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Archiv "Die universitäre Ausbildung zum Arzt — mehr Praxisnähe oder mehr Theorie?" (26.04.1979)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen FORUM

Die beschwichtigenden Stellung- nahmen der von Staats wegen mit der Realisierung der neuen Appro- bationsordnung für Ärzte (AO) be- faßten Stellen können nicht darüber hinwegtäuschen, daß der mit der AO beabsichtigte Zweck, die Ausbil- dung zum Arzt zu verbessern und sie insbesondere praxisnäher zu ma- chen, nicht erreicht wurde. Der so- genannte praxisnahe Unterricht ist aus verschiedenen Gründen unzu- reichend. Die Hauptvorlesungen in den Kernfächern, früher überfüllt und oft prägendes Erlebnis für das gesamte spätere Berufsleben, sind nur noch „unterrichtsbegleitend", die Hörsäle halb leer.

In den letzten klinischen Semestern treten uns nicht selten Studenten gegenüber, die nicht nur in Anato- mie, Physiologie oder Biochemie ei- nen Wissensstand aufweisen, der gelegentlich geringer als der gebil- deter Nichtmediziner ist, sondern denen vor allem auch klinisches Ba- siswissen, ja sogar einfachste Kenntnisse der Terminologie fehlen, das heißt wesentliche Voraussetzun- gen, um die klinischen Praktika nutzbringend zu absolvieren. Auch mangelt es an Kenntnissen der Theorie, des Verständnisses von Zu- sammenhängen. Nach aller Erfah- rung ist es ganz unwahrscheinlich, daß dieses fehlende theoretische Wissen jemals später nacherworben

wird. Die große Mehrzahl der Hoch- schullehrer der klinischen Medizin ist sich einig darin, daß die Ausbil- dung zum Arzt einen gefährlichen Tiefstand erreicht hat.

Eine nur teilweise zutreffende Erklä- rung für diesen Zustand ist, daß die AO für wesentlich kleinere als die jetzigen Studentenzahlen konzipiert worden sei. Richtig ist daran, daß die praktische Ausbildung der anflu- tenden Studentenmassen durch die gegebene Unterrichtskapazität der Universitätskliniken begrenzt wird, die bestimmt ist durch die Zahl ge- eigneter Patienten und durch die Zahl qualifizierter Lehrpersonen.

Wie später dargelegt wird, gibt es aber noch ganz andere, von der Stu- dentenzahl unabhängige Grenzen dessen, was die Universität an prak- tischer Ausbildung vermitteln kann.

Einer der Grundfehler der AO liegt darin, die Motivation der Studenten zum Erwerb von Wissen und zur Wahrnehmung des Unterrichtsange- botes nicht berücksichtigt zu haben.

Warum gingen die Studenten früher in die Vorlesungen? Sicher nicht wegen der Scheinpflichtigkeit und der früher geübten Form des Prakti- zierens, denn die Kontrollen wurden sehr großzügig gehandhabt oder fehlten ganz. Daß in den Hauptkol- legs gelegentlich hervorragende Lehrerpersönlichkeiten ein großes

Publikum anlockten, kann auch nicht allein ausschlaggebend gewe- sen sein, denn seit dem Inkrafttreten der AO hat sich der Personenkreis der Lehrenden wenig geändert.

Vorherrschendes Motiv der Studen- ten war vielmehr, daß der Lehrstoff der Vorlesung auch geprüft wurde, und zwar von den unterrichtenden Dozenten. Von einer kleinen Gruppe von Studenten abgesehen, sind auch heute bei der Mehrzahl der Studenten die zu bestehenden Ex- amina bestimmend dafür, was sie sich maximal an Wissensstoff aneig- nen. Sie tun dies jetzt anhand von Kompendien, die sich an den Lern- zielkatalogen orientieren. Vorlesun- gen sind hierzu überflüssig, eher störend, weil zu zeitraubend. Kurse und Praktika sind ihrem Wesen nach nicht geeignet, theoretische Kennt- nisse und Zusammenhänge zu ver- mitteln. Der Prüfungsmodus erlaubt, Teilbereiche gänzlich auszusparen und trotzdem zu bestehen. Der Weg- fall einer abgestuften Benotung gibt auch keinen Anreiz, das Examen möglichst gut zu bestehen.

