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Archiv "Hauptversammlung des Hartmannbundes 1998: Nein zu Globalbudgets" (16.10.1998)

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ür den Hartmannbund (Ver- band der Ärzte Deutschlands e.V.) zeichnen sich nach dem Regierungswechsel zwei alternative Entwicklungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens ab: Falls die in den Wahlprogrammen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen angekündig- ten Sofortinitiativen auf dem Gebiet der Sozial- und Gesundheitspolitik realisiert werden,

könnte sich sehr schnell eine Alli- anz von Bund, Bundesrat und Krankenkassen ergeben. Dies könnte zu einer sektorenüber- greifenden Glo- balbudgetierung, einer verschärf- ten Ausgaben- drosselung und einer Festschrei- bung der einnah- menorientierten Ausgabenpolitik der Krankenkas- sen führen. Die andere, optimisti- schere Einschät- zung des Hart- mannbund-Vor-

sitzenden, Dr. med. Hans-Jürgen Tho- mas, Allgemeinarzt aus Erwitte: „Der designierte Bundeskanzler Gerhard Schröder hält sich an sein Wahlver- sprechen, den Mittelstand zu stärken, und berücksichtigt, daß der expandie- rende Gesundheitsmarkt auch da- zu beiträgt, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stabilisieren und ihm neue tragfähige Impulse zu ver- leihen – auch was das Beschäftigungs- potential in diesem Sektor betrifft.“

Der Hartmannbund (HB) hat bei sei- ner Hauptversammlung am 2./3.

Oktober in Baden-Baden der neu amtierenden Bundesregierung eine faire Zusammenarbeit angeboten.

Der Verband werde jedoch eine Umkrempelung des Krankenversi- cherungssystems und eine Verän- derung in Richtung „Staatsmedi- zin“ nicht tatenlos hinnehmen.

Für den Hart- mannbund sind die Freiberuflich- keit und Ent- scheidungsfreiheit der Ärzte in Kli- nik und Pra- xis, die berufliche Unabhängigkeit, die existentielle Sicherung der ärztlichen Berufs- tätigkeit und die freie Arztwahl im Gesundheitswe- sen unverzicht- bar. Primärzarzt- systeme und Ein- kaufsmodelle sei- en wenig hilf- reich. Sie ließen vermuten, daß Ökonomie vor die Medizin und die Bedarfsnotwendigkeiten gestellt werden soll. Statt dessen macht sich der HB für eine tragfähige Finanzie- rung der Krankenkassen stark. An der paritätischen Finanzierung soll im Grundsatz festgehalten werden. Aller- dings müßten der Leistungsumfang der GKV neu definiert werden und sämtliche versicherungsfremden Lei- stungen (mindestens fünf Milliarden DM p. a.) aus dem Pflichtleistungska- talog der Gesetzlichen Krankenversi-

cherung eliminiert werden. Der HB befürwortet eine Pflicht zur Kranken- versicherung bei freier Wahl des Versi- cherungsträgers und eine Begrenzung der Pflichtversicherten auf den Kreis der tatsächlich Sicherungsbedürftigen.

Mehrere Gefahrenmomente un- ter der neuen Bundesregierung sieht der HB: die Prolongierung des sekto- renübergreifenden Budgets, strikte Ausgabendeckelung, dogmatisch ver- absolutierte Beitragssatzstabilität, in- stitutionelle Öffnung der Krankenhäu- ser für die ambulante Versorgung, ver- bindliche Regelungen für ein einheitli- ches Qualitäts-Management und die Zulassung selektiver Verträge mit ein- zelnen Leistungserbringern außerhalb der Kollektiv-Vertretungsbefugnis der Kassenärztlichen Vereinigungen.

Thomas sagte, daß die Qualitätssi- cherung als eine ureigene Aufgabe der Ärzteschaft geradezu eine Vorausset- zung für die Berufsausübung sei. Qua- litätssicherung werde längst exerziert, jedenfalls lange bevor die Politik und die Krankenkassen diese Spielwiese entdeckt hätten. Allein in Deutschland wurden 1996 27 Millionen Fortbil- dungsstunden von praktizierenden Ärzten nachgewiesen – mithin im Durchschnitt 87 Stunden je Arzt – ein Indiz für den hohen Stellenwert.

