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Archiv "Bericht über die Lage der Freien Berufe: Späte Erkenntnisse und Bekenntnisse" (30.08.1979)

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99 Die freien Berufe fühlen sich bei ih- rer Berufsausübung dem Gemein- wohl verpflichtet, so daß dahinter ,das Streben nach Gewinn, wie es sonst der gewerblichen Wirtschaft eignet, zurücktritt'. Diese berufs- ethische Bindung, eine überwie- gend hohe Qualifizierung, Eigenver- antwortlichkeit, Risikobereitschaft, persönliche Gestaltungskraft, be- sondere Kenntnisse der Bedürfnisse des einzelnen — und damit Markt- und Verbrauchernähe — sowie häu- fig ein enges Vertrauensverhältnis zu demjenigen, der ihre Leistungen in Anspruch nimmt, sind charakteri- stisch für diese Berufsgruppe.

Aus: Bericht der Bundesregierung über die Lage der freien Berufe in der Bundesrepublik Deutschland, August 1979, Seite 5

Redaktion:

Haedenkampstraße 5

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Dieselstraße 2, Postfach 40 04 40 5000 Köln 40 (Lövenich)

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DEUTSCHE S B LATT

A

Ä RZTE BLATT

rz.tliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Bericht über die Lage der Freien Berufe

Späte Erkenntnisse und Bekenntnisse

Die Bundesregierung beeilte sich, noch in der Sommerpause einen 120 Seiten starken „Bericht über die Lage der freien Berufe in der Bundesrepublik Deutschland" unter Dach und Fach zu bringen. Sie entledigte sich mit dieser vom Bundeskabinett am 22. August gutge- heißenen Fleißarbeit einer Aufgabe, die ihr der Deutsche Bundestag auf Grundlage eines Antrages der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unter Zustimmung aller Fraktionen des Hauses etwa vor Jahresfrist auferlegt hatte.

Mit diesem regierungsamtlichen Dokument wird erstmals auch einer Dauerforderung der Angehörigen der selbständigen und freien Berufe, repräsentiert durch den Bundesverband der Freien Berufe (BFB), Rechnung getragen, die marktwirtschaftliche und gesell- schaftspolitische Funktion dieser Gruppe von Erwerbstätigen im Gesamt unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung darzustellen und zu werten. Die Bedeutung, die die Bundesregierung den freien Berufen „aufgrund ihrer wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Funktionen" beimißt, kommt in erstmalig formulierten „Grundsätzen einer Politik für freie Berufe" zum Ausdruck, die den Regierungsbe- richt in einem programmatischen Schlußkapitel abrunden.

Ohne der noch ausstehenden parlamentarischen Aussprache und der konkreten politischen Umsetzung der teils konkreten, teils eher ausweichend dargestellten Absichtserklärungen vorgreifen zu wol- len, muß dem Bericht (für die Abfassung war das Bundeswirtschafts- ministerium verantwortlich) seine passagenweise betont positive Einstellung zur freien beruflichen Tätigkeit und zur gesellschaftspo- litischen Funktion der freien Berufe anerkennend bescheinigt wer- den. Auch wenn der Trend zu einer stärkeren Polarisierung der gesellschaftlichen Gruppen (in Arbeitnehmer auf der einen und gewerbliche Arbeitgeber auf der anderen Seite) weiter fortschreitet, so anerkennt der Regierungsbericht doch das unbestreitbar beacht- liche volkswirtschaftliche Leistungspotential der freien Berufe: „Die freien Berufe sind ein wichtiger Bereich der arbeitsteiligen Wirt- schaft und Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Ihre Berufsausübung ist häufig dem Gemeinwohl verpflichtet, was beruf-

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Die Information:

Bericht und Meinung Lage der Freien Berufe

liche Selbständigkeit, Leistungs- bereitschaft sowie ein hohes Maß an Eigenverantwortung, Risikobe- reitschaft und Kreativität voraus- setzt. Aufgrund ihrer besonderen Anpassungsfähigkeit an sich än- dernde technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedingun- gen und Herausforderungen kom- men ihnen als Teil des selbständi- gen Mittelstandes in einer — auf dem System dezentraler Entschei- dungen beruhenden — Wirt- schafts- und Gesellschaftsord- nung wichtige Funktionen zu."