Das Ergebnis ist nicht einmal ein ausreichendes, wie behauptet wird, sondern ein lückenhaftes, zusam- menhangloses Faktenwissen. Die von verschiedenen Seiten vorge- schlagene Wiedereinführung der Scheinpflichtigkeit für wichtige Vor- lesungen würde allein an dieser Si- tuation nichts ändern, selbst wenn man sie mit rigorosen, dann aber auch unwürdigen Anwesenheits- kontrollen verknüpft.

Der zu vermittelnde Stoff läßt sich grob in drei Kategorien gliedern:

1. Die wissenschaftlichen Grundla- gen der Medizin, ihre Theorie, die zu deren Erarbeitung verwendeten Me- thoden sowie die auf kritisches Ver- stehen gegründete Anwendung der Theorie auf den kranken Menschen.

Unterrichtsmethoden hierfür sind die Vorlesung, das Seminar, das Kolloquium, das Lehrbuch. — 2. Daten, einfache Sachverhalte und die Terminologie auf allen wich- tigen Gebieten der theoretischen

Die universitäre Ausbildung zum Arzt — mehr Praxisnähe oder mehr Theorie?

Klaus Dietrich Bock

Nach Meinung des Verfassers kann die Hochschule nur den weiter- und fortbildungsfähigen Arzt hervorbringen. Entsprechend sollte das Ausbildungsziel in der Approbationsordnung definiert werden. Neben einer ausreichenden theoretischen Ausbildung sollte sich die Univer- sität darauf beschränken, praktische Fertigkeiten nur insoweit zu vermitteln, als sie das überhaupt kann und als diese für das Berufsziel der Mehrheit der Studenten bedeutsam sind.

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und praktischen Medizin. Es ist das

"Handwerkszeug", das sogenannte

"Faktenwissen", das Vokabular, oh- ne die Lehre, Lernen, ärztliches Handeln und gegenseitige Verstän- digung unmöglich sind. Erworben wird dieses Wissen durch Bücher, Kurse, in ·Vorlesungen und teilweise auch mit den viel zu wenig genutz- ten modernen didaktischen Hilfsmit- teln (z. B. Lernmaschinen).

3. Praktische Fertigkeiten in Dia- gnostik und Therapie sowie ärztli- ches Handeln im weitesten Sinne am Krankenbett, lehrbar überwiegend nur am Patienten.

Für die Prüfungen ergibt sich die Konsequenz, daß die schrittliehe Prüfung auf Daten und schrittlieh abtragbare einfache Sachverhalte beschränkt sein sollte; hierzu ist sie, nach Beseitigung der oben erwähn- ten Unzulänglichkeiten im Prü- fungsmodus, hervorragend geeig- net. Die mündliche Prüfung sollte jedoch wieder eingeführt werden und kann sich dann auf Grundlagen- wissen, das Verständnis theoreti- scher Zusammenhänge und solche Sachverhalte beschränken, die schrittlieh nur unzulänglich geprüft werden können. Hierdurch würde gleichzeitig die große Vorlesung wieder an Anziehungskraft gewin- nen. Praktische Fertigkeiten können naturgemäß nur praktisch am Pa- tienten geprüft werden.

Keine Definition des Ausbildungsziels

Eine weiterer grundlegender, inzwi- schen auch vielfach gerügter Fehler der AO ist, daß das Ausbildungsziel nicht definiert wurde. Wie kann man einen Studiengang konzipieren und Studieninhalte festlegen, wenn man sich nicht darüber im klaren ist, wo- zu ausgebildet wird?

ln neueren Definitionsversuchen wird von einem Arzt gesprochen, der befähigt ist, nach der Approbation

"die Heilkunde selbständig und ei-

genverantwortlich ... auszuüben".

