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Archiv "Gesundheits- und sozialpolitische Vorstellungen der deutschen Ärzteschaft" (19.06.1980)

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Gesundheits- und

sozialpolitische Vorstellungen der deutschen Ärzteschaft

Beschlossen vom 83. Deutschen Ärztetag in Berlin

Fortsetzung von Heft 24/1980, Seite 1568

D. Der ärztliche Beruf

1. Grundsätze

ärztlicher Berufsausübung

Der Arztberuf ist unbeschadet der verschiedenen Betätigungsmög- lichkeiten als angestellter, beam- teter oder freiberuflich tätiger Arzt ein einheitlicher Beruf. Demzufol- ge berechtigt die Approbation den Arzt zur eigenverantwortlichen Berufsausübung in allen Berei- chen ärztlicher Tätigkeit, unbe- schadet des Erfordernisses einer berufsspezifischen Weiterbildung und einer ständigen berufsbeglei- tenden Fortbildung.

Die Einheitlichkeit des Arztberufes bedingt ein einheitlich für alle Ärz- te geltendes Berufsrecht, welches unabhängig von der beruflichen Stellung und Funktion, die der Arzt innehat, die standesrechtli- chen und ethischen Maximen sei- nes Handelns festlegt. Diese be- rufsrechtlichen und ethischen Grundnormen ärztlicher Tätigkeit müssen für den Arztberuf auch deswegen einheitlich sein, weil der Arzt in allen Bereichen ärztli- cher Tätigkeit allein dem Men- schen und seiner Gesundheit ver- pflichtet ist und daher auch in beruflich abhängiger Stellung kei- ne Maximen anerkennen darf, die dieser Verpflichtung zuwiderlau- fen.

Die dem Arzt obliegende Aufgabe, das Leben zu erhalten, die Ge- sundheit zu schützen und wieder- herzustellen sowie Leiden zu mil-

dern, und die ihm auferlegten Ver- pflichtungen

— zur Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht

— zum Führen ordnungsgemäßer Aufzeichnungen über die im Rah- men der Berufstätigkeit getroffe- nen Feststellungen

— zum Abschluß einer ausreichen- den Haftpflichtversicherung

— zum Verbot der Werbung für die eigene Berufstätigkeit gegenüber der Bevölkerung

— zum kollegialen Verhalten ge- genüber anderen Berufsangehö- rigen

— zur wahrheitsgemäßen und sorgfältigen Begutachtung und Zeugnisausstellung nach bestem ärztlichen Wissen und Gewissen sind daher elementare Grundsätze ärztlicher Berufsausübung, die für alle berufstätigen Ärzte gelten und in einer einheitlichen ärztlichen Berufsordnung festgelegt worden sind.

Der Arzt ist seiner Natur nach ein freier Beruf. Diese nicht nur dem Gesetz, sondern auch dem Wesen des Arztberufes entsprechende Charakterisierung bringt zum Aus- druck, daß der Arzt in allen For- men ärztlicher Berufsausübung als angestellter, beamteter oder freiberuflich tätiger Arzt

— soweit es seine ärztliche Ent- scheidung betrifft, nur seinem Ge-

wissen unterworfen ist und daher auch in beruflich abhängiger Stel- lung in seiner ärztlichen Entschei- dung nicht an Weisungen von An- gehörigen anderer Berufe gebun- den sein darf

— seine ärztliche Entscheidung frei von sozialer und wirtschaftli- cher Abhängigkeit treffen können muß.

Dies setzt eine ausreichende wirt- schaftliche Existenzsicherung des Arztes voraus. Dabei sind die ärzt- lichen Versorgungswerke in ihren Sicherungsfunktionen für den Arzt ein wesentlicher Garant der Un- abhängigkeit.

Die Unabhängigkeit des Arztes in seiner ärztlichen Entscheidung und die lrreversibilität vieler ärztli- cher Maßnahmen begründen eine hohe Verantwortung des Arztes für die eigene Fachkunde und die Qualifikation der von ihm durch- geführten Behandlungsmaßnah- men.

Dieser Verantwortung kann der Arzt nur gerecht werden, wenn er

— durch eine qualifizierte Vorbil- dung die dem medizinischen Wis- sensstand im jeweiligen Gebiet entsprechenden Kenntnisse und Berufserfahrungen erwirbt

— dieses Wissen durch eine regel- mäßige Fortbildung aufrechterhält und dem jeweiligen Stand der me- dizinischen Wissenschaft anpaßt

— bei der Erbringung von Leistun- gen die im jeweiligen Bereich möglichen Maßnahmen der Quali- tätssicherung durchführt

— die Grenzen seines eigenen ärztlichen Könnens zu erkennen vermag und gegebenenfalls die Zuziehung anderer Ärzte veran- laßt.

Auch wenn dem Arzt die Durch- führung medizinischer Eingriffe nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen ohne Vorliegen ei- ner medizinischen Indikation auf Verlangen seines Patienten er-

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laubt ist, entspricht es den in der Berufsordnung festgelegten Grundsätzen der ärztlichen Be- rufsausübung, daß der Arzt wegen des mit jedem Eingriff verbunde- nen Risikos für die Gesundheit seines Patienten nur aufgrund ei- ner medizinischen Indikation tätig wird.

Das muß insbesondere für den Fall gelten, daß der Wunsch nach der Vornahme eines Eingriffes nicht vom Betroffenen selbst geäußert wird, sondern z. B. vom Erzie- hungsberechtigten.

