DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
AUS INDUSTRIE UND FORSCHUNG
Moderne Diuretika
sollten auch Magnesium sparen Hierzulande sind bei
Herzinsuffizienz Digi- talis-Präparate immer noch Spitzenreiter. Ganz anders in den anglo-ame- rikanischen Ländern:
Dort sind längst die Di- uretika bei leichter bis mittelschwerer Insuffi- zienz die Mittel der Wahl.
Die Frage, inwieweit Di- uretika — insbesondere solche mit kalium- und natriumsparendem Effekt
— eine zukunftsweisende Alternative zur Digitalis- Therapie darstellen, stand Ende letzten Jah- res im Mittelpunkt des 1.
Heidelberger Herz-Kreis- lauf-Kolloquiums, das von Röhm-Pharma veran- staltet und von Professor Thomas Meinertz, Frei- burg, geleitet wurde. In- zwischen lassen sich bei der Diuretika-Wirkung zwei charakteristische Phasen abgrenzen. Zu Behandlungsbeginn ver- mindert sich das Extra- zellulär- und Plasmavolu- men, was den venösen Rückfluß und damit das Herzzeitvolumen redu- ziert. Kompensatorisch nimmt der periphere Wi- derstand leicht zu. Unter Langzeittherapie wird dieser dann wieder ge- senkt, die Gefäßreagibili- tät normalisiert sich. Be- züglich des Herzzeitvolu- mens liegen uneinheit- liche Befunde vor.
Professor Heinrich Knauf, ebenfalls Frei- burg, ging am Rande auch auf eine Eigenart der Schleifendiuretika ein. Hier findet man Mi- nuten nach Injektion das sogenannte venöse Poo- ling, eine Senkung der Vorlast also, wobei aller- dings das Plasmavolu- men nicht reduziert ist.
Da diese Reaktion nicht bei Prämedikation zum Beispiel mit Indometacin oder ACE-Hemmern und insbesondere nicht bei Nephrektomierten aus- lösbar ist, kann gefolgert
Zwei Herz-Kreislauf-Exper- ten: Professor Thomas Mei- nertz
werden, daß es sich bei dieser vorlastsenkenden Sofortwirkung nicht wie bei Nitroglyzerin um ei- nen vaskulären Effekt handelt, sondern um eine
„renohumorale" Reak- tion. Die diskutierten po- sitiv-inotropen Wirkun- gen der Diuretika sind nicht sicher belegt. De- ren großer Vorteil gegen- über Digitalis ist die gro- ße therapeutische Si- cherheit. Suffiziente Er- folge werden bei gleich- zeitig wenigen und relativ harmlosen Nebenwirkun- gen erzielt.
Als Indikationen zur Mo- notherapie mit Diuretika gelten „sinusrhythmi- sche" Herzinsuffizienzen im Stadium II nach NYHA, die pulmonale Stauung bei Mitralstenose, Brady- kardien und natürlich Di- gitalis-Unverträglichkeit.
Für diese meist chroni- schen Leiden wurden Thiazide empfohlen, wäh- rend Schleifendiuretika weiterhin die Mittel der er- sten Wahl darstellen bei akut pulmonaler Stauung und bei Niereninsuffizienz mit Kreatininwerten über 2,4 mg/dl.
Der bislang vernachläs- sigte Magnesiumhaus-
halt gewinnt mehr und mehr an Bedeutung als
pathophysiologischer Faktor für kardiovaskulä- re Erkrankungen. Profes- sor Heinz Zumkley, Mün- ster, zeigte, daß Magne- sium für die Membran- AT-Pase-Aktivität ent- scheidend ist. Bei intra- zellulärem Defizit kommt es durch eine komplexe Elektrolytentgleisung an- gesichts des hohen Meta- bolismusniveaus des Herzens zu funktionellen und strukturellen Störun- gen. Die enge Kopplung mit dem Kaliumhaushalt sowie der funktionelle Antagonismus zu Na- trium und wahrscheinlich auch zu Kalzium können zu ausgeprägten Rhyth- musstörungen führen
. und Professor Heinrich Knauf, beide von der Unikli- nik Freiburg
und außerdem zu erheb- lich erhöhter Digitalis- Empfindlichkeit.
Viele der akuten kardialen Komplikationen bis hin zum plötzlichen Herztod können letztendlich, so Meinertz, auf die nicht rechtzeitig korrigierten
Elektrolytverschiebun- gen zurückgeführt wer- den. Manchmal sei es des- halb für herzinsuffiziente Patienten ein regelrech- tes „Glück", auch noch
niereninsuffizient zu sein, da die Dialyse die Elektro- lytentgleisung korrigiert.
Da der Plasma-Magnesi- umspiegel allenfalls im Falle der Hypomagnesi- ämie vorsichtige Rück- schlüsse auf die intrazel- lulären Verhältnisse zu- läßt, führt Professor Tho- mas Dyckner, Umea, Schweden, am Quadri- zeps eine perkutane Muskelbiopsie zur Be- stimmung der Elektrolyte durch. Es zeigt sich, daß die gleichzeitig zur Di- uretika-Therapie häufig verordnete orale oder parenterale Gabe von Ka- lium bei gestörtem Ma- gnesiumhaushalt nicht greifen kann.
Da einem manifesten De- fizit nur sehr schwer bei- zukommen ist, wird von vornherein zu kalium- und magnesiumsparen- den Diuretika geraten, nämlich Amilorid, Triam- teren oder Spironolac- ton.
Professor Dyckner refe- rierte die Ergebnisse von drei aktuellen Studien, die in Stockholm mit kali- um- und magnesiumspa- renden Diuretika durch- geführt wurden. Patien- ten, die bereits länger als ein Jahr mit Thiaziden und Schleifendiuretika vorbehandelt worden wa- ren, erhielten in randomi- sierter Anordnung entwe- der das bisher verab- reichte Diuretikum oder Triamteren, Amilorid oder Spironolacton plus Hydrochlorothiazid. Nach einer sechsmonatigen
„Spar-Therapie" waren die Kalium- und Magnesi- umwerte bei sämtlichen Patienten vollständig normalisiert. Die Wirk- stoffkombination Triam- teren plus Hydrochloro- thiazid ist in der Bundes- republik unter dem Wa- renzeichen Dytide®H im Handel. Wolfgang Rühle
210 (78) Heft 4 vom 22. Januar 1986 83. Jahrgang Ausgabe A