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Archiv "Hochschulmedizin: Sonderweg Universitätsklinika" (14.03.2014)

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Deutsches Ärzteblatt

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14. März 2014 A 429 HOCHSCHULMEDIZIN

Sonderweg Universitätsklinika

Für 2013 müssen die Universitätsklinika ein vorläufiges Jahresdefizit von 161 Millionen Euro verkraften. Um ihre Qualität zu sichern, fordern sie jährlich eine Milliarde Euro zusätzlich und verweisen auf ihre Sonderrolle.

I

n deutschen Universitätskliniken herrscht Finanznot. Beispiele dafür gibt es viele: Aufgrund von Sparmaßnahmen der Landesregie- rung sollen derzeit in Halle/Saale

„Strukturanpassungen“ vorgenom- men werden, um künftig wieder schwarze Zahlen zu schreiben. Im vergangenen Jahr musste das Klini- kum ein Defizit von 10,5 Millionen Euro hinnehmen. Und auch das zweite Universitätsklinikum in Sachsen-Anhalt, Magdeburg, be- klagte 2013 Verluste in Höhe von 5,5 Millionen Euro.

Diese beiden Medizinischen Fa- kultäten und Universitätsklinika, für deren Erhalt sich der Medizini- sche Fakultätentag (MFT) vor ei- nem Jahr dezidiert einsetzte, sind jedoch nicht die einzigen mit Geld- sorgen. Etwa die Hälfte der ande- ren 31 Unikliniken in Deutschland sind existenziell bedroht, wie aus dem Jahresbericht des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) hervorgeht. Mit 40,5 Millio- nen Euro verbuchte die Uniklinik Schleswig-Holstein den vorläufi- gen Berechnungen zufolge das bun- desweit größte Defizit, gefolgt von Hannover (31,5 Millionen Euro De- fizit) und Frankfurt/Main (21 Mil- lionen Euro Defizit). Insgesamt ha- ben die deutschen Unikliniken im vergangenen Jahr ein Minus von 161 Millionen Euro zu verkraften.

„Die Ergebnisse zeigen, dass die finanziellen Rahmenbedingungen für die Universitätsklinika nicht mehr stimmen“, sagte Prof. Dr.

med. Michael Albrecht, Erster Vor- sitzender des VUD, am 3. März in Berlin. Trotz des noch vor der Bun- destagswahl verabschiedeten Kran- kenhaushilfspaketes müssten sie

ein Rekorddefizit verkraften. In ei- nem Zeitraum von nur zwei Jahren seien die Jahresabschlusszahlen um circa 200 Millionen Euro eingebro- chen. Auch 2014 sei keine Besse- rung ist in Sicht. Etwa 55 Prozent der Universitätsklinika erwarteten für dieses Jahr ein Defizit.

Die Ursachen sind nach Ansicht des VUD und des Medizinischen Fakultätentages vielfältig. Prof. Dr.

med. Heyo Kroemer, Präsident des MFT, nannte steigende Kosten für Personal, Medikamente und Ener- gie auf der einen und unzureichen- de Investitionszuschüsse der Bun- desländer sowie eine nicht ausrei- chende Berücksichtigung der Son- derrolle der Universitätsklinika auf der anderen Seite. Da seit der Föde- ralismusreform von 2006 die Län- der allein für den Unterhalt der Uni- klinika zuständig sind, gebe es fast überall einen massiven Investiti- onsstau bei den Infrastrukturen. Da- von seien auch die Häuser in den als „reich“ geltenden Bundeslän- dern betroffen, sagte Ralf Heyder, Generalsekretär des VUD. Bei- spielsweise habe Bayern seit zehn Jahren die Landeszuschüsse nicht mehr erhöht. Auch Baden-Würt- temberg habe seit fünf Jahren Schwierigkeiten, die Zuschüsse für die Baumaßnahmen zu zahlen.