Sollte man damit meinen, daß diese Tätigkeit ohne Aufsicht, z. B. in

freier Praxis, erfolgt, so ist das eine für die Bevölkerung lebensgefährli- che Illusion. Hierzu war schon der nach der alten Bestallungsordnung mit Medizinalpraktikantenzeit ap- probierte Arzt kaum befähigt, und noch weniger ist es der nach der AO ausgebildete Arzt. Die Universitäten einschließlich der Lehrkrankenhäu- ser sind zu einer Vermittlung prakti- scher Fähigkeiten an Studenten in einem Umfang und in einer Qualität, die eine eigenverantwortliche ärztli- che Tätigkeit in freier Praxis unmit- telbar nach der Approbation erlau- ben würde, nicht in der Lage. Es spricht für die kritische Selbstein- schätzung unserer Jungärzte, daß sich bisher auch kaum einer unmit- telbar nach der Approbation nieder- gelassen hat. Dieser Situation sollte man auch formal in der AO Rech- nung tragen. Die sofortige Nieder- lassung könnte ja auch nur als All- gemeinarzt erfolgen, und der törde- rungsbedürftigen Allgemeinmedizin erweist man einen schlechten Dienst, ließe man dies zu.

Der von allen Seiten ertönende Ruf nach mehr "Praxisnähe" bleibt so lange eine Leerformel, als nicht da- zu gesagt wird, welche Praxis ge- meint ist. Die vom Internisten, vom Chirurgen, vom Augenarzt, vom Psychiater, vom Amtsarzt und nicht zuletzt vom Arzt für Allgemeinmedi- zin benötigten praktischen Fertig- keiten sind größtenteils so grund- verschieden, daß der, der "Praxisnä-

he" in der Ausbildung fordert, diese

Praxis definieren muß.

Ausbildung zum weiter- und fortbildungsfähigen Arzt Nach der letzten Veröffentlichung im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT gab es am 1. Januar 1978 in der Bundes- republik rund 129 000 berufstätige Ärzte, etwa 26 000 hiervon sind Ärzte für Allgemeinmedizin, dies ent- spricht 20 Prozent der berufstätigen Ärzte. Selbst wenn man berücksich- tigt, daß sich unter den in dieser Statistik als Krankenhausärzte auf- geführten Kollegen auch solche in der Weiterbildung zum praktischen Arzt befinden, wird deutlich, daß

Universitäre Ausbildung

man 60 bis 70 Prozent der Medizin- studenten an ihrem definitiven Be- rufsziel vorbei ausbildet, legte man der praktischen Ausbildung das Ziel

"Arzt für Allgemeinmedizin" zu-

grunde. Auch die Absicht, die Allge- meinmedizin zu fördern, wird um nichts dadurch vorangetrieben, daß man der Mehrzahl der Studenten ei- ne praktische Ausbildung vermittelt, die sie später niemals benötigen.

~ Ausbildungsziel der Hochschule kann heute nur noch der weiter- und fortbildungsfähige Arzt sein, wobei die Weiterbildung zum Arzt für All- gemeinmedizin gleichberechtigt ne- ben der in den Spezialfächern der Medizin steht. Der Arzt erhält zu- nächst eine beschränkte Approba- tion, die ärztliche Tätigkeit nur unter der Aufsicht von zur Weiterbildung ermächtigten Ärzten erlaubt. Selb- ständige ärztliche Arbeit sowie die Niederlassung gestattet erst die spätere Vollapprobation nach been- deter Weiterbildung.

Das Bild vom Arzt der Zukunft

Hat man das Ausbildungsziel so de- finiert, ergibt sich der Inhalt der Aus- bildung an der Universität zum Teil von selbst. Zunächst stellt sich aller- dings die Frage, welches Bild man sich vom Arzt der Zukunft macht.

