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Archiv "Intensivmedizin: Spannungsfeld zwischen Aufwand und Nutzen" (11.07.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

KONGRESS-BERICHT

D

ie Intensivmedizin, der immer wieder vorgeworfen wird, bei hohen Kosten oft nur wenig effi- zient zu arbeiten, steht weiterhin im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion über Kostendämp- fungs- und auch ethische Fragen.

Ziel einer internationalen Zusam- menkunft in Groningen/Niederlan- de war es, das Management von Intensiveinheiten darzustellen so- wie Wege zur Abschätzung der Kosten und zur Beurteilung des Nutzens aufzuzeigen. Zu diesem Zweck hatten sich Anfang Februar 1986 über hundert Wissenschaft- ler, Intensivmediziner verschiede- ner Fachrichtungen und Experten auf dem Gebiet Ökonomie im Ge- sundheitswesen, versammelt. Auf- fallend war eine sehr schwache deutsche Beteiligung trotz des in- teressanten und hochaktuellen Themas.

In seinem brillanten Eröffnungsre- ferat betonte Ledingham, Chirurg aus Glasgow/Großbritannien, die Notwendigkeit einer ständigen in- neren Überprüfung der Indikation zur Intensivpflege, damit diese nicht nutzlos, oder sogar inhuman und gefährlich wird. Als wesent- lichen Kostenfaktor nannte er das Personal, obgleich der techni- schen Ausrüstung meist mehr Auf- merksamkeit geschenkt würde.

Kostenfaktoren der Intensivmedizin

Der erste Tag galt der Definition des Problems sowie der Kosten- frage. Von seiten der anwesenden Wirtschaftswissenschaftler wurde

eine stärkere Betonung der Effi- zienz medizinischer Maßnahmen bei klinischen Studien gefordert.

So sollte an die Stelle einfacher Überlebenszeiten das sogenannte QUALY (quality adjusted life year, qualitäts-angepaßtes Lebensjahr) als Maßeinheit treten, da es eine präzisere Auskunft bei relativ ge- ringem Erhebungsaufwand ge- statte.

Bezüglich der materiellen Ausstat- tung einer Intensiveinheit wurde einmal mehr die unterschiedliche Auffassung zwischen den USA und den europäischen Staaten deutlich. LeGall (Paris/Frankreich) demonstrierte eindrucksvoll, daß die wesentlichen prognostischen Faktoren bei den Patienten einer Intensivstation bereits präoperativ bestünden, zum Beispiel Gesund- heitszustand bei Aufnahme, Alter, Schweregrad der Erkrankung und Diagnose. Vermehrter technischer Aufwand bei vergleichbaren Kol- lektiven habe keine signifikante Besserung erbracht. Einigkeit be- stand bezüglich der Forderung von sogenannten „intermediate care"-Einheiten. Bei deutlich ge- ringerer apparativer und personel- ler Ausstattung ist dort eine aus- reichende Versorgung nicht zu schwer Erkrankter, insbesondere in der routinemäßigen postopera- tiven Pflege, möglich.

Generell wurde auch der direkte Zugriff einer Intensivstation auf ein Notfall-Labor mit festgelegtem Minimalprogramm befürwortet. In- wieweit computermäßige Datener- fassung und -verarbeitung das Personal zu entlasten vermag, ist

wegen der bislang zu kurzen Be- obachtungszeit noch nicht zu sa- gen. Ein Konsens bestand auch hinsichtlich der Auffassung, daß ein konsequenter Abbau von Rou- tinemaßnahmen, deren Nutzen nicht eindeutig erwiesen ist, eine enorme Kostenersparnis erbringt.