Allein das arbeitsmarktpolitische Potential im Dienstleistungssek- tor, die Leistungs-, Versorgungs- und Ausgleichsfunktion unter- streicht deren lebensnotwendige Rolle: Die rund 296 000 selbstän- digen Freiberufler beschäftigen in ihren Praxen und Büros insgesamt 765 000 Arbeitnehmer (davon etwa 120 000 Auszubildende). Davon waren allein 227 898 oder 29,8 Prozent bei Ärzten beschäftigt.

Damit wird die Rolle der freien Be- rufe in unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung nicht nur zah- lenmäßig als politische Kraft und notwendiges Ferment, sondern vielmehr auch deren gesellschaft- liche Funktion anerkannt. Sie er- bringen ein weitgefächertes, qua- litativ hochstehendes Spektrum von Dienstleistungen, deren Wich- tigkeit gerade im Bereich der Ge- sundheitssicherung oder der Rechtspflege evident ist. Dies wird unterstrichen in der Aussage des Regierungsberichtes, freie Berufe, aber insbesondere auch Architek- ten und Künstler, hätten wichtige

Funktionen und Verantwortungs- bereiche bei der Gestaltung unse- res Lebensraumes; sie trügen da- mit zur Erhaltung und Entwick- lung der kulturellen Vielfalt bei.

Auch andere Aussagen können uneingeschränkt unterstrichen werden: „Die freien Berufe tragen ... wesentlich zur Funktionsfähig- keit eines hochentwickelten und industrialisierten Landes wie der Bundesrepublik Deutschland bei.

In der marktwirtschaftlichen Ord- nung kommt den freien Berufen

auch eine wichtige Wettbewerbs- funktion zu. Ein vielfältiges Ange- bot an speziellen und qualitativ hochwertigen Dienstleistungen er- möglicht es dem Nachfrager, die für ihn beste Auswahl zu treffen.

Je individueller die Nachfrage ist, desto größer ist der Bedarf nach einem differenzierten Leistungs- angebot." Ohne die Aussage auf das Gesundheitswesen direkt zu münzen, wird den freiberuflichen Existenzen ebenso wie dem ge- werblichen Mittelstand beschei- nigt, daß sie Großorganisationen, besonders in Zeiten raschen struk- turellen Wandels, überlegen seien.

So erfreulich es ist, festzustellen, daß das jetzt vorgelegte Dokument all jenen interessierten gesell- schaftlichen Gruppen eine Absage erteilt, die die Rolle und Funktion der freien Berufe in Frage stellen und untergraben wollen, so bleibt zu hoffen, daß das gesellschafts- politische Engagement nicht von kurzer Dauer und nicht nur auf den kleineren Koalitionspartner des Regierungsbündnisses, die FDP, beschränkt bleibt. Darüber hinaus wird der Regierungsbericht eine Art Prüfstein dafür sein, in- wieweit sich die Bundesregierung und die sie tragenden politischen Parteien bei künftigen gesell- schafts- und steuerpolitischen Maßnahmen von den Absichtser- klärungen leiten lassen. Die Viel- falt und der Anspruch der freien Berufe erfordern ein gerütteltes Maß an politischen Aktivitäten, die Ernsthaftigkeit und Durchset- zungswillen aller politischen Kräf- te verlangen.

Berichtsauftrag auf dünnem statistischen Boden

Der Regierungsbericht ist in zehn Einzelabschnitte gegliedert, die als Frageraster dem Bundestags- beschluß zufolge vorgegeben wa- ren. Recht schwer tut sich der Re- gierungsbericht mit der Abgren- zung der Gruppe der freien Berufe von den übrigen Erwerbstätigen.

Dabei zog er sich weitgehend auf verfassungsrechtliche Positionen

zurück in jenen Abschnitten, die über die Entwicklung des Berufs- und Standesrechts, die Funktion sowie wirtschaftliche und soziale Bedeutung der freien Berufe so- wie die Berufswahl und Berufs- ausübung berichten. Vergleichs- weise konkreter dagegen sind die Erkenntnisse der Bundesregie- rung über tatsächliche und vermu- tete Nebentätigkeiten Angehöriger des öffentlichen Dienstes in ange- stammten und typischen Tätig- keitsfeldern freier Berufe. Der Be- reich der Bauplanung und Bauver- waltung findet hier besonderes Augenmerk, ist doch hier die zu- nehmende unfaire Konkurrenz zwischen Bediensteten und Ange- hörigen der freien Berufe evident geworden und ist hier nach Mei- nung der Bundesregierung in er- ster Linie der Hebel anzusetzen, um Mißbräuche zu verhindern und entgeltliche Tätigkeiten einzu- schränken.