Der Wunsch auf Vornahme eines medizinisch nicht indizierten Ein- griffes kann daher für den Arzt nie- mals eine Verpflichtung zum Han- deln sein. Das gilt auch für die Durchführung eines Schwanger- schaftsabbruches, vor dem der Arzt, unabhängig von den straf- rechtlichen Voraussetzungen, das Vorliegen einer Indikation sorgfäl- tig zu prüfen hat. Von dieser Ver- pflichtung kann ihn auch die schriftliche Erklärung eines ande- ren Arztes über das Vorliegen ei- ner Indikation zum Schwanger- schaftsabbruch nicht entbinden.

2. Ausbildung zum Arzt

Zusammenhang von

gesundheitlicher Versorgung und hohem Ausbildungsstand Die Qualität der Ausbildung zum Arzt ist wesentliche Vorausset- zung für eine dem jeweiligen gesi- cherten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende ge- sundheitliche Versorgung der Be- völkerung.

Dabei darf sich die Ausbildung nicht auf die Vermittlung theoreti- schen Wissens beschränken. Sie muß möglichst von Beginn an praktische Fähigkeiten vermitteln.

Der Arzt, der nach Abschluß seiner Ausbildung sowohl über die erfor- derlichen Grundlagenkenntnisse als auch über die praktische Befä- higung zu ihrer Umsetzung in ärzt- liches Handeln verfügt, kann eine

verantwortliche Funktion in der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung übernehmen.

Ursachen der Mängel der derzeitigen Ausbildung Die gegenwärtige Ausbildung zum Arzt befähigt den Studienabsol- venten nicht, nach Erteilung der Approbation selbständig (zum Beispiel in eigener Praxis) tätig zu werden. Ursachen dafür sind

— die Überlastung der Universitä- ten durch eine zu große Zahl von Studenten als Folge einer verfehl- ten Bildungspolitik

— ein Mangel an praktischer Aus- bildung in Vorklinik und Klinik als Folge dieser zu großen Studenten- zahlen

— eine Überlastung mit entbehrli- chem Detailwissen u. a. als Folge des einseitig ausgerichteten, nicht immer am Patienten und am Ob- jekt orientierten, überwiegend schriftlichen Prüfungssystems.

Der massive Zuwachs an Studen- ten hat längst die Grenzen räumli- cher und personeller Kapazitäten der Universitäten gesprengt; da- mit wird die positive Motivation von Lehrenden und Lernenden entscheidend gemindert, und zwar durch die

— Vermassung und Verschulung des Studiums und

— die Entfremdung von Hoch- schullehrern und Studenten.

Unzureichende Auswahl- verfahren bei Bewerbern für das Medizinstudium

Die rasch erschöpften Kapazitäten der Hochschulen bedingen in der Medizin neben der eigentlichen Hochschu fzugangsberechtigung, dem Abitur, ein besonderes Aus- wahlverfahren. Daraus resultiert das komplizierte Zulassungsver- fahren über die Zentralstelle zur Vergabe der Studienplätze. Die nur bedingte Bedeutung der Ab-

iturnoten als alleiniges Zulas- sungskriterium hat die probeweise Einführung eines psychologi- schen Tests erfahrens als zusätzli- ches Kriterium bewirkt.

Es ist unbestritten, daß mittels psychologischer Tests die Fest- stellung der Berufseignung zum Arzt nicht möglich ist. Es muß aber auch begründet bezweifelt wer- den, ob durch Einführung psycho- logischer Tests die Eignung für das Medizinstudium hinreichend sicher ermittelt werden kann. Die Einführung von psychologischen Tests läßt sogar eine nicht unbe- dingt positive Auslese unter den Bewerbern für das Medizinstu- dium befürchten, da bisher bei der Entwicklung von Testverfahren ty- pische Kriterien für das Medizin- studium nicht gefunden wurden.

Die bisher diskutierten psycholo- gischen Tests fördern vielmehr ein Verhalten, das eine der ärztlichen Tätigkeit nicht entsprechende Ein- stellung zum Studium und Beruf zum Ausdruck bringt. Letztlich könnte ein Losverfahren gegen- über einem psychologischen Test- verfahren und einem ausschließ- lich nach den Schulabgangsnoten ausgerichteten Zulassungsverfah- ren gerechter erscheinen.

Die Zulassungskriterien zum Me- dizinstudium müssen im einzelnen neu definiert werden.

Sozialpraktikum, Krankenpflegedienst

Damit außer theoretischer Bega- bung und Fleiß auch das Einfüh- lungsvermögen, die manuellen Fä- higkeiten und der Wille zum prak- tischen Einsatz in der Krankenver- sorgung berücksichtigt werden, könnte als zusätzliches Zulas- sungskriterium für das Medizin- studium ein vorgeschaltetes So- zialpraktikum oder ein Kranken- pflegedienst mit einjähriger Dauer zur Selbstprüfung der Bewerber eingeführt werden. Der Wert eines solchen freiwilligen Praktikums ist für die Bildung der ärztlichen Per- sönlichkeit sehr hoch zu veran-

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schlagen. Sinn und Hintergrund des Studiums der Medizin sind auf dieser Basis zweifellos leichter zu verstehen und zu akzeptieren.

Zudem wird die Durchführung der patientenorientierten Ausbil- dungsteile erheblich erleichtert.

Das Krankenpflegepraktikum könnte zugleich die Grundlage für eine patientengerechte Ge- sprächsführung vermitteln und das soziale Einfühlungsvermögen des Arztes fördern.

