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Archiv "Plötzlicher Herztod: Dem elektrophysiologischen Unfall auf der Spur" (26.04.2002)

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em plötzlichen Herztod geht in mehr als drei Viertel der Fälle ein Kammerflimmern voraus. Diese Entgleisung der myokardialen Kontrak- tilität beruht auf dem interaktiven Zu- sammenspiel struktureller, funktioneller und elektrophysiologischer Prozesse.

Seitdem das Phänomen Kammerflim- mern Mitte des 19. Jahrhunderts erst- mals beschrieben wurde, versucht man, den komplexen pathologischen Mecha- nismus, der die schnelle und unorgani- sierte Kontraktion des ventrikulären Muskels auslöst und aufrechterhält, zu entschlüsseln.

Allein in Deutschland fordert der ar- rhythmogene plötzliche Herztod jährlich circa 100 000 Opfer. Die Chance einer

„flächendeckenden“ Prävention wird da- durch limitiert, dass es in rund der Hälfte der Fälle keine vorherigen kardiovas- kulären Warnzeichen gibt. Selbst bei Einsatz eines – fiktiven – Supertests mit 95-prozentiger Sensitivität und 95-pro- zentiger Spezifität läge der positiv-prä- diktive Wert unter drei Prozent. Die For- schung konzentriert sich daher auf Per- sonen mit hohem Risiko, wie koronarer Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz.

Erworbener Ionenkanal- Defekt durch Herzinsuffizienz

Das Aktionspotenzial humaner Herz- muskelzellen stelle einen komplexen elektrophysiologischen Vorgang dar, der durch einen zeitlich sehr geordneten Ioneneinstrom und -ausstrom gesteuert werde, erinnerte Prof. Dirk J. Breuckel- mann (Köln) bei einem wissenschaftli- chen Symposium in Düsseldorf. Zahlrei- che experimentelle Befunde ließen er- kennen, dass eine Dysbalance dieser de- polarisierenden und repolarisierenden

Ionenströme zwar nicht als der einzige, aber – im Sinne einer erworbenen Ionen- kanal-Krankheit – doch als ein bedeutsa- mer Faktor für die Entstehung von malig- nen Tachyarrhythmien im Rahmen einer Herzinsuffizienz angesehen werden kön- ne. Damit eröffneten sich auch neue An- sätze zur Entwicklung protektiver phar- makologischer Strategien.

Erklären lässt sich das Phänomen da- durch, dass durch hämodynamische Be- lastung induzierte strukturelle Verände- rungen des myokardialen Gewebes, wie Hypertrophie und Dilatation auf der ei- nen und Störungen im neurohormonel- len System durch Anstieg der Plasma- konzentrationen von Angiotensin II,

Aldosteron und Katecholaminen auf der anderen Seite, auf die Genexpression einzelner Herzmuskelzellen einwirken.

Von diesem, unter dem Schlagwort

„myokardiales Remodeling“ subsumier- ten Vorgang sind auch transmembranä-

re Ionenkanäle und -transportermole- küle betroffen. Da zahlreiche der Kanal- protein-kodierenden Gene aus der Er- forschung primär arrhythmogener Er- krankungen bekannt sind, lassen sich die funktionellen Konsequenzen einer Über- oder Unterexpression sowohl durch mathematische Modelle als auch im Tierversuch nachvollziehen.

In vitro wurden bei Myozyten von Herzinsuffizienz-Patienten sowohl eine Veränderung der zellulären Calcium- Homöostase als auch die Abnahme des transienten Kalium-Auswärtsstroms be- obachtet. Als Folge war das Aktionspo- tenzial im Vergleich zu Myokardzellen gesunder Kontrollen um bis zu 50 Pro-

zent verlängert. Diese Zunahme der Ak- tionspotenzialdauer – wie sie auch phar- makologisch angestrebt wird – hat zwar über die längere Refraktärzeit einen rhythmusstabilisierenden Effekt; gleich- zeitig wird aber durch die verlängerte P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 17½½½½26. April 2002 AA1131

Plötzlicher Herztod

Dem elektrophysiologischen Unfall auf der Spur

Die Forschung konzentriert sich auf Personen mit hohem Risiko – wie koronarer Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz.