Sicher kann es nicht mehr das Bild des Hausarztes der Jahrhundert- wende sein. Die ärztliche Tätigkeit hat sich in zahlreiche Teilgebiete aufgezweigt, und dieser Prozeß, mag man ihn noch so bedauern, ist noch nicht am Ende. Der Hausarzt bewältigte früher einen beträchtli- chen Teil der Medizin diagnostisch und therapeutisch allein, einschließ- lich vieler kleiner Operationen, und mußte nur ausnahmsweise einen Konsiliarius zuziehen. Hilfe bei der Geburt und beim Sterben, früher seine Domäne, findet jetzt weitge- hend hinter Kliniktüren statt. Statt dessen hat er wichtige neue Funk- tionen: Er muß entscheiden, ob sich hinter den zahlreichen leichten Er- krankungen und Betindlichkeitsstö- rungen, die er zu Gesicht bekommt, eine ernste Erkrankung verbergen

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Universitäre Ausbildung

könnte, und wenn, ob ein Spezialist und welcher zugezogen werden muß; er wird gelegentlich zum Hel- fer des Spezialisten, indem er eine von diesem verordnete differente Therapie leitet und überwacht. Er hat Aufgaben in der Prophylaxe und Gesundheitserziehung, er ist Fami- lienberater in medizinischen Fragen, und schließlich entscheidet er we- sentlich mittels der Ausstellung von Bescheinigungen und Zeugnissen über die Zuteilung von Soziallei- stungen.

Die Verlagerung des gerade die vita- le Sphäre des Patienten tangieren- den Teils der hausärztlichen Tätig- keit auf Spezialisten und Kliniken macht die Arbeit des Hausarztes si- cher nicht weniger wichtig, aber eben anders, und sie ist vermutlich einer der Gründe dafür, daß junge Mediziner oft eine Spezialistentätig- keit vorziehen. Kein Zweifel auch, daß zahlreiche früher dem Arzt vor- behaltene Tätigkeiten durch ent- sprechend geschultes Hilfspersonal vorgenommen werden können. Das zeigt sich in Kliniken und schon in manchen Praxen, und in den USA gibt es z. B. Behandlungsprogram- me für Hypertoniker, bei denen von der Anamnese über die Diagnostik einschließlich der körperlichen Un- tersuchung bis hin zur Therapie aus- schließlich Hilfspersonal tätig wird und der Arzt nur bei Problemfällen in Erscheinung tritt.

Ähnliche Gedankengänge lagen auch dem früher vom Wissen- schaftsrat vorgeschlagenen „Di- plom-Mediziner" zugrunde, der viel- leicht etwas zu schnell wieder weg- diskutiert worden ist. Maxmen hat in seinem Buch „The post-physician era" vorausgesagt, daß im 21. Jahr- hundert der Arzt durch speziell auf Anamneseerhebung, Diagnostik und Therapie programmierte Computer ersetzt wird und der Patient persön- lich nur noch von „medics" betreut wird, die von dem riesigen naturwis- senschaftlichen Wissensstoff entla- stet sind und im wesentlichen noch koordinierende Funktionen haben, vor allem aber kommunikativ begabt und menschlich qualifiziert sein müßten.

Solange wir aber noch am Bild des akademisch gebildeten und ausge- bildeten Arztes festhalten, sollte sich dieser von einem intelligenten Kran- kenpfleger, Sanitätsfeldwebel, Heil- praktiker und auch vom Diplom-Me- diziner unterscheiden. Um eine Grippe zu behandeln, Kopfschmerz- tabletten zu verordnen, eine Angina tonsillaris und selbst eine Appendi- zitis zu diagnostizieren, braucht man nicht sechs Jahre lang zu stu- dieren. Der Arzt unterscheidet sich von den genannten Gruppen darin, daß er sehr viel weitergehende Kenntnisse der theoretischen Grundlagen der Medizin besitzt, ein- schließlich ihrer Anwendung auf den konkreten Krankheitsfall. Er kann z. B. die Symptome von Krankheiten nicht nur aufzählen, sondern kennt auch ihre Entstehung, er wendet Be- handlungsverfahren nicht nur sche- matisch an, sondern versteht auch, warum und wie seine Therapie wirkt oder nicht. Das ermöglicht ihm nicht nur, in atypischer diagnostischer oder therapeutischer Situation sinn- voll zu handeln, sondern erlaubt ihm auch, unter vielen banalen Fällen je- nen einen zu erkennen, bei dem eine ernsthafte Erkrankung vorliegt.