Stru kturmängel

der Approbationsordnung Die Approbationsordnung bedarf vor allem in folgenden Punkten dringend einer Novellierung:

— Es fehlt eine Definition des Aus- bildungszieles für den Beruf des Arztes. Studenten und Hochschul- lehrer können somit nicht auf ein verbindliches Lern- und Lehrange- bot verpflichtet werden

— Die ausschließlich schriftlichen Prüfungen nach dem Antwort- Wahl-Verfahren veranlassen die Studenten zu rein kognitiver Lern- weise. Ärztliches Denken in Zu- sammenhängen und Orientierung am Patienten und am Objekt wird dadurch erschwert

— Die praktische Ausbildung wäh- rend des Studiums (Praktika) und am Ende des Studiums (Prakti- sches Jahr) reichen insbesondere angesichts der zu hohen Studen- tenzahlen und der damit verbun- denen Überlastung dieser Veran- staltungen nicht aus, um einen nahtlosen Übergang vom Studium in eine eigenverantwortliche Aus- übung des ärztlichen Berufes zu sichern.

Ausbildungsziel

Die Ärzteschaft schlägt folgende Definition des Ausbildungsziels vor:

„Die theoretische und praktische Ausbildung hat einen Arzt zum Ziel, der auf der Grundlage

— pluralistischen und unabhängi- gen wissenschaftlichen Denkens

— medizinischer, wissenschaft- lich-methodischer und medizin- übergreifender Kenntnisse

— der zu ihrer Anwendung erfor- derlichen geistigen, psychischen, physischen und praktischen Fä- higkeiten sowie

— einer dem Patienten verpflichte- ten ärztlichen Einstellung

imstande ist, unter Wahrung der Würde des Menschen und Ach- tung der freien Selbstbestimmung des einzelnen, nach den Regeln der ärztlichen Kunst sachgerecht und eigenverantwortlich im Dienst an der Gesundheit des einzelnen und der Allgemeinheit tätig zu sein.

Der Arzt muß gelernt haben, seine Grenzen zu erkennen, und wissen, wo spezielle gebietsbezogene Kenntnisse und Erfahrungen er- forderlich sind.

Der Arzt muß die Notwendigkeit der berufsbegleitenden Fortbil- dung erkannt haben und befähigt sein, diese in eigener Initiative zu betreiben.

Der Arzt muß in der Lage sein, sich nach Abschluß seiner Ausbildung in einem bestimmten Gebiet, Teil- gebiet oder Bereich weiterzu- bilden."

Die in der Ausbildungszieldefi- nition angestrebte Befähigung des Arztes zur eigenverantwortlichen Tätigkeit muß in unmittelbarem Zusammenhang mit der darin ebenfalls angestrebten Befähi- gung des Arztes gesehen werden, seine Grenzen zu erkennen und zu wissen, wo spezielle gebietsbezo- gene Kenntnisse und Erfahrungen erforderlich sind.

Daraus ergibt sich die Forderung, daß der neuapprobierte Arzt in un- mittelbarem Anschluß an seine Ausbildung nicht auf die Zusam- menarbeit mit berufserfahrenen Kollegen verzichten sollte, um sich die erforderlichen eigenen Berufserfahrungen zu ver- schaffen.

Einheitliches Berufsbild

Die vorgeschlagene Ausbildungs- zieldefinition entspricht dem in der Bundesärzteordnung festge- legten einheitlichen Berufsbild. Es eröffnet die Möglichkeit der Spe- zialisierung im Rahmen einer an die Ausbildung anschließenden Weiterbildung An diesem einheit- lichen Berufsbild des Arztes wird festgehalten. Es entspricht ebenso dem Selbstverständnis des Arztes wie den Erwartungen der Bevölke- rung. Auch der spezialisierte Arzt empfindet sich nicht als Vertreter eines gegenüber der gesamten Medizin losgelösten Gebietes.

Wissenschaftliches Hochschulstudium

Zur Ausbildung zum Arzt gehören ein wissenschaftliches Hochschul- studium und ein klinisch-prakti- scher Ausbildungsabschnitt. Das wissenschaftliche Hochschulstu- dium der Medizin — mit zur Zeit fünf Jahren — ist an universitären Einrichtungen zu absolvieren.

Sinn dieses Hochschulstudiums ist es, in einem von praktischen Übungen begleiteten theoreti- schen Unterricht Grundwissen und Prinzipien zu vermitteln, die der angehende Arzt kennenlernen muß, um im nächsten Ausbil- dungsabschnitt klinisch-praktisch tätig werden zu können. Die theo- retischen Grundlagen der Aus- übung des ärztlichen Berufes müssen in einem wissenschaftli- chen Studium vermittelt werden, da nur so eine ausreichende Befä- higung zur Erkenntnis und Kritik entwickelt werden kann. Anwen- dung und Überprüfung wissen- schaftlicher Kriterien ist nicht möglich, wenn der angehende Arzt in seinem Studium nicht mit dem methodischen Vorgehen ver- traut gemacht worden ist. Deshalb muß auch der Versuch, die Ausbil- dung zum Arzt von den Universitä- ten an Medizinschulen zu verla- gern, prinzipiell abgelehnt wer- den.

