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Archiv "Ist die „Reform des § 218“ gescheitert?" (22.06.1978)

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I. Fauler Kompromiß

Die Reform des § 218 ist gescheitert, da weder von medizinischer noch von juristischer Seite eine klare Li- nie vorhanden ist. Die Fristenlösung wäre ehrlicher gewesen. Was uns jetzt auferlegt ist, ist ein fauler Kom-

promiß!

Die Schwangerschaftsverhütung geht fast nur über den Körper der Frau. So wie sich die Reform des

§ 218 jetzt eingespielt hat, verführt er dazu, die (auch von der Presse hochgespielte) „Pillenmüdigkeit"

oder „Pillenunverträglichkeit" als Ausrede für den Schwangerschafts- abbruch zu bringen. Es wird eine unverantwortliche Laschheit bei der Empfängnisverhütung getrieben.

Leider besteht — selbst bei manchen Ärzten — die Ansicht, ein Schwan- gerschaftsabbruch sei jetzt „ganz einfach". Dies würde aber bedeuten, daß Abtreibung einfach zur Fami- lienplanung gehört.

Ich glaube nicht, daß der Gesetzge- ber diese Entwicklung beim Ent- scheid zu der derzeitigen Fassung des § 218 bedacht hat.

Mitarbeiter von Pro Familia und an- deren Beratungsstellen kennen die entstandenen Belastungen. Deren ärztliches Personal, ebenso wie die klinikeinweisenden Ärzte und die Ärzte, die den Abbruch ausführen müssen, sind schweren psychischen Belastungen ausgesetzt. Auch für jeden anderen verantwortungsvol- len Berater ist die sogenannte „so- ziale Beratung" eine Zumutung. So sollen soziale Möglichkeiten vorge- schlagen werden, die manchen Or- tes in weitem Umkreise nicht beste- hen, wie Kinderkrippen oder Mutter- Kind-Heime.

Ein anderes Beispiel: Wer mag einer Mutter von mehreren Kindern anra- ten, die unerwünschte Schwanger- schaft auszutragen, um das Kind zur Adoption freizugeben. Das gleiche gilt für Minderjährige, die — unaufge- klärt — in die fatale Situation geraten, nicht wissend, was mit Schwanger- schaft und deren Folgen auf sie zukommt.

Weder medizinische noch juristi- sche Fakten sind vom Gesetzgeber bedacht, geschweige denn die psy- chologischen Folgen einer Abtrei- bung. Hinzu kommt, daß oft die An- sichten über medizinische Indikatio- nen zwischen dem einweisenden und ausführenden Arzt auseinan- dergehen und damit, oft unnötig, die Beratungsstelle eingeschaltet wer- den muß, um eine Notlageindikation zu bestätigen.

Das Berufsethos des Arztes verlangt, Leben zu erhalten (oft in sinnlosen Fällen); nun aber sollen Ärzte über

„Sein oder Nichtsein" entscheiden.

Die Berater stehen völlig unaufge- klärten Frauen gegenüber oder sol- chen, die unter dem Motto „Emanzi- pation" glauben, mit ihrem Körper nach ihrem Ermessen umgehen zu können. Der Gedanke an gesund- heitliche Schädigung — körperliche oder psychische — kommt nicht auf.

Ebensowenig ein Begriff von der Verantwortung für das werdende Leben.

Der Aufklärungsunterricht in unse- ren Schulen ist oft sehr mangelhaft.

Es ist unsinnig in der 5. oder 6. Klas- se (oder noch früher) eingehenden Sexualkundeunterricht zu geben.

Natürlich sollen im Biologieunter- richt die Sexualorgane besprochen werden, aber weiter zu gehen ist Holzhammermethode. In diesen Al- BELEGÄRZTE

Das Interview mit Prof. Dr. med. Hans- Werner Müller, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, und dessen positive Einstellung zum Be- legarztsystem wird von einem Leser leb- haft begrüßt:

Erfahrungen aus der Praxis

... Seit mehr als 16 Jahren gehöre ich einem Belegkrankenhaus mit 270 Betten als Chirurg an und bin im Vorstand des Hessischen Beleg- arztverbandes.

In unserem Hause sind in zahlrei- chen Disziplinen mehrere Kollegen vertreten, die sich gegenseitig assi- stieren und im Bereitschaftsdienst ablösen. Es ist ein gut funktionieren- der Betrieb, der sehr kostensparend arbeitet.

Bei dem heutigen Stand der Medi- zin, bei den aufgeklärten und kriti- schen Patienten benötigen wir einen nachgeordneten ärztlichen Dienst, den wir zu finanzieren haben.

Hier fangen die Schwierigkeiten an, die die Existenz des Belegarztsy- stems akut bedrohen, Schwierigkei- ten, die bei den ganzen Debatten und Erklärungen niemals erwähnt werden.. .