Einen weiteren Schwerpunkt bil- det die Darstellung der Krank- heits-, Alters- und Hinterbliebe- nenversorgung der freien Berufe im Vergleich zu der der anderen Selbständigen sowie der Arbeit- nehmer im privaten und öffentli- chen Bereich. Diese inhaltlich für die Freiberufler existentiell so wichtige Passage ist inhaltlich zwischen Bundeswirtschafts- und Bundesfinanzministerium abge- stimmt worden. Es wird darauf verwiesen, daß der sogenannte Vorwegabzug bei Vorsorgeauf- wendungen, der vor allem den Selbständigen und Freiberuflern zugute kommt, nach dem im letz- ten Jahr verabschiedeten Steuer- entlastungsgesetz vom 1. Januar 1980 an von 1500/3000 DM (Ledi- ge/Verheiratete) auf 2500/5000 DM erhöht worden ist. Tatsächlich ist eine steuerliche Gleichstellung damit noch nicht erreicht worden, da der steuerfreie Arbeitgeberbei- trag zur gesetzlichen Rentenversi- cherung allein bis zu 4320 DM be- tragen kann und die Arbeitnehmer auch den Zuschuß des Arbeitge- bers zur Krankenversicherung steuerfrei erhalten. Zwar heißt es, Vorsorgeaufwendungen von Selb-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 2170 Heft 35 vom 30. August 1979

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ständigen und Arbeitnehmern sollten ein kam mensteuerrechtl ich

"grundsätzlich" gleichgestellt werden, doch bedeutet die Formu- lierung, die Bundesregierung wer- de die weitergehende Anglei- chung "zu gegebener Zeit" erneut prüfen, zunächst nichts anderes als eine Absichtserklärung. Die vom Bundesverband der Freien Berufe erhobenen steuerpoliti- schen Forderungen wurden indes nicht gewertet: Nach diesen Vor- stellungen sollte diese Benachtei- ligung im Steuerrecht durch drei Maßnahmen beseitigt werden: ..,.. Die Hälfte der Vorsorgeauf- wendungen der Selbständigen sollte analog dem Arbeitgeberbei- trag zur Sozialversicherung der Arbeitnehmer bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung steuerfrei gestellt werden.

..,.. Die für Arbeitnehmer gelten- den Steuervergünstigungen im Bereich der betrieblichen Alters- versorgung sollten analog für Selbständige eröffnet werden.

..,.. Der steuerfreien Lohnfortzah- lung für Arbeitnehmer im Krank- heitsfall würde es entsprechen, die Vorsorgeaufwendungen der Selb- ständigen für einen krankheitsbe- dingten Verdienstausfall ebenfalls steuerfrei zu stellen.

Auf der Erfolgsseite staatlicher Förderungsmaßnahmen zugun- sten der freien Berufe verbucht der Regierungsbericht das Exi- stenzgründungsprogramm des Bundes das am 1. Juli 1979 wirk- sam gewordene Programm zur

"Gewährung von Eigenkapitalhilfe zur Förderung der Gründung selb- ständiger Existenzen" (Eigenkapi- talhilfe-Programm); die in fast al- len Bundesländern gewährten Rückbürgschaften des Bundes für

Kreditgarantiegemeinschaften (KGG) sowie die teilweise im Rah- men von Mittelstandsförderungs- gesetzen von den Bundesländern verfügten Förderprogramme für freie Berufe.

Schwierige Definitionsfragen

Der Bericht stützt sich auf bekann- te und teilweise überholte Daten der Volkszählung, des Mikrozen- sus, der Einkommensteuerstatistik und die im Vier-Jahres-Turnus durchgeführten Kostenstrukturer- hebungen des Statistischen Bun- desamtes. Immerhin wird deutlich, daß mehr als vier Prozent aller Er- werbstätigen den freien Berufen und ihren Mitarbeitern zuzurech- nen sind. Die Einkommensteuer- statistik 197 4 wies 207 262 Steuer- pflichtige mit Einkünften überwie- gend aus selbständiger Arbeit aus . Diese repräsentieren nur mit Ein- schränkungen die freiberuflich Tä- tigen; sie erzielten 1974 einen Ge- samtbetrag der Einkünfte in Höhe von 19,7 Milliarden DM, was einem Durchschnittsbetrag je freiberuf- lich Tätigen in Höhe von 95 221 DM entspricht.

