• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Arzneimittelpreise: Am Aufwand und Nutzen orientieren" (26.03.2010)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Arzneimittelpreise: Am Aufwand und Nutzen orientieren" (26.03.2010)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Kontrollgruppe, in der keine akti- ve Implementierung durchgeführt worden war, sank der Anteil der leitliniengerecht behandelten Pa- tienten hinsichtlich dieser Indikato- ren. Auf die Krankenhausliegedau- er, die Gesamtmortalität und die CAP-bedingte Mortalität hatte die Intervention dagegen keinen Ein- fluss (7).

Dass kein größerer Effekt beob- achtet werden konnte, ist auf ver- schiedene Faktoren zurückzufüh- ren. Eine Befragung der teil - nehmenden Ärzte ergab, dass die Einstellung der Ärzte gegenüber Leitlinien grundsätzlich positiv war. Allerdings lasse die häusliche Situation es häufig nicht zu, den Patienten ambulant statt stationär zu behandeln. Andere Hürden, die zu Abweichungen von der Leitlinie führen, können möglicherweise auf einen Zwang zum schnellen Therapieerfolg oder regionale Ein- flüsse der Industrie zurückzufüh- ren sein oder einfach auch nur auf die Gewohnheit der Ärzte. Inten - sivere Maßnahmen zur Leitlinien - implementierung, wie Audits und/

oder Qualitätszirkel, könnten einen größeren Effekt auf Verhaltens- änderungen von Ärzten bei der Behandlung von CAP-Patienten haben (8). Intensivere Maßnahmen sind allerdings auch mit höheren Kosten verbunden. Die begrenzten Mittel, die für die Durchführung der vorliegenden Studie zur Verfü- gung standen, ließen die Durch- führung und Evaluation solcher Maßnahmen nicht zu. Festzuhalten bleibt jedoch, dass durch eine flächendeckende Implementierung der S3-Leitlinie „Infektionen der unteren Atemwege“ die Hetero - genität in der Behandlung von CAP-Patienten reduziert und damit langfristig Kosten eingespart wer-

den könnten. ■

Dr. rer. hum. biol. Maike Schnoor, Philipps-Universität Marburg, Klinik für Innere

Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie Dr. med. Tobias Schäfer MPH, Ratekau

Prof. Dr. med. Tobias Welte, Medizinische Hochschule Hannover, Abteilung Pneumologie

@

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit1210

A 542 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 107

|

Heft 12

|

26. März 2010

A

rzneimittelausgaben, Ärzteho- norare, Krankenhausbudgets:

Die Diskussion über Ausgaben und Vergütungen beherrscht wieder ein- mal das deutsche Gesundheitswe- sen. Im Vergleich zu den anderen Ausgabenblöcken der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ent- wickeln sich die Ausgaben für Arz- neimittel mit überdurchschnittli- cher Dynamik. Besonders die in Deutschland von den Anbietern frei bestimmbaren Preise für neue, pa- tentgeschützte Arzneimittel steigen und dominieren zunehmend die Arzneimittelausgaben.

Das Gesundheitswesen bietet keinen idealen Markt

Ein wesentlicher Grund dafür ist die fehlende Selbstregulation des Marktes im Gesundheitswesen. Zen- trales Merkmal der Marktwirtschaft ist die freie Preisbildung. Der Preis

einer Ware oder Dienstleistung wird von Nachfrage und Angebot be- stimmt und hat eine Gleichge- wichtsfunktion auf dem Markt. Zu- sammen mit einem freien Marktzu- gang für Anbieter und Nachfrager sowie einer allseitigen Transparenz der Preise entsteht in einem idealen Markt ein selbststeuernder Mecha- nismus mit hoher Effizienz.

Für Arzneimittel und das Ge- sundheitswesen sind zahlreiche die- ser Voraussetzungen nicht gegeben.

Auf notwendige Medikamente und medizinische Interventionen kann ein Patient in einer existenziell be- drohlichen Situation nicht verzich- ten. Er hat nicht die Freiheit, bei ei- nem zu hohen Preis seine Nachfra- ge einzuschränken. Doch gera- de diese Möglichkeit ist für die Preisbildung in ei- ner Marktwirtschaft es- senziell.