Wir erleben, daß für ausscheidende Kollegen keine jungen Ärzte zu ge- winnen sind, unter den immer schlechter werdenden Bedingungen bei uns zu arbeiten. Er ist besser dran, wenn er am Freitag seine Pra- xis dichtmacht und erst am Montag wieder anfängt. Warum soll er sich ohne Anreiz die Last, Mühe, Verant- wortung einer stationären Tätigkeit aufladen.

Solange das Problem des nachge- ordneten ärztlichen Dienstes nicht erkannt, angegangen und gelöst wird, ist jedes Reden um die beleg- ärztliche Tätigkeit sinnlos ...

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Hans-Joachim Spittler Schriftführer des

Hessischen Belegarztverbandes Schwindstraße 8

6000 Frankfurt 1

Ist die „Reform des § 218"

gescheitert?

Zu dem Beitrag von Dr. med. Ulrich Wolff in Heft 6/1978, Seiten 317 ff.

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tersgruppen geht man nur so weit, wie die Kinder fragen. — Die Klassen von 14jährigen aufwärts müßten hin- gegen viel gezielter aufgeklärt wer- den, trotz der häufigen Antwort von Eltern oder Erziehern: „Ach, die wis- sen ja schon alles!" oder „Die sind ja noch viel zu jung, die spielen doch noch mit Legosteinen."

Die Schule ist einfach überfordert.

Die Lehrer, auch Biologielehrer sind meist für einfache und sachlich-na- türliche Aufklärung nicht ausgebil- det.

Es ist zum Beispiel ein Unding, 9.

Klassen von Gymnasien von frisch- gebackenen, aber in dieser Hinsicht unausgebildeten Referendaren, Se- xualkundeunterricht geben zu las- sen. Selbst der ältere, versierte Leh- rer fühlt sich oft überfordert und lehnt den Unterricht ab, vielleicht weil er gemischten Klassen gegen- übersteht.

Pro Familia besteht in zahlreichen Städten, hat Ärzte und für Sexual- kunde und Therapie ausgebildete Kräfte zur Verfügung. Man bietet dies den Schulen an. Dennoch neh- men manche Schulen, besonders die Gymnasien, von diesem Angebot keine Notiz. In unserer Region sind Haupt- und Sonderschulen, neuer- dings auch Realschulen, weit aufge- sch lossener.

Der Staat müßte — da auf dem Sexu- alkundeunterricht in den Schulen bestanden wird — für die Lehreraus- bildung Sexualpsychologen mit ein- setzen. Psychologie-Vorlesungen während des Studiums machen noch lange keinen Sexualkundeleh- rer.

Unter den 14- bis mindestens 20jäh- rigen jungen Menschen herrscht ei- ne geradezu beängstigende Ah- nungslosigkeit im Hinblick auf Schwangerschaftsverhütung. Sie begreifen nicht, daß hier Leben ent- stehen kann. Sie begreifen ebenso- wenig, was es bedeutet, dieses Le- ben wieder töten zu müssen. — Die heranwachsenden jungen Männer sind sich nicht im klaren, daß auch

sie, bzw. ihre Väter, alimentenpflich- tig sind, wenn die Partnerin ein Kind bekommt.

Wird aber wirklich Schwanger- schaftsverhütung betrieben, so fal- len viele — nicht nur junge — immer öfter auf unverantwortliche Reklame chemischer Industrie herein, gegen deren marktschreierische Verspre- chungen anscheinend kein Kraut gewachsen ist.

Unverantwortlich ist auch oft die Haltung des Elternhauses. In meiner Beratungstätigkeit ist es mir aufge- fallen, daß die Tabuisierung des Se- xuallebens bei den Eltern der heuti- gen Schülergeneration ärger ist als in der vorhergehenden Elterngene- ration. Wie im vergangenen Jahr- hundert scheint das „meine Tochter tut so etwas nicht" (auch bei volljäh- rigen) gerade in gutbürgerlichen Fa- milien eine Selbstverständlichkeit zu sein, während das gleiche bei den jungen Männern bestenfalls als Ka- valiersdelikt angesehen wird.

Die häusliche Katastrophe, die über ein schwangeres Mädchen — egal ob minder- oder großjährig — herein- bricht, ist kaum zu ermessen. Ein solches Kind macht einen grausa- men Leidensweg durch: Szenen im Elternhaus, der peinliche Gang zum Arzt, Angst vor dem gynäkologi- schen Behandlungsstuhl und Wei- terreichung zur Sozialberatung, wo es anscheinend nicht überall sanft zugeht. Wird der Abbruch der Schwangerschaft als berechtigt be- funden, so folgt der Gang zur Klinik.

Auch dort wird die Patientin, zum Teil inquisitorisch, verhört und kann noch abgewiesen werden. Der Ab- bruch selbst darf keineswegs unter- bewertet werden, weder physisch noch psychisch. Die menschliche Behandlung in den Kliniken hängt von Ärzten und Pflegepersonal und deren Einstellung zu diesem Pro- blem ab. Zurück im Elternhaus wie- der Vorwürfe, Angst, die Umgebung könnte etwas gemerkt haben, oder es heißt einfach: „Du Hure!" Man- ches Mädchen handelt sich so einen lebenslangen psychischen Schaden ein.