Unbestritten ist die Kompetenz und Verantwortung der Hoch-

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schullehrer für diesen Studienab- schnitt. Die Ärzteschaft hat sich um Verbesserungsvorschläge für die Ausgestaltung des klinischen Studienabschnittes bemüht, wo- bei außeruniversitäre Krankenhäu- ser zunehmend in den klinischen Unterricht einbezogen werden sollten; dies vor allem auch, um unzumutbare Belastungen der Pa- tienten in den Universitätskran- kenhäusern zu vermeiden. Das fünfjährige wissenschaftliche Stu- dium sollte keine Verlängerung er- fahren. Vielmehr ist zu prüfen, welche Studienabschnitte mit theoretischem Wissen überfrach- tet sind. Konsequenz aus der For- derung der verstärkten prakti- schen Ausrichtung der Ausbil- dung zum Arzt ist die institutiona- lisierte Verankerung der Allge- meinmedizin in den Lehrbetrieb.

Am Schluß des Hochschulstu- diums muß das Staatsexamen ent- sprechend dem jetzigen zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung stehen.

Praktische Ausbildung

Der klinisch-praktische Ausbil- dungsabschnitt sollte zwei Jahre dauern. In diesem Zeitraum soll der angehende Arzt die Fähigkei- ten und Fertigkeiten erlernen und vertiefen, die er zu eigenverant- wortlicher Tätigkeit benötigt. Als Voraussetzung hierfür ist dem an- gehenden Arzt ein Status zu verlei- hen, der ihn berechtigt, unter An- leitung, Aufsicht und in Zusam- menarbeit mit berufserfahrenen Ärzten praktisch tätig zu werden.

Sinn des klinisch-praktischen Stu- dienabschnittes ist es, dem theo- retisch-wissenschaftlich vorgebil- deten Arzt so viel an Berufserfah- rung zu vermitteln, daß er nach der Approbation eigenverantwort lich am Patienten den ärztlichen Beruf ausüben kann. Dabei ist der Arzt als Berufsanfänger jedoch be- sonders verpflichtet, die Grenzen seines ärztlichen Könnens zu be- achten und daraus Konsequenzen für die Notwendigkeit einer Fort- und Weiterbildung zu ziehen. Vor allem in den ersten Berufsjahren sollte der Arzt die Zusammenar-

beit mit berufserfahrenen Kolle- gen suchen.

Die bisherige Ausbildung im soge- nannten Praktischen Jahr hat sich als zu kurz und wegen der fehlen- den rechtlichen Absicherung der klinisch-praktischen Tätigkeit der Studenten sowie wegen der über- großen Zahl von Absolventen die- ses Ausbildungsabschnittes als unbefriedigend erwiesen.

Damit die Bemühungen um eine Verbesserung und Erweiterung der praktischen Ausbildungsab- schnitte Erfolg haben können, muß die Kapazitätsverordnung (KAP VO) in der Weise geändert werden, daß dadurch keine zu- sätzliche Ausbildungskapazität entstünde und damit nicht mehr Studenten zum Medizinstudium zugelassen werden können.

Reformüberlegungen

Aus den genannten Gründen soll der klinisch-praktische Studienab- schnitt so gestaltet werden, daß er im Grundsatz mit einer Referen- darausbildung angehender Päd- agogen und Juristen vergleichbar ist. Durch die Verteilung der gro- ßen Zahl der Studenten auf einzel- ne Ausbildungsabschnitte, die in verschiedenen Einrichtungen des Gesundheitswesens abzuleisten sind, wird die universitäre Ausbil- dungsstätte entlastet und damit zugleich eine unzumutbare Bela- stung der Patienten vermieden.

Schließlich wird durch die praxis- nahe Ausbildung in Einrichtungen der stationären und ambulanten Versorgung der Mangel an Ausbil- dungsstätten gemindert.

Die Einführung eines so gestalte- ten Ausbildungsabschnittes setzt allerdings eine planvolle inhaltli- che Gestaltung der zweijährigen Ausbildungsphase voraus, um den gewünschten Erfolg zu gewährlei- sten. Dabei ist das Ausbildungser- gebnis durch besondere, die prak- tische Ausbildung begleitende Ar- beitsgemeinschaften, bezogen auf die jeweiligen Ausbildungsab- schnitte zu überprüfen.

Staatliche Prüfungsämter sollten diese Ausbildungsphase überwa- chen und die Verantwortung für die Durchführung und den Erfolg des letzten Ausbildungsabschnit- tes tragen. In ihnen sind Prüfungs- kommissionen einzurichten, die am Schluß der klinisch-prakti- schen Ausbildung zu überprüfen haben, ob der Kandidat die Bedin- gungen der Ausbildungszieldefi- nition erfüllt hat. Die einzelnen Prüfungskommissionen sollen sich aus Hochschullehrern und Ärzten aus Krankenhaus und Pra- xis sowie Vertretern ärztlicher Kör- perschaften zusammensetzen. Der letzte Abschnitt der ärztlichen Prü- fung ist ausschließlich - mündlich und praktisch zu gestalten. Die üb- rigen Prüfungsbestimmungen in der Approbationsordnung sind so zu ändern, daß in allen geeigneten Fällen neben der schriftlichen Prü- fung nach dem Antwort-Wahl-Ver- fahren auch mündlich-praktische Prüfungen durchgeführt werden.

Finanzierung

Die Forderung nach Umgestaltung dieses Studienabschnittes kann nicht deshalb abgelehnt werden, weil er die Verpflichtung des Staa- tes zur Zahlung eines Unterhalts- zuschusses enthält. Durch Entla- stung universitärer Einrichtungen können die Kosten für die Ausbil- dung zum Arzt gemindert und die staatlichen Mehrbelastungen auf ein vertretbares Maß begrenzt werden.