Medizinreport

Aneurysma Narbe Hypertrophie Arrhythmogenes

Substrat Dilatation Resektion Entzündung

Elektrolyte Kalium-Mangel Magnesium-Mangel Perfusion

Ischämie/Reperfusion

Hämodynamik Kontraktile Dysfunktion Druck-/Volumenbelastung

Diastolische Dysfunktion

Kammertachykardie Kammerflimmern Plötzlicher Herztod

Neurohormonelle Einflüsse Überaktivität von sympatischem Nerven-

system Renin-Angiotensin-System Nachpotenziale

Extrasystolen Reentry-Mechanismen Gesteigerte Automatie

Pharmakologische Einflüsse Antiarrhythmika

(Proarrhythmie) Positiv intrope Substanzen

Diuretika

Strukturelle, funktionelle und elektrophysiologische Determinanten für den plötzlichen Herztod (nach Vester).

Grafik

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Plateauphase das Risiko für frühe Nach- depolarisationen erhöht, die wiederum die Entstehung von anormalen Impuls- formationen und getriggerter Aktivität als Initiatoren von Kammerflimmern be- günstigen. Aggraviert wird die Situation durch die regional und temporär unter- schiedliche Länge der Aktionspotenziale mit konsekutiver inhomogener Erreg- barkeit des Myokards.

Von den verschiedenen Triggern, die auf das arrhythmogene Substrat einwir- ken, hat die Ischämie einen besonders hohen Stellenwert (Grafik). Das lässt sich auch daran erkennen, dass in 70 bis 80 Prozent der Fälle einem durch Kam- merflimmern bedingten Herzstillstand eine bekannte oder latente koronare Herzkrankheit zugrunde liegt. Auf- grund dieser Zusammenhänge bietet sich bei dieser Gruppe von Risikokan- didaten – zumindest denen mit klini- scher Manifestation – eine Chance für präventive Maßnahmen.

Ischämie hat Triggerfunktion

Dabei liegt der Schwerpunkt des Inter- esses bei den Postinfarktpatienten, weil sie als besonders gefährdet gelten. Von den pharmakologischen Strategien hat sich nur die Behandlung mit Beta-Re- zeptorenblockern als erfolgreich erwie- sen. Bei den spezifisch antiarrhythmisch wirksamen Medikamenten gilt der Ein- satz von Substanzen der Klasse 1 nach Vaugham Williams (Natriumkanal- Blocker) als obsolet und der Klasse IV (Calcium-Antagonisten) als ineffektiv.

Von den bisher in Deutschland zugelas- senen Vertretern der Klasse III lässt So- talol keinen, wohl aber Amiodaron ei- nen statistisch signifikanten Schutz vor dem arrhythmiebedingten Tod erwar- ten – in einer Metaanalyse war die Wahrscheinlichkeit um 29 Prozent ge- ringer als in der Kontrollgruppe.

Bei den invasiven Optionen ruhen große Hoffnungen auf dem Implantier- baren Cardioverter-Defibrillator (ICD).

Die Daten der bisher vorliegenden Stu- dien lassen noch keine eindeutige Aus- sage zu, wann der primärpräventive Einsatz indiziert ist. Noch immer unter- schätzt wird der antiarrhythmische Ef- fekt revaskularisierender Maßnahmen, mit denen es häufig gelingt – in gewisser

Weise kausal –, die Ischämie als einen der wesentlichen Trigger für die Entste- hung von Rhythmusstörungen auszu- schalten. Unterstützt wird diese These durch den Ausgang der „CABG-Patch- Study“. Nach elektiver Bypassoperation brachte der ICD keinen Vorteil bezüg- lich der Überlebenszeit gegenüber der konservativen Therapie.

Auch in der vor fast zehn Jahren begonnenen „Düsseldorfer Lactat-Stu- die“ war die Revaskularisation eine we- sentliche Determinante für eine gute Prognose. An dieser Untersuchung nahmen 93 Koronarpatienten (29 nach Myokardinfarkt) mit elektrischer Insta- bilität (Kammerflimmern/-tachykardi- en oder rhythmogene Synkopen) teil.

Die linksventrikuläre Funktion war mit im Mittel 44 Prozent relativ gut.