Das ernste Angebot der Pro-Familia- Berater, nach der Klinikentlassung wieder zu ihnen zu kommen, um al- les Weitere zu besprechen, wird lei- der selten angenommen. Das Eltern- haus will den Makel verdrängen, meist hat das Kind auch Hausarrest.

Vielleicht wäre die junge Klientin gerne zu einem Gespräch gekom- men. Schon um ihre Kümmernisse loszuwerden oder wenigstens, um ein freundliches mütterliches oder väterliches Wort zu hören, das zu Hause fehlt und das so bitternötig wäre. Es kann dann eventuell zu ei- ner „Trotzschwangerschaft" kom- men: „Nur weg vom Elternhaus!".

Solche „Trotzschwangerschaften", um einem zu strengen Elternhaus zu entkommen, sehen wir öfter.

Zu den Kliniken sollte man hingegen sagen: Man darf dort weder Ärzte noch Personal verdammen. Die Si- tuation der Ärzte sprach ich schon an. Es muß immer wieder betont werden: Diese Form des § 218 ist eine außerordentliche Belastung!

Wer zeit seines Berufes dafür da war, Kindern auf die Welt zu helfen, wer die Verzweiflung der Frauen kennt, die nicht in der Lage sind, selbst Kinder zu bekommen, wer an- dere Frauen zu betreuen hat, die monatelang fest liegen müssen, um die Gravidität zu erhalten, der soll plötzlich Leben vernichten, weil das Gesetz es ermöglicht! Man soll auch bedenken, daß dieses Gesetz so dehn- und wandelbar ist, daß gerade der Arzt, der den Abbruch machen muß — will ihm jemand übel — mit einem Bein im Gefängnis stehen kann. Ein Arzt, der sich weigert ei- nen Schwangerschaftsabbruch vor- zunehmen, sei es aus Gewissens- gründen oder weil er ihm nicht ge- rechtfertigt erscheint, sollte deshalb weder getadelt noch kritisiert werden.

Wenn der Staat ein solches Gesetz erläßt, so muß er sich auch um die Ausführung kümmern, also selbst Kliniken einrichten, in denen Abbrü- che gemacht werden. Aber dies muß der Staat tun und nicht Pro Familia, wie es in einem Fall angestrebt wor-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 25 vom 22. Juni 1978 1511

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den ist. Ein solcher Schritt würde Pro Familia zur Abtreibungsfirma stempeln.

Bei dem derzeitigen Trend des § 218 ist zu befürchten, daß das „Nord- Süd-Gefälle" der Schwanger- schaftsabbrüche in der Bundesre- publik dahingehend abnimmt, daß auch im Norden die Möglichkeit ei- nes Abbruches immer mehr sinkt.

Leidtragende sind die Frauen, bei denen ein solcher Abbruch wirklich gerechtfertigt wäre, die sich aber zum Beispiel nicht richtig artikulie- ren können. (Sie haben es schon heute schwerer.) Also würde der Kurpfuscher wieder in vollem Um- fange sein Gewerbe ausüben, und die holländischen und englischen Kliniken dürften wieder viel stärker frequentiert werden.

Warum ist man eigentlich so kinder- feindlich? Es gibt viele Frauen, die ihr Kind austragen würden, wenn Staat und Gesellschaft ihnen eine bessere Chance gäben! Von Sozial- hilfe leben zu müssen ist praktisch für eine Mutter untragbar. Schon Bittgänge von Behörde zu• Behörde sind beschämend, der Behörden- weg ist nicht ohne Grund gefürch- tet! In anderen Ländern, etwa Skan- dinavien oder bei unserem wesent- lich ärmeren Nachbar Frankreich, wird alles unternommen, um Leben zu erhalten und Familien bzw. Müt- tern mit Kindern ein gesichertes Dasein zu ermöglichen. Warum nicht bei uns!?

Um unser Dilemma einigermaßen zu bewältigen, müßte sich der Staat um eine ganze Reihe von Punkten küm- mern, zum Beispiel:

Bessere Lebensbedingungen für kinderreiche Familien und alleinste- hende Mütter mit Kindern.

(9 Förderung der Familienplanung, Ausbau der sozialen Möglichkeiten.

(I) Schwangerschaftsabbruch in hierfür geschaffenen Kliniken, um den freien Gynäkologen nicht zu be- lasten.

Größeres Verantwortungsgefühl wecken: Abtreibung gehört nicht zur Familienplanung.

Q Bessere Ausbildung der Pädago- gen durch Sexualpsychologen oder Sexualkundeunterricht von hierfür ausgebildeten Personen z. B. einer Beratungsstelle.

() Bessere Unterstützung aller Be- ratungstellen in allen Bundeslän- dern.