3. Weiterbildung des Arztes

Die Bundesärzteordnung stellt si- cher, daß die eine ärztliche Tätig- keit anstrebenden Studenten eine einheitliche Ausbildung zu absol- vieren haben, bevor sie die Be- rechtigung zur Ausübung des ärzt- lichen Berufes erhalten.

An diese Ausbildung schließt sich eine Berufstätigkeit an, in welcher der Arzt durch eine berufliche Weiterbildung unter Leitung dazu ermächtigter Ärzte eine Qualifika-

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tion erwerben sollte, die zum Füh- ren einer in der Weiterbildungs- ordnung enthaltenen Gebiets-, Teilgebiets- oder Zusatzbezeich- nung erforderlich ist.

Als Kriterien für die Einführung solcher Bezeichnungen in die Weiterbildungsordnung gelten da- bei, daß

— sich innerhalb der Medizin ein bestimmtes Gebiet, Teilgebiet oder ein bestimmter Bereich in der wissenschaftlichen Entwicklung herausgebildet hat

— für die medizinische Versor- gung der Bevölkerung ein Bedürf- nis besteht, diese Spezialisierung besonders durch Ankündigung kenntlich zu machen

— soweit es die Gebiete und Teil- gebiete betrifft, eine Ausrichtung der ärztlichen Praxis auf eine Tä- tigkeit in dieser Spezialisierung medizinisch sinnvoll und ökono- misch tragbar ist.

Die Selbstverwaltung in der Ärzte- kammer muß darauf abzielen, die gemeinsame Basis des Arztberu- fes als Ergebnis einheitlicher Aus- bildung beizubehalten; sie muß dafür sorgen, daß bei aller Spezia- lisierung die Zusammenarbeit der Ärzte der verschiedenen Gebiete erhalten bleibt. Dabei ist eine sinn- volle Aufgliederung als Zeichen der fortschreitenden Entwicklung in der Medizin sowie im Interesse einer bedarfsgerechten Versor- gung der Bevölkerung erforder- lich. Die in der Weiterbildungsord- nung enthaltene Aufgliederung in Gebiete, Teilgebiete und Bereiche trägt diesen Erfordernissen zum gegebenen Zeitpunkt ausreichend Rechnung und sollte daher, von begründeten Ausnahmen abgese- hen, nicht weiter vertieft werden.

Das Grundgesetz garantiert die Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübung. Dieses Grund- recht umfaßt im Arztberuf auch die Freiheit, das Weiterbildungsgebiet frei wählen zu können. In der Ver- gangenheit hat diese Freiheit je- doch dazu geführt, daß die Zahl

der Allgemeinärzte zurückgegan- gen ist bzw. stagnierte, während die Zahl der Ärzte mit anderen Ge- bietsbezeichnungen ständig zuge- nommen hat. Auch die Wahl des Gebietes hat sich nicht immer an den Erfordernissen einer bedarfs- gerechten Versorgung ausgerich- tet. Aus diesem Grunde ist es ge- boten, daß die Ärzte sich in Zu- kunft bei ihren Überlegungen über die Wahl des Gebietes auch an den Notwendigkeiten der ärztli- chen Versorgung orientieren.

Aufgrund der ständig steigenden Zahl approbierter Ärzte kann bei zu erwartender gleichbleibender Zahl der Krankenhausbetten in Zu- kunft nicht jeder Arzt erwarten, ei- ne seinem Wunsch entsprechen- de Weiterbildung zu absolvieren.

Dies kann dazu führen, daß in verstärktem Umfange nicht oder nicht ausreichend weitergebildete Ärzte eine Niederlassung als Arzt anstreben. Dem muß im Interesse einer qualifizierten und bedarfsge- rechten Versorgung der Bevölke- rung dadurch begegnet werden, daß

— die Möglichkeit der Weiterbil- dung, soweit es das EG-Recht zu- läßt, noch mehr als bisher auf nie- dergelassene Ärzte und auf ande- re Einrichtungen als Kranken- hausabteilungen ausgedehnt wird

— Ärzte dazu motiviert werden, auch an abgelegene, jedoch für die Weiterbildung fachlich geeig- nete Weiterbildungsstätten zu ge- hen

— die Möglichkeiten eines Aus- baues der Akademieweiterbildung für bestimmte Teilbereiche der Weiterbildung geprüft werden.

4. Fortbildung des Arztes

Das Vertrauen des Patienten ge- genüber seinem Arzt gründet sich auch darauf, daß die ärztliche Ver- sorgung an einem anerkannten Wissensgut und am wissenschaft- lichen und technischen Fortschritt

orientiert ist. Diesem Vertrauen können die Ärzte in allen Berei- chen ihrer Tätigkeit nur gerecht werden, wenn sie ihrer beruflichen Fortbildungspflicht genügen. In der Berufsordnung ist eine grund- sätzliche Verpflichtung des Arztes zur Fortbildung festgelegt, wobei jedoch die Form des Wissenser- werbs nicht vorgeschrieben ist.

— Die Unterschiede in der Aufnah- mebefähigung

— die Unterschiede in der Lehrbe- gabung wie in der individuellen Lernfähigkeit

— die Verschiedenartigkeit der In- teressenschwerpu nkte

— die Unterschiede im Wiederho- lungsbedarf und

— die Verschiedenartigkeit der in- dividuellen Beweggründe für be- stimmte Themen oder Themen- kreise

erfordern eine solche Freizügig- keit.

Der Fortbildungspflicht kann da- durch besser genügt werden als mit Pflichtveranstaltungen.

