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Archiv "Zur Entscheidung aufgerufen — die Mehrheit hat entschieden" (08.06.1978)

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Ein Interregnum von nur

fünfzig Stunden

Bild unten: Die Wahl des neuen Präsi- denten und der neuen Vizepräsidenten der Bundesärztekammer und des Deut- schen Ärztetages leitete der Dienstälte- ste unter den anwesenden Kammerprä- sidenten, Prof. Dr. Walter Kreienberg (Rheinland-Pfalz) - Der älteste Dele- gierte dieses Ärztetages, Prof. Dr. Her- mann Domrich, verpflichtete die Neuge- wählten zu treuer Amtsführung - Bild rechts: Präsident Dr. Karsten Vilmar und die Vizepräsidenten Dr. Wilhelm Baldus (Mitte), Dr. Helmuth Klotz (rechts) am Vorstandstisch

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81. DEUTSCHER ÄRZTETAG

„Mehrheiten entscheiden in der Demokratie. Die Mehrheit hat ent- schieden. Ich trete damit von mei- nem Amt als Präsident der Bun- desärztekammer und als Vorsit- zender ihrer Weiterbildungskonfe- renz zurück." Mit diesen Worten zog Prof. Dr. Hans J. Sewering am 4. Mai 1978 in Mannheim die Konsequenzen, wie er dies vorher mehrfach angekündigt hatte:

nämlich freiwillig zurückzutreten, sobald er keine Mehrheitsbasis mehr im Deutschen Ärztetag hat, ohne sich auf die Satzungsbestim- mung zu stützen, die eine Abwahl nur mit 75 Prozent aller Delegier- tenstimmen zugelassen hätte.

Eine ausführliche,

zum Teil leidenschaftliche Diskussion ging

der Abstimmung voraus Mehrere Fernsehkameras, Dutzen- de Fotoapparate zielten in diesem Augenblick noch einmal auf Pro- fessor Sewering, auf den sich na- hezu zwei Jahre lang heftige öf- fentliche Angriffe der Gegner der Ärzteschaft, in den letzten Mona- ten aber auch seiner Gegner aus der Ärzteschaft, konzentriert hat- ten. Eine ausführliche, zum Teil leidenschaftliche Diskussion war der Abstimmung über den bayeri- schen Vertrauensantrag (130 zu 115 gegen Sewering) und der Rücktrittserklärung vorausgegan- gen.

Als Dringlichkeitsanträge vor Ein- tritt in die Tagesordnung nicht vor- lagen, hatte Prof. Dr. Sewering den Vorsitz an den Vizepräsiden-

ten der Bundesärztekammer, Dr.

Karsten Vilmar, übergeben. Die Verhandlungen zu Punkt 1 der Ta- gesordnung begannen mit einer Wortmeldung zur Geschäftsord- nung. Prof. Dr. Kanzow (Nord- rhein) beantragte Nichtbefassung mit dem bayerischen Antrag zu ei- ner Vertrauenserklärung mit vor- angehender Aussprache. Seine Begründung: Seit einem Jahr, seit der Ärztetag sich bereits einmal mit dem Thema befaßt hatte, sind keine neuen irgendwie gravieren- den Gesichtspunkte bekanntge- worden; im Gegenteil: alles, was gegen Prof. Sewering vorgebracht worden ist, brach mehr und mehr zusammen. Er forderte die Dele- gierten auf, sich nicht Jahr für Jahr eine Diskussion und eine Vertrau- ensabstimmung gegen die Sat- zungsbestimmungen aufzwingen zu lassen.

Dr. Klaus Dehler (Bayern) sprach sich gegen den Kanzowschen An- trag aus; dieser entspreche zwar dem Duktus der Satzung, aber: zu viel sei in diesem Jahr geschrieben und gesagt worden, was der Rich- tigstellung und der Antwort be- dürfe.

Mitten in diese kleine Geschäfts- ordnungsdebatte hinein kamen die ersten Anträge aus dem Ple- num: Sewering solle sein Amt zur Verfügung stellen; darüber solle das Plenum geheim abstimmen, und: keine Aussprache, sondern gleich abstimmen.

