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Archiv "Ausbildung am Krankenbett aber nur bei soliden theoretischen Kenntnissen" (07.10.1976)

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Spektrum der Woche Aufsätze-Notizen

Gefordert werden ein angemesse- nes, verbindliches Ausbildungspro- gramm für das Praktische Jahr, sprich fünftes Studienjahr. Dazu muß man wissen, daß der Medizin- studierende nach der neuen Ap- probationsordnung in der Chirurgie lediglich ein Praktikum zu absol- vieren hat, wie es bereits jetzt in Form des parallel zur Pflichtvorle- sung abgehaltenen Gruppenunter- richtes am Krankenbett erfolgt.

Darüber hinaus eine viermonatige Betätigung im fünften Studienjahr, ohne daß sichergestellt ist, daß das notwendige theoretische Funda- ment auch vorhanden ist. Dies ist eines der Hauptbedenken der zur Internatsausbildung heranzuzie- henden Chefärzte; nämlich die Fragwürdigkeit des Wissensstan- des der Studenten in der allgemei- nen und speziellen Chiurgie und der erst hierauf aufbauenden In- tegration in ein sinnvolles prakti- sches Ausbildungsprogramm am Krankenhaus.

Zur Zeit überschneiden sich zwei Ausbildungssysteme. Studierende der alten Approbationsordnung be- dürfen des Nachweises des regel- mäßigen und erfolgreichen Besu-

ches einer chirurgischen Pflicht- vorlesung, Studierende der neuen Approbationsordnung nicht mehr.

Ich frage mich: Waren alle bisher ausgebildeten Ärzte so schlecht ausgebildet; und wo erlernen unse- re zukünftigen Ärzte die rechtzeiti- ge Erkennung akuter und dringli- cher chirurgischer Krankheitssitua- tionen; etwa die Feststellung einer akuten Appendizitis, eines Ileus, ei- ner lebensbedrohlichen gastrointe- stinalen Blutung und vieles andere mehr? Der Unterricht in kleinen Gruppen vermag sicher nicht in gleicher Weise das breite Spek- trum aller in der Praxis wichtigen chirurgischen Krankheitssituatio- nen, insbesondere solcher vitaler und dringlicher Art darzustellen, wie dies in einer durchgehenden Vorlesung immer noch möglich ist.

Vier Monate Internatsausbildung dürften hierzu kaum ausreichen.

Zweite Forderung der Studenten ist ein angemessener Status der Stu- denten im Praktischen Jahr, so- wohl finanziell wie versicherungs- rechtlich. Versicherungsrechtlich ja, insofern die Tätigkeit am Kran- kenbett sowohl die Gefahr der Selbstschädigung (beispielsweise Virusinfektion) beinhaltet, wie mög- Ärztliche Fortbildung

grammiert und nach allen Seiten effektiv für die Praxis vermittelt werden kann.

In Erkenntnis der Dringlichkeit die- ser Aufgabe sind im Bereich fast aller Ärztekammern Fortbildungs- akademien entstanden, die mit Hil- fe der Einzelerfahrungen um kon- struktive Zusammenarbeit in der Fortbildung bemüht sind. Keines- wegs sind die Voraussetzungen in allen Ländern gleich, und noch we- niger lassen sich ausländische Mo- delle, etwa von Schweden, England oder den USA kritiklos auf die Bun- desrepubliK übertragen.

Alle Verantwortlichen stehen je- denfalls auf internationalen Ebenen miteinander in Kontakt, in der besten Absicht einer optimalen Nutzung des medizinischen Wis- sens für unsere Kranken.

Bei der Verschiedenheit aller Vor- schläge ist aber sicher, daß reine Lerntechniken die persönliche Be- gegnung auf Kongressen und Kur- sen nicht ersetzen können, denn die wichtigste Fortbildungsfunktion ist die freie Meinungsbildung durch kritischen Vergleich der doch im- mer verschiedenen Standpunkte und nicht zuletzt der Austausch persönlicher Erfahrungen mit sei- nesgleichen.

