z i m m e r - m a n n habe i h m i n d i e H a n d ver- sprochen, d a ß seine F a m i l i e n a n - g e h ö r i g e n nicht d e n geringsten V o r t e i l daraus gezogen h ä t t e n ,

„ s o n d e r n v o n A n f a n g a n n u r Ä r - m

schwache C D U "die H ä n d e . D e n n die Z i m m e r m a n n - A f f ä r e lenkt d i e A u f m e r k s a m k e i t w e g v o n d e m parteiinternen Gezerre i m b r a n - denburgischen C D U - L a n d e s v e r - b a n d - dort hatten erst k ü r z l i c h parteiinterne D i s s i d e n t e n d e n e i - genen C D U - F r a k t i o n s c h e f i m L a n d t a g a b g e s ä g t - u n d z u g l e i c h schadet sie n a t ü r l i c h insgesamt d e m A n s e h e n der Stolpe-Regie- r u n g .

Andererseits m u ß m a n n a t ü r - l i c h auch erkennen, d a ß es nicht z u f ä l l i g z u diesen H a n d l u n g e n ge- k o m m e n ist, d e n n Stolpe u n d sei- ne M a n n e n stehen der b u n d e s - deutschen W i r k l i c h k e i t i m m e r n o c h sehr k r i t i s c h bis ablehnend g e g e n ü b e r . Erst k ü r z l i c h hat M i n i - s t e r p r ä s i d e n t M a n f r e d Stolpe i n einem Interview m i t einer Berliner Tageszeitung d i e politische O r d - n u n g i n D e u t s c h l a n d als „ S y - stem", das o h n e h i n fallen m u ß , v e r ä c h t l i c h gemacht. In dieser S t i m m u n g ist so mancher i n B r a n - d e n b u r g o h n e h i n der M e i n u n g , d a ß m a n aus d e m „ B o n n e r S y - s t e m " rausholen sollte, w a s m ö g - l i c h ist. H a g e n N e t t e l b e c k

B a l t i k u m :

L e n i n

a l s N o t h e l f e r

In der lettischen Hafenstadt L i - b a u k ü n d e t e bis z u m Z u s a m m e n - b r u c h des S o w j e t i m p e r i u m s ein gewaltiger, sieben M e t e r hoher u n d ü b e r sechs T o n n e n schwerer L e n i n v o m S i e g des S o z i a l i s m u s . D i e Begeisterung d e r L i b a u e r ü b e r dieses S y m b o l d e r F r e m d h e r r - schaft w a r u m g e k e h r t p r o p o r t i o - n a l z u r G r ö ß e d e r Bronze-Statue.

So ist es nicht v e r w u n d e r l i c h , d a ß sie n a c h der w i e d e r g e w o n n e n e n Freiheit i h r e n L e n i n l o s w e r d e n w o l l t e n . D o c h einfach auf den M ü l l w o l l t e n sie i h n a u c h nicht k i p p e n : G e l d sollte er b r i n g e n für ihre leere G e m e i n d e k a s s e . D o c h leider mochte i h n n i e m a n d haben, nicht e i n m a l S c h r o t t h ä n d l e r den erhofften Preis b e z a h l e n .

D a k a m d i e V o r s i t z e n d e der Deutsch-Baltischen L a n d s m a n n - schaft, W a l t r a u t F r e i f r a u v o n Tie- senhausen, auf eine u m w e r f e n d e u n d z u g l e i c h g e l d s p r u d e l n d e Idee: Sie l i e ß L e n i n n a c h Deutsch- l a n d k a r r e n u n d i n 15 Zentimeter hohe T i s c h g l o c k e n u m g i e ß e n . Diese stehen n u n als „ r e v o l u t i o n ä - res W e i h n a c h t s p r ä s e n t " z u m V e r - kauf. D e r E r l ö s k o m m t L i b a u e r W a i s e n k i n d e r n z u g u t e . So k a n n der B o l s c h e w i k L e n i n m i t H i l f e ei- ner V e r t r e t e r i n d e r deutsch-balti- schen „ A u s b e u t e r k l a s s e " d o c h n o c h - w e n n a u c h u n f r e i w i l l i g - e i n gutes W e r k tun. E . S.

W i e A N D E R E es sehen: „Also wie besprochen, d u nimmst den G u m m i - hammer und ich den Holzhammer!" Zeichnung aus „Die Welt"

Z w a n g s d e u t s c h e w e r d e n i m m e r F r e m d e b l e i b e n Der, JDoppelstaatler" als Wunschbürger freidemokratischer Spitzenpolitiker

Es w a r ein g r o ß e r Schritt für die Menschheit, als v o r 200 Jahren das r e v o l u t i o n ä r e f r a n z ö s i s c h e Parla- ment aus d e m Untertanen den „ C i - toyen" machte. D e n S t a a t s b ü r g e r , der g e g e n ü b e r der Staatsmacht nicht nur Pflichten b e s a ß - sondern eindeutige Rechte. D a ß i n Deutschland die S t a a t s a n g e h ö r i g - keit, der verwaltungsrechtliche M a n t e l der S t a a t s b ü r g e r s c h a f t ei- nes demokratischen Staates, z u m Zankapfel w u r d e , verdanken w i r der Idee der sogenannten 68er, die das „ n o t o r i s c h schlechte" deut- sche V o l k d u r c h Einwanderer aus allen Weltgegenden „ d u r c h m i - schen" w o l l t e n , u m es ihrer eige- nen G e s i n n u n g n ä h e r z u bringen.