Sewering dankte Kanzow, be- tonte aber: Nachdem eine solche 'letze, wie sie noch nie gegen ei-

nen Arzt gerichtet war, gegen ihn gelaufen sei, habe er auch An- spruch auf öffentliche Verhand- lung und darauf, daß sich die Dele- gierten klar zu der Frage äußern, ob sie ihm ihr Vertrauen schenken oder nicht.

Mit sehr großer Mehrheit lehnte das Plenum die „Nichtbefassung"

ab.

Dr. Britz (Nordrhein), gab weit zu- rückgreifende persönliche Erklä- rungen ab, um zu begründen, wes- halb — wenn man sich schon damit befaßt — dann doch unmittel- bar abgestimmt werden sollte;

schließlich der Kern: Die Delegier- ten hätten alles gelesen, in der Presse und in den diversen Rund- schreiben.

Prof. Dr. Kreienberg (Rheinland- Pfalz) hielt dem entgegen, daß das Ple um bereits abgelehnt hat, sich nic, lt damit zu befassen. Da in der Öffentlichkeit „weit mehr erörtert worden ist, als überhaupt vor- liegt", müsse dem Präsidenten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden: „Diskutieren wir wie immer — offen, klar und sach- verständig!"

Auch Dr. Ital (Baden-Württem- berg) befürwortete, daß dieser Ärztetag Sewering Gelegenheit gebe, zu seiner Person und zur Sache zu sprechen. Sewering noch einmal: ,Wenn die eine Seite jede Chance hatte, sich in den Me- dien, im Fernsehen zu äußern, dann müsse er den Ärztetag dring- lich bitten, auch hier darüber zu sprechen.'

Eine Hürde: über den Antrag, ge- heim abzustimmen, solle geheim abgestimmt werden . . . — das lehnte eine sichere Mehrheit ab, so daß offen, zuerst über den An- trag „Eine Aussprache findet nicht statt", abgestimmt wurde: mit gro- ßer Mehrheit abgelehnt. Aber noch konnte die Debatte nicht begin- nen; in einer neuen Abstimmung entschied die Mehrheit: Die Ab- stimmung zur Vertrauensfrage er- folgt geheim.

Zur Entscheidung aufgerufen die Mehrheit hat entschieden

Bericht zu Tagesordnungspunkt I:

„Vertrauenserklärung für den Präsidenten der Bundesärztekammer"

1346 Heft 23 vom 8. Juni 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

Dr. Dehler: „Sewering hat keinerlei Grundsätze oder Pflichten verletzt"

Jetzt konnte Dr. Klaus Dehler (Bay- ern) dem Ärztetag in großer Sach- lichkeit und mit deutlichem Enga- gement die Abläufe schildern, nämlich die Eskalation von den bis heute von Instanz zu Instanz zu- rückgewiesenen Unterstellungen des bayerischen Landesverbandes der Ortskrankenkassen bis hin zu den jüngsten Voten aus einigen Landesärztekammern, Sewering möge als Präsident der Bundes- ärztekammer und des Deutschen Ärztetages zurücktreten.

Dehler, der Sewering aus bald dreißigjähriger Betätigung der Berufspolitik kennt, wobei durch- aus Meinungsunterschiede in mancher Sachfrage auftraten, un- terstrich, daß er die Aufgabe die- ser Darstellung vor dem 81. Deut- schen Ärztetag nicht etwa als „Ge- neralapologet" oder gar, auf den Spitznamen Sewerings anspie- lend, als „Bobby-Fan" übernom- men habe, sondern als Kenner al- ler Abläufe und Zusammenhänge.

Der Landesverband der Ortskran- kenkassen in Bayern, der die Kam- pagne gegen Sewering mit dem Ziel der politischen Ausschaltung seiner Person eingeleitet hatte, vertrete, im Gegensatz zu dem Stil in anderen Bundesländern, als Bannerträger einer bestimmten Herrschaftsordnung in der Kran- kenversicherung seine Ziele mit einer Härte, die schon fast einem

„Kreuzzug" gleichkommt. Seit 1947 gab es seitens der Kassen niemals eine Beanstandung an der Praxis Sewerings, um so unglaub- hafter muß das wirken, was der bayerische AOK-Verband erst kürzlich in einem 64-Seiten- Schriftsatz als nachgeschobene

„Klagebegründung" zusammen- geschrieben hat und was — obwohl gerade eben erst vom Sozialge- richt Punkt für Punkt zurückge- wiesen — breit und bundesweit in die ärztliche Öffentlichkeit ge- streut wurde. Dehler: Es ist kein Zufall, daß SPD und DGB Bayerns

das Vorgehen des Ld0 benutzt ha- ben, wiederholt Sewerings Rück- tritt zu fordern.

