..,. Einflußnahme auf Handeln und Verhalten der Bürger durch Bil- dung und Aufklärung sowie durch die Gesetzgebung
..,. Verwaltung (Organisation) der territorial organisierten Rechtsge- meinschaften und partieller So- zialgebilde
..,. öffentliche Investitionen und Subventionen.
ln einer freiheitlichen Gesell- schaftsordnung läßt sich Gesund- heitspolitik nur in verantwortlicher Zusammenarbeit zwischen dem Staat und seinen Bürgern und der sachverständigen Ärzteschaft ver- wirklichen.
Die in der Präambel zur Satzung der Weltgesundheitsorganisation gegebene Definition des Begriffes
"Gesundheit" als "der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefin-
dens" kann in dieser universalen
und totalen Form nicht Grundlage einer Ortsbestimmung der Ge- sundheitspolitik sein. Dieser Ge- sundheitsbegriff ist irreal. Ge-
DEUTSCHES 1tRZTEBLATT
sundheit ist die aus der persona- len Einheit von subjektivem Wohl- befinden und objektiver Belast- barkeit erwachsende körperliche und seelische, individuelle und so- ziale Leistungsfähigkeit der Men- schen.
Es gibt ein weites Feld fließender Übergänge zwischen Gesundheit und Krankheit. Sozialpolitik und Gesundheitspolitik müssen dem gerecht werden.
Gesundheitspolitik und Sozialpoli- tik sind gleichrangige Elemente der allgemeinen Politik. Nur die ei- genständige Handhabung von Ge- sundheitspolitik und Sozialpolitik sichert die sachgerechte Beach- tung ihrer unterschiedlichen Krite- rien.
Die Eigenständigkeit der Gesund- heitspolitik ergibt sich aus ihrer Aufgabe,
..,. die bestmöglichen Vorausset- zungen für Schutz, Förderung, Er- haltung und Wiederherstellung der Gesundheit jedes einzelnen Menschen zu schaffen
Unveräußerliche Rechte der Bürger bei der Inanspruchnahme des Arztes
1. Unverzügliche Inanspruchnahme
2. ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation 3. ohne Beeinträchtigung der sozialen Position
4. bei freier Arztwahl
5. Versorgung nach den Regeln ärztlicher Kunst 6. Aufklärung über Diagnose und Prognose 7. Verschwiegenheit des Arztes gegen Dritte
Rechte und Pflichten des Patienten und des Arztes sollen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen (aus dem "Blauen Papier" von 1980)
2508 (20) Heft 38 vom 17. September 1986 83. Jahrgang Ausgabe A
..,. in Abstimmung mit der Bil- dungs-, der Wirtschafts-, Finanz- und der Rechtspolitik sowie mit der eigenständigen Sozialpolitik eine optimale Berücksichtigung des Gesundheitswesens inner- halb der Einheit der gesamtpoliti- schen Zusammenhänge zu ermög- lichen.
Die Eigenständigkeit der Sozialpo- litik
..,. bildet die Grundlage für soziale Gerechtigkeit und sozialen Aus- gleich
..,. anerkennt den Iichen Pluralismus.
gesellschaft- 0
Schutz des
ungeborenen Lebens
Der Schutz des Lebens ist ober- stes Gebot ärztlichen Handelns.
Dies gilt auch für das ungeborene menschliche Leben. Daraus resul- tiert
..,. die strenge Bindung der extra- korporalen Zeugung mensch- licher Embryonen zum Zwecke der Behandlung von Fertilitätsstörun- gen an berufsrechtlich verankerte ethische Grundsätze, die den Schutz der Embryonen gewährlei- sten;
..,. die ethische, in der Deklaration des Weltärztebundes von Oslo be- kräftigte Verpflichtung des Arztes, auch das ungeborene Leben im Mutterleib zu schützen und nur dann eine Schwangerschaft abzu- brechen und damit eine Tötung dieses ungeborenen mensch- lichen Lebens zuzulassen, wenn dies als therapeutische Maßnah- me erforderlich ist, um das Leben der Mutter zu erhalten oder von ihr schweren Gesundheitsschaden abzuwenden.
Die Ärzteschaft beobachtet mit Sorge die nach wie vor hohe Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen.