Zum Teil kontrovers diskutierten die Delegierten die Finanzierungsfra- ge. Einige plädierten dafür, daß die Krankenkassen die Qualitätssiche- rungsmaßnahmen zusätzlich zur Ge- samtvergütung honorieren müßten.

Andere verständigten sich auf die Formel, daß gute Qualität im „Preis“

inbegriffen sei. Allerdings seien viele Praxen existentiell so ausgelaugt, daß die Qualität zusätzlich über die Ho- norare bezahlt werden müsse.

Managed Care und vernetzte Praxen

Zwei andere Reizworte erhitzten die Gemüter: die Übertragung des Managed-Care-Prinzips aus den USA auf das deutsche Gesundheitswesen und vernetzte Praxen im ambulanten Sektor. Thomas: Gefahr beim Man- aged Care ist, daß Qualität und Erfolg der Behandlung von außen – von den Krankenkassen – erzwungen werden sollen. Es sei jedoch nicht realistisch, A-2610 (30) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 42, 16. Oktober 1998

P O L I T I K TAGUNGSBERICHT

Hauptversammlung des Hartmannbundes 1998

Nein zu Globalbudgets

HB-Vorsitzender Thomas warnt vor einer Rückkehr zur einnahmenorientierten Ausgabenpolitik. Der Gesundheits- markt könne den „Wirtschaftsstandort Deutschland“

stabilisieren und ihm tragfähige Impulse verleihen.

F

Dr. Hans-Jürgen Thomas, Allgemeinarzt aus Erwit- te/Westfalen, Vorsitzender des Hartmannbundes:

„Unter einem Globalbudget muß es zur Stagnation und zu einer Rückentwicklung des qualitativ hoch- wertigen Gesundheitswesens kommen.“

Foto: Frank Pfennig, Mönchengladbach

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Standards wie in einem Reparaturbe- trieb auf den Medizinbetrieb zu über- tragen.

An vernetzte Praxissysteme knüpft der Verband wesentliche Vor- aussetzungen.

Für den Patienten müsse gelten:

– freie Wahl des Arztes;

– freie Wahl des Abrechnungssy- stems;

– freiwillige Teilnahme an der Ver- netzung;

– transparente Abrechnungen;

– keine Benachteiligungen der Nicht-Netz-Ärzte;

– Recht zur Wahl privatärztlicher Abrechnung auch bei einzelnen vertragsärztlichen Leistungen auf Veranlassung des Patienten.

Bedingungen für den Arzt:

– freiberufliche, eigenverantwortli- che Tätigkeit;

– freiwillige Teilnahme;

– leistungsgerechtes Honorar;

– Berücksichtigung datenschutz- rechtlicher Auflagen sowie Ein- haltung der ärztlichen Schweige- pflicht;

– Beachtung des Leistungsumfangs der GKV;

– Liquidationsrecht bei gesetzlich Versicherten für privatärztliche Leistungen.

Um die Zuständigkeiten zwi- schen ambulantem und stationärem Sektor besser zu koordinieren und ei- ne durchgängige, gestufte Versorgung zu bewerkstelligen, sei erforderlich:

Erweiterung des Belegarztwesens;

Förderung von Praxiskliniken; ver- besserte Kooperation zwischen er- mächtigten Klinikärzten und nieder- gelassenen Ärzten; Koordination der Notfallversorgung in Absprache zwi-

schen Krankenhausärzten und Ver- tragsärzten; Zusammenarbeit bei der vor- und nachstationären Behand- lung; gemeinsame Qualitätszirkel;

Ausschöpfung sämtlicher installierter gesetzlicher Maßnahmen. In allen Sektoren müsse eine leistungsorien- tierte Vergütung erfolgen. Das Geld müsse der Leistung folgen. In der Ho- norarpolitik (EBM-Reform!) müßten betriebswirtschaftliche Kriterien wie- der mehr Geltung erhalten. Das Mor- biditätsrisiko müsse wieder auf die Krankenkassen verlagert werden.

