• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Schwangerschaftsabbruch: Sechs Entwürfe zur Reform des § 218" (10.10.1991)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Schwangerschaftsabbruch: Sechs Entwürfe zur Reform des § 218" (10.10.1991)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

THEMEN DER ZEIT

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Schwangerschaftsabbruch:

Sechs Entwürfe zur

Die Zahl der Abtreibungen in den alten und neuen Bundesländern ist zu hoch. Darin sind sich die mei- sten Politiker einig. In der ersten Le- sung des Bundestages zur (Neu-)Re- gelung des Paragraphen 218 am 26.

September forderten deshalb Ver- treter fast aller Parteien einen besse- ren Schutz des ungeborenen Lebens.

Doch in den Fragen, ob ein Schwan- gerschaftsabbruch bestraft werden sollte oder nicht, und ob die Frauen sich einer Beratung unterziehen soll- ten, darüber bestand kaum Konsens.

Sechs Gesetzentwürfe lagen den Ab- geordneten des Bundestages vor.

Zwei Indikationen

> Für eine Verschärfung der bisherigen Indikationenregelung spricht sich eine Gruppe um den CDU-Abgeordneten Herbert Wer- ner aus. Abtreibungen sollten nur bei Gefahr für das Leben der Schwangeren oder einer schwerwie- genden und dauerhaften Beeinträch- tigung ihres körperlichen oder seeli- schen Gesundheitszustands zugelas- sen werden. Selbst eine zu erwarten- de schwere Behinderung des Kindes dürfe keinen Abbruch rechtfertigen (eugenische Indikation).

> Auch in ihrem Mehrheitsent- wurf hält die Union weiterhin an der Strafbarkeit fest. Die bisher vier In- dikationen sollen jedoch in zwei zu- sammengefaßt werden. Künftig soll es nur noch eine medizinische und eine psycho-soziale Notlage geben, die auch die eugenische und krimi- nologische Indikation umfaßt. Ob ei- ne Notlage besteht, muß der Arzt (ein Gynäkologe) feststellen, der auch die Abtreibung vornimmt. Die Frau muß sich mindestens drei Tage vor dem Abbruch in einer zugelasse- nen Beratungsstelle über die „zur Verfügung stehenden öffentlichen und privaten Hilfen" informieren, insbesondere über „solche Hilfen, die die Fortsetzung der Schwanger- schaft und die Lage von Mutter und Kind erleichtern".

Reform des § 218

Die Ärzte lehnen diesen Ent- wurf ab (dazu auch Heft 37/1991,

„seite eins"). Bereits auf dem 94.

Deutschen Arztetag im Mai in Ham- burg hatte Dr. med. Ingeborg Retz- laff, Vorsitzende des §-218-Aus- schusses, betont, daß es keine ärztli- che Tätigkeit sei, Notlagen zu defi- nieren, die „beim besten Willen nicht objektivierbar sind". Wenn in einer Gesellschaft Einigkeit darüber bestehe, daß es Notlagen gibt, aus denen heraus Frauen gezwungen sind, Schwangerschaften abbrechen zu lassen, so müsse die Verantwor- tung für diese Entscheidung der Frau zugetraut und auch zugemutet werden (dazu Heft 20/1991). Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. med. Karsten Vilmar, bekräftigte jetzt diese Bedenken gegen den Mehrheitsentwurf der CDU/CSU. In einem Interview mit der Kölner Zei- tung „Express" sagte er: „Ich finde es nicht richtig, dem Arzt über den Kopf der Frau hinweg die letzte Ent- scheidung zu überlassen. Die Schwangere kennt ihre Situation am besten. Sie muß deshalb mitentschei- den und einverstanden sein."

Bundesgesundheitsministerin Gerda Hasselfeldt verteidigte den Gesetzentwurf der Union. Die An- wendung einer gesetzlichen Indikati- onsregelung könne Schwanger- schaftskonflikte zwar nicht in jedem Fall lösen, doch „sie wird den wis- senschaftlichen Erkenntnissen zu al- len Fragen des Lebensbeginns und dem Konfliktfall der ungewollten Schwangerschaft weitaus eher ge- recht". Bundesfamilienministerin Hannelore Rönsch plädierte dafür, das Strafrecht als flankierende Maß- nahme zum besseren Lebensschutz einzusetzen. Kritik am Vorstoß der Union übten Politiker von FDP und SPD. 15 Jahre Indikationsregelung hätten gezeigt, daß das Strafrecht werdendes Leben nicht in ausrei- chendem Maße schützen könne, sag- te die Freie Demokratin Uta Würfel.