Gerade der letztgenannte Gesichts- punkt macht den oft gehörten Vor- wurf gegenstandslos, daß das Kran- kengut von Universitätskliniken we- gen des Vorherrschens ungewöhnli- cher Krankheitsbilder für die Ausbil- dung ungeeignet sei. Wer einmal ei- ne Akromegalie, ein Phäochromozy- tom, eine Leukose, einen Morbus Crohn oder ähnliche insgesamt sel- tene Krankheitsbilder kennengelernt hat, wird an die Möglichkeit einer solchen Krankheit später auch dann denken, wenn sie ihm in der Praxis nur alle paar Jahre begegnet. Abge- sehen davon haben manche seltene Krankheitsbilder in der Lehre auch paradigmatische Bedeutung. Es wä- re verhängnisvoll, wenn der künftige Arzt in seiner Ausbildung überwie- gend mit Emphysembronchitis, es- sentieller Hypertonie, Diabetes, Gal- lenkoliken oder funktionellen Kreis- laufstörungen konfrontiert würde.

Schließlich gibt es kaum eine Wis- senschaft, in der aktuelles Wissen so schnell veraltet und Neuentwicklun-

gen so schnell Bedeutung für Leben und Gesundheit des Mitmenschen gewinnen, wie die Medizin. Die Er- kennung, die richtige Einschätzung und die Aneignung dieser Neuent- wicklungen ist nur auf der Grundla- ge einer fundierten theoretischen Ausbildung möglich.

Nur praktische Fertigkeiten, die vermittelbar sind

Die an der Universität zu erlernen- den praktischen Fertigkeiten sollten sich dagegen auf diejenigen be- schränken, die für die Mehrzahl der Teilgebiete bedeutsam und die an Studenten überhaupt vermittelbar sind. Hierzu wären, um nur einige Beispiele zu nennen, die Technik der Anamneseerhebung, die allge- meine körperliche Untersuchung, die Praxis der Ersten Hilfe und Wie- derbelebung und manches andere mehr zu rechnen. Nicht dazu gehö- ren würden etwa die Technik des Kehlkopfspiegelns, der gynäkologi- schen Untersuchung, der Brillenver- ordnung, der Röntgenuntersuchung und weitere, heute nicht einmal mehr von vielen praktischen Ärzten, sondern nur noch von Fachärzten vorgenommene Untersuchungen.

Der Katalog der in der universitären Grundausbildung des Arztes allein noch zu lehrenden praktischen Fer- tigkeiten ließe sich durch eine Um- frage bei den Vertretern aller in Be- tracht kommenden Teilgebiete er- mitteln. Sie müßten angeben, wel- che praktischen Fertigkeiten für die Weiterbildung in ihrem Fachgebiet Voraussetzung sind. Diese Angaben müssen dann gewichtet werden durch Multiplikation mit der Zahl der Studenten, die voraussichtlich das betreffende Fach wählen werden.

Nur das, was dann für mindestens 60 bis 70 Prozent der Studenten not- wendig ist, sollte in den Katalog der Lernziele für die praktische Grund- ausbildung eingehen.

Selbst hier müßten noch Abstriche gemacht werden. Sollte z. B. ge- wünscht werden, daß der in die Wei- terbildung eintretende Arzt eine

Pleurapunktion oder eine Lumbal-

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O

Es sagt sich so einfach:

„Wir brauchen gar

nicht mehr Kraftwerke.

Wir haben

doch genug Strorn."

Stimmt denn das?

Was heute genug ist, wird morgen zuwenig sein.

Wir haben heute den Strom, den wir brauchen, weil die Elektrizitätswirtschaft in der Vergangenheit die Kraftwerke bauen konnte und gebaut hat, die den Strombedarf der Gegenwart decken.