Leistungsorientierte Entgelte und ei- ne sukzessive Umstellung der dualen Krankenhausfinanzierung auf Moni- stik seien wünschenswert, aber nicht unter dem Diktat der leeren Kassen und dem Zugeständnis, daß nun die Krankenkassen allein bestimmen dürf- ten, was Sache ist. Dr. Harald Clade A-2611

P O L I T I K

TAGUNGSBERICHT/KOMMENTAR

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 42, 16. Oktober 1998 (31) wei Pharmaunternehmen kom-

men zusammen, um den neuen Wirkstoff Mibefradil (Posicor und Cerate) gemeinsam auf den Markt zu bringen. Nun werden beide Firmen mit schweren Neben- wirkungen ihrer Präparate in der Pra- xis konfrontiert. Man könnte als ver- nünftig denkender Bürger glauben, daß auch in diesem Fall die beiden ein

„Joint-venture“ finden, dieses Pro- blem gemeinsam zu bewältigen. Weit gefehlt!

Während die eine Firma ihr Präparat weltweit von heute auf mor- gen vom Markt mit der Begründung zurückzieht, weil die sicherheitsrele- vanten Aspekte überwiegen, veran- laßt die andere Firma nur einen Ver- triebsstopp, der den weiteren Abver- kauf des Medikamentes für die auf dem Markt befindlichen Chargen er- möglicht. Zudem informieren beide Unternehmen über den „Rote-Hand- Brief“ die Ärzteschaft mit völlig un- terschiedlichem Tenor über ihre Maß- nahmen.

Während die eine Firma zwar die großen Vorteile des Medikaments herausstreicht, aber dennoch die ge- meldeten Zwischenfälle für ausrei- chend empfindet, um das Medika- ment unverzüglich vom Markt zu neh- men, schreibt die andere Firma im

„Rote-Hand-Brief“, daß das Medika-

ment wegen seiner hervorragenden Wirkung den Patienten weiterhin zur Verfügung stehen sollte, wenn auch, verursacht durch den Vertriebsstopp, nur noch zeitlich begrenzt.

Ärzte wie Patienten werden durch solch unterschiedliche Ein- schätzungen höchst verunsichert.

Wird nun nicht das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpro- dukte (Berlin), zu dessen Aufgaben auch die Wahrung des Patienten- schutzes im Bereich Arzneimittel gehört, sofort die Öffentlichkeit in- formieren? Leider war die Bundes- oberbehörde, gefangen im Dschun- gel europäischer Direktiven und Richtlinien, gebunden an das deut- sche Arzneimittelgesetz und den all- gemeinen Verwaltungsweg, nicht in

der Lage, unverzüglich und un- mißverständlich auf die Sicherheits- lage von Mibefradil hinzuweisen.

Daß die Ärzte überhaupt direkt informiert wurden, verdanken sie ei- ner Pressemitteilung der Arzneimit- telkommission der deutschen Ärzte- schaft und dem „Rote-Hand-Brief“.

Der basiert auf einer „freiwilligen“

Verpflichtung des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Der BPI vertritt freilich nur ei- nen Teil der pharmazeutischen Unter- nehmer. Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, ob die anderen drei Pharma- verbände sich dieser Verpflichtung auch stellen.

Es wird Zeit, daß alle mit der Arzneimittelsicherheit in Deutsch- land beauftragten Institutionen und Organisationen zu einem Konsens ge- langen, wie sie trotz ökonomischer Zwänge, trotz europäischer und na- tionaler Rechts- und Verwaltungsre- gularien, ein ganz einfaches und plau- sibles Ziel umsetzen können, nämlich Sicherheitsprobleme bei einzelnen Medikamenten so schnell wie mög- lich, transparent und unkompliziert an die Ärzteschaft und die Öffentlich- keit zu kommunizieren, um vor Scha- den zu bewahren.

Bruno Müller-Oerlinghausen Karl-Heinz Munter

Z

Arzneimittelsicherheit

Konsens gesucht

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