A l s die Z a h l der A s y l s u c h e n d e n i m Laufe der Jahre i m m e r g r ö ß e r w u r d e u n d die Z a h l deswegen m ü r r i s c h werdender Deutscher wuchs, kamen die „ G u t m e n - schen" h i n z u , die den M e n s c h e n der verschiedensten N a t i o n e n die deutsche S t a a t s b ü r g e r s c h a f t auf- n ö t i g e n m ö c h t e n , ob sie es w o l l e n oder nicht. D i e j ü n g s t e Pointe i n dieser Debatte ist die Idee, jedes i n Deutschland geborene K i n d , das bei i n Deutschland lebenden aus-

l ä n d i s c h e n Eltern a u f w ä c h s t , auto- matisch i n der Wiege z u m Deut- schen z u machen. Das Baby s o z u - sagen d u r c h einen Federstrich ein- zudeutschen. Schwarzafrikaner aus f r ü h e r e n f r a n z ö s i s c h e n K o l o - nien v e r d a m m e n eine ä h n l i c h e f r ü h e r e f r a n z ö s i s c h e Regelung als K o l o n i a l i s m u s .

Das Ü b e r s t ü l p e n der deutschen S t a a t s b ü r g e r s c h a f t ohne aus- d r ü c k l i c h e W i l l e n s b e k u n d u n g des Betroffenen n i m m t d e m Staat, aus d e m die Familie stammt, noch lan-

S

e nicht das Recht, für den A u c h - teutschen die eigene Staatsange- h ö r i g k e i t bereitzuhalten. A u s d e m Menschen, d e m m a n helfen sollte, w ü r d e ein „ D o p p e l s t a a t l e r " , der noch d a d u r c h getroffen w i r d , d a ß m a n i h m eine doppelte L o y a l i t ä t a u f n ö t i g t . W a s als Wohltat gedacht war, w i r d z u r Plage.

D a r ü b e r ist i n Deutschland m i n - destens z w e i D u t z e n d Jahre d i s k u - tiert w o r d e n . Deswegen m u ß t e es Staunen erregen, d a ß die Freien Demokraten die doppelte Staats- z u g e h ö r i g k e i t wieder auf die T a -

f

esordnung setzen u n d das T h e m a is z u r Konsequenz eines Regie- rungssturzes behandeln m ö c h t e n .

Selbst i n der „ b ü r g e r l i c h e n "

„ F r a n k f u r t e r A l l g e m e m e n Z e i - t u n g " besetzt m a n das T h e m a m i t W ö r t e r n , die eher i m „ V o r w ä r t s "

gesucht w e r d e n . E c k h a r d F u h r nennt „ K o m p r o m i ß ü b e r l e g u n - g e n " v o n Bundesinnenminister M a n f r e d Kanther ein „ D i k t a t " u n d dessen Ü b e r l e g u n g e n „ R e c h t s - akrobatik", o b w o h l sie nicht e i n - m a l gesetzestechnisch formuliert sind.

D a m a n b e i m F D P - B u n d e s v o r - sitzenden W o l f gang G e r h a r d t nicht glauben k a n n , er w o l l e d u r c h seine Begeisterung für die d o p p e l - te S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t d i e K o a l i t i - o n platzen lassen oder die u n w i l l i - ge C D U / C S U - F r a k t i o n gegen ihre A b s i c h t z u einer „ L ö s u n g " n ö t i - gen, m u ß m a n nach w i r k l i c h e n L ö - sungen suchen. Das deutsche V o l k w a r v o n A n f a n g an keine homoge- ne Einheit. Im Laufe der Industria- lisierung des 19. Jahrhunderts n a h m es aus d e m Osten Z e h n t a u - sende auf, die i m heutigen Ruhrge- biet integriert w u r d e n , w e n n auch z u m Teil nur scheinbar. Integriert w e r d e n konnten, die es w o l l t e n u n d d e m deutschen K u l t u r k r e i s zumindest nahestanden. Besucher

der R e g i o n z w i s c h e n R u h r u n d Emscher staunen i m m e r wieder, w e n n s i c h M e n s c h e n m i t u r p o l n i - schen N a m e n als besonders stram- me Deutsche vorstellen.

Integration ist also m ö g l i c h . A b e r nicht z w a n g s w e i s e . Es gibt unter denen, d i e aus unterschiedli- chen G r ü n d e n i n D e u t s c h l a n d le- ben u n d arbeiten w o l l e n , eine M i n - derheit, d i e sich b a l d selbst als Ein- w a n d e r e r versteht. Ihr d i e E i n b ü r - g e r u n g z u erleichtern sollte nicht schwerfallen. D e r g r o ß e n M e h r - heit, der a n e i n e m amtlichen

„ A u c h - d e u t s c h - S e i n " nichts gele- gen ist, k a n n m a n für d i e Dauer ihres Aufenthalts e i n e n Status ge- ben, der i h r b ü r g e r l i c h e Sicherheit garantiert.

Z w a n g s - D e u t s c h e w e r d e n i m - mer F r e m d e b l e i b e n . U n d w e n n m a n ihre E i n b ü r g e r u n g e n noch so gut meint. P o l i t i k e r , d i e es nicht begreifen, e r w e c k e n l a n g s a m den Verdacht, als ginge es i h n e n nicht ümu il e " A syl be w e r b e r " u n d deren W o h l - s o n d e r n u m d e n W u n s c h , als besonders edle E x e m p l a r e der M e n s c h h e i t gelten z u d ü r f e n .

G e r h a r d R e d d e m a n n

(3)

1. November 1997 - Folge 44 - Seite 3

£>a$ OffpuulStnblait Hintergrund

Medien:

„ D a s V o l k i s t k l ü g e r "

Experten streiten über Wirksamkeit des „Kampagnen-Journalismus'

4

E l i s a b e t h N o e l l e - N e u m a n n n a n n t e e s d i e w ü r d e n g r o ß e L e s e r - u n d Z u s c h a u e r m a s -

„ S c h w e i g e s p i r a l e " : W e n n e i n e p o l i t i s c h e s e n „ a u f L i n i e " e i n e s h e u t e v o n l i n k s b e - P o s i t i o n v o n d e n L e i t m e d i e n f o r t g e s e t z t a l s h e r r s c h t e n J o u r n a l i s m u s g e t r i m m t . D o c h v e r w e r f l i c h h i n g e s t e l l t w i r d , t r a u t s i c h b a l d w i e w i r k s a m , w i e n a c h h a l t i g v o r a l l e m i s t k a u m n o c h j e m a n d , s i e e i n z u n e h m e n . S o j e n e „ M e i n u n g s m a c h e " t a t s ä c h l i c h ?