Unstrittig bleibt bei allen Kontro- versen in den Fragen der ärztli- chen Fortbildung wie eh und je der persönliche Einsatz des ein- zelnen, sei er Forscher, Lehrer oder „Schüler", mit Wissensdurst, Fleiß und Opferbereitschaft für die hohe, aber auch schwere ärztliche Berufsaufgabe.

Anschrift des Verfassers:

Professor

Dr. med. Otto Lippross Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Senats für ärztliche Fortbildung Hohenzollernstraße 35 4600 Dortmund

FORUM

Ausbildung am Krankenbett aber nur bei soliden

theoretischen Kenntnissen

Alfred Gütgemann

Der Beitrag wurde angeregt durch eine Resolution Erlanger Medi- zinstudenten (auszugsweise veröffentlicht im DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT, Heft 16/1976, Seite 1116), in der ein systematisches Ausbil- dungsprogramm für das „Praktische Jahr" (mit dem nach der neuen Approbationsordnung das Medizinstudium abschließt) sowie eine rechtliche und finanzielle Absicherung der Studenten in diesem Studienabschnitt gefordert wurde. Obwohl im Oktober dieses Jah- res das „Praktische Jahr" eingeführt wurde, sind diese Fragen weitgehend nicht geklärt. Der Autor gibt zu überlegen, ob nicht die bisherige Regelung — freilich hinsichtlich eines stärkeren Praxis- bezuges modifiziert — beibehalten werden sollte.

2586 Heft 41 vom 7. Oktober 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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lieherweise haftrechtliche Ansprü- che drohen. Auch dies ist ein Grund zu Bedenken der zur prakti- schen Internatsausbildung beizu- ziehenden Chefärzte. Aber finan- ziell würde das doch bedeuten, daß der Medizinstudierende sich nicht mehr als Lernender, sondern als Hilfeleistender versteht, der einen Anspruch auf Lohn hat. Allesamt offene Fragen, die sicher einer Re- gelung bedürften, aber sich er- übrigten, wenn man von der aus falschem Reformeifer geborenen neuen Studienregelung zur seithe- rigen Regelung zurückkehrte mit folgenden Vorteilen:

Längst hat sich auch bisher schon der Gruppenunterricht am Kran- kenbett eingebürgert; aber in sinn- voller Übereinstimmung und Vor- bereitung durch die theoretische Grundvorlesung. Hierdurch und durch Eigenstudium · erlangt der Studierende überhaupt erst das notwendige theoretische Funda- ment, um· seine praktischen Fähig- keiten am Krankenbett sinnvoll ent- wickeln zu können. Es dürfte eben doch einen Unterschied bedeuten, ob der langjährig erfahrene klini- sche Hochschullehrer unter Aus- nutzung auch neuer Erkenntnisse der Forschung und der Klinik ei- nem größeren Hörerkreis diese sei- ne Erfahrungen weitergibt oder ob ein, möglicherweise selbst noch in der Facharztweiterbildung stehen- der jüngerer Kollege sich nun be- müht, am einzelnen Krankheitsfall das ihm zur Verfügung stehende Wissen einer ihm zugeteilten Grup- pe von Studierenden zu vermitteln.

Zum Erwerb praktischer Fähigkei- ten und Erfahrungen am einzelnen Kranken gehört nun einmal auch eine systematische und kritische Übersicht wie analytische Betrach- tung aller möglichen Krankheitssi- tuationen, auf Grund derer der an- gehende Arzt überhaupt erst in die Lage versetzt wird, kraft assoziati- ven Denkens und auf Grund des erworbenen Wissens seine Ent- scheidungen zu treffen. Die Ent- wicklung dieser Fähigkeiten im Sinne einer universellen Bildung scheint mir mindestens ebenso wichtig zu sein wie der Erwerb

praktischer Fähigkeiten im Um- gang mit den kranken Menschen;

ein Gesichtspunkt, der wesentli- cher Hintergrund der theoretischen Hauptvorlesung ist. Es wird sich noch herausstellen müssen, ob neue Studiengänge in diesem Sin- ne bessere Ärzte erwarten lassen, als dies bisher der Fall war.