Forschung, Lehre und Fortbildung müssen miteinander verbunden sein. Da die Grenzen der Erkennt- nisse und des Wissens ständig er- weitert werden, müssen auch Er- kenntnis und Wissen des berufs- tätigen Arztes ständig ergänzt werden.

Bestimmte wissenschaftliche Tat- bestände und Zusammenhänge sind so weit anerkannt und unbe- stritten, daß sie dem Grundwissen zuzuordnen sind. Bei anderen For- schungsergebnissen oder empiri- schen Erkenntnissen ist das noch nicht der Fall. Um eine Übernahme solcher nicht hinreichend gesi- cherter Forschungsergebnisse zu vermeiden, ist eine besonders kri- tische Mitarbeit der Ärzte in Praxis und Klinik erforderlich.

Ärztliche Fortbildung muß stets berücksichtigen, daß die Anwen- dung von Forschungsergebnissen

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Weiß

Tun Tun

gleich viel weniger nicht Tun

mehr

Arzt-Fortbildung im Vergleich zu anderen Berufsgruppen im Urteil der Bevölkerung

Gut die Hälfte der Bevölkerung ist der Ansicht, daß Arzte sich mehr fortbilden als andere Berufsgruppen, nur drei Prozent halten die Fortbildungsaktivität

der Ärzte für geringer (Quelle: Infratest)

und neuen Verfahren in der Heil- kunde unter jeweils besonderen, von der individuellen Situation des Patienten bestimmten Verhältnis- sen erfolgen muß. Anwendungs- möglichkeit und Erfolgserwartung werden dadurch relativiert.

Aus der aktuellen medizinischen Forschung, aus den aktuellen Not- wendigkeiten der ärztlichen Auf- gaben und den sich wandelnden Erfordernissen der Krankenver- sorgung und der gesundheitlichen Betreuung der Menschen ergeben sich wechselnde Schwerpunkte für die ärztliche Fortbildung.

Ihre Auswahl und vordringliche Aufnahme in die Fortbildungsme- dien ist eine Gemeinschaftsaufga- be der medizinischen Fakultäten, der wissenschaftlichen Gesell- schaften und der ärztlichen Orga- nisationen.

Entscheidend für eine zügige, an- gemessene Umsetzung von gesi- cherten wissenschaftlichen Er- kenntnissen und erprobten Unter- suchungs- und Behandlungsme- thoden in die ärztliche Tätigkeit ist ein kontinuierlicher Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen Forschung, Lehre, Krankenhaus und Praxis.

Hierzu ist es unerläßlich, daß sich nicht nur die Ärzte in Krankenhaus und Praxis an der Forschungs- und Entwicklungsarbeit der Hoch- schulen orientieren, sondern daß auch die Ärzte an den Hochschu- len sich um mehr Kenntnisse aus der Praxis der anderen Bereiche bemühen. Die Gemeinsamkeit der ärztlichen Aufgaben verlangt eine Überwindung aller Barrieren, die sich aus den Verschiedenheiten der Tätigkeitsbedingungen ent- wickeln können.

Aus den jeweiligen Möglichkeiten zum Wissensaustausch und der Zugänglichkeit zu Forschungser- gebnissen des In- und Auslandes sowie den organisatorischen Vor- aussetzungen ergibt sich eine ab- gestufte Aufgabenstellung für die ärztliche Fortbildung:

Bundesebene

Die Bundesärztekammer hat die Aufgabe:

— Methoden und Medien auf ihre Eignung für die ärztliche Fortbil- dung zu überprüfen, Schwerpunk- te für die Programmgestaltung der Fortbildung zu setzen, die wissen- schaftlichen Verbindungen im In- und Ausland zu pflegen

— Forschungsergebnisse und Weiterentwicklungen der Untersu- chungs- und Behandlungsmög- lichkeiten zu prüfen und in einem interdisziplinären Forum für die Fortbildung der Ärzte aufzuar- beiten

— in eigenen Kongressen aktuelle, praxisbezogene Fortbildungsthe-

men in Vortragsveranstaltungen, Seminaren und Diskussionsrun- den allen Ärzten zugänglich zu machen.

Landesebene

Die Landesärztekammern haben die Aufgabe:

— neue Fortbildungsformen zu entwickeln und zu erproben

— den regionalen Fortbildungsbe- darf mit den Empfehlungen der Bundesebene abzustimmen

— die zahlreichen Fortbildungsin- itiativen ärztlicher Organisationen beratend und organisatorisch zu unterstützen

— eigene Veranstaltungen durch- zuführen.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 25 vom 19. Juni 1980 1647

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Zur Erfüllung dieser Aufgaben be- dienen sich die Landesärztekam- mern der Fortbildungs-Akade- mien, die sie in enger Zusam- menarbeit mit den Kassenärztli- chen Vereinigungen eingerichtet haben.

Das Fortbildungsangebot der Kammern wird ergänzt durch zahl- reiche Fortbildungsaktivitäten

— der Ärztevereine

— der Fachverbände

— der wissenschaftlichen Gesell- schaften

— der persönlichen Fortbildungs- initiativen

— der freien Verbände.

Diese Veranstaltungen zeichnen sich aus durch die Nähe zur prakti- schen ärztlichen Arbeit, ihre The- mengestaltung nach den örtlichen Möglichkeiten und die Zusam- menführung von Ärzten aus Praxis und Klinik eines Versorgungsge- bietes.

