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Archiv "Das Gespräch mit Dr. med. Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament: „In der EU lösen wir Alltagsprobleme“" (28.03.2014)

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A 534 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 13

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28. März 2014

„In der EU lösen wir Alltagsprobleme“

Seit 20 Jahren ist der Arzt aus dem Sauerland Mitglied des Europäischen Parlaments.

Über Frust- und Erfolgserlebnisse eines Abgeordneten, der sich in einem sicher ist:

Ein Parlamentarier kann in Brüssel und Straßburg mehr bewegen als in Berlin

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ach Jahren der Euro-Schul- denkrise wird die Frage auch Dr. med. Peter Liese häufiger ge- stellt: Wozu brauchen wir die Euro- päische Union überhaupt? „Zur Si- cherung des Friedens“, antwortet er,

„um Europas Interessen in der Welt besser vertreten zu können, und nicht zuletzt, um Alltagsprobleme der Menschen zu lösen.“ Die Frie- denssicherung gewinnt 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs angesichts der Krim-Krise eine be- sorgniserregende Aktualität. „Wenn es die EU nicht schon gäbe, müsste man sie jetzt erfinden“, stellt der

votierte. Liese kann sich vorstellen, dass das für die auf ausländische Ärzte angewiesene Schweiz zum Problem werden könnte. Auch Deutschland benötigt Fachkräfte aus dem Ausland, nicht nur Ärzte.

„Ohne Krankenschwestern aus Slo- wenien und Bulgarien könnten wir doch in manchen Regionen Stellen überhaupt nicht mehr besetzen.“

Für eine Protestwahl sei die Eu- ropawahl viel zu wichtig, bekräftigt Liese. „Was wir im Europäischen Parlament beschließen, gilt für 500 Millionen Menschen.“ Die großen Fraktionen gehen 2014 erstmals mit Spitzenkandidaten für die Position des Kommissionspräsidenten in die Wahl. Für die Christdemokraten (Europäische Volkspartei, EVP) tritt Jean-Claude Juncker aus Lu- xemburg an – gegen den deutschen Sozialdemokraten Martin Schulz, heute Parlamentspräsident.

Bringt das Stereotyp vom bür- gerfernen Europa einen Abgeordne- ten, der seine Aufgabe ernst nimmt, auf die Palme? Liese bejaht la- chend. „Die Wahlkreise sind zwar sehr groß, aber man kann jeden Eu- ropaabgeordneten ansprechen.“ Die EU sei nicht so verschlossen, wie viele meinten. „Wer sich die Mühe macht, kriegt jede Information.“

Brüssel und Straßburg sind Lie- ses Aktionsfeld schon seit 20 Jahren – was kaum glauben mag, wer den jugendlich wirkenden Mann trifft.

Was hat ihn in die Politik gebracht?

Die Anfänge haben mit dem Ge- sundheitswesen zu tun, dem der Bundeswehr. Der Sanitätssoldat Liese war abkommandiert, um in einem atombombensicheren Bun-

DAS GESPRÄCH

mit Dr. med. Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament

Foto: Eberhard Hahne

CDU-Politiker im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt heraus. Selbst- verständlich verkennt er die Gefahr nicht, dass bei der Wahl zum Europä - ischen Parlament (EP) am 25. Mai Populisten von links und rechts deut- lich gestärkt werden. Dabei seien solche Gruppen immer, wenn sie es in Parlamente geschafft hätten, durch internen Streit und nicht durch Arbeit an konkreten Proble- men aufgefallen. Sie schüren Ängs- te vor Migranten, nicht nur in der Schweiz, wo im Februar eine knap- pe Mehrheit der Bevölkerung für eine Begrenzung der Zuwanderung

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28. März 2014 A 535 ker Tabletten zu zählen. Er suchte

eine geistige Herausforderung und engagierte sich in der Jungen Uni- on, wo er schnell in verantwortliche Positionen kam. Als 1994 Friedrich Merz in den Bundestag wechselte, konnte sich der junge Arzt, damals in der Weiterbildung zum Facharzt für Pädiatrie, als Europakandidat gegen Mitbewerber durchsetzen.

Erste internationale Kontakte hatte er da schon. Nach dem Medizinstu- dium in Marburg, Aachen und Bonn hatte er sechs Monate in Guatemala in einem staatlichen Krankenhaus gearbeitet und in Entwicklungshil- feprojekten. „Ich habe schnell gese- hen, dass man bei vielen Problemen auf nationaler Ebene nicht wirklich weiterkommt.“ Schon in seiner Dis- sertation über ethische Fragen der Pränataldia gnostik bei Professor Dr.

med. Klaus Zerres am Institut für Humangenetik in Bonn hat Liese Initiativen des Europaparlaments zitiert. Das Thema beschäftigt ihn bis heute.

Ist es für einen Abgeordneten mit wertkonservativen Grundüberzeu- gungen nicht frustrierend, dass man sich in Europa oft nur auf Minimal- standards verständigen kann? „Ethi- sche Mindeststandards sind immer noch besser als gar keine Regeln“, hält der CDU-Politiker dagegen.

Aber Liese bestreitet nicht, dass die Arbeit manchmal frustrierend sei.