V o n A R N D K L E I N - Z I R B E S

D

er liberale Bürgersinn ist stolz auf die Abschaffung der Zensur, der letzten Schranke, w ä h r e n d der Diktator der Presse - Northcliff! - die Skla- venschar seiner Leser unter der Peitsche seiner A r t i k e l , Telegram- me u n d Illustrationen hält." - Die A r t u n d Weise, wie O s w a l d Speng- ler am Anfang unseres Jahrhun- derts, lange vor der Erfindung des Fernsehens, auf die Gefahr der Manipulation durch die M e d i e n hinweist, erinnert an so manche A u s f ü h r u n g ü b e r das Problem der

„Political Correctness". Gerne w i r d den „selbsternannten T u - g e n d w ä c h t e r n der Political C o r - rectness" unterstellt, sie w ü r d e n die Masse der Medienkonsumen- ten beliebig i n eine (linke) Richtung lenken k ö n n e n . Schließlich habe die Linke i m „ M a r s c h durch die Institutionen" die „kulturelle V o r - herrschaft" erlangt u n d ü b e nun mittels der öffentlichen M e i n u n g einen „ G e d a n k e n t e r r o r " ähnlich der Jakobinerherrschaft w ä h r e n d der französischen Revolution aus.

Eine differenzierte Betrachtung t e U i t en FüR rungsgruppen u scheint angesichts der Polemiken, einander, d. K fi e & schafften eme die - zunehmend nach dem Epo- a uf bestimmteZieie hin ausgerich-

in, meinungsbeeinflussende Beru- fe wie Journalist oder Lehrer aus- z u ü b e n , u m ein „antifaschisti- sches" (sprich sozialistisches) M e i - nungsklima herzustellen.

Die bekannte Meinungsforsche- r i n Elisabeth Noelle-Neumann sieht i n der öffentlichen M e i n u n g

„ w e r t g e l a d e n e , insbesondere mo- ralisch aufgeladene Meinungen u n d Verhaltensweisen die man - w o es sich u m fest gewordene Ü b e r e i n s t i m m u n g e n nandelt...

öffentlich zeigen m u ß , wenn man sich nicht isolieren w i l l , oder die man bei i m Wandel begriffenem, ,flüssigem' Zustand öffentlich zei-

f

en kann, ohne sich z u isolieren", ine sogenannte Schweigespirale entstehe: Die Gesellschaft sei v o n Erstarrung und Gleichschaltung bedroht. Den i n den Massenmedi- en veröffentlichten Aussagen kom- me eine herausragende Bedeutung z u . Die i n den Massenmedien ver- öffentlichten Aussagen hätten z u - meist zwei Funktionen: Z u m einen ermöglichten sie die Kommunika- tion der am politischen Prozeß be- unter- chenjahr 1989 - veröffentlicht wer-

den, notwendig z u sein.

Bereits die ersten umfassenden Untersuchungen zur massenme- dialen W i r k u n g (z. B. die Studie The Invasion from Mars 119401 v o n H . Cantrils oder Robert K i n g Mertens Analyse Mass Persuasions: The Soci- al Psychology of War Bond Drive

[19461) widerlegten die simplen Reiz-Reaktions-Modelle. Die Por-

tete öffentliche Meinung. Z u m an- deren setzten die Massenmedien durch A u s w a h l der als berichtens- wert eingestuften Ereignisse, Leit- artikel, Kommentare usw. Themen fest, die z u m Gegenstand öffentli- cher Diskussion werden könnten.

Demnach haben Medien keinen starken Einfluß darauf, was für eine M e i n u n g die Konsumenten der Massenmedien hinsichtlich ei-

68er: Interessen, nicht Informationen zählen

schung hat es bis dato nicht ver- mocht, den Begriff der Öffentli- chen M e i n u n g exakt z u u m r e i ß e n . In seiner wichtigen Schrift Struk- turwandel der Öffentlichkeit aus dem Jahr 1961 stellt J ü r g e n Habermas, einer der geistigen V ä t e r der 68er- Bewegung, u m s t ä n d l i c h fest, d a ß eine „ i m strengen Sinne öffentliche M e i n u n g " nur dann hergestellt werden k ö n n e , wenn zwischen der

„formell öffentlichen M e i n u n g "

u n d der „nicht-formellen öffentli- chen" durch die „kritische Publizi- t ä t " vermittelt werde. Was Jürgen Habermas i n verquastem Sozio- logen-Kauderwelsch formuliert, meint folgendes: Die öffentliche M e i n u n g sei i m 18. Jahrhundert von engagierten Minderheiten wie Schriftstellern u n d A n g e h ö r i g e n des B ü r g e r t u m s hervorgebracht worden. Diese Öffentlichkewit sei mittlerweile zerfallen u n d nun sei es Aufgabe der Öffentlichkeitsar- beit, bestimmte Interessen - die der herrschenden Klasse - demokra- tisch z u untermauern. Eine „Ge- genöffentlichkeit" m ü s s e herge- stellt werden. Den Massenmedien komme die Aufgabe z u , eine Brük- ke z u schlagen. Die logische Konse- quenz aus Habermas A u s f ü h r u n - gen sahen die revoltierenden Stu- denten in den sechziger Jahren dar-

nes bestimmten Themas haben;

aber u m so größer ist der Einfluß der Medien auf die Frage, z u wel- chen Themen sich das P u b l i k u m ü b e r h a u p t eine M e i n u n g bildet.