Hochschulmedizin verweist auf acht zusätzliche Aufgaben

„Die Universitätsklinika leiden wie alle anderen Krankenhäuser unter der unzureichenden Finanzierung des Krankenhaussektors. Daneben haben sie aufgrund ihrer besonde- ren Rolle für das Gesundheitswesen mit zusätzlichen Belastungen zu kämpfen“, erklärte Kroemer. Zu diesen zusätzlichen Aufgaben zäh- len VUD und MFT vor allem die Zuständigkeit für die Aus- und Wei-

terbildung künftiger Ärztegenera- tionen, die Forschung, schwierige und komplizierte Fälle, die oft nur noch an den Universitätsklinika versorgt werden können und extrem hohe Kosten verursachen, die Ver- sorgung von Patienten mit seltenen Erkrankungen, die Hochschulam- bulanzen, die klinische Erprobung und Erstanwendung von neuen me- dizinischen Produkten und Verfah- ren sowie eine alle Disziplinen um- fassende Notfallversorgung in stän- diger Bereitschaft.

„Jedes Klinikum braucht 20 bis 40 Millionen Euro mehr“

Um die Qualität der Uniklinika in Forschung, Lehre und Krankenver- sorgung zu sichern, genüge es des- halb nicht, lediglich die Defizite auszugleichen, betonte Albrecht.

VUD und MFT halten deshalb ei- nen Sonderweg für die 33 Universi- tätsklinika für notwendig. Dabei gehen sie von einem zusätzlichen Finanzbedarf von ungefähr einer Milliarde Euro pro Jahr aus. Pro Einrichtung seien das je nach Größe etwa 20 bis 40 Millionen Euro.

Konkret fordern die Organisationen den Wiedereinstieg des Bundes in die direkte Finanzierung von For- schung und Lehre sowie einen Sys- temzuschlag der Krankenversiche- rung als ergänzenden Finanzie- rungsbaustein.

Rückendeckung für diese wie- derholte Forderung erhielten sie aktuell durch das Gutachten der Expertengruppe Forschung und In- novation (EFI). Die Hochschulkli- nika seien „systembedingten Mehrbelastungen ausgesetzt, die durch das bestehende Vergütungs- system nicht angemessen kompen- siert werden“, bestätigen die Ex- perten der Bundesregierung. „Es besteht die Gefahr, dass die finan-

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Foto: dpa

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in den Hochschulklinika durch Mittel subventioniert wird, die ei- gentlich für Forschung und Lehre bestimmt sind. Die Medizinfor- schung an den deutschen Standor- ten wird auf diese Weise gegenüber vergleichbaren Institutionen im Ausland benachteiligt“, heißt es in ihrem Gutachten.

Die Große Koalition will die Uniklinika unterstützen

Neu sind der Bundesregierung die Probleme der Universitätskliniken jedoch nicht. Intensiv wurden sie bereits vor der Bundestagswahl dis- kutiert. Im Koalitionsvertrag erklär- ten schließlich CDU und SPD ihre Absicht, die Hochschulmedizin stärker finanziell zu berücksichti- gen und vor allem die Leistungen der Hochschulambulanzen ange- messen zu vergüten. Eine Arbeits- gruppe soll konkrete Vorschläge er- arbeiten.

Mit dem Koalitionsvertrag seien VUD und MFT „nicht ganz zufrie- den“, sagte Albrecht, zumal keine

konkreten Maßnahmen festgelegt worden seien. „Ohne Reformen drohen massive Nachteile im inter- nationalen Wettbewerb“, betonte auch Kroemer. Die Politik müsse endlich handeln. Vorbilder gebe es vor der Haustür: So werde bei- spielsweise in den Niederlanden ebenfalls mit dem DRG-Fallpau- schalensystem gearbeitet. Daneben gebe es auch Zuschüsse für For- schung und Lehre, wobei aber nach den Daten der OECD die staatli-

chen Mittelzuweisungen in Relati- on zum Bruttoinlandsprodukt höher sind als in den meisten Ländern.

