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Archiv "Gesundheits- und sozialpolitische Vorstellungen der deutschen Ärzteschaft" (26.06.1980)

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DOKUMENTATION

E. Internationale und zwischenstaatliche Gesundheitspolitik

1. Internationale Gesundheitspolitik

Voraussetzung für Aktivitäten im internationalen Rahmen ist ein ständiger Erfahrungsaustausch in der Gesundheitspolitik und dar- über hinaus im speziellen Bereich die Beobachtung der unterschied- lichen Systeme der ärztlichen Ver- sorgung sowohl ambulant als auch stationär.

Daneben erscheint es notwendig, die internationalen wissenschaftli- chen Kontakte über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus zu erfassen und damit zur Intensivierung dieses speziellen Erfahrungsaustausches im Rah- men der Weiterentwicklung der Medizin beizutragen.

Eine Analyse der Politik der Welt- gesundheitsorganisation, in wel- cher weltweit die Regierungen der einzelnen Staaten ihre Auffassung

vertreten, ist notwendig. Dabei sollte jedoch sichergestellt wer- den, daß Erfahrungen bei beson- deren Modellversuchen oder aber auch mit Vorstellungen, welche in der Zwischenzeit in die Tat umge- setzt worden sind, berücksichtigt werden. Die in der letzten Zeit oft wiederholt festzustellende Tatsa- che, daß wichtige Maßnahmen und Projekte der WHO ohne Betei- ligung der deutschen Ärzteschaft geplant und/oder entschieden wurden, zeigt die zwingende Not- wendigkeit, der Auffassung der deutschen Ärzte bei derartigen Überlegungen stärker als bisher Geltung zu verschaffen. Das zu- ständige Bundesministerium ist daher zu ersuchen, Vertreter der deutschen Ärzte an allen Überle- gungen zu beteiligen.

Diese Anregungen sollen auch in den Gremien des Weltärztebundes erörtert werden.

Von großer Wichtigkeit wird es da- bei sein, herauszustellen, daß der Weltärztebund der einzige welt- weite Zusammenschluß ist, der ohne staatlichen Einfluß die Auf- fassung der Ärzte frei artikuliert.

Dies ist wiederholt durch Verab- schiedung weltweit beachteter De- klarationen bewiesen, z. B.

— Deklarationen von Helsinki und Tokio zu klinischen Versuchen am Menschen

— Deklaration von Sydney mit der Definition des Todeszeitpunktes

— Deklaration von Oslo zum Schwangerschaftsabbruch und

— Deklaration von Tokio über Hin- zuziehung zu Maßnahmen an In- haftierten und Beteiligung von Ärzten an Mißhandlungen.

Jede Hilfe der Industriestaaten zur Verbesserung des Gesundheits- wesens in der Dritten Welt hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die besonderen geographischen, ethnographischen, wirtschaftli- chen und politischen Gegebenhei- ten eines jeden Landes berück- sichtigt werden. Eine Förderung sollte auf Schwerpunkte begrenzt erfolgen.

Im Rahmen der medizinischen Entwicklungshilfe der Bundesre- publik Deutschland sollte wie bis- her die Bildungs- und Organisa- tionshilfe im Vordergrund stehen, bei denen die Frauen, die eine Schlüsselrolle in der Gesundheits- erziehung in diesen Ländern inne- haben, mehr als bisher herangezo- gen werden sollen. Mit der Förde- rung von Modellobjekten könnte ein nicht zu unterschätzender Bei- trag in bezug auf die Weiterent- wicklung der Seuchenbekämp- fung in aller Welt geleistet werden.

Es ist unzweckmäßig, die medizi- nischen Versorgungssysteme der Industrienationdn oder auch nur Teile von diesen auf Entwick- lungsländer zu übertragen. Zu den Aufgaben der Industrienationen gehört es, Mittel für die Gestaltung der medizinischen und ärztlichen Versorgung in den Entwicklungs- ländern bereitzustellen.

Aktionen staatlicher, nationaler und internationaler Organisatio- nen auf dem Gebiet der medizini- schen Entwicklungshilfe sollten mehr als bisher koordiniert wer- den, damit entsprechende Pla- DAS „BLAUE PAPIER"

Gesundheits- und

sozialpolitische Vorstellungen der deutschen Ärzteschaft

Beschlossen vom 83. Deutschen Ärztetag in Berlin

Fortsetzung von Heft 25/1980, Seite 1641

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 26 vom 26. Juni 1980 1689

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Das „Blaue Papier"

nungsvorhaben in Zusammenar- beit und nicht konkurrierend ver- wirklicht werden.