Zum 1. Januar 1978 sind insge- samt 296 000 Selbständige in freien Berufen statistisch ausge- wiesen. Die zahlenmäßig stärkste Gruppe stellen dabei die Selbstän- digen in den freien Heilberufen mit 120 000 Berufsangehörigen (darin sind freilich unter anderem auch die Heilpraktiker mitgerechnet), gefolgt von den freien rechts- und wirtschaftsberatenden Berufen (66 000), den freien technischen und naturwissenschaftlichen Be- rufen (49 000), den freien künstle- rischen und publizistischen Beru- fen (34 000) sowie den freien päd- agogischen, psychologischen und übersetzenden Berufen mit 26 000 Berufsangehörigen. Vergleicht man die Entwicklung des Anteils der Selbständigen mit der Ge- samtzahl der Erwerbstätigen in den freien Berufen, so zeigt sich insgesamt ein deutlicher Rück- gang - mit Ausnahme der Apothe- ker. Den größten Anteil Selbstän- diger an der Gesamtzahl der Er- werbstätigen wiesen Zahnärzte mit 87 Prozent und die Steuerbe- rater mit 83 Prozent aus. Bei den Ärzten waren zu Jahresbeginn 46 Prozent selbständig tätig. Bei der definitorischen Abgrenzung des

Die Information:

Bericht und Meinung Lage der Freien Berufe

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nen "ankommt". Sie zie-

hen den Nutzen daraus' Vielen Dank für Ihre Mitar- beit

Deutscher Ärzte- Verlag

Begriffs "freier Beruf" werden ver- fassungs- und steuerrechtliche Begriffsinhalte herangezogen, die dem Wesen und dem Inhalt der freien Berufe nicht immer gerecht werden.§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkom- mensteuergesetz (EStG) be- schränkt sich auf eine enumerati- ve Auflistung bestimmter "Kata- logberufe" (in die noch nicht ein- mal die Apotheker einbezogen worden sind). Auch künftig wird die Bundesregierung von einer Er-

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Die Information:

Bericht und Meinung Lage der Freien Berufe

weiterung des „Katalogs" abse- hen, wird ausgesagt. Der Bericht scheut sich in den schon länger schwelenden, mehr soziologisch orientierten Abgrenzungsstreit des Terminus „freier Beruf" einzu- greifen. Dieser betont sowohl die wirtschaftliche Unabhängigkeit der freiberuflichen Existenz als auch die Unabhängigkeit der be- ruflichen Entscheidungen — unab- hängig von der arbeitsrechtlichen Einbindung des als Freiberufler klassifizierten Erwerbstätigen.

Der Bericht begibt sich der Chan- ce, bereits bei der definitorischen Abgrenzung auf bürokratische und verwaltungsmäßige Einen- gungen hinzuweisen, denen frei- berufliche Existenzen zunehmend ausgesetzt sind. Aus der Aussage, daß im Prinzip nur der wirtschaft- lich Selbständige als Freiberufler bezeichnet werden könne, ließe sich provokativ schlußfolgern, daß danach nur derjenige als Freibe- rufler bezeichnet werden darf, der

„wirtschaftlich unabhängig", das heißt, auch sozial abgesichert ist (und dies sind die Arbeitnehmer in einem hohen Maße). Die Chance, eine neue Standortbestimmung der freien Berufe zu erörtern, ist ebenfalls nicht genutzt worden.

Die Suche nach einer allgemein- verbindlichen Aussage und einem gemeinsamen Nenner zeigt die Grenzen und Schwierigkeiten auf, mit denen sich die Verfasser des Berichtes konfrontiert sahen: Die sehr unterschiedlichen und diffe- renzierten Rollen der freien Beru- fe, ihr Selbstverständnis, die Dar- stellung der subtilen Probleme und Sachfragen sind nur in einer differenzierten Einzelbetrachtung zu bewältigen. Es ist zu wünschen, daß die Bundesregierung, wie an- gekündigt, die Kooperationsbe- reitschaft mit dem Bundesverband der Freien Berufe (ihm gehören 45 Organisationen der Freiberufler an) weiter nutzt, um die Statistik zu verfeinern und die noch fehlen- den Informationen und Daten durch Forschungsaufträge aufzu- füllen.