Den Massenmedien kommt so- wohl beim linken Jürgen Haber- mas als auch bei der konservativen Elisabeth Noelle-Neumann eine Schlüsselrolle zu. Ist es tatsächlich so, d a ß die Mehrheit der Journali- sten links ist? Dürfen nur „politisch korrekte" - also linke - Memungen geäußert werden? Ist der Kampa- gnenjournalismus ein Druckmittel einer tollwütigen Linken, die nach dem schmachvollen weltweiten Zusammenbruch des Sozialismus bzw. Kommunismus mit der „Fa- schismuskeule" auf alles ein- drischt, was ihre „kulturelle Vor- herrschaft" bedroht? Sind „Sprin-

f

er und Kirch, Burda und F A Z und DF, C D U , F D P - alle links?", fragt sich Fritz J. Raddatz in der linksn- beralen „Zeit". Eine 1993 von Sieg- fried Weischenberg, Martin Löffel- holz und A r m i n Scholl durchge- führte Befragung ergab folgendes Bild: 51,2 Prozent der deutschen Journalisten bezeichnen sich selber als linksliberal, sozialdemokra- tisch oder sozialistisch. Konser- vativ, christdemokratisch oder rechtsliberal meinen lediglich 15,3

von Prozent der deutschen Journalisten z u sein. Allein 9,2 Prozent der Jour- nalisten sehen ihre politische Z u - gehörigkeit bei den G r ü n e n . Fol- gende parteipolitischen Präferen- zen wurden geäußert: 27,9 Prozent wollen keine N ä h e z u einer be- stimmten Partei haben, 22,5 Pro- zent favorisieren die SPD, 17,4 Pro- zent Bündnis 9 0 / D i e G r ü n e n und 4 Prozent die PDS. Lediglich 10,6 Prozent der Befragten neigen zur C D U / C S U , aber stolze 8,2 Prozent zur kleinen FDP. Problematisch er- scheint überdies die Tatsache, d a ß es mehrheitlich Leitmedien gibt, deren Mehrheit dem linken Spek- trum zuzuordnen ist. Es ist eine

E

- mrnalistische Elite, an deren P u - likationen sich der größte Teil des Berufstandes orientiert. Renate Köcher stellte bereits 1985 fest, d a ß der „Spiegel" von 82 Prozent der deutschen Journalisten häufig zur eigenen Infonnationsbeschaffung

f

enutzt werde, die „ S ü d d e u t s c h e leitung" von 80 Prozent, die

„Frankfurter Allgemeine Zeitung"

von 73 Prozent, „Die Zeit" von 70 Prozent, der „Stern" ebenso wie die

„Welt" von 62 Prozent und die

„Frankfurter Rundschau 51 Prozent. I3er

Journalist M i - chael L u d w i g rä- soniert: „ W a s zeichnet eine po- litisch agierende Zeitschrift ei-

f

entlich aus? N e - en Kommenta- ren z u m Tages- geschehen sind es vor allem Bei- träge z u den gro- ßen, wichtigen Diskursen (Aus- einandersetzun- gen), die die öf- fentliche M e i - nung bewegen u n d die das ge- s e l l s c h a f t l i c h e S e l b s t v e r s t ä n d - nis der Republik p r ä g e n . " „ D e r S p i e g e l " , aber auch „Die Zeit"

seien dafür (tref- fende) Beispiele.

„Lange Zeit spielte i m Kampf u m die intellek- tuelle Führer- s c h a f t d i e

„Frankfurter A l l -

gemeine Zeitung" eine herausra- gende Rolle, doch seit einige ihrer hellsten Köpfe abgewandert sind, ist es u m das Flaggschiff des kon- servativen Journalismus i n Deutschland m e r k w ü r d i g still ge- worden. U n d „Focus"? Hat er in den Jahren seines Bestehens dies- bezüglich auf sich aufmerksam ge- macht, gar Wellen geschlagen?

Nein, das hat er nicht... „Focus" - das sind Fakten, Fakten, Fakten aber keine Meinung, das sind w ö - chentlich 300 Seiten Buntes u n d viel heiße Luft."

Das Allensbacher Forschungsin- stitut von Frau Noelle-Neumann hat festgestellt, d a ß ohnehin das Fernsehen das meistgenutzte M e -

d i u m der Deutschen ist. Ungefähr die Hälfte der Deutschen meinte 1990, das Fernsehen sei g l a u b w ü r - diger als der Zeitungsjournalis- mus. Im Rundfunksektor sind es die Nachrichtensendungen der

„ARD", welchen die innerjournali- stische M e i n u n g s f ü h r u n g z u - kommt. 61,7 Prozent aller deut- schen Journalisten favorisieren die linksliberalen „ T a g e s t h e m e n " als Orientierungsmedium, gefolgt von der „Tagesschau" (55p Pro- zent). Die Nachrichtensendung

„SAT 1 N e w s " des Leo-Kirch-Sen- ders rangiert an letzter Stelle (7,3 Prozent). A u c h die Etablierung des Privatfernsehens hat an der linken M e i n u n g s f ü h r u n g kaum etwas ge- ändert. Bei der Frage, welchen Ein- fluß die Medien auf die Konsumen- ten haben, ist der seit den sechziger Jahren - aus vielerlei G r ü n d e n - voranschreitende Wertewandel u n d „Milieuzerfall" von herausra- gender Bedeutung. Die Familie verliert zunehmend an Bedeutung.

Überspitzt formuliert k ö n n t e fol- gende These aufgestellt werden:

Wenn früher der Sohn automatisch die Partei wählte, die auch der V a - ter wählte, so w ä h l t heute - insbe- sondere wegen der zunehmenden

„Mediatisierung" der W a h l k ä m p - fe - der Sohn denjenigen, den i h m die Medien nahelegen. Den größ- ten Teil ihrer Freizeit - auch dies ist durch Untersuchungen belegt - verbringen die Deutschen mittler- weile mit dem Konsum elektroni- scher Medien - als Radio und vor allem Fernsehen. Je geringer die Bindung an das unmittelbare U m - feld ist, desto stärker scheint der Medieneinfluß z u sein.