Ziel aller gemeinsamen Anstren- gungen muß es daher sein, unge-
Der Inhalt des "Blauen Papiers"
Grundlagen
der Gesundheitspolitik und der Sozialpolitik
Leitsätze zur Gesundheitspoli- tik und zur Sozialpolitik Gesundheitsbildung durch Er- ziehung und Aufklärung Grundsätze der Beziehungen von Patient und Arzt
Medizinische Forschung
Mitwelt — Umwelt — Arbeitswelt
Umweltgestaltung und Umwelt- schutz
Förderung gesundheitlicher Leistungsfähigkeit und indivi- dueller Gesundheitsberatung Gesunde Familien, Jugend und Alter
Schutz des ungeborenen Le- bens
Menschengerechte Arbeitsbe- dingungen
Vorbeugung und Krankheits- früherkennung
Rehabilitation Resozialisierung
Katastrophenschutz im Frieden und Zivilschutz im Verteidi- gungsfall
Medizinische Versorgung der Bevölkerung
Ambulante ärztliche Versor- gung
Stationäre Versorgung
Notfalldienst und Rettungswe- sen
Öffentlicher Gesundheitsdienst Arbeitsmedizinische Versor- gung
Ärztliche Dienste bei den So- zialleistungsträgern
Arzneimittelversorgung
Datenschutz und Datennutzung in der Medizin
Qualitätssicherung in der medi- zinischen Versorgung
Soziale Sicherung
Krankenversicherung Alterssicherung
Absicherung bei Pflegebedürf- tigkeit
Der ärztliche Beruf
Grundsätze ärztlicher Berufs- ausübung
Ausbildung zum Arzt Weiterbildung des Arztes Fortbildung des Arztes
Zusammenarbeit mit Angehöri- gen anderer Berufe
Internationale
und Zwischenstaatliche Gesundheitspolitik
Internationale Gesundheitspoli- tik
Gesundheitspolitik in der EG Gesundheits- und Sozialpolitik in deutschsprachigen Ländern
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
wollte Schwangerschaften zu ver- hindern.
Hierzu ist nach wie vor die ver- stärkte Aufklärung der weiblichen und männlichen Bevölkerung über die Möglichkeiten der Anti- konzeption notwendig. Daher muß auch Sexualberatung selbstver- ständlicher Anteil ärztlicher Be- treuung und Versorgung sein.
Bei der Verteilung von Ressour- cen sollte der Schwerpunkt auch in diesem Bereich auf die Primär- prävention konzentriert werden, anstatt den Schwangerschaftsab- bruch immer wieder in den Mittel- punkt von Lösungsstrategien zu stellen.
Unabhängig davon werden weiter- hin Konfliktschwangerschaften und damit die für die Ärzte schwie- rige Auseinandersetzung mit der medizinisch-sozialen Indikation bestehen.
Um seinem ärztlichen Gewissen einerseits und der besonderen Si- tuation der Schwangeren anderer- seits gerecht zu werden, muß dem indizierenden Arzt wie auch dem, der den Abbruch durchführen soll, das schriftliche Ergebnis einer so- zialen Beratung über Hilfen für Mutter und Kind vorgelegt wer- den.
Der Vater des Kindes sollte zu al- len Beratungen hinzugezogen werden.
Da die uneingeschränkte Schutz- würdigkeit des ungeborenen Le- bens unabdingabr ist, müssen Staat und Gesellschaft weit mehr als bisher zur Linderung der sozia- len und materiellen Notlage von ungewollt Schwangeren beitra- gen.
Hierzu gehört auch die Verbesse- rung der sozialen und der gesell- schaftlichen Rahmenbedingun- gen für Eltern mit Kindern. Nur so könnte unter Beibehaltung der bestehenden gesetzlichen Vor- aussetzungen die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche ge-
senkt werden. ❑
Die Veröffentlichung von Abschnitten aus den „Gesundheits- und sozial- politischen Vorstellungen der deutschen Ärzteschaft" wird in den folgen- den Ausgaben des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTS fortgesetzt (zusam- mengefaßt in einem Band-157 Seiten, 12,80 DM—sind sie beim Deutschen Ärzte-Verlag, Postfach 40 02 65, Dieselstraße 2, 5000 Köln 40, erschienen).
Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 38 vom 17. September 1986 (21) 2509