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Archiv "Redaktionsgespräch mit Dr. med. Peter Liese, CDU-Abgeordneter im Europäischen Parlament: „Die EU-Kommission schießt gerne mal übers Ziel hinaus“" (12.09.2008)

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er wachsende Einfluss der Europäischen Union (EU) auf einzelstaatliche Entscheidungen in der Gesundheitspolitik sei unver- kennbar, meint Peter Liese. Seit nunmehr 14 Jahren ist der Arzt Mitglied des Europäischen Parla- ments (EP). Mit gerade einmal 29 Jahren übernahm Liese den Abge- ordnetensitz des CDU-Politikers Friedrich Merz, der es 1994 vor- zog, in den Deutschen Bundestag zu wechseln.

Zwar würden auch in Zukunft die entscheidenden gesund- heitspolitischen Weichen- stellungen auf nationa- ler Ebene vorgenom- men, ist Liese über- zeugt. „Derzeit pas- siert auf diesem Ge- biet aber in Brüssel so viel wie noch nie“, sagt der 43-Jährige.

Die Europäische Kommission, die als

einzige EU-Institution Gesetzesvor- schläge vorlegen dürfe, schieße da- bei allerdings schon mal über das Ziel hinaus. Aktuelles Beispiel: der von der Brüsseler Behörde Anfang Juli vorgelegte Richtlinienentwurf, der die Freizügigkeit der Patienten innerhalb der EU regeln soll.

Zwar wünscht sich Liese wie die Mehrheit der Europaabgeordneten, dass endlich Rechtssicherheit bei der grenzüberschreitenden medizini- schen Versorgung herrscht. „Es muss aufhören, dass EU-Bürger vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in mühsamen Einzelfallent- scheidungen ihr Recht auf Kostenerstattung nach einer Auslands- behandlung einklagen müssen.“ Mit einer gesetzlichen Regelung der geltenden EuGH- Rechtsprechung zur Pa- tientenmobilität ist Liese daher auch einverstanden.

Dass sich die EU- Kommission aber zugleich mehr Möglich-

keiten einräumen will, den Ländern in der Gesundheitspolitik reinzure- den, geht dem CDU-Politiker zu weit. Dies gelte beispielsweise für die Forderung der Behörde, Qua- litäts- und Sicherheitsstandards in der medizinischen Versorgung zu definieren. „Mit dem Recht auf Freizügigkeit der Versicherten hat das nichts zu tun“, moniert Liese.

Ähnlich kritisch sieht er den im Richtlinienentwurf verankerten Grundsatz auf Gleichbehandlung.

„Wie weit soll das gehen?“, fragt Liese. „Sollen Versicherte in der EU das Recht erhalten, auf Gleichbe- handlung zu klagen?“ Ein solcher Anspruch ließe sich seiner Ansicht nach gerichtlich nicht durchsetzen.

Mit einer Annahme des Gesetz- entwurfs durch das EP und die EU- Regierungen rechnet Liese frühes- tens in einem Jahr. „Bis zu den Eu- ropawahlen im Sommer nächsten Jahres ist das jedenfalls nicht zu schaffen“, erklärt der CDU-Politiker.

Grund hierfür sei auch, dass es innerhalb des EP bislang keine klar erkennbaren parteipolitischen Posi- tionen zum Vorschlag der Kommis- sion gebe. „In jeder Fraktion gibt es Befürworter und Kritiker“, so Liese.

DAS GESPRÄCH

mit Dr. med. Peter Liese, CDU-Abgeordneter im Europäischen Parlament

„Die EU-Kommission schießt gerne mal übers Ziel hinaus“

Der Politiker umriss im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt die zunehmende Bedeutung der Gesundheitspolitik auf europäischer Ebene.

Typisch für das Europä- ische Parlament ist die Meinungsvielfalt auch in den Fraktionen.

A1876 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 3712. September 2008

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Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 3712. September 2008 A1877

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Diese Meinungsvielfalt sei zu- gleich typisch für das Europäische Parlament. „Man kann nie genau vorhersagen, welchen Verlauf eine Diskussion nehmen wird“, weiß der EU-Politiker. Gerade das aber ma- che für ihn den Reiz seiner Arbeit aus, bekennt Liese.

Dass der im südwestfälischen Meschede beheimatete Familien- vater im kommenden Jahr bei den Europawahlen erneut antreten will, zeigt auch, dass er den Spaß an dem bisweilen äußerst aufreibenden Job noch nicht verloren hat.

Liese, der am Humangenetischen Institut der Universität Bonn pro- moviert hat, macht zudem deutlich, dass er sich bei einem erneuten Ein- zug ins Parlament auch weiterhin medizinethischen Fragen widmen will. Die Verschiebung des Stich- tags für den Import von Stammzell- linien hält er zum Beispiel für einen großen Fehler.