„Wird sie doch i m Meer ver- senkt?" fragte die „Bild-Zeitung"

am 14. Oktober 1997 hinsichtlich der Ölplattform Brent Star. Z u r Er- innerung: Im F r ü h s o m m e r 1995 kam es zwischen dem Ölkonzern Shell und der Umweltorganisation Greenpeace z u einer öffentlichen Auseinandersetzung, i n der deut- lich wurde, d a ß die i n keiner Weise demokratisch in irgendeine Macht-

zielt auf systembedingte Z w ä n g e der Medienlandschaft einzuge- hen." Shell-Deutschland sieht sich also gezwungen, sich dem Kampa-

g

ienjournalismus z u fügen, reenpeace hat mittlerweile von dem Fernsehsender „RTL" Sende- zeit für ein eigenes Ü m w e l t m a g a - zin zur Verfügung gestellt bekom- men. Ob das z u einer unaufgereg- ten, sachlichen A t m o s p h ä r e bei- trägt? Gerechterweise m u ß mit der

„Süddeutschen Zeitung" v o m 21.

August 1997 darauf hingewiesen werden, d a ß Greenpeace v o n der Presse wegen seiner manipulierten Daten heftig kritisiert wurde: „Als die Regenbogen-Krieger v o n Greenpeace vor gut zwei Jahren die Brent Spar des Konzerns Shell

Linke dominieren

besetzten, waren sie für Wochen die Medienstars. Dann fielen die Medien furchtbar über sie her, weil die Organisation falsche Zahlen veröffentlicht hatte. A l s Greenpea- ce-Leute in diesen Tagen eine BP- Bohrinsel i n der Nordsee enterten, fand das wenig Widerhall i n Deutschland, in Großbritannien hingegen schon: fast nur negative ReaKhonen." Greenpeace ist offen- sichtlich keine allmächtige Organi- sation, und die Medienkonsumen- ten sind keine wehrlose, nicht den- kende und beliebig beeinflußbare Masse.

Natürlich gibt es publizistische Ausartungen wie den Kampa-

P

nenjournalismus. Namen wie hilip Jenninger und Steffen Heit- mann, jener Kandidat für die Nach- folge von Richard von Weizsäcker i m A m t des Bundespräsidenten, der durch ein regelrechtes publizi- stisches Sturmgewitter gejagt wur- de, stehen dafür. Es sei an dieser Stelle des weiteren auf den Histori- kerstreit hingewiesen, der vor nun- mehr zehn Jahren deutlich machte, d a ß auch die Wissenschaft nicht alles hinterfragen darf, ohne d a ß sie sich vor der „veröffentlichten

A u s l ö s e r e i n e s verantwortungslosen Medien-Feldzuges: Anti-Shell-Kampagne von Green- peace 1995

position gewählte Umweltorgani- sation mit manipulierten Daten i n der Lage ist, einen Großkonzern u m seinen Ruf z u bringen und i h m mittels einer aufgeregten öffentli- chen Meinung erheblichen finanzi- ellen Schaden zuzufügen. Seit der B r e n t - S p a r - K a m p a g n e m ü s s e n sich die Angestellten der Deut- schen Shell A G i m Rahmen einer neuen Verhaltensvorschrift nach einem internen Schema regelmä- ßig für ihre Taten verantworten.

Shell-Deutschland analysiert nach dem „PR-Gau" Brent Spar: „Es w i r d dringend notwendig sein, die Instrumentarien und Methoden der konventionellen Öffentlich- keitsarbeit z u ü b e r d e n k e n und ge-

Foto dpa M e i n u n g " rechtfertigen m u ß . N i c - colo Machiavelli erkannte jedoch bereits am Ende des Mittelalters, d a ß sich das Volk nicht so leicht für d u m m verkaufen läßt: „Was die Klugheit und Beständigkeit anbe- langt, so sage ich, d a ß ein Volk klü- ger und beständiger ist und ein richtigeres Urteil hat als ein F ü r s t . . . Die öffentliche Meinung prophezeit so wunderbar richtig, was geschehen w i r d , d a ß es den Anschein hat, als sehe sie durch eine verborgene Eigenschaft ihr W o h l und Wehe voraus." A u c h daran mag es wohl liegen, d a ß öf- fentliche und veröffentlichte M e i - nung derzeit weit auseinander- klaffen.

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Politik

1. N o v e m b e r 1 9 9 7 - F o l g e 4 4 - S e i t e 4

V e r f a s s u n g :

W a h l r e c h t

f ü r K i n d e r ?

A l s vor Jahren i m konservativen Meinungsspektrum der Gedanke aufblitzte, erntete sein Schöpfer H o h n und Spott - von links bis rechts. Selbst in der Union fand sich kaum eine Stimme, die den Gedan- ken aufgreifen wollte. Dies hat nun eine prominente sozialdemokrati- sche Politikerin getan - die Berliner Justizsenatorin Lore-Maria Peschel- Gutzeit. Nicht mit einem beiläufigen Satz in einer verquasselten TV-Talk- runde, sondern in einem ernsthaften Aufsatz in einer ernsthaften Zeit- schrift - der „ N e u e n Juristischen Wochenschrift": Wahlrecht für K i n - der!

Was im ersten Augenblick als kuri- os, gar absurd anmuten mag, erweist sich bei genauem Hinhören als Anre- gung, die gründliches Nachdenken verdient: Kinder haben hierzulande keine Lobby. Ihr Lärmen auf Straßen und Hinterhöfen gehört vor den Kadi. In Restaurants - in deutschen! - gelten sie bei deutschen Gästen als arge Belästigung. U n d in der Steuer- gesetzgebung ist Kinderreichtum eine Strafe.

