A 906 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 19|
14. Mai 2010INTERNISTEN
Zentrale Rolle in der Versorgung
Die meisten Volkskrankheiten sind internistische Erkrankungen.
Aus Sicht des Berufsverbandes Deutscher Internisten hat die Innere Medizin deshalb eine Schlüsselfunktion im Gesundheitssystem der Zukunft.
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lle reden vom demografi- schen Wandel, und die Pro- gnosen sind eindeutig: Die Zahl Multimorbider, Pflegebedürftiger und Demenzkranker wird in den kommenden Jahren deutlich stei- gen. Trotzdem ist das Gesundheits- wesen auf die anstehenden Verän- derungen noch nicht angemessen vorbereitet. Das beklagt der Berufs- verband Deutscher Internisten (BDI). Eine grundsätzliche Diskus- sion über die Strukturen in der Ver- sorgung sei notwendig, mahnte BDI-Chef Dr. med. Wolfgang Wesiack bei einem Pressegespräch in Wiesbaden.Beispiel Krankenhaus: Zwar nimmt die Anzahl älterer und chro- nisch kranker Patienten zu, doch das System der Diagnosis Related Groups (DRG) ist auf kurze Klinik- aufenthalte ausgerichtet. „Ältere Patienten können aber nicht einfach in Kurzlieger verwandelt werden“, kritisierte Prof. Dr. med. Malte Ma- thias Ludwig, zweiter Vizepräsi- dent des BDI. Auch er forderte eine politische Debatte über die Frage, wie künftig eine gute Basisversor- gung, die spezialisierte Versorgung und die Krankenhausbehandlung aussehen sollen.
Weiterbildung soll besser strukturiert werden
Besorgt zeigt sich der BDI, was den Nachwuchsmangel angeht – nicht zuletzt angesichts des wachsenden Bedarfs an Fachkräften in der Patien- tenversorgung. Dieser betreffe aber nicht nur die Ärzte, auch qualifizierte Pflegekräfte und Physiotherapeuten würden dringend gebraucht, um die steigende Zahl alter Menschen gut zu betreuen, erläuterte BDI-Vizepräsi- dent Dr. med. Wolf von Römer.
Ein ausgeprägter Nachwuchs- mangel ist aus Sicht des BDI bei
den Internisten bisher nicht zu ver- zeichnen. Die Zahl der Facharzt- anerkennungen in der Inneren Me- dizin steige weiterhin, das Fach sei beliebt und attraktiv. „Das stimmt uns zuversichtlich“, sagte Wesiack. Der BDI will sich aber trotzdem nicht zurücklehnen, son- dern sich dafür starkmachen, dass das Fach noch attraktiver wird.
Der Internistenverband setzt sich für eine qualitativ hochwertige, gut strukturierte Weiterbildung ein. Die Weiterbildung müsse au- ßerdem zunehmend auch im am- bulanten Bereich stattfinden.
Im künftigen Gesundheitswesen werden die Internisten eine zentrale Rolle spielen. Das steht für den
BDI fest. „Ein Großteil der Volks- krankheiten sind internistische Er- krankungen“, sagte Wesiack. Die primärärztliche Versorgung könn- ten nicht allein Allgemeinmediziner leisten – auch wegen rückläufiger Zahlen in der allgemeinmedizini- schen Weiterbildung. „Der Bedarf kann nur durch die wachsende An- zahl an Internisten kompensiert werden“, so der BDI-Chef. Darüber hinaus plädiert er dafür, den „Fach- arzt für Innere Medizin und Geria- trie“ einzuführen. Dieser solle maß- geblich an der Versorgung beteiligt sein. Zugleich stellte Wesiack klar:
„Wir brauchen den internistischen Generalisten.“
Beim Deutschen Ärztetag in Dresden wird endgültig darüber entschieden, ob der bisherige „Fach- arzt für Innere und Allgemeinmedi- zin“ in der (Muster-)Weiterbildungs- ordnung wieder gesplittet wird.
Schon vor drei Jahren hatte der Ärztetag zusätzlich den „Facharzt für Innere Medizin“ ohne Schwer- punkt erneut eingeführt. Auch die Allgemeinmedizin könnte jetzt wieder ein eigenständiges Gebiet werden.
In der Gesundheitspolitik der vergangenen Jahre sieht der BDI einige Fehlentwicklungen. Danach zählen für die Internisten die Haus- arztverträge. BDI-Chef Wesiack be- zweifelt, dass sich durch solche Vereinbarungen die Patientenver- sorgung verbessert. Den Weg des
§ 73 b SGB V hält er für grundsätz- lich falsch: „Selektivvertäge machen in der Grundversorgung am wenigs- ten Sinn.“ Auch bei der gesetzlichen
Regelung zu ambulanten Leistungen im Krankenhaus (§ 116 b SGB V) gibt es nach Ansicht des BDI drin- genden Änderungsbedarf. Der Ver- band plädiert dafür, die Möglichkeit zur ambulanten Behandlung auf wirklich seltene und spezielle Er- krankungen zu beschränken. Ein entscheidendes Kriterium müsse es außerdem sein, ob die ambulante Behandlung durch ein Krankenhaus in einer Region oder einer Stadt für die Sicherstellung der medizini- schen Versorgung tatsächlich not- wendig sei. „Es geht den Kranken- häusern vielfach nicht um Bedarf, sondern um neue Märkte“, monier- te von Römer. Gerade bei onkolo- gischen Erkrankungen gehen dem BDI die heutigen Möglichkeiten zu weit. Der Verband spricht sich für einen fachärztlichen Überwei- sungsvorbehalt aus. ■ Dr. med. Birgit Hibbeler