„Mit dem strengen Embryonen- schutzgesetz war Deutschland für einige EU-Länder ein Vorbild“, be- tont Liese. Italien beispielsweise ha- be das deutsche Gesetz weitgehend übernommen. Auch die polnische Regierung orientiere sich bei der Vorbereitung ihres Fortpflanzungs-

medizingesetzes am deutschen Mo- dell. Denn der deutsche Weg ermög- liche es Reproduktionsmedizinern, trotz relativ restriktiver Vorschrif- ten hervorragende Arbeit zu leisten.

„Durch die Verschiebung des Stich- tags ist die deutsche Position leider angreifbar geworden“, bedauert Liese.

Eine EU-weite Harmonisierung des gesamten Bereichs der Fort- pflanzungsmedizin hält er indessen auch auf lange Sicht für undenkbar.

Dass allerdings auch mit deut- schen Geldern europäische Projekte zur embryonalen Stammzellfor-

schung gefördert werden können, ärgert ihn. „Die europäische For- schungsförderung sollte sich auf Vorhaben konzentrieren, die in allen EU-Ländern erlaubt sind.“

Sorge bereitet Liese auch die anstehende Entscheidung des Eu- ropäischen Patentamts in München über einen Antrag zur Patentierung embryonaler Stammzellen. „Ein solches Patent würde gegen die EU-Richtlinie zur Patentierung bio- technologischer Erfindungen ver- stoßen“, mahnt Liese. Dies wider-

spräche zugleich dem EU-weiten Verbot, Teile des menschlichen Körpers zu kommerzialisieren.

Wenig glücklich ist er auch mit der von den Arbeits- und Sozialministern der EU-Länder im Juni ausgehandel- ten Neudefinition der Bereitschafts- dienste bei der Revision der Arbeits- zeitrichtlinie. „Hier brauchen wir dringend eine Korrektur“, so der Ab- geordnete. Denn sonst sei es künftig mit dem EU-Recht vereinbar, dass Ärzte sechs Tage am Stück im Kran- kenhaus anwesend sein müssen.

Liese hofft, dass es dem Europa- parlament in zweiter Lesung gelin- gen wird, den Ministerrat davon zu überzeugen, die sogenannten inak- tiven Phasen des Bereitschaftsdiens- tes nicht als Ruhezeit zu werten.

Seine langjährige Erfahrung mit den europapolitischen Spielregeln hat ihn aber gelehrt, dass Maximal- forderungen nur schwer durchzu- setzen sind. Daher räumt er der von einigen Abgeordneten sowie vom Marburger Bund aufgestellten For- derung, die EuGH-Rechtsprechung eins zu eins in die Richtlinie zu übernehmen, keine Chance ein. „Ei- ne Einigung mit dem Rat darüber, Bereitschaftsdienste voll auf die Arbeitszeit anzurechnen, ist nicht möglich“, sagt Liese. I Petra Spielberg

DAS EUROPAPARLAMENT

Das Europäische Parlament (EP) ist das einzige direkt gewählte Organ der Europäischen Union (EU).

Die Wahlen finden alle fünf Jahre in den Mitgliedsländern der EU (derzeit 27) statt. Die nächsten Wahlen sind im Juni 2009. Sitz des EP ist Straßburg. Weitere Dienstorte sind Brüssel und Luxemburg.

Das EP hat aktuell 785 Mitglieder. Die von ihnen vertretenen rund 160 Parteien sind in sieben Frak- tionen zusammengeschlossen. Stärkste Fraktion ist die christdemokratisch-konservative EVP/ED, ge- folgt vom Zusammenschluss der Sozialdemokraten Europas, den Liberalen und den Grünen.

Das Parlament berät und verabschiedet gleichberechtigt mit dem Ministerrat Rechtsvorschriften, die Auswirkungen auf den Lebensalltag der Bürger haben. Dies gilt unter anderem für die Bereiche Umwelt- und Verbraucherschutz, Gesundheit, Gleichberechtigung, Verkehr sowie für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern, Kapital, Waren und Dienstleistungen. Das Parlament ist ferner gemeinsam mit dem Rat für den Jahreshaushalt der Europäischen Union zuständig.

Einmal im Monat findet eine einwöchige Plenarsitzung in Straßburg statt. Während der übrigen Wochen beraten sich die Abgeordneten in ihren Ausschüssen sowie in Fraktions- und Arbeitsgrup- pensitzungen in Brüssel. Das EP tagt an insgesamt 42 Sitzungswochen im Jahr. ps

Die europäische Forschungsförderung sollte sich auf Vor- haben konzentrieren, die in allen EU-Ländern erlaubt sind.

Fotos:Eberhard Hahne

Politiker und Arzt:

Dr. med. Peter Liese bei einem Besuch des Deutschen Ärzte- blattes in Köln

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