Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 20⏐⏐15. Mai 2009 A953
A K T U E L L
Rund 1 200 Ärzte, Praxisangestellte und Patienten sind einem Aufruf der Hausärzteverbände Nordrhein und Westfalen-Lippe gefolgt und de-
monstrierten am 6. Mai in Düssel- dorf für „eine bessere hausarztzen- trierte Versorgung“. Anlass dazu waren Verhandlungen der Hausärzte- verbände mit den Krankenkassen über einen Vertrag nach § 73 b SGB V.
Nach Ansicht der Hausärzte sind die Krankenkassen ihrer Verpflich- tung, bis Ende Juni entsprechende Verträge anzubieten, bisher nicht nachgekommen. „Die Vorstände der Kassen blockieren mit aller juristi- scher Finesse die Umsetzung der ,Hausarztgesetze‘ seit über vier Mo- naten“, kritisierte Dirk Mecking, Vorsitzender des Hausärzteverban- des Nordrhein. Vorbild für die Forderungen der Verbände sind die Verträge aus Bayern und Baden- Württemberg. Diese sehen eine Vergütung von circa 80 Euro je Patient und Quartal vor.
Sollte es bis zum 15. Mai keinen Vertragsabschluss geben, wollten die Hausärzte ein Schiedsverfahren beantragen, kündigte Norbert Hart- mann, Vorsitzender des Hausärz- teverbandes Westfalen-Lippe, an.
Dass in diesem Fall parallel weiter Gespräche geführt würden, schließe er aber nicht aus. mei Die niedergelassenen Ärzte und
Psychologischen Psychotherapeuten müssen sich in den nächsten Wo- chen und Monaten auf weitere Ver- änderungen im Rahmen der Hono- rarreform einstellen. Das hat der Vorstandsvorsitzende der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. med. Andreas Köhler, im An- schluss an die Verhandlungen im Bewertungsausschuss am 30. April verdeutlicht.
So klagt der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen gegen die Entscheidung, dass sich Kran- kenkassen und Kassenärztliche Ver- einigungen auf Landesebene über regionale Zuschläge für besonders förderungswürdige Leistungen eini- gen können. Diese Klage gegen ei- nen Beschluss des Erweiterten Be- wertungsausschusses vom 17. März hat aufschiebende Wirkung. Nach Köhlers Worten müssen es deshalb beispielsweise Belegärzte und am- bulante Operateure hinnehmen, dass
ihre genaue Honorierung weiterhin unklar bleibt. Insgesamt geht es um rund 130 Millionen Euro.
KBV-Vorstand Köhler wies zu- dem auf eine weitere „Baustelle“
hin: Derzeit werden zahlreiche Leistungen im Einheitlichen Bewer- tungsmaßstab nicht kostendeckend vergütet. Denn der Orientierungs- wert wurde auf rund 3,5 Cent fest- gelegt und liegt damit ein knappes Drittel unter dem kalkulatorischen Punktwert der KBV von 5,11 Cent.
Leistungen, deren Bewertungen im vergangenen Jahr nicht angehoben wurden, sind deshalb nach seinen Worten zu schlecht bezahlt – und werden es bleiben, wenn der Orien- tierungswert für 2010 nicht höher angesetzt wird. Unter dem Strich führe dies dazu, so Köhler, dass an- stelle des kalkulatorischen Arzt- lohns von etwa 105 000 Euro pro Jahr aufgrund des Orientierungs- werts nur mit rund 72 000 Euro ge- rechnet werden könne. Rie HONORARREFORM
Kassen klagen gegen regionale Zuschläge
HAUSARZTVERTRÄGE
Proteste in Nordrhein-Westfalen
Der Mai gilt als Wonnemonat. Doch bei den Hausärzten ist davon nichts zu spüren. Sie nehmen es den Krankenkassen übel, dass sie den Abschluss von Hausarztverträgen blockieren. Zuletzt demonstrierten nordrhein-westfälische Hausärzte am 6. Mai in Düsseldorf. Ihr Ziel:
Verträge wie in Bayern und Baden- Württemberg mit rund 80 Euro Ho- norar pro Fall.
Dr. med. Heinrich Miks, Internist aus Hamm, der mit Fach- und Hausärzten zusammenarbeitet, regt die Fixierung auf die gelobten 80 Eu- ro auf. Sie führe in die Irre, behaup- tet er. Miks Rechnung: Derzeit bekommt ein Hausarzt in Westfalen- Lippe pro Fall rund 32 Euro. Rech- net man Leistungen wie Labor oder Impfungen hinzu, sind es circa 48 Euro. Demgegenüber erscheinen 80 Euro schon verlockend.
Nur, so Miks, die Honorarsumme, die für alle Hausärzte zur Verfügung stehe, werde bei 80 Euro geringer.
Denn in Bayern und Baden-Württem- berg müssten sich die Patienten ein- schreiben; pro Patient werde also nur einmal ein Honorar ausgelöst. Im Bun- desdurchschnitt suchten jedoch Pati- enten rund 1,4 Hausärzte pro Quartal auf. Das heißt, mehr als einer verdient.
In Westfalen-Lippe müssten die Kassen je eingeschriebenen Pa- tienten mindestens 90 Euro bezah- len, um die Honorarverluste in der Summe auszugleichen. Denn die Fallmenge würde sich um 30 bis 40 Prozent reduzieren. Angemessen wären aus Sicht von Miks allerdings mindestens 100 Euro.
Er findet es wichtiger, realistisch zu rechnen, als darüber zu streiten, ob Verträge mit oder ohne KV ge- schlossen werden sollten: „Wer auch immer ein überzeugendes Ho- norar aushandelt, bei dessen Ver- trag wäre ich morgen dabei.“
RANDNOTIZ
Sabine Rieser
Wasser in den 80-Euro-Wein
Kritik an den Kassen:Die Ärzte fordern den Abschluss eines Haus- arztvertrags.
Foto:dpa