(3 Abschaffung der Reklame für alle chemischen Verhütungsmittel, denn sie sind unsicher!

Selbst hier im Norden, wo Schwan- gerschaftsabbruch noch relativ leicht ist, wird zunehmender und be- rechtigter Widerstand bemerkbar.

Dies liegt an der leichtfertigen Aus- legung des § 218 durch einen Teil der Bevölkerung. Aber es liegt auch am Staat der zu wenig Familienpla- nung im positiven Sinne ermöglicht.

Eines Tages werden die Renten nicht mehr gezahlt werden können, weil der Nachwuchs fehlt. Da helfen auch nicht die frommen Reden der Politiker. Der Fortbestand eines Vol- kes ist nur durch soziale Familien- politik möglich, nicht aber durch ein Milieu der Nachwuchsvermeidung!

Andererseits sollte der Schwanger- schaftsabbruch da, wo er gerecht- fertigt ist, nicht diskriminiert werden.

Dr. med. Mariane Reineck PRO FAMILIA — Wilhelmshaven Paul-Hug-Straße 60

2940 Wilhelmshaven

II. Recht und Gewissen

Professor Kirchhoff beschloß die Mitteilung des Ergebnisses der von ihm veranlaßten Fragebogenaktion („Meinungsbildung der Deutschen Frauenärzte zum Problem der Schwangerschaftsunterbrechung im kommenden Strafrecht") im Mai 1971: „Hier steht der Gesetzgeber und der Richter — dort der Arzt, der das Leben töten ‚darf! Glauben Sie nicht, daß wir bei unseren Beratun- gen und Diskussionen die wichtigste Person, die Frau, vergaßen!"

92,7 Prozent der antwortenden Ärzte (1712 von 2300 angeschriebenen Kollegen beantworteten die Fragen)

erkannten an, daß die bisherige ge- setzliche Regelung des Schwanger- schaftsabbruchs unzureichend war, 85,46 Prozent bejahten die medizini- sche Indikation im Sinne der WHO- Definition der Gesundheit bei Vorlie- aen einer ernsten Gefahr für Leben und Gesundheit der Frau (Gesund- heit als Zustand des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefin- dens verstanden), 83,94 Prozent die Notzuchts- oder Vergewaltigungs- Indikation, 73,13 Prozent die kindli- che Indikation bei Wahrscheinlich- keit einer schweren geistigen oder körperlichen Schädigung, 65,48 Prozent die soziale oder Notlagen- Indikation. Dabei hatten 94,28 Pro- zent „die Tötung eines Embryo als Vernichtung eines Rechtsgutes be- jaht, die nur aus schwerwiegenden Gründen zu verantworten wäre", 89,28 Prozent den Beginn des Le- bens aus biologischer Sicht mit der Verschmelzung der Keimzellen, den Beginn der Schwangerschaft mit dem Abschluß der Vereinigung zwi- schen befruchtetem Ei und mütterli- chem Organismus und damit den Tatbestand des Abbruches einer Schwangerschaft erst nach Ab- schluß der Eieinbettung als gegeben angesehen.

Die Mehrheit der antwortenden Frauenärzte sprach sich also für ei- ne großzügige Indikationslösung als Grundlage des neuen Entwurfs aus.

Dr. Ulrich Wolff stellt nun fest: Durch die zeitraubende Beschaffung der Unterlagen werde der Eingriff verzö- gert und damit die Komplikationsra- te erhöht, die politische und weltan- schauliche Einstellung der Gutach- ter wirkten sich auf die Entscheidun- gen aus, die Einschaltung eines zweiten fremden Arztes verletze die Intimsphäre der Antragstellerin, eine mancherorts repressive, ausschließ- lich auf Erhaltung der Schwanger- schaft angelegte Beratung entsprä- che nicht dem Gesetz. Die Folge da- von sei, daß immer noch illegale Schwangerschaftsabbrüche durch- geführt würden. Diese Befürchtun- gen äußerte bereits 1974 die Vize- präsidentin des Deutschen Bundes- tages Frau Lieselotte Funcke vor dem Bundestag und bestimmten ihr Eintreten für die Fristenlösung.

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Die Bewahrung der schwangeren Frau vor den Gefahren des illegalen Schwangerschaftsabbruchs war der wesentliche Grund für die Reform- bemühungen um den § 218; die aus- reichende Berücksichtigung ihrer Intimsphäre ist mit der Indikations- lösung nicht möglich, die Besorgnis personaler Entblößung berechtigt.

Prof. Helbing, Halle, schreibt: „Es ist nun offenbar so, daß bei nicht weni- gen Frauen diese Gesichtspunkte (formlose, unbürokratische und dis- krete Durchführung des Eingriffs) derartig überwiegen, daß auch die Gefahren der Abortusprovokation durch Laienhand nicht abzuschrek- ken vermögen." Wenn Prof. Kepp die durch Kurpfuscher durchgeführ- ten Aborte lediglich auf acht Prozent schätzt, so ist dazu zu sagen, daß keineswegs die übrigen 92 Prozent von Ärzten abgewickelten Eingriffe wegen der gebotenen Geheimhal- tung auch sachgemäß erfolgen.

