Negativschlagzeilen be- herrschen derzeit den deut- schen Immobilienmarkt.
Leerstandsraten von zehn Prozent bei Büroimmobilien – im Ausland überhaupt nichts Besonderes – werden in Deutschland schon fast als Katastrophe empfunden. Zu spüren bekommen die Krise die Anleger in geschlossene- nen Immobilienfonds. Noch ist mit den Leerstandsraten sozusagen erst die Spitze des Eisbergs erreicht. Wenn in den nächsten Jahren die Aus- schüttungen ausbleiben oder reduziert werden müssen, wird sich erst der ganze Um- fang der fehlgeleiteten Anla- gegelder zeigen. Es wurden zu schnell und zu viele Büro- immobilien gebaut; der Be- darf wurde völlig überschätzt.
Kaum betroffen von der Krise: die offenen Immobili- enfonds. Gleichwohl spüren auch hier die Anleger, daß die Zeiten schlechter geworden sind. Konnten die besten Fonds auf dem Höhepunkt der Immobilienkonjunktur 1991 Wertsteigerungen von bis 9,5 Prozent ausweisen, sind diese jetzt auf durchschnittlich 6,25 Prozent zurückgegangen.
Diese Entwicklung hat allen- falls die Anleger überrascht, die davon ausgingen, der Boom würde sich fortsetzen.
Die Manager der offenen Im- mobilienfonds haben auf dem Höhepunkt des Immobilien- booms deutlich darauf hinge- wiesen, daß sich diese hohen Wertzuwachsraten nicht hal- ten lassen.
In den letzten zehn Jahren konnten die besten Immobili- enfonds einen Wertzuwachs von 99 und 100 Prozent erzie- len. Das entspricht einer jähr- lichen Rendite von 7,2 Pro- zent. Sie setzt sich zusammen aus der Ausschüttung und dem Wertzuwachs. Bei der Renditeberechnung wird wie
bei jedem anderen Invest- mentfonds auch unterstellt, daß die Ausschüttungen zum Kauf von Anteilen verwen- det, also reinvestiert werden.
Von den Ausschüttungen bleibt aber ein großer Teil
steuerfrei, weil der Fonds Abschreibungen geltend ma- chen kann, die dem einzelnen Anleger zugerechnet werden.
Auch Veräußerungsgewinne bleiben vom steuerlichen Zu- griff verschont. Da bei fest- verzinslichen Wertpapieren die gesamte Ausschüttung, nämlich der Zinsertrag, der Besteuerung unterliegt, muß ein Rendite-Vergleich zwi- schen festverzinslichen Wert- papieren und offenem Immo- bilienfonds auf die Rendite vor Steuern abstellen.
Bei einem steuerfreien Anteil der Rendite von 53,4 Prozent, wie er in den letzten zehn Jahren für den zweitbe- sten Fonds, den Despa, zu er- rechnen ist, ergibt sich bei ei- ner 50prozentigen Progressi- on eine Rendite vor Steuern von 10,7 Prozent. Das heißt:
Ein Anleger müßte aus einer Alternativanlage, etwa einer Anleihe, eine Rendite von 10,7 Prozent erzielen, um
nach Steuern auf denselben Ertrag zu kommen. Mit dem Grundwertfonds konnte ein Anleger bei 50prozentiger Steuerprogression eine Vor- Steuer-Rendite von 10,6 Pro- zent erreichen.
Der offene Immobilien- fonds ist also ein kleines Steu- ersparmodell, ein sehr einfa- ches zudem mit wesentlich geringeren Risiken als ein geschlossener Immobilien- fonds. Allerdings sind die Steuervorteile beim geschlos- senen Fonds deutlich größer.
Steuersatz bedenken
Das liegt unter anderem auch daran, daß die offenen Immobilienfonds das Förder- gebietsgesetz mit Sonderab- schreibungen bis zu 50 Pro- zent in den ersten fünf Jahren nicht in Anspruch nehmen können. Mit geschlossenen Immobilienfonds läßt sich deshalb die Steuerbelastung sofort drücken. Die Investiti- on selbst läßt sich zu einem Gutteil mit Steuerersparnis finanzieren. Dies ist bei offe-
nen Fonds nicht möglich.
Mit geringerer Steuerpro- gression geht wie beim ge- schlossenen auch beim offe- nen Immobilienfonds ein Teil der Attraktivität verloren.
Bei einem Grenzsteuersatz von 40 Prozent ermäßigt sich die Vor-Steuer-Rendite beim Despa-Fonds auf 9,5 Prozent, bei 30 Prozent auf 8,7 Pro- zent. Für einen Anleger, der die Freibeträge bei der Zins- abschlagsteuer von 6 100 DM für Singles und 12 200 DM für Verheiratete nicht ausgenutzt hat, sieht die Alternativrech- nung allerdings etwas anders aus. Er muß die jährliche Rendite von 7,2 Prozent, die die beiden besten offenen Im- mobilienfonds in den letzten zehn Jahren bei einem Steu- ersatz von null Prozent ge- bracht haben, mit dem Ertrag einer Anleihe vergleichen, die frei von Zinsabschlagsteuer vereinnahmt werden kann.
Mit festverzinslichen Wertpapieren war von Ende 1984 bis Ende 1994 ein Wert- zuwachs von rund 95 Prozent zu erzielen. Um diesen Pro- zentsatz jedenfalls stieg der Rex-Performance-Index, ein synthetischer Index. Jeden- falls zeigt die Indexentwick- lung, daß mit Anleihen in den letzten zehn Jahren eine Ren- dite von 6,9 Prozent per an- num zu erzielen war, wenn der Anleger keine Zinsabschlag- steuer zu zahlen hatte. Auch bei einem Steuersatz von Null bleiben die Anleihen also leicht hinter den offenen Im- mobilienfonds zurück.
Berücksichtigt man aber den fünfprozentigen Ausga- beaufschlag, den die offenen Immobilienfonds im allge- meinen erheben, kehrt sich das Ergebnis zugunsten der Anleihen um. Denn hier fal- len im Durchschnitt nur Transaktionskosten von ei- nem Prozent für Kauf und Verkauf an. Wer allerdings Zinserträge zu versteuern hat, fährt mit offenen Immobilien- fonds besser als mit Anleihen.
Und gegenüber Aktien, die per Saldo höhere Erträge er- bringen, ergibt sich der Vor- teil, daß es keine Kursschwan- kungen gibt. Armin Löwe A-620
V A R I A WIRTSCHAFT
Offene Immobilienfonds
Attraktive Anlage bei hoher Steuerbelastung
(60) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 10, 8. März 1996