> Daß Prof. Dr. Sewering lästige Prozesse aufgezwungen worden sind, habe auch eine positive Sei- te: So sei eine gerichtliche Klä- rung aller Anfeindungen möglich.

Und diese Klärung erfolgt Zug um Zug fürSewering: Über eine etwai- ge Honorarkürzung gibt es keinen rechtskräftigen Bescheid; der AOK-Antrag auf Zulassungsentzie- hung wurde in drei Instanzen ab- gewiesen; die absurden Vorwürfe der AOK, von denen Dr. Dehler einige vorlas, wurden vom Sozial- gericht verworfen.

> Auch die fünf Dachauer Frauenärzte wurden zu Unrecht vom Ld0 Bayern attackiert. Sie ha- ben gegen sich Klage vor dem Be- rufsgericht erhoben, das ein klares Urteil sprach: Eine Berufspflicht- verletzung liegt nicht vor — unter keinem Gesichtspunkt! .gas Kas- senentzugsverfahren des Ld0 ge- gen die Frauenärzte scheiterte ebenfalls. Gewiß ist keines der Ur- teile rechtskräftig, doch die Ur- teilsbegründungen sind so ein- deutig, daß auch von höheren In- stanzen kein anderer Spruch er- wartet wird.

Dehler: Und was den „politischen Stil" anbelange, so werde dieses Argument immer gegen einen Po- litiker vorgebracht, wenn nichts Konkretes vorliege ...

Vorwürfe in einem Rundschreiben der KV Hamburg konterte Dr. Deh- ler mit den entsprechenden Passa- gen des Sozialgerichtsurteils und unterstrich, daß von der Dachauer Praxis- und Apparategemein- schaft, die nach fünf-, sechsjähri- gem Bestehen plötzlich so heftig kritisiert wird, keinerlei Grundsät- ze des Kassenarztrechts, keine kassenärztlichen Pflichten, über- haupt keine Berufspflichten ver- letzt worden sind.

Im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT vom 25. Mai 1972 (!) war die Pra- xis- und Apparategemeinschaft, die Sewering jetzt zum Vorwurf gemacht wird, in allen Einzelhei-

ten dargestellt, als er noch kein Präsident der Bundesärztekam- mer war. Dehler: Wieso könne man jetzt, nach jahrelangen harten Auseinandersetzungen Sewerings mit den politischen Gegnern der Ärzteschaft, diese Praxisführung nur negativ beurteilen? Und: Wür- de sich bei einer Abwahl von Prof.

Dr. Sewering an der Kampffüh- rung und an den Zielsetzungen der Gegner der Ärzteschaft auch nur ein Jota ändern?

Dr. Schlosser: „Der Grundsatz- kampf

ist noch lange nicht beendet"

Dr. Schlosser (Bayern) kam, sei- nen Debattenbeitrag einleitend, auf den vorigen Ärztetag zurück, an dem mitgeteilt wurde, Prof. Dr.

Sewering wäre in ein „Strafverfah- ren" verwickelt. Was wirklich war, stellte sich erst später heraus: Ein Stuttgarter Bürgbr war mit ein paar Zeitungsausschnitten zum Staatsanwalt gerannt. Das „Ver- fahren" ist längst eingestellt.

Dies alles sei aber, leider, kein Bauerntheater, kein Komödiensta- del. Der Ld0 Bayerns verfolge ein eindeutiges Ziel. Weder die ande- ren Kassen machten dabei noch mit noch gar die Ersatzkassen. Es sollte auch zu denken geben, daß die Ersatzkassen keinerlei Bean- standungen der wirtschaftlichen Praxisführung vorbrachten und vorbringen.