Rund zwanzig Prozent unserer Bürger sind minderjährig, haben also kein Wahlrecht. M u ß das so sein?

Peschel-Gutzeit schlägt vor, den E l - tern das Recht zu geben, für ihre K i n - der abzustimmen. U n d sollten die Eltern uneins sein, könnte die Stim- me halbiert werden. Wollte man die Situation von Familien mit Kindern nachhaltig verbessern, m ü ß t e n diese auch das ihr zustehende politische Gewicht erhalten, meint die Senato- rin. Eine G r u n d g e s e t z ä n d e r u n g w ä r e möglich. Ob Berlin i n diesem Sinne aktiv wird, ist noch nicht ent- schieden. M a n sollte dem Senat M u t zusprechen. E . S.

B u n d e s w e h r :

T r u p p e i n

V e r r u f g e b r a c h t

Die Bundeswehr ist wieder in die Schußlinie geraten. Grund für die ne- gativen Schlagzeilen ist ein neues

„Skandalvideo". In diesem Fall aller- dings erhält der Vorgang tatsächlich eine besondere Qualität, da offen- sichtlich auch Offiziere an dem „ge- waltverherrlichenden" Machwerk mitgewirkt haben. Da ist es nur kon- sequent, daß alle Register des Diszi- plinarrechts gezogen und strafrecht- liche Ermittlungen angestellt werden.

Wäre die Bundeswehr tatsächlich ein brauner Sumpf, gehörte dieser sofort und mit allem Nachdruck trockenge- legt.

Die Bundeswehrführung sollte sich allerdings davor hüten, aus ei- ner Mücke einen Elefanten z u ma- chen oder das K i n d mit dem Bade auszuschütten. Einzelne Vorkomm- nisse dieser Art, deren Begleitum- stände noch der Aufklärung b e d ü r - fen, rechtfertigen es nicht, die Bun- deswehr pauschal in ein rechtsextre- mistisches Licht z u rücken. Die Streitkräfte sind ein Querschnitt durch die Bevölkerung, so d a ß es auch hier einige - zumeist wehr- pflichtige - Vertreter rechtsradikalen Gedankengutes gibt. Die Tatsache, d a ß sich ein Teil der Offiziere angeb- lich als politisch „rechts von der Mit- te" stenend einordnet, dürfte aller- dings kein Beleg für rechtsextremi- stische Aktivitäten hinter den Kaser- nenmauern sein.

Den unbewiesenen Behauptungen des „Lieferanten" der Videofilme sollte daher kein zu großes Gewicht beigemessen werden. Daß der Betref- fende wegen mangelnder Eignung nicht weiterverpflichtet wurde, zeigt, daß die beurteilenden Vorgesetzten hier ganz offensichtlich das richtige A u g e n m a ß besessen haben. U n d A u - genmaß ist auch gefordert. J. H .

M o s k a u versucht trickreich, die A n n ä h e r u n g der baltischen Staaten an die Nato z u verhindern. D e r j ü n g s t e V e r f ü h r u n g s v e r s u c h gipfelte Ende ver- gangener Woche i m Angebot einer Sicherheitsgarantie. B e i einem Treffen mit dem litauischen Staatsoberhaupt Algirdas Brazauskas bot R u ß l a n d s P r ä s i d e n t Boris Jelzin russische H i l f e bei der L ö s u n g der Sicherheitsfrage i m B a l t i k u m an. Brazauskas versprach höflich, den Vorschlag „ernsthaft z u diskutieren", ließ aber keinen Zweifel daran, d a ß Litauen sich weiter u m eine Nato-Mitgliedschaft b e m ü h e n werde. Lettlands S t a a t s p r ä s i d e n t Guntis Ulmanis (Foto) wurde noch deutlichen „ S i c h e r h e i t s g a r a n t i e n s i n d nicht die Art v o n D i n g e n , die eine Seite für die andere aussucht." A u c h i n Estland konnte Jelzin keinen Blumentopf gewinnen. A l l e drei Baltenre- p u b l i k e n sind schon aus wirtschaftlichen G r ü n d e n an guten Nachbar- schaftsbeziehungen z u R u ß l a n d interessiert, doch ihre Sicherheit sehen sie allein durch den Westen g e w ä h r l e i s t e t Z u schwer wiegen die histori- schen Erfahrungen mit russischen V e r t r a g s b r ü c h e n u n d Einmischungs- versuchen. U n d auch die jetzt noch immer wieder z u vernehmenden Drohworte aus M o s k a u schaffen keine A t m o s p h ä r e , die Reval, Riga u n d W i l n a das R i s i k o eingehen ließe, die Sicherheit ihrer V ö l k e r dem K r e m l anzuvertrauen. Foto dpa

M i c h e l s S t a m m t i s c h

Daß sich Günter Grass für Deutsch- land schämt, wie er bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Yasal Kemal zum be- sten gab, ließ den Stammtisch im Deut- schen Haus völlig kalt. Der Stammtisch schämt sich nämlich schon seit langem, daß dieser vom politisch korrekten Zi- tierkartell hochsejubelte Blechtromm- ler den kulturellen Rang des Deutsch- land von heute repräsentiert und als

„Schriftsteller von Weltrang" gilt, wie SPD-Chef Oskar Lafontaine verkünde- te. Die dümmlich dreisten Ferkeleien im sogenannten literarischen Wirken von Grass offenbaren schon seit langem den Verlust jeglichen Schamgefühls - und dieser Verlust ist bekanntlich der Aus- druck kulturellen Zerfalls.