ARZNEIMITTELPREISE

Am Aufwand und Nutzen orientieren

Evidenzbasierter Nutzen, betriebswirtschaftliche Aufwandsberechnung und ein Marktpreisniveau sollten Erstattungsbasis für Arzneimittel sein.

Thomas Müller, Anja Schwalm

Fotos: Fo tolia

Müller, Abteilung Arzneimittel, Gemein- samer Bundesaus- schuss, Berlin Schwalm, Abteilung Fach beratung Medizin, Gemeinsamer Bundes- ausschuss, Berlin

(2)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 107

|

Heft 12

|

26. März 2010 A 543 Darüber hinaus besteht zwi-

schen Patienten als Nachfrager und den Anbietern beziehungswei- se Verordnern von medizinischen Leistungen und Medikamenten ein gravierendes Informationsungleich- gewicht. Dies macht eine sou ve räne Entscheidung schwierig bis unmög- lich. Hinzu kommt, dass besonders bei Arzneimitteln mit neuartigen patentgeschützten Wirkstoffen häu- fig eine Monopol- oder Oligopol- marktsituation vorliegt. Für eine spezi fische therapeutische Indika - tion können Patient und Arzt oft nicht auf andere Produkte auswei- chen. Eine ähnliche Marktsituation besteht bei hochspezialisierten ärzt- lichen oder medizintechnologischen Leistungen.

Zusätzlich ist das Gesundheits- wesen in Deutschland von einer komplexen Angebot-Nachfrage- Struktur geprägt. Dies führt da - zu, dass die in der freien Markt- wirtschaft entscheidenden Akteu- re Anbieter und Nachfrager auf verschiedene Institutionen und Gruppen aufgeteilt sind. Für Arz- neimittel bedeutet das: Der Patient benötigt das Medikament, hat also eine nichteinschränkbare Nach - frage, wählt das Produkt aber nicht selbst. Diese Entscheidung trifft in der Regel der Arzt. Beide bezahlen das Produkt nicht, son- dern nehmen am System der Krankenversicherung teil. Anbie- ter und preissetzend ist die pharma - zeutische Industrie, die ihre Pro- dukte über den Vertriebsweg Apo- theke an den Patienten abgibt. Die Krankenkassen bezahlen aus ihren als Pflichtbeitrag erhobenen Bei- tragsgeldern die Produkte und greifen zunehmend auch steuernd, zum Beispiel über Ausschreibun- gen und Rabattverträge, in die Pro- duktwahl ein.

Diese Faktoren führen dazu, dass der Markt versagt. Dies verhindert im Gesundheitswesen eine Regula- tion über einen sich frei bildenden und ausgleichenden Marktpreis.

Varianten der Vergütung bei medizinischen Interventionen Gesetzgeber und Selbstverwaltung in Deutschland haben eine Reihe von Vergütungsinstrumenten eta- bliert, die für das Gesundheitswe- sen quasi als Marktersatz die- nen. Die wesentlichen An- sätze sind:

Vergütung nach dem Aufwand (Kosten- ansatz): Sowohl in der stationären (Fallpau- schalen, DRGs) als auch in der ambu - lanten Versorgung (Einheitlicher Bewer- tungsmaßstab) orien- tiert sich die Vergütung an den Aufwendungen für die Behandlung. Dies gilt auch für innovative Leistungen wie neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Diese Instrumente sind mit Mechanismen zur Budgetdeckelung kombiniert, wie Richtgrößen bei Vertragsärzten oder Budgetverhandlungen bei Krankenhäusern. Die Pauschalen ba- sieren auf den Personal- und Sach- aufwendungen, Betriebs- und (im ambulanten Bereich) Investitions- kosten, wobei Wirtschaftlichkeitsre- serven mit einberechnet werden.

Vor aussetzung für diese Art der Ver- gütung ist die Kostentransparenz der Aufwendungen. Im DRG-System wird dies über die Datenlieferungen der Kalkulationskrankenhäuser an das DRG-Institut gewährleistet.