So plädierte er gegen eine Zulas- sung der Präimplantationsdiagnostik (PID), um nicht den Weg zur Selek- tion menschlichen Lebens zu öffnen

und um zu verhindern, dass Druck auf Frauen ausgeübt wird, ein even- tuell behindertes Kind nicht zu be- kommen. Vom deutschen Gesetz ist Liese enttäuscht, weil die Zulassung der PID weniger streng begrenzt sei als in Frankreich. Auch im Blick auf den pränataldiagnostischen Bluttest zur Feststellung einer fetalen Triso- mie 21 hält er die Sorgen der Behin- dertenverbände für berechtigt, for- dert aber kein Verbot. Vielmehr setzt er sich dafür ein, dass diese Tests eu- ropaweit wie in Deutschland nur nach ärztlicher Beratung eingesetzt

werden sollen. Liese bezieht zu sol- chen Fragen nicht leichthin Stellung, sondern ringt um seine Position.

Dennoch musste er sich von deut- schen Stammzellforschern vorhalten lassen, seine Haltung zum Embryo- nenschutz sei forschungsfeindlich.

Liese hingegen ist stolz darauf, maß- geblich an der EU-Richtlinie mitge- wirkt zu haben. Die Festlegung, dass Vorläuferzellen, die aus menschli- chen embryonalen Stammzellen ge- wonnen werden, nicht patentiert werden dürfen, hatte auch vor dem Europäischen Gerichtshof Bestand.

Versteht sich Liese, seit 1996 Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, als Politiker, der sich an katholischen Grundsatz- positionen ausrichtet? „Ich versu- che, auf der Basis eines christlichen

Menschenbilds Politik zu betreiben.

Ich will aber nicht nur Christen von meinen Argumenten überzeugen“, lautet seine Antwort.

Das Gefühl, nichts erreichen zu können, hat er nicht. Im Gegenteil.

„Im Europäischen Parlament kann man als einzelner Abgeordneter mehr bewegen als im Bundestag.“

Anders als in Berlin gibt es viele Allianzen über die Fraktionsgren- zen hinweg. „Wenn man gute Argu- mente hat, kann man viel beeinflus- sen.“ Lieses Erfolgsbeispiele be- treffen vieldiskutierte Beschlüsse

wie die gegen die Zigarettenlobby durchgesetzte Tabak-Richtlinie, die Verordnung über klinische Prüfun- gen und die Berufsanerkennungs- richtlinie, bei der Liese verhindern konnte, dass für die Ausbildung von Krankenschwestern zwölf statt zehn Jahre Schulbildung vorgeschrieben wurden. Es geht aber auch um Kleingedrucktes, das für den Alltag gleichwohl wichtig ist: So hat das EP 2013 nachträglich Ausnahmere- gelungen für MRT-Geräte in der Richtlinie zu elektromagnetischen Feldern beschlossen, um den Ein- satz dieser Untersuchungen nicht zu erschweren.

Liese ist optimistisch, dass in der neuen Wahlperiode die Regelungs- werke über Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika, wie vom Par- lament gefordert, beim Ministerrat durchgesetzt werden können. Er will sich dafür einsetzen, dass der Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen und die Krebsforschung Priorität erhalten.

„20 Prozent der Tumorpatienten lei- den an seltenen Krebsarten. Hier brauchen wir die europäische Zu- sammenarbeit, um überhaupt eine sinnvolle Forschung zu initiieren.“

Liese ist aber nicht so vermessen, heute schon die Richtung vorgeben zu wollen. Da sei mit den Experten noch viel Arbeit zu leisten. Eines sei aber klar: „Allgemeine Appelle und Aktionsaufrufe reichen nicht aus. Wir müssen den Kollegen hel- fen und damit den Patienten.“

Heinz Stüwe

Ethische Mindeststandards in Europa sind immer noch besser als überhaupt keine Regeln.

„Der Ärztemangel im Europäischen Parlament (EP) ist noch größer als bei mir zu Hause im Sau- erland“, sagt Dr. med. Peter Liese (48). Jahrelang war er der einzige deutsche Arzt im EP, derzeit hat er mit Dr. med. Thomas Ulmer (CDU) zumin- dest einen Berufskollegen. Achteinhalb Jahre lang hatte der CDU-Politiker aus Meschede, der schon 1994 mit 29 Jahren ins Europäische Par- lament gewählt wurde, parallel zur Politik in einer Gemeinschaftspraxis für Innere Medizin und All- gemeinmedizin gearbeitet. „Aber auf Dauer kann man nicht 80 oder 90 Stunden in der Woche ar- beiten“, sagt Liese, der das auch seiner Frau und den beiden Kindern nicht zumuten wollte. Er ver-

misst die Medizin, bekräftigt aber zugleich: „Arzt bin ich immer noch.“ Als Sprecher der größten Fraktion des EP, der Europäischen Volkspartei (EVP), im Ausschuss für Umwelt, öffentliche Ge- sundheit und Lebensmittelsicherheit, kann er ärztliche Erfahrung und ärztliches Denken ein- bringen. Nicht nur in medizinethischen Debatten, in denen sich Liese, Vorsitzender der Arbeits- gruppe Bioethik seiner Fraktion, besonders profi- liert hat. Bei der Europawahl am 25. Mai kandi- diert er erneut im Wahlkreis Südwestfalen. Liese, Mitglied des CDU-Bundesvorstands, steht auf dem aussichtsreichen Platz vier der nordrhein- westfälischen Landesliste.

DER ARZT ALS POLITIKER

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