Natürlich kann Herr Grass sagen, was er will, und die Buchhändler könn- nen zu ihren Preisverleihungen reden lassen, wen sie wollen, und das Publi- kum kann klatschen, wann, wo und wie es will: Schließlich blamiert sich jeder so gut er kann. Die Deutschenfetndlich- keit aber, die Grass eigen ist, paßt dem Stammtisch überhaupt nicht. Sie ist nämlich genau so unmoralisch wie die Ausländerfeindlichkeit - die glückli- cherweise in Deutschland weitaus we- niger verbreitet ist als in anderen Staa- ten. Das zeigen beispielsweise die finan- ziellen Aufwendungen der öffentlichen Hände in Deutschland für Ausländer und ihre Zahlungen ans Ausland eben- so wie die Spendenfreudigkeit der Deut- schen für alle Weit.

Grass - seit der durch das „ Wir sind ein Volk!" ertrotzten Wiedervereini- gung intellektuell blamiert, uneinsich- tig und bar jeder Lernfähigkeit, mit ei- nem Wort: stockreaktionär - entpuppt sich als Schreibtischtäter für die an Mauerwände geschmierte Parole

„Deutschland verrecke", die, darüber war man sich am Stammtisch einig, auf einer Stufe steht mit dem menschen- feindlichen „Ausländer raus!"

au

G e d a n k e n z u r Z e i t :

Nur ein Fototermin in Straßburg

M e r k w ü r d i g e r E u r o p a - G i p f e l f a s t o h n e E r g e b n i s s e / V o n W i l f r i e d B ö h m

A u c h der G i p - fel des Europara- tes, z u d e m sich j ü n g s t i n S t r a ß - b u r g die 40 Staats- u n d Re-

i e r u n g s c h e f s ieser ä l t e s t e n g e m e i n s a m e n Institution der e u r o p ä i s c h e n demokratischen N a - tionalstaaten trafen, hat keinen Versuch unternommen, einen A u s - w e g aus d e m G e w i r r der politi- schen e u r o p ä i s c h e n Strukturen z u finden, das i n der Zeit des „ K a l t e n Krieges" entstanden ist. A u c h der naheliegende Gedanke, die ge- meinsame demokratische Zukunft des g r o ß e n Europa v o n Portugal bis z u m U r a l dadurch z u symboli- sieren, d a ß der Europarat seinen Sitz nach W i e n verlegt u n d S t r a ß - b u r g d e m Europaparlament der E u r o p ä i s c h e n U n i o n (EU) ü b e r - läßt, fand aus Angst vor der franzö sischen Reaktion keinen öffentlich g e ä u ß e r t e n W i d e r h a l l .

So bleibt es dabei, d a ß der Euro- parat weiter i m Institutionen- Dschungel Europas untergeht, den selbst Politprofis nicht mehr durchschauen. D a r i n befinden sich die O S Z E (Organisation für Sicher- heit u n d Zusammenarbeit i n Euro- pa), v o n S p ö t t e r n gern N U L L - E S - z E T - E genannt, die O E C D (Orga- nisation für wirtschaftliche Z u - sammenarbeit), die W E U (Westeu- r o p ä i s c h e Union), die alle wieder- u m mit zahlreichen Unter- u n d Nebenorganisationen versehen sind.

Die N a t o (Nordatlantische Ver- teidigungsgemeinschaft) u n d die

E U ( E u r o p ä i s c h e U n i o n ) sind die einzigen, die i m Gegensatz z u den anderen, besonders wegen ihrer finanziellen E)uftmarken, i m Dschungel wenigstens erkennbar sind. D o c h diese beiden k ö n n e n für sich allein oder auch gemeinsam wegen ihrer Geschichte u n d ihrer Struktur das g r o ß e E u r o p a , das nach d e m Z u s a m m e n b r u c h des K o m m u n i s m u s heute die Realität des Kontinents darstellt, nicht z u r Gemeinsamkeit f ü h r e n . Das k ö n n - te i m engen Z u s a m m e n w i r k e n mit E U u n d N a t o allerdings der E u r o -

{

>arat, w e n n er operationelle M ö g - ichkeiten i m ostmittel- u n d osteu- r o p ä i s c h e n Bereich erhielte, w o z u i h m nur die E U finanzielle M i t t e l z u r V e r f ü g u n g stellen k ö n n t e .

D i e Parlamentarische V e r s a m m - l u n g des Europarates, z u der die

g

e w ä h l t e n Volksvertreter aller 40 litgliedsstaaten g e h ö r e n , ist der- zeit das einzige parlamentarische F o r u m z u r politischen M i t w i r k u n g ostmittel- u n d o s t e u r o p ä i s c h e r Parlamentarier i n der e u r o p ä i - schen Politik u n d z u r Vorbereitung auf eine s p ä t e r e Mitgliedschaft i n der E U . W e r ernsthaft Demokratie i m östlichen E u r o p a w i l l , m u ß die- sen Volksvertretern W o r t u n d Stimme i n Europa geben, nicht nur, u m ihr Gewicht i n der nationalen Politik ihrer H e i m a t l ä n d e r u n d i n ihren V ö l k e r n z u s t ä r k e n , sondern auch, u m ihre M e i n u n g in die west- u n d s ü d e u r o p ä i s c h e Politik ein- bringen z u k ö n n e n . N u r so k ö n n t e g e s a m t e u r o p ä i s c h e Politik gestal- tet werden, die v o n der Tatsache ausgeht, d a ß Europa mehr als nur sein Westen ist.

D i e 40 Staats- u n d Regierungs- chefs gaben für die beabsichtigte

„ S t r u k t u r r e f o r m " jedenfalls keine politischen u n d finanziellen V o r - gaben, weder für den Europarat selbst noch für die A n p a s s u n g der ü b r i g e n Institutionen an die euro- p ä i s c h e Realität. D a es b e i m G i p f e l auch keine Initiative gab, e n d l i c h die deutsche Sprache z u r A m t s - sprache des Europarates z u ma- chen, w u r d e auch diese Chance vertan, diesem i m m e r wieder v o m deutschen Bundeskanzler vorge- tragenen dringenden W u n s c h ge- recht z u werden. Dabei h ä t t e eine gemeinsame Initiative mit R u ß - l a n d , das z u Recht Russisch als Amtssprache w ü n s c h t , den ge- s a m t e u r o p ä i s c h e n Charakter aes Europarates unterstrichen.