Vergütung nach der Ergebnis- oder Prozessqualität („Pay-for-Per- formance“-Konzept): Bisher ist dies nur teilweise bei Selektivverträgen realisiert, und auch dort lediglich in Form von Zuschlägen, wenn ent-

sprechende Qualitätsvorgaben er- füllt werden. Allerdings hat

man in den letzten Jahren ver- stärkt versucht, über Quali- tätssicherungsinstrumente die

Prozess- und Ergebnisquali- tät in die Vergütung einzu- beziehen.

Vergütung im direkten Preis- vergleich zu bereits verfügbaren, vergleichbaren Interventionen: Dies findet bei Ausschreibungen von Arzneimitteln mit dem gleichen Wirkstoff Anwendung. Es müssen jedoch vergleichbare Produkte mit Anbietervielfalt und -wettbewerb auf dem Markt verfügbar sein. In diesen Fällen wird der Preis in der GKV über Festbetragsgruppen reguliert.

Für Arzneimittel, die nicht in Festbetragsgruppen einzugliedern sind – in der Regel neu zugelassene

Arzneimittel mit patent- geschützten Wirkstoffen

–, werden die von der GKV zu bezahlenden

Preise zurzeit von der Industrie frei be- stimmt. Da Deutsch- land für viele Län- der Referenzland bei

der Preisfestsetzung für Arzneimittel ist, hat der hiesige Preis ei - ne wichtige Bedeutung über den deutschen Markt hinaus. Der Gesetzgeber hat mit dem § 31 Absatz 2 a des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) einen Höchstbetrag für nicht festbetrags- fähige Arzneimittel eingeführt, um die Ausgabensteigerung für neu zu- gelassene Medikamente mit patent- geschützten Wirkstoffen zu dämpfen und eine angemessene Vergütung dieser Arzneimittel zu sichern.

Grundlage des Höchstbetrags soll eine Kosten-Nutzen-Bewertung des Arzneimittels sein.

Vergütung nach der Zahlungs- bereitschaft in Bezug zu den patien- tenindividuellen Therapieergebnis- sen: Der Nutzen eines Arzneimittels aus Patientensicht und die Zah- lungsbereitschaft des Patienten be- ziehungsweise der Gesellschaft da- für werden in Deutschland bisher nicht berücksichtigt. Beispiel hier- für wäre eine Vergütung von Arz- neimitteln oder Technologien, die von den Kosten je gewonnenes Lebensjahr mit einer bestimmten Lebensqualität abhängig ist. Dies geschieht in Verbindung mit einer (impliziten) Grenze der Zahlungs- bereitschaft, dem sogenannte QALY- Threshold (1). Dieser gibt an, wie viel die Gesellschaft für ein Le-

(3)

A 544

bensjahr mit entsprechender Le- bensqualität zu zahlen bereit ist.

Voraussetzung dafür ist es, diesen Wert all gemeingültig zu ermitteln.

Methodische Probleme sind dabei die valide und reproduzierbare Be- wertung von Therapieergebnissen in monetären Einheiten sowie die Berücksichtigung der patientenindi- viduellen Präferenzen beziehungs- weise wie diese sich im Zeitverlauf verändern.

Preisstrategien der

pharmazeutischen Industrie Die klassische Preisfindung für Arz- neimittel in der Industrie erfolgt durch eine Vorkalkulation der Auf- wendungen (Deckungsbeitrag) mit Aufschlag einer Gewinnmarge. Ty- pische Kostenblöcke sind For- schung und Entwicklung, Lizenzen, Produktion und Vorprodukte, Ver- trieb und Marketing, Verwaltungs- kosten und Pharmakovigilanz. Bis in die 80er Jahre hat diese Form der Preisstrategie in der Industrie domi- niert. Die Kalkulation der Kosten wird betriebswirtschaftlich entschei- dend durch die Fixkosten, die Pro- duktionszahlen und das erwartete Marktpotenzial bestimmt. So kann beispielsweise bei gleichen Fixkos- ten die einzelne Tagesdosis eines Arzneimittels mit einem Markt von 100 000 Patienten erheblich günsti- ger kalkuliert werden als eine Tages-

dosis für einen Markt von 100 Pa- tienten.