Nach der von R. H. Schmiedeskamp aus der Landesfrauenklinik Gelle veröffentlichten Statistik legaler Schwangerschaftsabbrüche 1966 bis 1973 hatten 50 Prozent der Frau- en drei und mehr Kinder, während 16 Prozent nicht verheiratet . waren.

Bei Unterstellung ähnlicher Verhält- niszahlen für illegale Aborte scheint die besondere Besorgnis um die Mütter kinderreicher Familien be- rechtigt. Nach den obigen Ausfüh- rungen von Prof. Helbing wollen öle Frauen ihre Intimsphäre gewahrt wissen. Dem Geburtshelfer alter Schule, der schon während der Assi- stentenzeit mit der Hausgeburtshilfe bekannt gemacht und für sie einge- nommen wurde, ist die Unterschät- zung des Stellenwertes dieser Intim- sphäre seitens der Kliniker verständ- lich, weil sie das Geborgenheitsge- fühl der Frau in „ihrem" Heim, ihre Resolutheit: „Habe ich A gesagt, muß ich jetzt B sagen", nicht erlebt haben. Christa Mewes beschreibt in:

„Die Bibel spricht zu uns in Bildern"

als weiblich: Dominanz des Gefühls, Naturnähe, Schönheit, Ansprech- barkeit und Spontaneität. „Wo der Geist der Schlange (Geist der Revo- lution, der Emanzipation) fehlt, kann es nicht zur evahaften Unbeküm-

mertheit des Handelns kommen."

Die anderen Frauen, die „Noras" su- chen Absicherung im Kreißsaal, in der Nachbarschaft der Lachgas- bombe und der Intensivstation, „wo alles da ist."

Daß die Befürchtungen der Frauen hinsichtlich einer ihren Erwartungen nach dem Gesetz nicht entspre- chenden Begutachtung berechtigt sind, machen Ausführungen von Prof. Helbing in »Klinik der Frauen- heilkunde und Geburtshilfe« aus dem Jahre 1966 verständlich. Seiner Meinung nach ist die medizinische Indikation zu einer Interruptio bei dem heutigen Stand der medizini- schen Erkenntnisse nur noch selten gegeben. In der sozialen Indikation sieht er einen Angriff auf den Sozial- staat (Dr. Helmut Kohl hält nach ei- ner Zeitungsnotiz der Welt vom 29.

März 1978 Familien mit mehr als zwei Kindern und einem durch- schnittlichem Arbeitsverdienst „in der Regel auf Sozialhilfe angewie- sen."), die kindliche Indikation kön- ne weder eugenisch begründet wer- den, noch sei sie juristisch zu recht- fertigen, „weil nie die Möglichkeit ausgeschlossen werden kann, daß eine gesunde Leibesfrucht getötet wird." „Sie ist vor allem mit der ärzt- lichen Bewahrungspflicht nicht ver- einbar." (Sievers und Höhn aus der Mannheimer Klinik sehen die kindli- che Indikation bei einer mit 25 Pro- zent zu erwartenden kindlichen Schädigung als gegeben an.)

„Schließlich ist auch bei der Not- zuchtsindikation an der Unverletz- lichkeit des fetalen Lebens festzu- halten. Die Berufung auf Notwehr mag der betreffenden Frau freiste- hen, es scheint aber zweifelhaft, ob sich auch der die Schwanger- schaftsunterbrechung durchführen- de Arzt auf sie stützen kann."

Mit der Aussage: „Die Lösung des Problems heißt nicht Beseitigung, sondern Verhütung der Schwanger- schaft" machen wir Frauenärzte es uns etwas leicht. Der Wegfall der zyklischen Rhythmen wie die Hor- monwirkung im allgemeinen führen zu unbiologischen Veränderungen, die „Pille auf Verdacht" möglicher Kohabitationen birgt die Gefahr der

Abwertung von Sexualität auf ani- malische Triebbefriedigung ohne Erfahrung erotischer Liebesfähig- keit.

Wenn schon die Reform des § 218 im Sinne der Indikationslösung den auf Liberalisierung gerichteten Er- wartungen von vielen Frauenärzten wie großen Bevölkerungsteilen nicht entsprach, stand die kategorische Ablehnung seitens kirchlicher Krei- se von vornherein fest.

Gesenius schreibt 1959 in »Emp- fängnisverhütung«: „Die heutige Einstellung der katholischen Kirche geht aus der Enzyklika Papst Pius Xl.

»Casti connubii quanta sit dignitas«

vom 31. Dezember 1930 klar hervor:

„Jeder Gebrauch der Ehe, bei des- sen Vollzug der Akt durch die Will- kür der Menschen seiner natürli- chen Kraft zur Weckung neuen Le- bens beraubt wird, verstößt gegen das Gesetz Gottes in der Natur; und die solches tun, beflecken ihr Ge- wissen mit schwerer Schuld." Papst Pius XII. sagte in einer Ansprache vor katholischen Hebammen am 29.

