A 46 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 1–2|
7. Januar 2010OFFENE IMMOBILIENFONDS
Die Spreu trennt sich vom Weizen
Eigentlich dachte man, die Krise sei überwunden. Doch jetzt haben zwei offene Immobilienfonds aufs Neue die Rücknahme von Anteilscheinen eingestellt.
Anderen Fonds fließt hingegen mehr Anlegergeld zu, als sie investieren können.
M
it dem „DEGI Internatio- nal“ und dem „AXA Immo- select“ mussten im November letz- ten Jahres zwei offene Immobilien- fonds die Rücknahme von Anteil- scheinen einstellen. Damit kommen die Anleger bis auf weiteres nicht an ihr Geld, das sie ja gerade im Vertrauen auf die jederzeitige Ver- fügbarkeit in offene Immobilien- fonds angelegt haben. Denn genau das war in der nun 50-jährigen (Er- folgs-)Geschichte der offenen Im- mobilienfonds das überzeugende Werbeargument: von den Vorteilen der Immobilienanlage profitieren und gleichwohl börsentäglich an sein Geld zu kommen.Den GAU erlebte die Branche im Oktober 2008, als nicht weniger als zwölf offene Immobilienfonds unfreiwillig zu geschlossenen Fonds wurden, weil diese wegen fehlender Liquidität die Anleger nicht mehr auszahlen konnten. Zu viele An- leger wollten damals, als die welt- weite Finanzkrise ihren Höhepunkt erreichte, ihre Anteilscheine zu- rückgeben. Von diesen zwölf zeit- weise geschlossenen Fonds hatten bis Ende Oktober 2009 immerhin acht Fonds die Rücknahme von An- teilscheinen wieder aufgenommen, rechtfertigten also wieder ihren Namen „offene Immobilienfonds“.
Die Situation ist nicht mit 2008 vergleichbar
Allerdings ist die neuerliche Schlie- ßung der beiden Fonds „DEGI In- ternational“ und „AXA Immose- lect“ nicht mit der Situation im Ok- tober 2008 vergleichbar. Von der damaligen Krise war die gesamte Assetklasse offene Immobilien- fonds getroffen. Sage und schreibe 5,1 Milliarden Euro wurden damals aus den offenen Immobilienfonds abgezogen – da half nur noch die Notbremse der Schließung. Anders
sieht es aktuell aus: Im Jahresver- lauf 2009 (bis Ende September) verzeichneten alle offenen Immobi- lienfonds zusammen Nettomittel- zuflüsse von 3,1 Milliarden Euro.
Allerdings profitierten davon nur einige Kapitalanlagegesellschaften mit starker Vertriebsbasis wie die Deka-Immobilien-Investment, deren Fonds über die Sparkassen verkauft werden, und die Union-Investment, die ihre Fonds über die Volks- und Raiffeisenbanken anbietet.
Den Immobilienfonds der Union flossen insgesamt 2,3 Milliarden Euro zu. Der Zustrom an Liquidität war so stark, dass der „UniImmo:
Deutschland“ und der „UniImmo:
Europa“ wegen der hohen Liquidi- tät keine neuen Anteile mehr abge- ben, weil das Geld nicht schnell genug in Immobilien investiert werden kann. Sie müssen sich also gegen zu viel Anlegergeld wehren.
Mittelzuflüsse erzielten auch die Deka-Fonds und der „Hausinvest Europa“. Abwehrmaßnahmen ge- gen die zufließende Liquidität sind hier jedoch nicht notwendig.
Jene offenen Immobilienfonds, die eine zu geringe Liquidität auf- weisen (gesetzlich vorgeschrieben ist eine Mindestquote von fünf Prozent), haben zwei Möglichkei- ten, um sich Barmittel zu verschaf- fen:
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Kredite aufnehmen. OffeneImmobilienfonds dürfen die im Fonds befindlichen Objekte bis zu 50 Prozent des Verkehrswerts belei- hen. Davon sind die Fonds noch weit entfernt. Die meisten haben ih- re Objekte mit weniger als 30 Pro- zent beliehen. Solche Kredite dür- fen jedoch nicht aufgenommen werden, um damit Mittelabflüsse auszugleichen.
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Immobilien verkaufen. Der Verkauf von Immobilienobjekten zur Schaffung der notwendigen Li-quidität ist derzeit nicht gerade ein Königsweg. Die Mieten gehen an allen europäischen Standorten zu- rück, und das wird auch zu Preis- rückgängen führen. Die sind bis- lang nicht sichtbar geworden, weil die Zahl der Transaktionen stark gesunken ist. In der derzeitigen Situation will niemand verkaufen, um sich nicht dem Verdacht auszu- setzen, man befinde sich in einer Notlage. Nur zwei europäische Märkte, Paris und London, haben sich nach dem Abschwung im Herbst 2008 derart erholt, dass beim Verkauf gute Preise zu erzie- len sind.
Auf die Altersstruktur des Immobilienbestands achten
Auf jeden Fall werde sich die Sche- re zwischen guten und weniger guten offenen Immobilienfonds in den nächsten Jahren weiter öffnen, meint Sonja Knorr, Analystin der Ratingagentur Scope, die den Markt gut kennt. Derzeit bringe der beste Fonds (wenn man die mit speziellen Anlagezielsetzungen und höherem Risikoprofil weglässt) eine Jahres- rendite von 4,3 Prozent, der schlech- teste von –3,8 Prozent.Dass sich die Schere weiter öff- net, liegt auch am unterschiedlichen Alter des Immobilienbestands. Vor allem ältere Fonds haben viele Ob- jekte im Portefeuille, deren Miet- verträge in den Jahren 2010 und 2011 auslaufen. Flächen in diesen Objekten werden nur zu geringeren Mieten neu vermittelt werden kön- nen. Anleger sollten also nicht nur die Liquiditätsquote beachten, son- dern auch die Altersstruktur des Im- mobilienbestands. In Zeiten, da die Immobilienpreise tendenziell eher nachgeben, bedeutet ein hoher Mit- telzufluss, dass günstige Einkäufe getätigt werden können. ■
Armin Löwe