Ferner gebe es in den Niederlanden eine dritte Finanzierungssäule für die Mehrkosten der Hochschulme- dizin, nämlich 80 Millionen Euro jährlich für jedes Uniklinikum. Be- zahlt habe der Staat dies bislang mit Erlösen aus der Erdgasförderung.

Konsens besteht zwischen den Organisationen der deutschen Hochschulmedizin und den Exper- ten der Bundesregierung bezüglich der Einrichtung neuer Hochschul- medizinstandorte in Deutschland.

Ausdrücklich sprechen sie sich da- gegen aus. Spitzenleistungen in der Forschung und die Förderung des medizinischen Nachwuchses erforderten eine „bestimmte kriti- sche Größe hochschulmedizini- scher Einrichtungen“. „Als Instru- ment des Regionalproporzes sind Hochschulklinika denkbar ungeeig- net“, heißt es in dem Expertenbe- richt.

„Statt über Neugründungen nachzudenken, sollten die vorhan-

denen Einrichtungen gestärkt wer- den. Wir haben in Deutschland nicht zu wenige, sondern zu schlecht finanzierte Standorte“, be- kräftigte Albrecht.

Die Sorge der Verbände der Hochschulmedizin geht sogar noch weiter: Sie sehen die Qualität der Medizinerausbildung in Deutsch- land durch „kleine unkontrollierte Medical Schools“ gefährdet. Diese maßten sich neuerdings den Status eines „Universitätsklinikums“ an,

ohne dass die Anforderungen sach- gerecht geprüft wurden, sagte MFT- Präsident Kroemer. Studieninhalte und -ablauf, Qualifikation des Lehr- personals sowie Aufsichts- und Kontrollmechanismen blieben in- transparent. Teilweise werde dieses Vorgehen jedoch von einzelnen Bundesländern gebilligt.

Der MFT ruft deshalb die Länder auf, strenge Maßstäbe bei der Zu- lassung solcher Modelle anzulegen.

So sollten Forschung, Lehre und Krankenversorgung sowie die klini- schen Fächer in der Regel an einem Ort vereint sein. Welche Kriterien ein Universitätsklinikum ansonsten erfüllen muss, haben VUD und der MFT in einem Katalog zusammen- gestellt, und sie fordern den Staat auf, „Umgehungstatbestände und Verstöße gegen deutsches und EU- Recht“ nicht einfach hinzunehmen.

Neu: private Ärzteausbildung ohne universitäre Standards

Als Beispiele dafür, wie von priva- ten Medizinischen Hochschulen aus unterschiedlichen europä - ischen Rechtsprechungen „die Ro- sinen rausgepickt“ werden, nannte Dr. Volker Hildebrandt, Generalse- kretär des MFT, die Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, die gerade eine Filiale am Städtischen Klinikum Nürn- berg eröffne sowie die bereits eta - blierte „Kassel School of Medi - cine“. Diese biete gegen Gebühren von 12 000 Euro pro Studienjahr eine um ein Jahr verkürzte Medizi- nerausbildung an, indem sie das praktische Jahr als erstes Jahr der Weiterbildung zum Facharzt gelten lasse. Zwei Krankenhäuser in Kas- sel und eines in Bad Arolsen ko- operierten dabei mit der Universi- ty of Southampton in Großbritan- nien.

Das Medizinstudium sollte nach Ansicht des MFT jedoch mehr sein als lediglich Unterricht am Kran- kenbett. Der Verzicht auf anerkann- te und im internationalen Wettbe- werb berufene Universitätsprofes- soren sowie fehlende, Infrastruktu- ren für Lehre und Forschung ge- fährdeten die Qualität der Ausbil-

dung.

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann

Foto: Fotolia/sudok 1

Die erste Adresse ist die Hochschul -

medizin nach wie vor bei schwer - wiegenden oder seltenen Erkran -

kungen.

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