Oktober 1951: „Überdies hat jedes menschliche Leben, auch das Kind im Mutterschoß, das Recht auf das Leben unmittelbar von Gott, nicht von den Eltern ... Folglich gibt es . .. keine medizinische, eugeni- sche, soziale, wirtschaftliche, ethi- sche Indikation, die einen gültigen Rechtstitel darbieten oder geben könnte für eine direkte, vorsätzliche Verfügung über ein unschuldiges Menschenleben."

Auch eine säkulare, weitgehend agnostische Gemeinschaft steht un- ter „Normen und Ordnungen, die tiefgewurzelt sind und nicht unge- straft auf Dauer verleugnet werden dürfen." (Rud. Smend) Und Max We- ber schreibt 1921: „Wie immer sich unter diesen Einflüssen (der restlo- sen Funktionalisierung der Mensch- heit) das Recht und die Rechtspraxis gestalten mögen, unter allen Um- ständen ist als Konsequenz der technischen und ökonomischen Entwicklung die zunehmende Wer- tung des jeweils geltenden Rechts als eines rationalen, daher zweckra- tional umzuschaffenden, jeder in-

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haltlichen Heiligkeit entbehrenden technischen Apparates sein unver- meidliches Schicksal. Die Verwand- lung des Rechts in Legalität ist eine Konsequenz des Positivismus. Sie ist unvermeidlich, sobald ein politi- sches Gemeinwesen sich von der Kirche entfernt." Das Wächteramt der Kirchen wird die politischen Kräfte auf Bedenklichkeiten der

„normativen Kraft des Faktischen"

hinweisen. „Der Staat integriert sich lediglich vermöge objektiver Wert- gesetzlichkeit in einem in sich gravi- tierenden Integrationsystem. Die ge- schriebene Verfassung eines Staa- tes ist mehr nur Anregung und Schranke." „Wo diese(Integrations-) Wirkung erreicht wird, da ist sie der reale Wahrheitskern des Satzes, daß die Mehrheit die optimale Verwirkli- chung der Freiheit ist". (Smend) Nachdem die Fristenlösung mit

§ 218 am 18. Juni 1974 durch Mehr- heitsbeschluß im Bundestag ange- nommen war, verstieß die Landesre- gierung Baden-Württemberg mit dem Antrag, durch einstweilige Ver- fügung das Inkrafttreten des fünften Strafrechtsreformgesetzes aufzu- schieben, gegen diese Regel. Die Staatsmänner haben wichtigen Or- ganisationen, auch den Kirchen, Ge- hör zu schenken und zu schaffen;

sie sind aber frei in ihrer Entschei- dung, Zwang auszuüben oder auf Grund der durch Abstimmung doku- mentierten veränderten Einstellung der öffentlichen Meinung die nöti- gen Konsequenzen zu ziehen im Sinne der Pflicht zur Integration weltanschaulich divergenter Grup- pen. Diesen das freie Urteil der an die Verantwortung für das Recht und an ihr Gewissen gebundenen Staatsbürger zuzugestehen ist ein Gebot politischer Klugheit und Tole- ranz. Mit seiner Respektierung wäre ein weltanschaulich bestimmtes Problem redlich gelöst worden unter weitgehender Respektierung der In- timsphäre der mit der Last einer aus der Bahn geratenen Ordnung allein- gelassenen Frau und des sich dieser Not erbarmenden Arztes, ohne ihn der Gefahr einer mögliche Nötigung auszusetzen. „Sie binden aber schwere und unerträgliche Bürden, und legen sie den Menschen auf den

Hals; aber sie selbst wollen diesel- ben nicht mit einem Finger regen."

(Matth. 23,4.)

Dr. W. Lauschke

Richard-Wagner-Straße 5 b 5455 Rengsdorf

III. Großer Bluff

Jedermann konnte diese Entwick- lung voraussehen, der auch nur ein bißchen Ahnung von der Psycholo- gie der davon betroffenen Frauen und Männer hat und der ein wenig versteht von der Bedeutung eines modernen Strafgesetzes als der ein- zigen gemeinsamen Verhaltens- norm in einer pluralistischen Gesell- schaft. Die „Europäische Ärzteak- tion" hat in ihren Denkschriften an den Deutschen Bundestag insbe- sondere sehr scharf die von Ihnen mit Recht als „juristische Konstruk- tion" bezeichnete soziale Pflichtbe- ratung kritisiert. Dazu wurde von vorneweg darauf hingewiesen, daß es sich hier um einen Schwindel handelt, der nicht der Neuordnung des Paragraphen dient, sondern sei- ner praktischen Beseitigung. Zu den von Ihnen veröffentlichten Statisti- ken des Herrn Professor Tietze aus den USA darf ich bemerken, daß die- se Statistiken mit äußerster Vorsicht anzusehen sind, weil Professor Tiet- ze zu einer Gruppe von Medizinern gehört, die aus rein weltanschauli- chen ideologischen Gründen die Abtreibung in den USA vorangetrie- ben haben und einige Riesenge- schäfte mit der Abtreibung machen.