Fortbildungsmedien

Der unterschiedlichen Veranla gung der zur Fortbildung ver- pflichteten Ärzte muß eine ent- sprechende Vielfalt der Fortbil- dungsmedien gerecht werden.

— Zeitschriften, Kompendien und Lehrbücher stellen mit ihren Glie- derungs- und Darstellungsvarian- ten einen wesentlichen Faktor für die ärztliche Fortbildung dar. Le- sen und Nachschlagen aus Anlaß aktueller Fragestellungen in der ärztlichen Tätigkeit vermitteln bleibendes Wissen.

— Audiovisuelle Medien werden in Zukunft in stärkerem Umfange zur Verfügung stehen. Dies gilt insbe- sondere für Filme, Dia-Serien, Bildplatten und Super-8-Filme.

— Vortragsveranstaltungen blei- ben auch künftig unersetzbar. Da- bei sind verstärkt Podiumsdiskus- sionen, Seminare und Fortbil- dungsarbeit in Gruppen durchzu- führen.

Alle Fortbildungsformen werden ständig weiterentwickelt und im Hinblick auf ihre Effizienz für die ärztliche Fortbildung überprüft.

Ziel aller Bemühungen um die Fortbildung der Ärzte ist es, die Ergebnisse aus Forschung und Er- fahrung in der Medizin so schnell wie möglich in die ärztliche Tätig- keit einzuführen und jedem Pa- tienten zugute kommen zu lassen.

5. Zusammenarbeit mit Angehörigen anderer Berufe

Der Arzt ist als Folge der medizi- nisch-technischen Entwicklung in der Medizin und als Folge einer Erweiterung der medizinischen Aufgabenstellung um Aufgaben der Gesundheitsvorsorge und der Rehabilitation in der Ausübung seines Berufes in immer stärkerem Maße auf die Zusammenarbeit mit den Angehörigen anderer Berufe angewiesen. Der Ausbildung in diesen Berufen und der gegensei- tigen Abgrenzung des jeweiligen

Berufsbildes kommt daher für die künftige Entwicklung des Gesund- heitswesens eine entscheidende Bedeutung zu.

Dabei ist zu unterscheiden zwi- schen

— den Heilberufen, die wie der Arzt aufgrund einer abgeschlosse- nen akademischen Ausildung selbständig und eigenverantwort- lich in der Heilkunde tätig sind (Zahnärzte, Apotheker)

— Berufen, welche methodisch- technische Leistungen aufgrund einer naturwissenschaftlichen akademischen Vorbildung erbrin- gen (Biologen, Physiker, Chemi- ker, Ingenieure)

— den die Tätigkeit des Arztes er- gänzenden Heilberufen, die in der Regel auf ärztliche Anordnung oder Verordnung selbständig be- stimmte therapeutische Methoden anwenden (Krankengymnasten, Masseure und medizinische Bade-

meister, staatlich geprüfte Logo- päden)

— medizinischen Berufen, die im Verantwortungsbereich des Arztes technische, methodische oder pflegerische Leistungen durch- führen oder bei deren Erbringung assistieren (med.-techn. Röntgen- oder Laborassistenten, Zytologie- assistenten, Krankenpflegeperso- nen und Arzthelferinnen)

— handwerklichen Berufen, wel- che im Rahmen der Heilkunde Lei- stungen verrichten (Orthopädie- mechaniker, Augenoptiker etc.)

— sonstigen Berufen, die nicht un- mittelbar im Bereich der Heilkun- de, jedoch im Rahmen der ge- sundheitlichen Versorgung der Bevölkerung in der Gesundheits- vorsorge, -fürsorge und Rehabili- tation tätig sind (Psychologen, So- zialarbeiter, Pädagogen, Theo- logen).

Das Verhältnis des Arztes zu den Angehörigen anderer Heilberufe ist geprägt durch die gegenseitige Anerkennung der unterschiedli- chen Aufgabenstellung im Ge- sundheitswesen und eine enge Zusammenarbeit in den gemeinsa- men beruflichen Belangen.

Diese Zusammenarbeit wird bei akademischen Heilberufen er- leichtert durch ein traditionell ge- wachsenes, auf einer einheitlichen gesetzlichen Grundlage beruhen- des gemeinsames Berufsverständ- nis und ein in den Grundzügen einheitliches Berufsrecht.

Von seiten der Diplompsycholo- gen mit psychotherapeutischer Zusatzausbildung ist die Forde- rung gegenüber dem Gesetzgeber auf Anerkennung als selbständi- ger akademischer Heilberuf erho- ben worden.

Die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und psychotherapeutisch qualifizierten Diplompsychologen wird seit Jahren nicht nur im Kran- kenhaus erfolgreich praktiziert, sondern findet in immer größerem

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Umfang über des Delegationsver- fahren in der freien Praxis statt.

Die Ärzteschaft akzeptiert, daß im psychotherapeutischen Bereich sowohl entsprechend weitergebil- dete Ärzte als auch Diplompsycho- logen mit entsprechender Qualifi- kation für psychisch kranke Pa- tienten tätig werden können und sollen. Einer gesetzlichen Aner- kennung des Diplompsychologen mit psychotherapeutischer Weiter- bildung als selbständigem akade- mischem Heilberuf steht entge- gen, daß dieser zwar qualifizierte Leistungen in der Psychotherapie erbringen kann, jedoch kein um- fassendes medizinisches Wissen hat, um körperliche Erkrankungen des psychotherapeutisch zu be- handelnden Patienten erkennen und behandeln zu können.