Versicherungsrechtliche und finan- zielle Sicherstellung ja. Aber genau das war der Vorteil der bisherigen Regelung, weil nicht nur der Er- werb praktischer Fähigkeiten im Rahmen des bisherigen Medizinai- assistentenjahres auf einem soli- den theoretischen Fundament nach Ablegung des Staatsexamens auf- bauen konnte; sondern auch, weil der Medizinalassistent in seiner Position sowohl besoldet wurde als auch im Krankheitsfalle, wie aber auch im Falle haftrechtlicher Ansprüche, abgesichert war.

~ Ein Letztes: Die neue Approba- tionsordnung läßt sich nur unter Heranziehung qualifizierter Kran- kenanstalten und deren Chefärzte bewerkstelligen, womit die bislang gegebene sehr breite Basis zur Ab- leistung des Medizinalassistenten- jahres ganz entscheidend einge- engt wird. Bisher konnte der Stu- dierende nach Absolvierung des ärztlichen Staatsexamens sein Me- dizinalassistentenjahr an jeder lei- stungsfähigen Krankenanstalt ver- bringen. Der Gesamtheit der Medi- zinalassistenten stand das gesamte breitgestreute Krankengut aller Krankenanstalten zur Weiterbil- dung zur Verfügung. Heute konzen- triert sich diese Aufgabe auf eine sehr begrenzte Zahl sogenannter Akademischer oder Lehrkranken- häuser, womit nicht nur von diesen eine erhebliche Mehrbelastung ge- fordert wird, sondern vor allem die Patienten von Universitätskliniken und Lehrkrankenhäusern eine von diesen schon heute nicht gerade sehr angenehm empfundene Sela·

stung auf sich nehmen müssen.

Nach der alten Approbationsord- nung wurde diese bei Durchfüh- rung eines Medizinalassistenten- jahres sicher sehr viel weniger empfunden, als dies jetzt schon

Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen Ausbildung am Krankenbett

durch Gruppenunterricht, fachärzt- liche Weiterbildung und in Zukunft sicher noch durch Kurse und lnter- natsjahr der Fall sein wird. Man ist über das Ziel hinausgeschos- sen, sieht die Aufgabe zukünftiger Ärzte allzusehr in der Bewältigung praktischer Aufgaben und manuel- ler Fertigkeiten, vernachlässigt das so wichtige Prinzip der Heranbil- dung eines umfassenden Denkens und einer logisch assoziativen Be- trachtungsweise, schränkt in Wahr- heit die praktischen Ausbildungs- möglichkeiten auf wenige Kran- kenanstalten ein und nimmt dazu noch viele kaum zu lösende Fragen der versicherungs- und haftrechtli- chen Absicherung der noch lernen- den Medizinstudierenden in Kauf.

Ganz abgesehen von der Unmög- lichkeit der Integration noch nicht genügend vorgebildeter Medizin- studierender in den Ablauf eines Krankenhauses und die Versor- gung seiner kranken Insassen. Verbesserung des seitherigen Stu- dienganges ja durch stärkere Beto- nung der praktischen Unterwei- sung in kleinen Gruppen. Aber Ver- zicht auf ein umfassendes theoreti- sches Fundament scheint mir ein etwas zu hoher Preis für ein Aus- bildungssystem zu sein, das sich zwar an ausländische Vorbilder an- lehnt, aber auch Gefahr läuft, mehr oder weniger medizinische Spezia- listen heranzubilden statt universell denkende Ärzte. Weshalb also tauscht man vermeintliche Vorteile der neuen Approbationsordnung gegen gravierende Nachteile der- selben ein, statt es bei der bisheri- gen Regelung unter stärkerer Beto- nung praktischer Lehrveranstaltun- gen, aber mit abschließendem Me- dizinalassistentenjahr zu belassen?

Die jetzt gefährdete praktische Ausbildung der Medizinstudenten

"erfüllt" den Anspruch einer sol- chen sicher nicht, auf jeden Fall weniger als das bisherige Medizi- nalassistentenjahr.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. h. c.

Altred Gütgemann Direktor der

Chirurgischen Universitätsklinik 5300 Sonn-Venusberg

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 41 vom 7. Oktober 1976 2587

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