Mit den gegen Prof. Dr. Sewering gerichteten öffentlichen Attacken sei eine große Auseinanderset- zung eingeleitet worden, die ein Linkskartell aus AOK, SPD und DGB gegen unser freiheitliches Gesundheitssystem überhaupt an- gezettelt habe. Dem Argument, daß mindestens ein CSU-Mitglied sich öffentlich, zuletzt im Fernse- hen, gegen Sewering ausgespro- chen hat, hielt Schlosser entge- gen, daß vereinzelte CSU-Mitglie- der unter den AOK- und DGB- Funktionären Bayerns eher Leute

„auf Horchposten" seien oder aus opportunistischen Gründen ihre

(4)

Vertrauensfrage, Debatte und Abstimmung

Mitgliedschaft eingenommen hät- ten. Doch davon abgesehen: es handele sich jedenfalls um einen Grundsatzkampf, der noch lange nicht beendet ist.

Genug der Worte? Schluß der Rednerliste wurde beantragt, Schluß der Debatte. Abgelehnt.

Dr. Hasenclever:

„Sewering hat seine Praxis zu sehr ausgedehnt"

Leidenschaftlich wandte sich Dr.

Alexander Hasenclever (Berlin) gegen die vorgetragene Argumen- tation und monierte, daß die von den Berliner Delegierten einge- nommene und von ihm auch im ARD-Report am 2. Mai vertretene Gegenposition der ärztlichen Öf- fentlichkeit bisher so wenig be- kanntgegeben worden sei. Wie in

„Report" formulierte Dr. Hasen- clever noch einmal seine Enttäu- schung darüber, daß Prof. Sewe- ring seine Praxis so sehr ausge- dehnt habe und daß er ihn als sein Freund auffordere zurückzutreten, weil Sewering damit eine Entwick-

lung vorweggenommen habe, die die linken Systemveränderer uns aufzwingen wollen.

Hasenclever kritisierte an den Dar- stellungen seiner Vorredner be- sonders die Tendenz, „als ginge es um Schuld oder Unschuld, um Recht oder Unrecht". Und: Es ge- be nicht nur eine Solidarität mit dem gewählten Repräsentanten, sondern auch Solidarität und so- ziales Engagement den Kollegen gegenüber. Schließlich stünden — abgesehen davon, inwieweit eine infame Hetze im Gange sei — nach wie vor Vorwürfe auch im inner- ärztlichen Raum.

Im Zeichen der Kostendämpfung, angesichts der nur geringen pro- zentualen Zuschläge, wie sie die Kassenärztliche Bundesvereini- gung erreicht habe und wie sie die Konzertierte Aktion empfehle und wie sie von den Empfehlungsver- einbarungen schon seit zwei Jah- ren praktiziert würden, sei Sewe-

rings Praxis zu sehr ausgeweitet, bis an die Grenze der geltenden Gesetze. Es sei eben ein Unter- schied, ob irgendein unbekannter Arzt, der genügend Kapital hat, Apparate anzuschaffen und seinen Kollegen zur Verfügung zu stellen, dies tut oder ein Präsident. In die- ser seiner Meinung lasse er sich auch nicht einem „Linkskartell"

zuordnen.

Verteidigung gegen ungerechtfer- tigte Angriffe bejahe er, aber der Rücktritt Prof. Hoepkes (der 89jäh- rige baden-württembergische Eh- renpräsident des 81. Deutschen Ärztetages war unmittelbar nach der „Report"-Sendung vom 2. Mai unter Bezugnahme darauf zurück- getreten) sei ein Signal, das nicht überhört werden dürfe:

> Was sollen wir denn unseren Kollegen und der Öffentlichkeit noch sagen? Hasenclever bekann- te sich dazu, daß es um eine politi- sche Entscheidung gehe, und for- derte Sewering auf, ein Opfer zu bringen und zurückzutreten: „Ich bin sicher, daß damit der Respekt vor Ihnen nicht kleiner wird ...

und daß die deutsche Ärzteschaft ein solches Verhalten erwartet und ebenfalls respektieren wird."

Damit waren die Gegenpositionen klargestellt. Bis zum Schluß der Debatte kamen nur noch wenige Delegierte zu Wort; von ihnen un- terstützte Dr. Helmut Walther (Hessen) Antrag und Bitte um Rücktritt, während Prof. Dr. Wal- demar Hecker (Bayern) und Dr.

Friedrich Kolb (Präsidiumsmit- glied aus Bayern) sich dagegen wandten. Prof. Hecker appellierte an die Delegierten, Professor Se- wering das Vertrauen auszuspre- chen und damit das Amt des Präsi- denten gegen Angriffe von außen zu stärken. Dr. Kolb rügte, daß in der Auseinandersetzung, auch in der schriftlichen, falsche Argu- mente der AOK auch von bestimm- ter ärztlicher Seite übernommen worden seien, „weil sie selbst kei- ne Argumente hat". Es war Prof.