Adolf Schmidt, Chef der IG Bergbau und Energie, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestags- fraktion:

„Wir haben dafür zu sorgen, daß unsere Bürger und die Wirtschaft so mit kostengünstiger Energie

versorgt werden, daß Wohlstand und Leistungs- fähigkeit gewährleistet bleiben."

Die Gegenwart von heute ist die Vergangenheit von morgen. Wenn wir heute auf den Bau notwendiger Versorgungseinrichtungen verzichten, dann wird uns bereits in absehbarer Zeit Strom fehlen.

Strom, der gebraucht wird für die Erhaltung und den Ausbau der Leistungsfähigkeit in Wirtschaft und Gewerbe. Für die Sicherung vorhandener und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Für die Finanzierung der Altersversorgung und der Renten. Für energie- sparende Technologien. Für mehr Lebensqualität.

Überdies: Strom kann unsere Abhängigkeit vom Erdöl lindern, das heute noch rund 52% des Energie- bedarfs der Bundesrepublik deckt und immer knapper wird.

Ein Risiko können wir uns in der Energieversorgung nicht leisten. Deshalb brauchen wir mehr Kraftwerke.

Wir müssen sie jetzt bauen, damit sie rechtzeitig am Netz sind.

Mehr wissen - sicher urteilen.

Wenn Sie an weiteren Daten und Fakten zur Energiediskussion oder an einer kleinen Karikaturenauswahl inter- essiert sind, schreiben Sie bitte an:

Informationszentrale der Elektrizitätswirtschaft e.V. (IZE), Heinrich-Lübke-Straße 19, 5300 Bonn

Die deutschen Elektrizitätswerke informieren.

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Universitäre Ausbildung

punktion ausführen kann, wäre klar- zustellen, daß diese Techniken we- der früher noch heute dem Studen- ten an der Universität so vermittelt werden können, daß er sie wirklich praktisch beherrscht. Die Untersu- chung des Augenhintergrundes da- gegen, sollte sie von Allgemeinärz- ten, Internisten, Psychiatern, Neuro- logen und Neurochirurgen ge- wünscht werden, wäre eine Fertig- keit, die vermutlich an den Universi- tätskliniken erlernt werden könnte.

Die in den definitiven Katalog der praktischen Lernziele aufgenomme- nen Fertigkeiten müßten dann aller- dings in einer Prüfung nachgewie- sen werden, die diesen Namen auch verdient. Was nicht enthalten ist, muß in den Weiterbildungsordnun- gen verankert werden. Während der Weiterbildung können diese Techni- ken dann fachspezifisch und weit- aus gründlicher erlernt werden als an der Universität.

Schwierigkeiten des Ausbildungsziels

Das Ausbildungsziel eines weiter- und fortbildungsfähigen Arztes stößt auf standespolitische, tarifrechtliche und juristische Bedenken und Schwierigkeiten. Auch laufen die aus einem solchen Ausbildungsziel abgeleiteten Konsequenzen, näm- lich eine vertiefte theoretische und eine reduzierte praktische Grund- ausbildung der Medizinstudenten, dem gegenwärtigen unreflektierten Trend zu einer sogenannten praxis- nahen Ausbildung diametral entge- gen. Das skizzierte Konzept hat aber nicht nur die allgemeine bildungs- politische Erkenntnis für sich, mög- lichst vielseitig einsatzfähige, an veränderte Bedingungen anpas- sungsfähige Berufsanfänger auszu- bilden, sondern hätte noch eine Rei- he weiterer Vorteile.

Das Medizinstudium an der Hoch- schule könnte mit dem 2. klinischen Studienabschnitt abgeschlossen werden, einschließlich der auf einen wesentlichen Kern reduzierten prak- tischen Ausbildung. Der EG-Forde- rung auf mindestens 5500 Unter- richtsstunden müßte gegebenenfalls durch Wiedereinführung einer ge-

nügend langen Pflichtfamulatur und andere Maßnahmen Rechnung ge- tragen werden. Die Universitäten würden von Unterrichtsstoff befreit, der für 70 bis 80 Prozent der Studen- ten in ihrem künftigen Beruf bedeu- tungslos ist. Die Verschiebung des Unterrichtsangebots von der prakti- schen auf die theoretische Seite ent- spricht sowohl vom Prinzip her als vor allem auch unter praktischen Gesichtspunkten weitaus besser Auftrag und Möglichkeiten der Uni- versität. Die Erlernung spezieller praktischer Kenntnisse und Fertig- keiten sollte zum größeren Teil in die nachuniversitäre Weiterbildungs- phase verlagert werden, in der sie gezielter und vor allem auch besser erfolgen kann.