In den letzten Jahren wurde die- ser kostenbasierte Ansatz bei pa- tentgeschützten Wirkstoffen abge- löst durch eine Preisfindung, die sich am individuellen Patientennut- zen und der Zahlungsbereitschaft orientiert (2, 3, 4). Das Preisniveau bei neu zugelassenen Arzneimitteln mit patentgeschützten Wirkstoffen hat sich dadurch von der Kosten- rechnung und dem Deckungsbei- trag weitgehend abgekoppelt.

Die Einführung des Konzepts der Quality Adjusted Life Years (QALYs) in Verbindung mit einer impliziten oder expliziten Ober- grenze der monetären Zahlungsbe- reitschaft, ausgedrückt als Kosten pro QALY (sogenannter QALY- Threshold), hat diese Entwicklung zusätzlich unterstützt. Beispielhaft ist die Bewertung von Arzneimit- teln durch das National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) im englischen Gesundheits- wesen. Die QALY-Zahlungsober- grenze bestimmt letztlich in der Rückrechnung den maximal für den Anbieter erzielbaren Preis (5, 6).

Liegt der Preisfindung die Zahlungsbereitschaft für ei- nen individuellen Patien- tennutzen zugrunde, bleiben Summen- effekte sowohl

auf Anbieter- (Industrie) als auch auf Abnehmerseite (Ausgabenent- wicklung, Budgeteinfluss) weitge- hend unberücksichtigt (7, 8). Tat- sächliche pharmazeutische Innova- tionen bei häufigen Krankheiten mit Preisen an der Grenze der Zah- lungsbereitschaft können die finan- zielle Stabilität des Gesundheitswe- sen schnell gefährden. Umgekehrt werden Arzneimittel für seltene Er- krankungen möglicherweise nicht mehr mit einem ausreichenden Deckungsbeitrag vergütet (9, 10).

Arzneimittel mit vergleichsweise einfachen chemischen Strukturen und kleinen Studienpopulationen kommen mit gleich hohen Preisen auf den Markt wie Arzneimittel mit hohen Produktions- und Studienkos- ten. Zusätzliche Indikationen für ei- nen Wirkstoff führen zu einem grö- ßeren Markt und könnten damit zu niedrigeren Einzelpreisen führen.

Die Orientierung allein an der Zah- lungsbereitschaft bedeutet jedoch, dass unabhängig von der Marktgrö- ße weiterhin ein sehr hoher Einzel- preis verlangt wird. Arzneimittel für zunächst kleine Patientengruppen konnten daher schrittweise durch weitere Indikationen bei anhaltend hohen Preisen Spitzenpositionen bei den Gesamtarzneimittelausgaben erreichen (sogenannte Nichebuster).

Preisfindung auf der Basis der Zahlungsbereitschaft Für die Anbieter entsteht durch die- se Art der Preisfindung ein wirt- schaftlich starker Anreiz, weitere Indikationen eines Wirkstoffs als ei- genständiges Fertigarzneimittel, even- tuell auch in Lizenzierung, zu ver- markten. Ein aktuelles Beispiel für diese Entwicklung ist die Vermark- tung der VEGF-Hemmer in der On- kologie und in der Ophthalmologie.

Darüber hinaus können sowohl die individuelle als auch die ge- sellschaftliche Zahlungsbereitschaft für nichtsubstituierbare Arzneimittel methodisch nicht befriedigend er- mittelt werden (11, 12). Es gibt für

existenziell notwendige Güter keine obere Begrenzung der

Zahlungsbereitschaft. Auch im englischen Gesundheits-

wesen wird neuerdings die ursprüngliche Schwelle Preise nach Be-

lieben – bei nicht patentgeschützten Arzneimitteln legt die Industrie die Preise selbst fest, ohne dass eine Re- gulation durch den Markt stattfindet.

Foto: Keystone

(4)

A 546 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 107

|

Heft 12

|

26. März 2010 pro QALY von circa 30 000 Pfund

für bestimmte, existenziell-bedrohli- che Situationen nach oben geöffnet („End-of-Life-Regelungen“) (13).