Trends in der Intensivmedizin Der zweite Tag befaßte sich mit dem Nutzen-Aspekt und der Zu- kunft der Intensivmedizin. Groß- britannien hat mit seinem staat- lichen Gesundheitswesen traditio- nell zahlreiche Wirtschaftswissen- schaftler hervorgebracht, die sich mit der Kostenfrage innerhalb der medizinischen Versorgung be- schäftigen. So wurde das Pro- blem, wie begrenzte Ressourcen möglichst nutzbringend anzuwen- den seien, mehrfach erörtert. Die Schwierigkeit, subjektiven Quali- tätsgewinn durch den Patienten meßbar zu objektivieren, relativiert die theoretischen Empfehlungen.

Zudem muß eine Entscheidung über alle medizinischen Handlun- gen stets eine menschliche blei- ben und darf nicht aufgrund stati- stischer Überlegungen gefällt wer- den. Akzeptiert wurde die Forde- rung der Ökonomen, den Wirt- schaftlichkeitsaspekt klinischer Maßnahmen vermehrt in Studien miteinzubeziehen und bei der Aus- bildung der Mediziner zu betonen.

Loirat (Suresnes/Frankreich) de- monstrierte die Bedeutung der In- tensiveinheiten für Innovationen im Krankenhaus. Neue Medika- mente (zum Beispiel Antibiotika) und Geräte (Infusionspumpen, Punktionsbestecke) fänden hier ihren ersten klinischen Einsatz und würden bei Bewährung bald zu Allgemeingut werden. In dieser Hinsicht könne auch die Rolle der Intensivstation in der Ausbildung medizinischen Personals nicht ge- nug unterstrichen werden.

Suter (Genf/Schweiz) beschäftigte sich mit der Frage, ob Intensivme- dizin eine eigene Fachrichtung

Intensivmedizin:

Spannungsfeld zwischen Aufwand und Nutzen

Zusammenfassender Report über das Internationale Symposium in

Groningen/Niederlande, Februar 1986

2024 (52) Heft 28/29 vom 11. Juli 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Intensivmedizin

sein sollte oder Teilgebiet einer bereits bestehenden. Er verwies auf die USA, wo in diesem Jahr die erste Fachprüfung in Critical Care Medicine nach festgelegtem Curri- culum erfolgen wird. Suter selbst favorisiert einen Intensivmedizi- ner, der auf diesem Gebiet eine umfassende Ausbildung erhalten hat, gleichgültig, aus welchem Fach er ursprünglich kam. Er habe den interdisziplinären Kontakt zu wahren und Verbindungsstelle zu sein. Darüber hinaus muß die In- tensivmedizin wichtiger Bestand- teil der Ausbildung in den großen Disziplinen (Chirurgie, Innere Me- dizin, Anästhesie, Pädiatrie) sein.

Daß in verschiedenen Ländern die Intensivmedizin auch unterschied- lich betrieben wird, führt zu ganz speziellen Problemen, die nicht verallgemeinert werden können.

Dies ist bei allen internationalen Vergleichen zu berücksichtigen.

So ist in den USA der Anteil der Beatmeten auf Intensivstationen am höchsten, während Großbri- tannien mit den meisten Fach-(In- tensiv-)Schwestern und der gün- stigsten zahlenmäßigen Relation zwischen Personal und Patienten aufweisen kann. Die Auslastung liegt in der Bundesrepublik beson- ders hoch. Diese nationalen Unter- schiede wurden wiederholt deut- lich herausgestellt.

Als Ergebnis des internationalen Erfahrungsaustausches wurde festgehalten, daß Kosten durch einfache Maßnahmen ohne Risiko für den Patienten eingespart wer- den können. Der tatsächliche Nut- zen einer speziellen Therapie für den Patienten ist schwer meßbar, weil dieser in erster Linie abhän-

gig von seinen individuellen Gege- benheiten ist. Hierdurch bedingt gestaltet sich eine Effektivitäts- kontrolle der Intensivmedizin pro- blematisch.

Wichtiger als eine Häufung teurer Geräte ist die fundierte Ausbil- dung des Personals, das sich des enormen Finanzierungsproblems einer Intensivstation stets bewußt sein sollte. Die Leitung der Inten- sivstation durch einen Erfahrenen, der sich in allen beteiligten Diszi- plinen ständig weiterbildet, ist un- abdingbare Voraussetzung für ih- ren nutzbringenden und damit se- gensreichen Einsatz.

