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Archiv "Offene Fragen" (29.06.2012)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 26

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29. Juni 2012 475

M E D I Z I N

DISKUSSION

Europäische Synkopen-Leitlinien beachten Leider sind den Autoren in Bezug auf den Inhalt der eu- ropäischen Synkopen-Leitlinien (1) einige bedauerli- che Fehler unterlaufen, die suggerieren, die berichte - ten Ergebnisse (viel Zusatzdiagnostik, geringe Aufklä- rungsquote) wären unter leitliniengerechter Behandlung zustande gekommen. So wird behauptet, die empfohle- ne Basisdiagnostik „wird bei nahezu allen Synkopen- Patienten durchgeführt“. Zur Basisdiagnostik gehören die sorgfältige Anamnese, die körperliche Untersu- chung inklusive Orthostasetest (also Blutdruck- und Pulsmessungen im Liegen und über mindestens drei Minuten im Stehen) und das 12-Kanal-EKG. Der Or- thostasetest wurde jedoch kaum eingesetzt (in 14,5 % der Fälle). Eine sorgfältige Anamnese hätte zum Bei- spiel auch Merkmale wie vegetative Zeichen (Schwit- zen, Wärmegefühl) oder auslösende Bedingungen wie Stehen in warmen Räumen vor der Synkope erfragt, die sehr zuverlässig auf einen vasovagalen Mechanismus schließen lassen. Solche wegweisenden anamnesti- schen Informationen sind in den Leitlinien aufgeführt und ermöglichen zum Teil auch ohne weiterführende Abklärung die Diagnose von vasovagalen Synkopen.

Schon durch eine sorgfältige Anamnese wären sicher- lich mehr als nur 10,4 % vasovagale Synkopen diag- nostiziert worden. Zudem wurde eine spezifische Zu- satzdiagnostik, die bei Verdacht auf vasovagale Synko- pen ohne beweisende Basisdiagnostik indiziert ist (Kipptischtest, Karotissinusmassage), gar nicht durch- geführt (zumindest fehlt deren Erwähnung im Artikel).

Sie hätte wahrscheinlich geholfen, weitere Synkopen zu klären.

Die europäischen Leitlinien kennen nur drei Katego- rien von Synkopen: vasovagale Synkopen (dort Reflex- synkopen genannt), orthostatische Hypotension und kardiale Synkopen. Gleichwohl beschreiben Güldner und Kollegen unter Berufung auf diese Leitlinien ohne weitere Erläuterung zwei weitere Kategorien, nämlich neurologische und psychovegetative Synkopen. Das sorgt bei dem, der sich durch das Studium der Leitlini- en auf sicherem Boden glaubt, für Verwirrung. Viel- leicht haben die Autoren hier epileptische, kataplekti- sche oder auch dissoziative (psychogene) Anfälle ge- meint. Das sind aber per definitionem keine Synkopen.

DOI: 10.3238/arztebl.2012.0475a

Offene Fragen

Was ist notwendig? Was ist überflüssig? Jeder Dritte er- lebt einmal eine Synkope. Abzugrenzen sind andere Ur- sachen eines kurzzeitigen Bewusstseinsverlustes: Hirn- stammischämien, epileptische Anfälle, metabolische Ursachen, dissoziative Anfälle (1). Auch Sturzattacken ohne Bewusstseinsverlust („drop attacks“) zählen nicht zu den Synkopen. Im Englischen hat sich der Begriff

„transient loss of consciousness“ durchgesetzt. Bei den neurogenen Synkopen werden die neurokardiogenen Synkopen, die orthostatische Hypotension und das pos- turale Tachykardiesyndrom unterschieden (2). Abzu- grenzen sind die kardiogenen Synkopen und die Hyper- ventilationssynkopen. Die unkritische Einteilung von