Der Wert eines individuellen Pa- tientennutzens, wie eines individu- ell gewonnenen Lebensjahres oder des Erhalts einer Organfunktion, ist weder im sozialgesetzlichen Rah- men des SGB V noch ethisch ver- tretbar exakt monetär quan- tifizierbar. Dadurch führt eine Arzneimittelvergü- tung, die sich an diesem fiktiven, prinzipiell aber nach oben unbegrenz- ten Wert orientiert, zu ei- ner Asymmetrie der Aus- gabenentwicklung im Ge- sundheitswesen. Arzneimittel dominieren deutlich gegenüber an- deren Ausgabenblöcken. Beispiels- weise wird die erfolgreiche Opera- tion eines entzündeten Blinddarms in keinem Gesundheitswesen nach der fiktiven, impliziten oder expli- ziten Zahlungsbereitschaft der Ge- sellschaft oder auch des einzelnen Patienten für die mit der Operation gewonnenen 30 bis 50 Lebensjahre vergütet. Die Preise insbesondere für nichtsubstituierbare Arzneimit- tel, wie in der Onkologie, sind da- gegen rasant gestiegen. Die US-ame- rikanische Krebsgesellschaft ASCO konstatiert auf ihrer Jahrestagung 2008 eine unmittelbare Gefährdung der qualitativ hochwertigen Patien- tenversorgung durch den Preisan- stieg bei onkologischen Arznei - mitteln (14–16). Der Arzneiverord-

nungsreport 2009 sieht in den pa- tentgeschützten Spezialpräparaten, mit hohen Preisen bei nur niedrigen Verordnungsanteilen, die entschei- denden Kostentreiber bei den Arz- neimittelausgaben der GKV.

An Kurzzeitinterventionen, wie bei der antibiotischen Pharmako- therapie einer Infektion oder eine

Impfung, werden die nega - tiven Konsequenzen einer Preisorientierung an der Zah- lungsbereitschaft für Präfe- renzwerte wie dem QALY deutlich. Da bei befristeten Inter-

ventionen der kumulative Nut- zengewinn in der gesundheits- ökonomischen Modellierung be- sonders hoch sein kann (ähnlich wie bei einer Appendizitisoperation), werden Arzneimittel in dieser Situati- on auch mit sehr hohen Tagesthe - rapiekosten als gesundheitsökono- misch „kosteneffektiv“ eingeschätzt.

An diesen Beispielen wird auch die vollständige Abkopplung der Arznei- mittelpreise von der Kostendeckung der Anbieter besonders deutlich, die nur in einem nichtidealen Markt wie dem Gesundheitswesen möglich ist.

Fazit

Vergütungsbetrags- und Preisfin- dung in der Medizin, vor allem für die Marktsegmente, die nicht von Anbietervielfalt und Wettbewerb geprägt sind, sollten auf messba- ren Aufwendungen der Anbieter sowie auf der qualitätsgesicherten Leistung, auch im Vergleich mit be- reits bestehenden Angeboten, beru-

hen. Beispielhaft ist das auf pau- schalierten Kostenkalkulationen be- ruhende DRG-System. Preise und Vergütungen sollten dagegen nicht vorrangig auf der Zahlungsbereit- schaft für Lebensqualitäts-Präfe- renzmaße wie dem QALY basieren.

Übertragen auf den Markt der Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen sollten

der nach der evidenzbasierten Medizin objektivierbare medizini- sche Nutzen des Arzneimittels

die quantifizierbaren Aufwen- dungen der Industrie

das Vergütungsniveau von im medizinischen (Zusatz-)Nutzen und in den Aufwendungen vergleichba- rer Interventionen

als Grundlage für die Vergü- tungsbeträge herangezogen werden.

Aufwendungen der Industrie könn- ten dabei pauschalierend berück- sichtigt werden, um keinen unver- hältnismäßigen bürokratischen Auf- wand zu verursachen. § 31 Absatz 2 a des SGB V zum Arzneimittel- höchstbetrag mit dem Satz „Dabei sind die Entwicklungskosten ange- messen zu berücksichtigen“ kann einen Hinweis auf die Orientierung des Höchstbetrags an den tatsächli- chen Aufwendungen geben.