Die Ärzteschaft unterstützt trotz dieser Schwierigkeiten die Bemü- hungen psychotherapeutisch qua- lifizierter Diplompsychologen um gesetzliche Anerkennung als nichtärztlicher Psychotherapeut.

Im Interesse der Patienten wird hierzu aber gefordert, daß

— die Berufsbezeichnung Psycho- therapeut an Diplompsychologen nur aufgrund einer qualifizierten mehrjährigen Zusatzausbildung in der Psychotherapie verliehen wird

— die dem Berufsbild des Psycho- therapeuten zugeordneten dia- gnostischen und therapeutischen Leistungen auf solche begrenzt sind, die zu ihrer Durchführung kein ärztliches Wissen erfordern

— die Zusammenarbeit mit dem Arzt dadurch gewährleistet sein muß, daß vor Durchführung einer Psychotherapie eine fachkundige ärztliche Untersuchung stattfin- det, um die Notwendigkeit der Be- handlung ärztlicherseits abzuklä- ren, und weiterbegleitende ärztli- che Konsultationen durchgeführt werden.

Die technische Entwicklung in der Medizin hat dazu geführt, daß in zunehmendem Umfang Chemiker, Physiker, Biologen, andere Natur-

wissenschaftler und Ingenieure in Zusammenarbeit mit dem Arzt bei methodischen und technischen Arbeiten tätig werden.

Darüber hinaus hat sich auf allen Gebieten der Technologie in For- schung und Lehre sowie der Epi- demiologie eine fruchtbare Zu- sammenarbeit zwischen Ärzten und den Angehörigen dieser Be- rufsgruppen entwickelt.

Diese Zusammenarbeit setzt vor- aus, daß der Arzt die fachliche Qualifikation des Chemikers, Phy- sikers, Biologen oder Ingenieurs kennt und daß die ärztliche Ver- antwortung für die Erstellung und Einordnung der Diagnose unange- tastet bleibt.

Der Arzt sollte im Interesse einer qualitativ hochwertigen Versor- gung die Anwendung von Heilmit- teln nur solchen Personen über- tragen, die über eine qualifizierte Ausbildung als Masseur, Kranken- gymnast, Masseur und medizini- scher Bademeister, Arbeits- und Beschäftigungstherapeut o. ä. ver- fügen. Die nach den jeweiligen Be- rufsgesetzen mögliche selbständi- ge Tätigkeit der genannten Be- rufsgruppen in eigener Praxis ent- bindet den Arzt nicht von seiner Verantwortung für die ordnungs- gemäße Verordnung von Heilmit- teln und die Überprüfung der Aus- wirkungen des angewandten Heil- mittels auf den Gesundheitszu- stand seines Patienten.

Die Ausbildung der Berufe des Ge- sundheitswesens muß am Kran- ken orientiert sein. Ausbildungs- stätten für medizinische Assi- stenzberufe müssen daher mit Einrichtungen der Krankenversor- gung eng verbunden sein. Eine ausschließlich schulische Ausbil- dung kann den Bedürfnissen der Krankenversorgung nicht ausrei- chend Rechnung tragen.

Die Angehörigen der medizini- schen Assistenzberufe unterstüt- zen den Arzt in seiner Berufsaus- übung am Krankenhaus, in freier Praxis oder anderen Einrichtun-

gen der Gesundheitsversorgung.

Ihnen kann im Rahmen der ärztli- chen Verantwortung ein ihrer Aus- bildung und ihrer Berufserfahrung entsprechendes Maß an Selbstän- digkeit in der beruflichen Tätigkeit eingeräumt werden.

Zu diesem Zwecke kann der Arzt ärztliche Leistungen zur Durch- führung an Angehörige dieser Be- rufe delegieren, soweit eine fachli- che Qualifikation vorliegt und die Art des Eingriffs nicht das persön- liche Handeln des Arztes erfordert.

Der Arzt ist in seiner Berufsaus- übung auf die Zusammenarbeit mit handwerklichen Berufen bei der Erstellung von Heil- und Hilfs- mitteln angewiesen. Hierzu zählen insbesondere die Orthopädietech- niker, Orthopädieschuhtechniker und Augenoptiker. Bei voller Aner- kennung der Selbständigkeit die- ser Handwerksberufe sollte im In- teresse des Patienten die Abgabe von Heil- und Hilfsmitteln nur nach Absprache mit dem Arzt aufgrund einer entsprechenden ärztlichen Verordnung erfolgen.

Die im Interesse einer wirksamen Resozialisation psychisch Kranker erforderliche umfassende gesund- heitliche Versorgung insbesonde- re im Bereich der Psychiatrie hat dazu geführt, daß neben dem Arzt Sozialarbeiter und Psychologen Aufgaben der gesundheitlichen Betreuung dieses Personenkrei- ses übernommen haben. Eine ähnliche Zusammenarbeit zeich- net sich auf dem Gebiet der Ge- sundheitsvorsorge ab. Die sich aus einer solchen Zusammenar- beit entwickelnden „Teams", in denen eine kollegiale Absprache unter den verschiedenen Berufs- angehörigen erfolgt, können die ärztliche Verantwortung für die Durchführung gesundheitlicher Maßnahmen bei einem Patienten nicht beeinträchtigen. Die Zusam- menarbeit im Team muß daher von der eindeutigen Abgrenzung der verschiedenen Verantwortungsbe- reiche der genannten Berufsange- hörigen ausgehen.

• Wird in Heft 26 fortgesetzt

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 25 vom 19. Juni 1980 1649

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