„Synkopenursachen“ in „neurologische Synkopen“ und

„psychovegetative Synkope“ ist für den Neurologen unbefriedigend und fehlerhaft (3). Sprechen wir doch auch von „kardiogenen“ und nicht von der „kardiologi- schen Synkope“. Begriffe wie „psychovegetativ“ hel- fen nicht weiter. Vielmehr ist eine Klarheit der zu ver- wendenden Begriffe zu fordern, die dann auch eine an der Pathophysiologie orientierte diagnostische Zuord- nung ermöglicht. Die Basisdiagnostik beinhaltet die Anamnese und Fremdanamnese, eine körperliche Un- tersuchung, ein 12-Kanal-EKG und einen Schellong- Test. Die einfache Messung der Blutdruckänderung im Liegen und Stehen ist dabei der hilfreichste Test, wurde aber in der Studie mit nur 14,5 % am seltensten durch- geführt. Der Aussage „die empfohlene Basisdiagnostik wird in der Notaufnahme bei nahezu allen Patienten durchgeführt“ fehlt die Grundlage. Neben einer präzi- sen Anamnese sind diese einfachen Untersuchungs- techniken oft bereits wegweisend. Auf eine überflüssi- ge Diagnostik wie etwa eine craniale Computertomo- graphie (29 %) kann verzichtet werden. Pathologische zu dem Beitrag

Patienten mit Synkope in einer deutschen Notaufnahme: Beschreibung von Patienten und Prozessen

von Sebastian Güldner, Viktoria Langada,

Dr. med. Steffen Popp, Dr. med. Hans Jürgen Heppner, Prof. Dr. med. Harald Mang, Prof. Dr. med. Michael Christ in Heft 4/2012

LITERATUR

1. Moya A, Sutton R, Ammirati F, Blanc, et al. for the Task Force for the Diagnosis and Management of Syncope; European Society of Car- diology (ESC); European Heart Rhythm Association (EHRA); Heart Failure Association (HFA); Heart Rhythm Society (HRS): Guidelines for the diagnosis and management of syncope (version 2009). Eur Heart J 2009; 30: 2631–71. Epub 2009 Aug 27.

2. Güldner S, Langada V, Popp S, Heppner HJ, Mang H, Christ M: Pa- tients with syncope in a German emergency department: descripti- on of patients and processes. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(4):

58–65.

Prof. Dr. rer. nat. Rolf R. Diehl, Dipl.-Psych.

Klinik für Neurologie

Alfried-Krupp-Krankenhaus, Essen-Rüttenscheid rolf.diehl@krupp-krankenhaus.de

Interessenkonflikt

Der Autor wurde honoriert für einen Vortrag von der Firma Bayer Health Care.

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M E D I Z I N

Befunde in der apparativen Diagnostik erklären nicht die Synkope oder das Auftreten von „Endpunkten in- nerhalb von 30 Tagen“.

Die Autoren mutmaßen „die häufigere Durchfüh- rung eines Orthostasetests“ sei nur in einer spezialisier- ten „Synkopeneinheit“ möglich. Demgegenüber er- scheint die Vermittlung von Kenntnissen über das vege- tative Nervensystem bereits im Medizinstudium viel- versprechender.

DOI: 10.3238/arztebl.2012.0475b

LITERATUR

1. Haensch CA, Jost W: Das Autonome Nervensystem. Stuttgart: Kohl- hammer-Verlag 2009; 394.

2. Haensch CA, Isenmann S: Diagnostik der orthostatischen Intoleranz.

Klin Neurophysiol 2011; 42: 123–32.

3. Güldner S, Langada V, Popp S, Heppner HJ, Mang H, Christ M:

Patients with syncope in a German emergency department: descrip- tion of patients and processes. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(4):

58–65.

Prof. Dr. med. Carl-Albrecht Haensch

Klinik für Neurologie und klinische Neurophysiologie der Universität Witten/

Herdecke

Fakultät für Gesundheit, HELIOS Klinikum Wuppertal carl-albrecht.haensch@helios-kliniken.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Schlusswort

Unser Beitrag (1) hat richtige und wichtige Zuschriften erhalten, für die wir dankbar sind. Wir stimmen den Kollegen Diehl und Haensch zu: Eine an den Umstän- den orientierte Anamnese, die körperliche Untersu- chung, das 12-Kanal-EKG und der Orthostasetest ge- hören zur Basisdiagnostik, wie sie von den Leitlinien gefordert wird. Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass davon in der klinischen Routine häufig abgewichen wird. Unsere Analyse zeigte jedoch auch, dass viele Synkopenpatienten klinisch relevante Elektrolytstörun- gen (zum Beispiel Hyponatriämie) oder ein Nierenver- sagen aufweisen. Deshalb sollte die Basisdiagnostik für Patienten in der Notaufnahme um eine standardisierte Laboruntersuchung erweitert werden. Ein weiteres Er- gebnis unserer Arbeit war die Warnung, vasovagale Synkopen grundsätzlich als „benigne“ zu betrachten, wie es Teile der epidemiologischen Literatur suggerie- ren. Denn betroffene Patienten weisen häufig relevante Komorbiditäten auf, die auch beim Vorliegen einer va- sovagalen Synkope mit negativen Endpunkten assozi- iert sein können.