Mittelfristig muß die Entwick- lungshilfe für das Gesundheitswe- sen anderer Länder wie folgt um- strukturiert werden:

— die Ausbildung von Ärzten aus Entwicklungsländern soll grund- sätzlich im Heimatland selbst er- folgen. Die Bundesrepublik hat hierzu personelle und finanzielle Hilfen für die Errichtung und Un- terhaltung entsprechender Ausbil- dungsstätten in dem jeweiligen Entwicklungsland zu leisten.

Staatsangehörige aus Entwick- lungsländern, die in der Bundesre- publik zum Arzt ausgebildet wer- den, sollten möglichst vor ihrem Einsatz in den Heimatländern mit- tels Spezialseminaren mit den Be- sonderheiten der Medizin in dem Heimatland vertraut gemacht wer- den. Gegebenenfalls könnten die- se Seminare auch im Heimatland selbst stattfinden.

Die Bundesrepublik sollte perso- nelle und finanzielle Hilfe leisten, um sicherzustellen, daß die für die Versorgung der Bevölkerung des Heimatlandes notwendigen Kennt- nisse und Erfahrungen erworben werden.

Eine geeignete Form stellt das be- reits angelaufene Reintegrations- programm der Friedrich-Thieding- Stiftung des Hartmannbundes dar, die mit finanzieller Förderung durch den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit die geforderten Spezialseminare für Ärzte und Medizinstudenten aus Entwicklungsländern seit mehr als drei Jahren erfolgreich veranstaltet, und zwar sowohl in der Bundesrepublik Deutschland zur Vorbereitung auf die ärztliche Tätigkeit im Heimatland als auch im Heimatland selbst auf dem Ge- biet der ärztlichen Fortbildung.

— Eine Weiterbildung von Ärzten aus Entwicklungsländern in den in der Weiterbildungsordnung auf-

geführten Gebieten, Teilgebieten und Bereichen sollte grundsätz- lich nicht mehr in der Bundesre- publik erfolgen. Der ausländische Arzt sollte sich vielmehr an den Weiterbildungsstätten des Ent- wicklungslandes nach den dort geltenden Regeln und Erkenntnis- sen spezialisieren und qualifizie- ren. Auch hierfür sollte insbeson- dere finanzielle deutsche Hilfe er- folgen.

— Daneben soll die Möglichkeit ei- ner speziellen Weiter- bzw. Fortbil- dung für ausländische Ärzte be- stehenbleiben. Auf diesem Wege könnten neue wissenschaftliche Forschungsergebnisse und Spe- zialerfahrungen der deutschen Medizin an Hochschullehrer und andere Multiplikatoren vermittelt werden.

Deutschen Ärzten sollte die Mög- lichkeit gegeben werden, durch Forschung, Lehre und praktische Berufstätigkeit in den Entwick- lungsländern selbst an der Lösung medizinischer Aufgaben der drit- ten Welt mitzuwirken.

Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes hat in der Vergan- genheit hervorragende Hilfe bei Krisensituationen in aller Welt ge- leistet.

Nicht nur Erdbeben und Flutkata- strophen, sondern auch die in den letzten Jahren notwendig gewor- dene gesundheitliche Betreuung von Tausenden von Flüchtlingen, die zum Beispiel aus Kambodscha und Vietnam kamen, haben zahl- reiche Organisationen aus den verschiedensten Ländern bewo- gen, Ärzteteams in derartige Not- standsgebiete zu entsenden. Sie konnten sich dabei auch auf deut- sche Ärzte stützen, die bereit wa- ren, zum Beispiel während ihres Urlaubs, humanitäre Hilfe in Süd- ostasien zu leisten.

Bei Flüchtlingsbewegungen gro- ßen Ausmaßes muß die Priorität bei der praktischen Hilfe für die Betroffenen liegen. Alle anderen Überlegungen haben zurückzuste-

hen. Die gesundheitliche Betreu- ung der Betroffenen ist zu gewähr- leisten.

Alle Ärzte sind aufgerufen; sich — sofern möglich — hierfür zur Verfü- gung zu stellen.

Die Vertretung der deutschen In- teressen im Ausland im Hinblick auf gesundheits- und sozialpoliti- sche Fragen sollte durch Koordi- nierung der Auslandstätigkeit der ärztlichen Organisationen verbes- sert werden. Dadurch ist eine grö- ßere Einflußnahme zu erwarten.

2. Gesundheitspolitik in der EG

Mit Inkrafttreten der Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerken- nung der ärztlichen Diplome, für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Nie- derlassungsrechts und des frei- en Dienstleistungsverkehrs ein- schließlich der Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvor- schriften für die Tätigkeit der Ärz- te, sind die bisher bestehenden Schranken innerhalb weiter Teile Europas gefallen. Leider halten sich jedoch nicht alle Mitglieds- staaten an diese internationalen Absprachen.