Dr. Häussler (Baden-Württem- berg), der bei diesem Diskussions-

stand Schluß der Debatte bean- tragte und eine Mehrheit fand:

„Dieser Raum ist kein Gerichts- saal. Es gibt keinen Angeklagten in diesem Saal. Es gibt nur eine Vertrauensfrage, und Vertrauen entsteht nicht aus Diskussion."

Prof. Dr. Sewering:

„Berufspolitik darf nicht mit Verleumdung

verwechselt werden"

Prof. Dr. Sewering betonte ab- schließend, daß Kritik durchaus notwendig ist, auch Kollegenkritik

— wenn sie sich auf die Sache be- zieht. Als Repräsentant eines um- strittenen Berufsstandes müsse man schon einige Agitation über sich ergehen lassen, aber doch nicht solche Anfeindungen, die so weit pervertierten, ihn sogar in die Nähe der Euthanasie zu rücken (ein „Gipfel" all der unhaltbaren Beschuldigungen, die kurz vor diesem Ärztetag von „Report",

„Stern", „Vorwärts" und „Spie- gel" noch einmal gezielt vorgetra- gen worden waren).

Wenn man sich seit Jahrzehnten für die Ärzteschaft und das Ge- sundheitswesen eingesetzt hat, so sagte Sewering, dann komme man sich etwas merkwürdig vor, wenn man nun, auf verschiedenen Ebe- nen, Gegenstand einer solchen Auseinandersetzung ist. Was ihn dabei offensichtlich am meisten verletzte, war die Art und Weise des innerärztlichen Streites. Se- wering: „Man kann doch nicht die Argumente der Gegner einfach übernehmen, und was für ‚Argu- mente'!" Berufspolitik dürfe nicht mit Verleumdung verwechselt werden. Und zum Sachlichen:

Wenn die gemeinschaftliche Nut- zung von Röntgengeräten auch von Berufsgesellschaften gefor- dert und empfohlen wird, dann entfalle doch auch jeder Vorwurf eines Fehlverhaltens in seinem Fall, zumal er keineswegs das Kas- senarztrecht „bedroht" habe. Aber leider würden die Argumente aller Kenner der Sachlage einfach igno- riert oder vom Tisch gewischt.

1348 Heft 23 vom 8. Juni 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(5)

ln dieser Situation sei es ihm, so betonte Sewering, nicht möglich, den bequemen Weg zu gehen, ein- fach zurückzutreten, um dem Ärz- tetag die Entscheidung abzuneh- men, die die Bayerische Landes- ärztekammer beantragt hat.

Vertrauenserklärung?

115 "Ja", 130 "Nein"

~ "Ja" oder "Nein", so lautete al- so auch in diesem Jahr die Frage.

Alle anderen Kennzeichnungen und Ausführungen würden die Stimmen ungültig machen. Der dienstälteste Kammerpräsident nach Sewering, Prof. Dr. Walter Kreienberg (Rheinland-Pfalz), überwachte das Abstimmungsver- fahren. Drei Urnen wurden vor der Bühne placiert, an die die Dele- gierten in drei Kolonnen zur Stimmabgabe herantraten. Mit Spannung wurden das Ergebnis der Auszählung und- so oder so- Sewerings Reaktion erwartet. Dr.

Karsten Vilmar gab das Ergebnis bekannt:

~ 245 abgegebene Stimmen wur- den als gültig festgestellt; 123 sind die Mehrheit; 115 Stimmen "Ja",

130 "Nein". Damit war der bayeri-

sche Vertrauensantrag abgelehnt.

Prof. Dr. Sewering zog die Konse- quenzen.