Ich möchte nur erinnern an die Stel- lungnahme von Dr. med. Nathanson, dem langjährigen Leiter einer der New Yorker Abtreibungskliniken, der öffentlich bekannte, daß allein in 18 Monaten in seiner Klinik 60 000 Abtreibungen bis zur Geburt durch- geführt wurden. Dr. Nathanson ver- sucht heute, etwas von dem, was er getan hat, wiedergutzumachen in ei- ner Klinik für behinderte Kinder. Ich selbst hatte die Gelegenheit, Herrn Professor Dr. Tietze auf deM Weltbe- völkerungskongreß in Bukarest zu hören sowie seinen Adjutanten, der

dort über die Frage der Abtreibung auf Weltebene gesprochen hat. Die von Professor Tietze und seinen Freunden unter Protektion führen- der amerikanischer Finanzkreise durchgeführte „Population Tribu- ne" — ein Parallelkongreß zum offi- ziellen UNO-Weltbevölkerungskon- greß — wurde in einer Art und Weise von diesen Herren manipuliert, daß gegnerische Ansichten das Wort verboten bekamen und nur die ein- seitige Propagierung der Abtreibung auf der „Population Tribune" ge- stattet wurde. Als wir die falschen Zahlen, mit denen der Assistent von Professor Tietze vor dieser Weltver- sammlung operierte, öffentlich als Lügen richtigstellten, wußten die be- treffenden Herren nicht mehr, was sie darauf antworten sollten.

Als einziger westdeutscher Arzt er- laubte ich mir bei der Abtreibungs- debatte die Frage, was denn der prinzipielle Unterschied zwischen der Tötung eines schwer Geistes- kranken aus sozialer Indikation und der Tötung eines gesunden ungebo- renen Kindes sei, nachdem doch der schwer Geisteskranke eine tausend- mal größerer soziale Belastung für seine Umwelt darstellt als jedes ge- sunde ungeborene Kind. Schließlich wurden unsere deutschen Ärzte, die in das Euthanasieprogramm Hitlers verwickelt waren, nach dem Krieg zum Teil erhängt und von den inter- nationalen Gerichten zu langjähri- gen Freiheitsstrafen verurteilt. Auf meine Frage bekam ich die Antwort vom verantwortlichen Leiter der Ver- sammlung und Freund Prof. Tietzes, er müsse mir das Wort entziehen;

ich sei emotional und nicht wissen- schaftlich: „ Sie haben eben eine andere Weltanschauung als wir!" Ih- re Abwertung der sogenannten welt- anschaulichen Fragen ist nicht ver- ständlich. Denn letzten Endes han- delt es sich nicht um ein medizini- sches Problem bei der Frage der Ab- treibung, sondern um ein rein welt- anschaulich-anthropologisches.

Auch ein Arzt sollte sich Gedanken machen über das Wesen des Men- schen, über sein Woher und Wohin.

Medizin ohne Weltanschauung ist übelste Kurpfuscherei, weil sie den

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 25 vom 22. Juni 1978 1515

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Menschen in seinem gesamten so- zialen und anthropologischen Standort einfach übersieht.

Auch eine hochindustrialisierte mo- derne Gesellschaft ist ohne klare Normen für die zwischenmenschli- chen Beziehungen nicht existenzfä- hig. Auch der ärztliche Beruf braucht ethische Normen, wenn er nicht entarten soll und ideologisch mißbraucht werden will, wie etwa bei der psychiatrischen Umfunktio- nierung politischer Gegner oder wie im Dritten Reich.

Die Geschichte zeigt, daß wir kei- neswegs bestimmte Entwicklungen widerstandslos hinnehmen müssen, wie sie etwa die Frage der Kinder- feindlichkeit und der Zerstörung der gesamten Verhaltensnormen an- geht. Wir können sie sowohl negativ beeinflussen, wie das laufend ge- schieht mit den Massenmedien, als auch ohne weiteres den gegenteili- gen Bewußtseinsbildungsprozeß mit Hilfe dieser Massenmedien auslö- sen. Ihre fatalistische Vorstellung, daß hier eben nichts daran zu ma- chen sei, ist deswegen falsch.

Als genauso unmöglich empfinden wir Ihre Ansicht, daß etwa Tenden- zen zur Trennung in einer Ehe ein Grund sein könnten, ein Menschen- leben zu töten.

Wenn Sie schreiben, daß es passie- ren kann, daß die Frau sich gedrängt fühlt, „dem Kind eine Lebenssitua- tion zuzumuten, die sie eigentlich nicht glaubte verantworten zu kön- nen", so machen sie die Frau zum Propheten und zum Entscheidungs- berechtigten über Leben und Tod eines anderen Menschen und über Lebenswert und Lebensunwert.