Entscheidende Fragen bleiben offen

Diese Überlegungen und Vorschlä- ge werden vermutlich auf Wider- spruch stoßen. Man kann z. B.

durchaus geteilter Meinung sein, ob man am Konzept eines akademisch gebildeten Arztes festhält, der sei- nen Beruf auf wissenschaftlicher Basis ausübt. Wenn ja, kommt man an den oben dargelegten Konse- quenzen kaum vorbei, wenn nein, müßte man einen ganz anderen oder verschiedene Ausbildungsgänge diskutieren. Ebenso muß man sich klar darüber werden, schon im Inter- esse unserer Bevölkerung, was dem approbierten Arzt an eigenverant- wortlicher Tätigkeit erlaubt sein soll, was er hierzu an praktischer Ausbil- dung erhalten haben muß und was die Universität hiervon anbieten kann.

Solange diese Ziele nicht definiert sind, lassen sich die Ausbildungsin- halte, einschließlich des Umfangs der praktischen Ausbildung, nicht festlegen. Jedenfalls scheint es we- nig sinnvoll, kosmetische Korrektu- ren an einer Approbationsordnung vorzunehmen, in der entscheidende Fragen offengelassen worden sind.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. Klaus Dietrich Bock Medizinische Klinik und Poliklinik der Universität (GHS) Essen Hufelandstraße 55 4300 Essen

BRIEFE AN DIE REDAKTION

KRANKENHAUS

Zur Diskussion um mehr Humanität:

Früher wecken - eine Folter

Das frühe Wecken ist eine wesentli- che Belastung der Patienten im Krankenhaus. Viele Menschen sind an sich Langschläfer, gerade viele Kranke haben morgens ihren zwei- ten Tiefschlaf. Die Belastung durch frühes Wecken ist für diese Men- schen keine Bagatelle.

Ich bin sicher, daß kaum ein Arzt weiß, wie früh die meisten Patienten geweckt werden. Bei Erkundigun- gen höre ich sehr oft folgendes Schema: 5 Uhr Fiebermessen und Pulskontrolle, dann nichts, 6 Uhr Waschen, dann nichts, 7 Uhr Früh- stück, dann nichts, bis zur Visite, Verbandswechsel usw.

Es ist ernst gemeint, wenn ich er- wähne, daß das wiederholte Wecken bei Gefangenen als Folter ange- wandt wird. Das frühe Wecken ist auch nicht dadurch ausgeglichen, daß der Tag früh endet mit Abend- essen um 17 Uhr. So schnell kann der kranke Mensch seinen Tages- rhythmus nicht ändern.

Organisatorisch kommt das frühe Wecken daher, weil der Nachtdienst Fiebermessen, Waschen erledigen soll. Das müßte sich ändern lassen, ohne den Krankenhausbetrieb zu stören.

Es müßte auch eine Verordnung bei der Visite möglich sein: In diesem Zimmer erst um 7 Uhr oder 8 Uhr wecken. Es gibt nur wenige Patien- ten, bei denen das frühe Wecken nötig ist: die ersten auf dem Op.- Programm, stillende Mütter, Labor- kontrollen, die von der Uhrzeit ab- hängig sind.

Das frühe Wecken entspricht auch keineswegs immer den Wünschen der Schwestern. Ich weiß, daß viele verheiratete Schwestern durch den frühen Dienstbeginn Schwierigkei- ten haben, den Ehemann oder auch ihre Kinder richtig zu versorgen. >

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Referenzen

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