Als Probleme bleiben weiter beste- hen die Beibehaltung der gegen- seitigen Anerkennung der Diplo- me als Voraussetzung für die Übersiedlung in einen anderen der neun EG-Mitgliedsstaaten.

Anzustreben ist eine möglichst gleichartige Ausbildung zum Arzt in den einzelnen Mitgliedsstaaten und die Koordinierung der Arztbe- zeichnungen in den einzelnen Ländern, wobei insbesondere die Forderung erhoben wird, in allen Ländern eine Weiterbildung zum Allgemeinarzt in den entsprechen- den Vorschriften zu verankern.

1690 Heft 26 vom 26. Juni 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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AT-Umdruck zu TOP IM, 1

BUNDESÄRZTEKAMMER (Arbeitsgemeinschaft der westdeu

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Weiterentwickiun g der gesundheits- und sozialpolitischen

Vorstellun der Deutschen

Ärzten h gen aft

Die Weiterentwicklung der „Gesundheits- und sozialpolitischen Vorstellun- gen der deutschen Ärzteschaft" wurde auf dem 83. Deutschen Ärztetag mit sehr großer Mehrheit verabschiedet. Das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT berich- tete darüber in Heft 22/1980 (das Foto gibt den Titel dieses Heftes wieder).

Die Dokumentation dieses neuen „Blauen Papiers", die in Heft 23 begann, ist mit diesem Heft abgeschlossen DÄ

Das „Blaue Papier"

Besonders notwendig erscheint es, die in den einzelnen Mitglieds- staaten entgegen den EG-Richtli- nien eingeführten Erschwernisse abzubauen, und zwar insbesonde- re die Sprachprüfung in Großbri- tannien und die großen Schwierig- keiten, in Frankreich und Italien eine Assistenzarztstelle überneh- men zu können.

Als dringend erforderlich wird die Beibehaltung der unterschiedli- chen Sozialversicherungssysteme in den einzelnen Mitgliedsstaaten und die Freizügigkeit zur Tätigkeit innerhalb dieser Systeme ange- sehen.

Dies bedeutet jedoch nicht, daß eine Einheitsversicherung ange- strebt wird.

Die Bestrebungen der Gesund- heitsministerkonferenz der Euro- päischen Gemeinschaft sollten unterstützt werden, sofern sie den Grundgedanken der freiheitlichen Berufsausübung weiterverfolgen und darüber hinaus dem Ziele die- nen, die Freizügigkeit in der Be- rufsausübung zu verwirklichen.

Die aufgrund der EG-Richtlinien durchzuführende Abschaffung ei- ner Vorbereitungszeit für die Tä- tigkeit im Rahmen der Sozialversi- cherung sollte erneut diskutiert und dabei überprüft werden, ob eine Verbesserung der Qualität, insbesondere in praktischer Hin- sicht, nicht durch die Wiederein- führung von zumindest gewissen Vorbereitungszeiten auf die kas- senärztliche Tätigkeit dringend er- forderlich ist.

Nachdem Ärzte seit 1976 die Mög- lichkeit zur freien Berufsausübung in den Mitgliedsstaaten der Eu- ropäischen Gemeinschaft haben und für Zahnärzte in Kürze die gleichen Regelungen gelten, er- scheint es notwendig, auch den Angehörigen der medizinischen Assistenzberufe auf der Grundla- ge möglichst gleichartiger Ein- gangsvoraussetzungen die Wahl der Freizügigkeit der Berufsaus- übung zu geben.

3. Gesundheitspolitik und Sozialpolitik in deutsch- sprachigen Ländern

Während durch die EG-Richtlinien die gegenseitige Anerkennung der Diplome auch bei Ländern erfolgt ist, die anderen Sprachgebieten zuzuordnen sind, gibt es bisher keine Bestimmungen, nach denen eine in der Schweiz oder in Öster- reich absolvierte Ausbildung zum Arzt einer deutschen gleichgesetzt wird. Dies gilt auch für die Aner- kennung von Diplomen, welche ei- ne Weiterbildung abschließen.

Es erscheint daher erforderlich, gegebenenfalls durch bilaterale

Verträge sicherzustellen, daß im deutschen Sprachgebiet absol- vierte Aus- und Weiterbildungen ebenso gegenseitig anerkannt werden wie EG-Zeugnisse.

Seit Jahren folgen Wissenschaft- ler aus der Bundesrepublik Einla- dungen zur Teilnahme an wissen- schaftlichen Kongressen in der DDR.

Forscher aus der DDR erhalten je- doch nicht in gleichem Maß Gele- genheit, die Ergebnisse ihrer Ar- beiten in der Bundesrepublik zu vermitteln. Daher muß der Aus- tausch von Wissenschaftlern bei- der deutscher Staaten gefördert werden.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 26 vom 26. Juni 1980 1691

Referenzen

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