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Archiv "Das Gespräch mit Prof. Dr. med. Karl Lauterbach, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: Bundestagswahlkampf 2013 – „Dieses Mal brauchen wir die große Reform“" (13.09.2013)

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A 1656 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 37

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13. September 2013

P O L I T I K

M

anche Politiker nehmen im Wahlkampf zu. Nicht so Prof. Dr. med. Karl Lauterbach, ge- sundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. „Ich esse keine Bratwurst, und ich trinke kein Kölsch“, hat der Rheinländer, der bereits zweimal seinen Wahlkreis Leverkusen/Köln direkt gewonnen hat, kürzlich erzählt – das hilft.

Noch etwas schmaler als sonst, ver- spätet und ein wenig abgehetzt, be- tritt er den kleinen Sitzungssaal in einem Bundestagsgebäude. Und ist sofort bei der Sache.

Richtig, dass Gesundheitspolitik kein Thema im Bundestagswahl- kampf ist und schon gar keines, um zu gewinnen? Falsch, korrigiert Lauterbach: „Die Menschen inter - essieren sich sehr wohl dafür. In der Begegnung mit den Bürgern sind Gesundheit und Pflege die wich- tigsten Themen.“ Aber doch eher Versorgungs- als Finanzierungsfra- gen, oder? Die Feinheiten der Bür- gerversicherung werden wohl kaum der Renner im Gespräch mit dem Abgeordneten sein.

Erneut Widerspruch: „Ich erkläre die Bürgerversicherung jeden Tag zigmal, weil es viele Leute interes-

siert: Wie soll das gemacht werden?

Wird es für mich billiger oder teu- rer? Solche Fragen kommen immer wieder.“ Genervt ist er nicht, im Gegenteil: „Das Thema ist lange in der Diskussion, deswegen ist das Niveau der Fragen gut.“

Die Fragen und Anliegen der Ärztinnen und Ärzte, die er im Wahlkampf trifft, fallen ganz unter- schiedlich aus, ergänzt Lauterbach.

Am ehesten punkten kann er offen- bar noch bei Hausärzten, denn:

„Wir haben in den letzten Jahren klar betont, dass wir die Hausarzt- verträge zur Pflicht machen, die Vergütung entbürokratisieren und erhöhen wollen.“

Dass Hausarztverträge nicht hel- fen, mehr allgemeinmedizinischen Nachwuchs auszubilden und für die

Arbeit in ländlichen Regionen zu motivieren, will er so nicht gelten lassen. „Dass der Nachwuchs fehlt, liegt zum Teil daran, dass der Haus- arztberuf nicht so attraktiv ist, wie er sein könnte“, sagt Lauterbach und attackiert die Koalition, wie man es kennt: „Union und FDP ha- ben dagegen nichts unternommen, bis auf den Vorschlag, dass künftige Hausärzte ein schlechteres Abitur haben könnten. Ein lächerlicher Vorschlag, der im Übrigen diffa- mierend für die Hausärzte ist.“

Nur mal zwischengefragt: Könn- te sich Lauterbach eine Regierungs- zusammenarbeit mit einem Vertre- ter der Union vorstellen, im Team als Minister und Staatssekretär?

Insbesondere mit seinem Sprecher- Pendant Jens Spahn? Solche Fragen

DAS GESPRÄCH

mit Prof. Dr. med. Karl Lauterbach, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion

BUNDESTAGSWAHLKAMPF 2013

„Dieses Mal brauchen wir die

große Reform“

Eine Bürgerversicherung für Krankheit und Pflege – damit würde Karl Lauterbach als erstes starten. Und ohne ein anderes Honorarsystem, sagt er, lassen sich Ver-

sorgungsstrukturen nicht ändern.

Fotos: Georg J. Lopata

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werden ein wenig von oben herab beantwortet: „Ich kämpfe für Rot- Grün. Ich verliere keine Zeit, indem ich über das Fiasko einer Großen Koalition spekuliere.“

Spekulationen löst er allerdings über die künftige ärztliche Honorie- rung aus. Im Wahlprogramm der SPD ist der neue Systemrahmen klar aufgezogen: Die Sozialdemo- kraten favorisieren eine Bürgerver- sicherung als Krankenvoll- und Pflegeversicherung. Wer sich neu versichert oder gesetzlich kranken- versichert ist, wäre automatisch Mitglied. Privat Krankenversicher- te könnten ein Jahr lang wählen, ob sie wechseln wollen.

„Mit der Bürgerversicherung werden wir eine einheitliche Hono- rarordnung für die gesetzliche wie private Krankenversicherung ein- führen“, heißt es weiter. „Das Ge- samthonorarvolumen wird dabei nicht geschmälert, sondern gerech- ter verteilt. Die Honorierung ambu- lanter Leistungen im niedergelasse- nen und stationären Bereich wird angeglichen.“ Das heißt? „Die Bür- gerversicherung würde nicht zu ei- ner Verknappung der ärztlichen Ho- norare insgesamt führen“, erläutert Lauterbach. „Wir wollen das Hono- rarvolumen für Privatpatienten komplett ausgleichen. Aber es wird zu einer Umverteilung innerhalb der Ärzteschaft kommen.“

Auf Nachfrage wird er präziser:

„Bei der künftigen Vergütung muss eine Rolle spielen, wo sich die Pra- xis befindet und welchen Versor- gungsauftrag sie hat. Wir müssen erreichen, dass Praxen in unterver- sorgten Gebieten oder mit vielen, eher schwierigen Patienten einen Honorarzuschlag erhalten. Gewin- ner einer solchen Reform werden diejenigen sein, die einen großen Anteil jetzt gesetzlich krankenver- sicherter Patienten versorgen und Praxen in unterversorgten Gebie- ten. Diese werden auch attraktiver für Neuzulassungen. Verlierer wä- ren sehr technikintensive, eher auf Privatpatienten ausgerichtete Pra- xen, vor allem in überversorgten Vierteln von Städten.“

Schwerer ist dem gesundheitspo- litischen Sprecher der SPD zu ent- locken, aus welchen Elementen ein

einheitliches Honorarsystem genau bestehen würde. „Das kann man nicht in drei, vier Sätzen erläutern“, wiegelt er ab. „Sie können sicher sein, dass ich einen solch schwieri- gen Prozess nicht noch schwerer mache, indem ich über ungelegte Eier rede.“

Sinnvoll erscheint ihm ein Mix aus Pauschalen und Einzelleistun- gen sowie Zuschlägen für Qualität.

„Ich glaube, dass wir bei der Pau- schalierung zu weit gegangen sind

und zum Teil leistungsfeindliche Anreize setzen.“ Deshalb müsse es auch Einzelleistungen geben. Kos- tenerstattungselemente würde er ebenso vorsehen, „weil ich das für transparenter und vertrauenerwe- ckender halte“. Eine grundlegende Änderung bei der Honorierung ist für ihn unumgänglich: „Dieses Mal brauchen wir eine große Reform.

Es ist sonst nicht möglich, Versor- gungsstrukturen zu verändern. Die Fehlverteilung der ambulant tätigen Ärzte würde sich noch fortsetzen.“

Das Handy piept, die Zeit wird knapp. Pünktlich zur nächsten vol- len Stunde muss Lauterbach zum

Zug. Für Fragen zum Thema Kran- kenhaus bleibt kaum Zeit. Aller- dings hat die SPD-Bundestagsfrak- tion schon im März ein ausführli- ches Konzept hierzu vorgelegt.

Langfristig spricht sie sich für eine monistische Finanzierung der Krankenhäuser durch den Bund aus. Kurzfristig will sie eine An- gleichung der Landesbasisfallwerte an einen deutschlandweit einheitli- chen Basisfallwert umsetzen. Zu- dem solle der Gemeinsame Bundes-

ausschuss festlegen, unter welchen Voraussetzungen künftig Sicher- stellungszuschläge zu leisten seien.

Und um die Qualität einer Behand- lung besser messen zu können, soll er Qualitätsindikatoren entwickeln.

Ein Prozent des Gesamtbudgets der Kliniken würden dann die zehn Prozent erhalten, die die beste Qua- lität erbringen.

Im Wahlprogramm sind weitere Anliegen aufgelistet. So will die SPD erreichen, dass Schwerkranke noch schneller zum Spezialisten ge- langen und Zweitmeinungsverfah- ren häufiger genutzt werden. Die integrierte Versorgung soll einen neuen Schub bekommen. Wäre es nicht ehrlicher, den Wählern mitzu- teilen, dass sich eine Versorgung wie bisher vielerorts nicht mehr aufrechterhalten lässt? „Nein. Un- sere Vorschläge wirken dem ja ent- gegen“, findet Lauterbach. Dazu zählt er eine sektorenübergreifende Bedarfs- und Versorgungsplanung unter der Verantwortung der Länder in Form regionaler Konferenzen.

Keine Bedenken, dass die Ver- sorgung dadurch nicht besser wird? Dass die Konferenzmitglie- der konkurrieren, statt kooperative Lösungen zu suchen? Wieder:

Nein. „Das Problembewusstsein in den Landesministerien ist hoch.

Ich glaube nicht, dass gute Vor- schläge scheitern, nur weil wir in der Vergangenheit, als wir uns das noch leisten konnten, zuweilen ei- ne luxuriöse Fehlplanung beobach-

ten mussten.“

Falk Osterloh, Sabine Rieser

„Die Wissenschaftsgläubigkeit von Wissenschaftlern ist zu hoch, um ihnen die politische Verantwortung zu überlassen“, hat Prof. Dr. med. Karl Lauter- bach (50) kürzlich im „Spie- gel“ gesagt. „Für die Gesetz- gebung ist ein kluger, skepti- scher Laie oft sogar besser.“

Das hält das Mitglied im Kom-

petenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück aber nicht davon ab, weiter Politik zu machen. Denn, so findet Lauterbach: Es ist ein spannender Job, bei dem man viel lernt, so über den Wert von Vertrauen und Netzwerken.

Wenn er mal einen Tag ein anderer sein könnte, dann gern Mick Jagger. Jemand, der trotz seines wenig präven- tiven Lebensstils alt geworden ist? Jawohl, sagt Lauter- bach: „Er hat sich fit gehalten und seine Lebenslust behal- ten. Mick Jagger ist ein Beispiel dafür, dass es nie zu spät ist, mit der Prävention zu beginnen.“

SEHR GERN POLITIKER

Künftige Hausärzte können ein schlechteres Abitur haben?

Ein lächerlicher Vorschlag – und diffamierend.

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