Der Heterogenität freiberuflicher Tätigkeit wird eine ausschließlich ökonomisch orientierte Betrach- tungsweise, wie sie den Bericht kennzeichnet, keineswegs ge- recht. Der „Preisbildungsprozeß"

kann nicht mit einer einfachen Marktmechanik umschrieben wer- den. Um diese Probleme auszulo- ten, muß man weit ausholen. Der relativ breiten Darstellung über die kartellrechtliche Einbeziehung der freien Berufe hätte gegenüberge- stellt werden sollen, warum und inwiefern berufsständische Be- sonderheiten (wie Werbeverbot und Gebührenregelungen) sowie ein weitgehend fehlender Preis- wettbewerb sich auf die berufliche Lage der Berufe auswirken.

Auch andere, auf die berufliche Tätigkeit der Heilberufe funda- mental einwirkende Rechtsvor- schriften, wie etwa das Kassen- arzt- und das Krankenversiche- rungsrecht, bleiben völlig uner- wähnt. Dies ist um so unverständ- licher, als gerade diese Rahmen- bedingungen die Tätigkeitsfelder der Heilberufe tangieren. Hier wä- re mehr Mut zu programmatischen Aussagen erforderlich gewesen.

Der Rückzug auf Kommentare und Aussagen des Bundesverfas- sungsgerichts sollte diese Schwä- che offensichtlich überdecken.

Über Zukunftserwartungen sowie mittel- und langfristige Markt- chancen der freien Berufe und Selbständigen wird so gut wie nichts ausgesagt. Mit keinem Wort wird die sogenannte Akademiker- schwemme gewertet und werden notwendige Schlüsse aus der ho- hen Anzahl von Studienzugängern gezogen. Es ist keineswegs nur die Sorge der freien Berufe und deren Organisationen, die Studen- tenlawine könne den sonst ge- rühmten hohen Qualitätsstandard der Ausbildung beeinträchtigen.

Statt dessen vertröstet der Bericht auf ein längst in Auftrag gegebe- nes, aber noch nicht abgeschlos- senes Forschungsprojekt, das die künftigen Beschäftigungschancen von Hochschulabsolventen venti- lieren soll.

Wohlklingende Absichtserklärungen

Trotz der offensichtlichen Mängel und Lücken des Regierungsbe- richtes, bleibt zu hoffen, daß das gesellschaftspolitische Engage- ment des Staates und der politi- schen Parteien für die freien Beru- fe und Selbständigen verstärkt wird. Keinesfalls kann die Bundes- regierung aus der Pflicht entlas- sen werden, den Situationsbericht fortzuschreiben. Sie muß daran gemessen werden, inwieweit sie zu ihrem Wort steht, daß staatliche Eingriffe Ausnahmen bleiben und in jedem Falle einer besonderen Rechtfertigung bedürfen. Auch die für die längst überfällige Neuge- staltung der Gebührenordnungen wichtige Aussage muß unterstri- chen werden. So heißt es: „Ge- bühren- und Honorarordnungen sind so auszugestalten, daß sie den berechtigten Interessen so- wohl der Angehörigen des jeweili- gen freien Berufes als auch der Nachfrageseite und der Allge- meinheit Rechnung tragen. Dies erfordert zugleich eine periodi- sche Überprüfung und Anpassung dieser Regelungen an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse, ohne daß hiermit eine Einkommensga- rantie verbunden sein kann." Auch steht die Bundesregierung im Ob- ligo, die Sicherung und Vermeh- rung von Arbeits- und Ausbil- dungsplätzen und die Anpassung an den wirtschaftlichen und struk- turellen Wandel zu erleichtern. Da- bei sollten grundsätzlich die subsi- diäre Art dieser Maßnahmen und die Entscheidungsfreiheit der frei- beruflich Tätigen erhalten und die Eigeninitiative unterstützt werden.

Die regierungsamtliche Wert- schätzung der freien Berufe sollte nicht auf den Augenblick und zu- mal auf Wahlkampftermine be- schränkt bleiben. Auch die von den freien Berufen geforderte steuerliche und sozialversiche- rungsrechtliche Gleichbehand- lung und Gleichstellung wird ein Prüfstein dafür sein, ob die Be- kenntnisse der Regierung nicht nur als unverbindliche Absichtser- klärungen zu werten sind. awa/HC

2172 Heft 35 vom 30. August 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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