Dr. med. Markus Heinemann Chirurgische Klinik des Krankenhauses Nordwest Steinbacher Hohl 2-26 6000 Frankfurt/Main 90

FÜR SIE GELESEN

Thiopental nach

Herz-Kreislauf-Stillstand

Untersuchungen zeigten, daß Ner- venzellen möglicherweise die übli- cherweise angenommene tolera- ble Ischämiezeit von vier bis sechs Minuten überleben können. Se- kundäre Schäden können viel- leicht verhindert werden. In einer randomisierten Multizentrum-Stu- die sollte der Einfluß von Thiopen- tal zur möglichen Verhinderung zerebraler Schäden nach schwe- rer Ischämie untersucht werden.

Insgesamt wurden 262 Patienten behandelt. Davon erhielten 131 Patienten zusätzlich zu einer stan- dardisierten Therapie bis zu 30 mg Thiopental pro kg Körpergewicht intravenös infundiert. Dies erfolg- te bei geeigneten Patienten maxi- mal bis 50 Minuten nach Wieder- herstellen spontaner Herz-Kreis- lauf- und Atemfunktionen. Das mittlere Alter der Patienten, vier Fünftel waren Männer, betrug 58 Jahre. In über 70 Prozent der Fälle war der Herz-Kreislauf-Stillstand kardial bedingt.

Mit Hilfe eines Scores erfolgte die Beurteilung der zerebralen Funk- tionen 48 bis 72 Stunden, 10 Tage, 1, 3, 6 und 12 Monate nach dem Herz-Kreislauf-Stillstand. Nach ei- nem Jahr waren 77 Prozent der Patienten der mit Thiopental be- handelten Gruppe und 80 Prozent der standardisiert behandelten Pa- tienten verstorben. Etwa 70 Pro- zent der Todesfälle in beiden Gruppen traten innerhalb des er- sten Monats nach Wiederbele- bung ein. Nach einem Jahr hatten sich 18 Prozent der zusätzlich mit Thiopental behandelten Patienten erholt und die zerebralen Funktio- nen erreicht, die sie vor dem Herz- Kreislauf-Stillstand hatten.

In der Gruppe mit Standard-Be- handlung waren es 15 Prozent. In beiden Gruppen zeigten 5 Prozent der Patienten nach einem Jahr dau- ernde neurologische Defizite. Auch die Häufigkeit eines erneuten Herz- Kreislauf-Stillstandes innerhalb der ersten 8 Stunden unterschied sich in beiden Gruppen nicht. Von den Patienten waren nach 10 Tagen 69 Prozent bzw. 74 Prozent und

nach einem Jahr 86 Prozent bezie- hungsweise 91 Prozentverstorben.

Die wesentliche Komplikation durch Thiopental ist eine anhal- tende Hypotension, die mit Vaso- pressoren korrigiert werden kann.

Zerebrale Krämpfe traten bei Pa- tienten, die zusätzlich mit Thio- pental behandelt worden waren, weniger häufig auf. Krampfanfälle hatten jedoch erstaunlicherweise keinen Einfluß auf den weiteren Verlauf.

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß Thiopental vorsichtig eingesetzt werden kann zur Sedie- rung, als Antikonvulsivum und zur Senkung des intrakraniellen Druk- kes. Aber Thiopental verringert nach den vorliegenden Ergebnis- sen nicht die cerebralen Schäden nach Wiederbelebung bei Herz- Kreislauf-Stillstand. kue

Abramson, N. S.: Randomized Clinical Study of Thiopental Loading in Comatose Survi- vorsm of Card iac Arrest, N. Engl. J. Med. 1986, 314: 397-403

BRCT Study Group, Resuscitation Center, Uni- versity of Pittsburgh, 3434 Fifth Ave., Pitts- burgh, PA 15260.

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 28/29 vom 11. Juli 1986 (53) 2025

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