Jetzt ist die Ze.it gekommen, so sagte Vizepräsident Dr. Karsten Vilmar unmittelbar nach dem Rücktritt Professor Sewerings, um ihm für sein Engagement und für seinen Einsatz in der Berufspolitik zu danken. Er bat den Präsidenten der Bayerischen Landesärztekam- mer, der nach wie vor dem Vor- stand der Bundesärztekammer an- gehört, auch weiterhin um seine Mitarbeit. Daß ProfessorSewering sich nicht hinter die Schutzbe- stimmung der Satzung zurückge- zogen, sondern selbst die Konse- quenzen gezogen habe, zeuge für sein Demokratieverständnis. Vil- mar: "Die Personaldebatte ist ab- geschlossen. Für die Bundesärzte- kammer geht es jetzt um die Be- währung als Institution." DÄ

Grußworte an den Deutschen Ärztetag

"Sehr geehrter Herr Dr. Sewe-

ring! Ihnen und allen Teilneh- mern des diesjährigen Deut- schen Ärztetages übermittle ich meine besten Grüße.

Die Schwerpunkte der Tages- ordnung des 81. Deutschen Ärztetages geben einen Über- blick über die Probleme, die in naher Zukunft anstehen und deren Lösung nur in einem ab- gestimmten Handeln aller Be- teiligten gefunden werden kann. Die erst kürzlich zustande gekommenen Empfehlungen der Konzertierten Aktion ma- chen dies·deutlich. Nur ein Be- mühen aller Beteiligten begrün- det die Bereitschaft zur Spar- samkeit, ohne daß Mißtrauen bei einzelnen oder einer Grup- pe aufkommt, um allein oder hauptsächlich das Opfer für die Kosteneindämmung bringenzu müssen. Nur ein abgestimmtes Handeln kann die Erhaltung der erreichten Stabilisierung der Ausgabenentwicklung im Ge- sundheitswesen sichern.

Ich bin sicher, daß die deutsche Ärzteschaft wie bisher ihren po- sitiven Beitrag zur Bewahrung unseres freiheitlichen und so- zialen Systems der gesundheit- lichen Sicherung leistet. Die Aufgabe der Politik wird es sein, hierbei zu helfen.

Heiner Geissler"

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"Im Namen der FDP-Bundes-

tagsfraktion sende ich Ihnen zum diesjährigen Ärztetag die besten Grüße der Freien Demo- kraten. Ich möchte die repräsen- tative Jahresversammlung der deutschen Ärzteschaft zum An- laß nehmen, darauf hinzuwei- sen, daß Ihre und unsere ge- sundheitspolitischen Vorstel- lungen in den Grundzügen weit- gehend übereinstimmen. Das

,Blaue Papier' der deutschen

Ärzteschaft von 197 4 hat das gesundheitspolitische Pro- gramm der FDP von 1976 in we- sentlichen Punkten beeinflußt.

Ich kann hier die Forderung nach der Verwirklichung eines

modernen kooperativen Beleg- arztsystems als wichtige Ge- meinsamkeit in der gesund- heitspolitischen Programmatik hervorheben. Wir zählen auf Ih- re tatkräftige Unterstützung bei unseren Versuchen, dem Be- legarztgedanken in der Gesetz- gebung des Bundes und der Länder sowie in praktischen Modellen gegen nachhaltige Widerstände zum Durchbruch zu verhelfen. Ich wünsche Ihnen für den Verlauf IhrerTagung und für die weitere Arbeit des Deut- schen Ärztetages viel Erfolg. FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag

gez. Kurt Spitzmüller MdB"

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"Dem 81. Deutschen Ärztetag übermittele ich persönlich und im Namen der Christlich-Sozia- len Union meine herzlichen Grüße und Wünsche für einen erfolgreichen Verlauf Ihrer Be- ratungen.

Wir haben Verständnis für Ihre Sorgen über manche gesund- heits- und sozialpolitische Ent- wicklung der letzten Jahre.

Die Erhaltung einer leistungsfä- higen Krankenversicherung, welche in ihrer Struktur den Grundsätzen unserer freiheitli- chen Demokratie entspricht, wird ·immer ein politisches Ziel der Christlich-Sozialen Union sein.

Unser gemeinsames Bemühen muß es sein, das rechte Maß zu finden, um das medizinisch Notwendige mit dem finanziell Möglichen in Einklang zu bringen.

Ein besonderes Anliegen unse- rer Gesundheitspolitik ist die Weckung und Stärkung der Selbstverantwortung unserer Bürger für ihr gesundheitliches Schicksal. Auch hier rechnen wir auf die wirksame Unterstüt- zung der deutschen Ärzte und ihrer Berufsvertretung in Ärzte- kammern und Kassenärztlichen Vereinigungen.

Franz-Josef Strauß"

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