Wenn die durchgeführte Basisdiagnostik nicht ziel- führend war, nehmen auch wir in der klinischen Praxis eine Kipptischuntersuchung vor: In unserer Analyse von 440 Patienten (1) wurden sieben mit dem Kipptisch untersucht. Zwei Patienten zeigten dabei einen patholo- gischen Befund. Eine Karotissinusmassage führen wir in der erweiterten Synkopendiagnostik nicht durch,

weil der kausale Zusammenhang zwischen einem hy- persensitiven Karotissinus und einer durchgemachten Synkope oft fraglich bleibt und abhängig vom Patien- tenalter ist (2). Wir haben diese beiden Informationen aufgrund der notwendigen Straffung des Manuskripts nicht berichtet. Betonen möchten wir an dieser Stelle, dass die Risikostratifizierung von Synkopenpatienten in der Notaufnahme einen höheren Stellenwert einneh- men sollte und eine korrekte Kategorisierung der Art der Synkope zumindest bei erstmaliger Vorstellung we- gen einer Synkope in der Notaufnahme von untergeord- neter klinischer Bedeutung scheint. Die Risikostratifi- zierung umfasst die Einteilung in „abklärungsbedürfti- ge“ und in „nichtabklärungsbedürftige“ Synkopen, wo- bei letztere im weiteren Verlauf keine unerwünschten Endpunkte zu erwarten haben. Dies muss in einer Not- aufnahme bei jedem Patienten unabhängig von der Art der Synkope erfolgen.

Wir bedanken uns insbesondere für die Richtigstel- lung der verwendeten Kategorien von Synkopen in un- serem Manuskript, die möglicherweise zur Verwirrung beigetragen hat. Wir haben uns bei unserer Nomenkla- tur und Systematisierung an Originalarbeiten orientiert, die diese Thematik sehr heterogen angegangen sind.

Außerdem weist die Leitlinie zur Synkopenabklärung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (3), die oh- ne die Beteiligung kardiologischer oder notfallmedizi- nischer Fachvertreter erstellt wurde, im Detail diskre- pante Inhalte zur Leitlinie der Europäischen Kardiolo- gengesellschaft auf (4). Letztere wurden erst nach Kon- zeption und Analyse des vorgestellten Projektes publi- ziert. Unseren künftigen Arbeiten wollen wir die Emp- fehlungen der Europäischen Kardiologengesellschaft zur Synkopenklassifizierung zugrunde legen.

DOI: 10.3238/arztebl.2012.0476 LITERATUR

1. Güldner S, Langada V, Popp S, Heppner HJ, Mang H, Christ M:

Patients with syncope in a German emergency department: descrip- tion of patients and processes. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(4):

58–65.

2. Humm AM, Mathias CJ: Abnormal cardiovascular responses to ca - rotid sinus massage also occur in vasovagal syncope – implications for diagnosis and treatment. Eur J Neurol 2010; 17: 1061–7.

3. Diehl R: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie:

Synkopen. Stuttgart: Georg Thieme Verlag 2008; 654 ff.

4.Moya A, Sutton R, Ammirati F, Blanc, et al. for the Task Force for the Diagnosis and Management of Syncope; European Society of Car - diology (ESC); European Heart Rhythm Association (EHRA); Heart Failure Association (HFA); Heart Rhythm Society (HRS): Guidelines for the diagnosis and management of syncope (version 2009).

Eur Heart J 2009; 30: 2631–71. Epub 2009 Aug 27.

Sebastian Güldner Prof. Dr. med. Harald Mang Universität Erlangen-Nürnberg

Prof. Dr. med. Michael Christ

Klinik für Notfall- und Internistische Intensivmedizin Klinikum Nürnberg

michael.christ@klinikum-nuernberg.de

Interessenkonflikt

Sebastian Güldner ist Management Trainee bei den Helios-Kliniken.

Prof. Mang und Prof. Christ erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Referenzen

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