Statt dessen reichte es gerade z u einem g r o ß e n Familienfoto der A k - teure des Gipfels u n d z u einem w o h l k l i n g e n d e n Bekenntnis z u den hohen Idealen des Europara- tes: pluralistische Demokratie, Menschenrechte u n d Rechtsstaat- lichkeit. K e i n W u n d e r , d a ß der Pa- riser „L e M o n d e " den G i p f e l als

„ u n n ü t z " bezeichnete.

Die deutsche Presse berichtete eher g e q u ä l t , d a ß der Gipfel sich gegen das K l o n e n menschlicher Lebewesen ausgesprochen habe.

Die nicht gerade umwerfende Feststellung der Staats- u n d Regie- rungschefs , d a ß sie „ d i e Rolle des Sports als M i t t e l zur F ö r d e r u n g der

f

esellschaftlichen Integration, ins- esondere der Jugend anerken- nen", w a r der deutschen Presse dann doch w o h l nicht a l l z u neu u n d bedeutend erschienen.

Z o l l f r e i e r E i n k a u f :

Nur für Brüsseler Eurokraten?

D u t y - F r e e - B r a n c h e d r o h t V e r l u s t v o n 3 0 0 0 0 A r b e i t s p l ä t z e n

M i t dem Steuer- und zollfreien Ein- kaufen bei Reisen zwischen den 15 Ländern der Europäischen Union ist ab Mitte 1999 unweigerlich Schluß.

N u r den Brüsseler Eurokraten, die den „Duty-Free-Shops" damit die Existenzgrundlage wegziehen, w i r d das abgaoenfreie Einkaufen i n Belgi- en erhalten bleiben.

Von einer Ungerechtigkeit, die

„von den Betroffenen nur sehr schwer nachempfunden werden" könne, spricht der SPD-Bundestagsabgeord- nete Wolfgang Wodarg. Immerhin fürchtet die deutsche Duty-Free- Branche u m 30 000 Arbeitsplätze.

Zoll- und steuerfreies Einkaufen ist Normalreisenden heute nicht nur vor und w ä h r e n d Auslandsflügen m ö g - lich, sondern auch auf Ausflugsschif- fen (wenn sie genügend Abstand von der Küste haben), auf Fähren ins Aus- land und auf der Insel Helgoland. A l - lein an der Ostsee werde das EU-Ver- bot 5000 Arbeitsplätze kosten, ahnt Wodarg. Denn der preiswerte Ein- kauf ist ab Mitte 1999 nur noch Rei- senden erlaubt, die die EU-Außen-

f

renzen überschreiten. Die übrigen ouristen oder Geschäftsreisenden haben das Nachsehen, denn inner- halb des Binnenmarktes soll es nach dem Willen der Eurokraten keine Steuer- und Zollvorteile mehr geben.

Die 30 000 Brüsseler EU-Beschäftig- ten, ohnehin mit ü p p i g e n Gehältern verwöhnt, erfreuen sich weiterhin der Vorteile des steuerfreien Einkaufs.

Rechtliche Grundlage ist das „Protei koll über Vorrechte und Befreiungen"

der E U von 1965. Damit solle, so die Bonner Finanzstaatssekretärin Irm- gard Karwatzki (CDU), sichergestellt werden, d a ß Belgien „keinen unange- messenen fiskalischen Nutzen" aus der Mitgliedschaft der E U ziehen soll Konkret heißt das, d a ß EU-Beschäf-

tigte z u m Beispiel ein A u t o steuerfrei erwerben k ö n n e n . Einmal i m Jahr dürfen die Kommissionsbeschäftig- ten a u ß e r d e m eine A r t Wunschzettel ausfüllen: Dann k ö n n e n steuerfrei Alkohol, Tabak, Zigaretten und ande- re Waren geordert werden. Dabei hät- ten die EU-Mitarbeiter diese Vorteile eigentlich nicht nötig. Ihre Gehälter liegen bis z u m Doppelten höher als die vergleichbarer deutscher Beschäf- tigter. So erhält ein einfacher EU- Amtsmeister (Hausmeister, verheira- tet, zwei Kinder, höchstes Dienstal- ter) 8014 D M brutto (6439 Mark net- to). Sein deutscher Kollege i n einem Bonner Ministerium kommt auf 4432 Mark brutto (3990 netto). In der Rech- nung des Bonner Hausmeisters sind anteiliges Weihnachtsgeld, alle Zu- schläge, Ministerialzulage und Kin- dergeld enthalten.

Ein Bonner Regierungsdirektor kommt auf 10 439 Mark brutto (8262 D M netto). Dagegen trägt ein EU- Hauptverwaltungsrat 18 991 Mark brutto nach Hause. Netto sind es 15 073 D M . Bei Spitzenbeamten sieht es genauso aus: W ä h r e n d ein deut- scher Ministerialdirektor 12 268 D M netto nach Hause trägt, bekommt sein Brüsseler Kollege 23 230 D M .

Es sei, r ä u m t e selbst Staatssekretä- rin Karwatzki ein, „schwer zu vermit- teln, d a ß Diplomaten zollfrei einkau- fen können'*. Die CDU-Politikerin be- schied den SPD-Fragesteller: „Sub- jektiv möchte ich Ihnen recht geben."

Aber nur subjektiv. Denn nach offi- zieller Bonner Lesart hat die Abschaf- fung des zollfreien Einkaufens für Touristen und Geschäftsreisende nichts mit den Vorteilen der Eurokra- ten zu tun. Karwatzki über die EU- Pnvilegien: „Hier gibt es völkerrecht- liche Verträge, von denen ich der Mei- nung bin, d a ß sie gut sind." H L

Referenzen

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