SPD-Fraktionschef Hans-Jochen Vogel betonte, bei der Diskussion der Gesetzentwürfe gehe es um „die

Grundelemente der menschlichen Daseinsordnung". Niemand könne der Schwangeren die Entscheidung abnehmen. Er hielt es für eine „be- queme und verlockende Illusion, zu glauben, eine Sache sei geregelt, weil es das Strafrecht tut".

Beratungspflicht

> Die Freien Demokraten wol- len eine Fristenlösung mit Bera- tungspflicht. Eine Abtreibung soll in- nerhalb der ersten drei Monate dann straffrei bleiben, wenn sich die Frau vorher hat beraten lassen. Die Frist wird auf 22 Wochen verlängert, wenn die Annahme einer schweren Behinderung des Kindes besteht.

Das muß dann von einem anderen als dem abbrechenden Arzt festge- stellt werden.

> Die SPD-Fraktion will den Paragraphen 218 streichen. Der Arzt soll straffrei bleiben, wenn er mit Einwilligung der Frau den Schwan- gerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen nach der Empfäng- nis vorgenommen hat. Schwanger- schaftskonfliktberatung, die sich mit den persönlichen Problemen der Schwangeren befaßt, könne nur als freiwillige Beratung ihren Sinn erfül- len.

> Die PDS/Linke Liste fordert die ersatzlose Streichung des Para- graphen 218 und einen Rechtsan- spruch auf Abbruch einer ungewoll- ten Schwangerschaft. Der Staat solle dazu ein umfassendes Angebot an stationären und ambulanten Einrich- tungen mit qualifiziertem Personal für Abtreibungen sicherstellen.

> Bündnis 90/Grüne wollen ebenfalls den Schwangerschaftsab- bruch legalisieren.

Das Parlament überwies die sechs Entwürfe an einen Sonderaus- schuß. Inzwischen äußerte Hans-Jo- chen Vogel, daß er einen Kompro- miß durchaus für möglich halte. Da- bei verwies er auf „Übereinstim- mung in zentralen Punkten" zwi- schen FDP, SPD und Teilen der

Union. Gemeinsam seien die Forde- rung

nach Straffreiheit und die An- sicht, daß die Frau selbst die letzte Entscheidung treffen solle.

Gisela Klinkhammer Dt. Ärztebl. 88, Heft 41, 10. Oktober 1991 (25) A-3393

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Mit 98 Prozent ist der medika- mentöse Abbruch extrem sicher und die hohe Akzeptanz in Ländern, in denen Frauen die Wahlfreiheit haben, spricht für sich.. In der Schweiz

Mit gutem Grund konnten Politiker, Ministerien und andere Stellen diese Kritik zurück- weisen: Es ist immer und immer wieder festgestellt worden, und zwar auch im Verlauf der

Selbst wenn bei der Mutter im Stadium des Prädia- betes noch keine Glukosetoleranz- störung nachzuweisen ist, kann eine sich stets wiederholende Glukose- überflutung des Feten

schwere Notlage. Unter sozialer Not- lage wird vielfach noch eine wirt- schaftliche Notsituation verstanden. Hier aber geht es in Anlehnung an die WHO-Definition für Gesundheit um

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 25 vom 22.. Menschen in seinem gesamten so- zialen und anthropologischen Standort einfach übersieht. Auch eine hochindustrialisierte mo-

Wenn in einer Gesellschaft Einigkeit darüber be- stehe, daß es Notlagen gibt, aus de- nen heraus Frauen gezwungen sind, Schwangerschaften abbrechen zu lassen, so müsse

Diese, im Vergleich zum Le- bensrecht eines Menschen se- kundären Gründe sollen ent- sprechend der Stellungnahme der BÄK nicht einmal über- prüfbar oder zu hinterfragen sein,

Werden Erkrankungen der eugeni- schen Indikation in den ersten drei Monaten mal eben weggekratzt oder elegant abgesaugt, weil es ja erlaubt ist, wird sich der forschende Geist