Bei der initialen programmierten Ventrikelstimulation habe man gleich- zeitig die arterio-koronarvenöse Laktat- differenz gemessen, um die Patienten zu identifizieren, bei denen der Kammer- tachykardie eine ischämische Episode vorausgehe, erläuterte Dr. Ernst Vester (Düsseldorf), Leiter des Düsseldorfer Symposiums, das Vorgehen. Bei 61 Stu- dienteilnehmern war der Test positiv.

In dieser Gruppe wurde in der Folge aufgrund der klinischen Situation in 80 Prozent der Fälle eine Angioplastie oder Bypassoperation durchgeführt. Nur in 13 Prozent war die Implantation eines Defibrillators erforderlich. Im lactatne- gativen Kollektiv ergab sich ein fast um- gekehrtes Bild: Eine Revaskularisation war in 37,5 Prozent und der Einsatz eines ICD in 63 Prozent der Fälle indiziert.

Trotz des ungleichen Anteils an mit einem ICD versorgten Patienten unter- schied sich die Letalität in beiden Grup- pen nicht signifikant. Das deutet nach Aussage von Vester darauf hin, dass die Revaskularisation zu einem hohen Pro- zentsatz – zumindest bei Patienten mit guter Ventrikelfunktion – die Entste- hung von lebensbedrohlichen Rhyth- musstörungen verhindert. Diese These wird durch Subanalysen noch bekräftigt.

Bei Studienteilnehmern, die nicht revas- kularisiert worden waren, hatte der ICD keinen Vorteil auf das Überleben. Dage- gen war bei Patienten ohne ICD durch eine revaskularisierende Maßnahme die Prognose statistisch signifikant verbes- sert worden. Gabriele Blaeser-Kiel

CRP-Spiegel korrelieren

mit Atherosklerose

Das C-reaktive Protein (CRP) ist ein zuverlässiger Marker für die Athero- sklerose. US-Pathologen berichten in der Online-Ausgabe von Circulation, dass die CRP-Spiegel eng mit der Ver- breitung der Plaques in den Gefäßen korreliert. Sie fordern einen CRP-Test für alle Risikopatienten. Allan Burke und Mitarbeiter vom Pathologischen Institut der US-Streitkräfte in Washing- ton haben postmortal die Gefäße von 302 Frauen und Männern untersucht, darunter waren 73 Personen, die an ei- nem akuten atherosklerotischen Ge- fäßverschluss verstorben waren, 71 Pa- tienten mit stabilen Plaques und 158 Kontrollen mit nicht-kardiologischen Todesursachen.

Von allen Patienten waren Blutpro- ben archiviert worden, in denen die Pa- thologen die CRP-Werte bestimmen ließen. Ergebnis: Die akut an einem Ge- fäßverschluss gestorbenen Patienten hatten mit 3,2 µg/ml die höchsten CRP- Blutspiegel. Es folgen mit 2,9 µg/ml Personen mit Plaque-Erosionen und mit 2,5 µg/ml Personen mit stabilen Plaques. In der Kontrollgruppe lag der CRP-Spiegel mit 1,4 µg/ml deutlich nied- riger. Insgesamt hatten 52,8 Prozent der Patienten mit einem akuten Gefäßtod CRP-Spiegel über 3 µg/ml, während es in der Kontrollgruppe nur 20 Prozent wa- ren. Frühere Studien hatten bereits ge- zeigt, dass ein erhöhter CRP-Wert das Risiko auf Schlaganfall und Herzinfarkt steigert. Die jetzige Studie konnte je- doch erstmals die CRP-Spiegel mit den pathologischen Substraten korrelieren.

CRP war neben dem Rauchen der einzige Prädiktor auf einen akuten Herztod. Für Gesamtcholesterin, Dia- betes mellitus und Übergewicht wurde keine signifikante Korrelation gefun- den. Die Pathologen sehen deshalb in dem CRP-Bluttest eine mögliche Scree- ningmethode für eine Atherosklerose.

Ob ein erhöhter Wert tatsächlich ein Kriterium für eine präventive Behand- lung mit Statinen oder Aspirin sein kann, müssen jedoch erst weitere Studi-

en zeigen. Rüdiger Meyer

P O L I T I K

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A1132 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 17½½½½26. April 2002

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