Daraus abzuleiten, daß man aus der Zahl der ausgetragenen Schwanger- schaften nichts ableiten dürfe über die Effektivität der Beratungsstelle, ist eine merkwürdige geistige Kurz- schlußreaktion.

Welchen Erfolg sollen denn Ihre Be- ratungsstellen überhaupt haben, wenn nicht den „pro familia", „pro infantibus", für die Kinder den

Kampf zu gewinnen gegen den Ver- such, sie zu töten. Wir haben bereits vor der Neufassung des § 218 immer wieder darauf hingewiesen, daß ins- besondere die Einrichtung konfes- sioneller Beratungsstellen und die Hoffnung der Kirchen, damit etwas zu erreichen, ein weitgehender Bluff ist.

Denn jeder von uns Ärzten weiß, daß das früher schon so gewesen ist: es spricht sich sehr schnell bei den Frauen herum, wo ein Arzt ist oder eine Beratungsstelle, bei der man ohne Schwierigkeiten die notwendi- gen Papiere erhält und bei der man im Gegensatz zu den kirchlichen Be- ratungsstellen nicht versucht, die Frauen von ihrer Absicht, abzutrei- ben, abzubringen.

Kein Wunder, daß „pro familia" des- halb immer mehr frequentiert wird!

Dr. med. Siegfried Ernst Römerstraße 4

7900 Ulm

IV. Eine „neue Zeit"?

Auf die Problematik des § 218 a und

§ 219 a wird nicht eingegangen. Im

§ 218 a StGB heißt es: „ ... der Ab- bruch der Schwangerschaft durch einen Arzt ist nicht nach § 218 straf- bar, wenn 1. die Schwangere einwil- ligt und . .. 3. der Abbruch der Schwangerschaft sonst angezeigt ist, um von der Schwangeren die Gefahr einer Notlage abzuwenden, die a) so schwer wiegt, daß von der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann, und b) nicht auf eine andere für die Schwangere zumut- bare Weise abgeändert werden kann."

Beachtet man nicht, die bereits von Kollegen Dr. Wolf aufgeführten Hilfsmaßnahmen zur Fortsetzung der Schwangerschaft, das Sozialge- setzbuch — allgemeiner Teil §§ 5, 26, 27 und 28, die Familiendarlehen einiger Länder, die Hilfsangebote von Diözesen und des Caritasver- bandes, das Hamburger und Öhrin- ger Hilfsmodell und zu erwartende weitere kommunale Hilfen, so kön- nen die in § 218 a Ziffer 3 festgestell-

te „Notlage die so schwer wiegt"

und die dort aufgeführte „zumutba- re Weise" zu Steinen werden, über die man nicht gleich stolpert, mit denen man aber vielleicht später ge- steinigt werden kann. Wie das „so schwer wiegt" und die „zumutbare Weise" zu verstehen ist, wurde bis- her in keinem Grundsatzurteil fest- gelegt.

Wie diese Begriffe vom jeweiligen Staatsanwalt und Richter ausgelegt werden, ist sicher weitgehend von deren religiösen, politischen, sozia- len und humanitären Einstellungen abhängig und nicht vorauszusehen.

Ähnlich verhält es sich mit dem

§ 219 a, der den § 218 ergänzt.

„ ... Unrichtige ärztliche Feststel- lung . . . Freiheitsstrafe bis zu 2 Jah- ren ... " heißt es hier. Wer großzü- gig eine Bescheinigung über Vor- aussetzung zum § 218 ausgestellt hat oder beabsichtigt, eine solche auszustellen, sollte sich diesen

§ 219 a unbedingt genauestens durchlesen. Eine „Lebenssituation des Kindes" die die Mutter glaubt nicht verantworten zu können, ist im

§ 218 a nicht erwähnt.

Es wird der Abbruch der Schwan- gerschaft durch einen Arzt deshalb auch dadurch keinesfalls „nicht nach § 218 strafbar", um „von der Schwangeren die Gefahr einer Not- lage abzuwenden" heißt es im § 218 a/3. Ich gehöre zur älteren Ärztege- neration und habe gut in Erinne- rung, wie nach 1945 Kollegen ange- klagt und härtest wegen Euthanasie bestraft wurden. Sie wurden nach den Gesetzen eines Staates bestraft, dessen Regierung die Euthanasie immer wieder empfohlen und dazu aufgefordert hatte.

Besonders die letzten Zeilen im Arti- kel von Kollegen Dr. Wolf zum § 218 erinnerten mich an die Zeit vor 1945.

„Die neue Zeit ist eine Tatsache, sie existiert ganz unabhängig davon, ob wir ja oder nein zu ihr sagen".

Schon einmal glaubten deutsche Ärzte an diese „Neue Zeit" ...

Dr. med. H. Enzmann Robert-Koch-Straße 52 7110 Öhringen

1516 Heft 25 vom 22. Juni 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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