Voraussetzung für eine an den Aufwendungen orientierte Vergü- tungsfindung bei Arzneimitteln sind eine höhere Transparenz der Kos- tenblöcke der industriellen Anbieter und der wissenschaftlichen Un - terlagen zum Nutzen beziehungs- weise Zusatznutzen des Arzneimit- tels. Die pharmazeutische Industrie muss gegenüber ihren wichtigsten Geschäftspartnern, der gesetzlichen Krankenversicherung und den ärzt- lichen Leistungserbringern, trans- parenter als bisher sowohl den Nut- zen (Studientransparenz) als auch ihre tatsächlichen Aufwendungen kommunizieren.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2010; 107(12): A 542–6

Anschrift für die Verfasser

Thomas Müller, Gemeinsamer Bundesausschuss, Abteilung Arzneimittel

Wegelystraße 8 10623 Berlin

E-Mail: Thomas.Mueller@g-ba.de

@

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit1210 Die sogenannten QALYs (Quality Adjusted Life

Years) werden genutzt, um die Ergebnisse medizini- scher Leistungen zu messen und zu vergleichen.

Dabei werden sowohl die Verlängerung der Lebens- zeit des Patienten durch eine Therapie als auch die Lebensqualität berücksichtigt. Die Lebensqualität wird anhand eines Nutzwertfaktors bewertet, der zwischen null für die denkbar schlechteste und eins für die bestmögliche Lebensqualität liegt. Der QALY errechnet sich aus der verbleibenden Lebenszeit multipliziert mit dem Nutzwertfaktor. Ein Beispiel:

Lebt ein Patient mit der Standardtherapie nur noch zwei Jahre bei einer Lebensqualität von 0,3, so hat

diese Behandlung einen QALY von 0,6. Eine neue Therapie, bei der der Patient doppelt solange mit einer Lebensqualität von 0,5 überlebt, hätte einen QALY von 2. Durch die neue Behandlung würde der Patient dementsprechend 1,4 QALY gewinnen.

Wie genau der Nutzwertfaktor ermittelt wer- den kann, ist allerdings umstritten, weshalb das IQWiG bisher eine Kosten-Nutzen-Bewer- tung aufgrund von QALYs ablehnt. Das briti- sche NICE führt jedoch solche Bewertungen schon durch. Dort gilt eine Arznei, die mehr als 30 000 Pfund pro QALY kostet, als nicht mehr kosteneffektiv. Dr. rer. nat. Marc Meißner

WAS IST EIN QALY?

(5)

A 5 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 107

|

Heft 12

|

26. März 2010

LITERATURVERZEICHNIS HEFT 12/2010, ZU:

ARZNEIMITTELPREISE

Am Aufwand und Nutzen orientieren

Evidenzbasierter Nutzen, betriebswirtschaftliche Aufwandsberechnung und Marktpreisniveau sollten Erstattungsbasis für Arzneimittel sein.

Thomas Müller und Anja Schwalm

LITERATUR

1. McCabe C, Claxton K, Culyer AJ: The NICE Cost-Effectiveness Threshold. Pharmacoe- conomics 2008; 26(9): 733–44.

2. Gregson N, Sparrowhawk K, Mauskopf J, Paul J: Pricing Medicines: Theory and Practice, Challenges and Opportunities.

Nature Reviews 2005; 4: 121–30.

3. Herrath v D, Ludwig WD, Thimme W (Hrsg.): Wie kommt ein Arzneimittel zu sei- nem Preis? (Teil 1). Der Arzneimittelbrief 2008; 42(4): 25–7.

4. Herrath v D, Ludwig WD, Thimme W (Hrsg.): Wie kommt ein Arzneimittel zu sei- nem Preis (Teil 2). Der Arzneimittelbrief 2008; 42(9): 65–7.

5. Birch S, Gafni A: Economists´ dream or nightmare? Maximizing health gains from available resources using the NICE guide- lines. Health Economics, Policy and Law 2007; 2: 193–202.

6. Claxton K, Lindsay AB, Buxton MJ et al.:

Value based pricing for NHS drugs: an op- portunity not to be missed?. BMJ 2008;

336: 251–4.

7. DiMasi JA, Grabowski HG: Economics of New Oncology Drug Development. J Clin Oncol 2007; 25(2): 209–16.

8. DiMasi JA, Hansen RW, Grabowski HG, Lasagne L: Cost of innovation in the phar- maceutical industry. Journal of Health Economics 1991; 10: 107–42.

9. Gericke CA, Riesberg A, Busse R: Ethical issues in funding orphan drug research and development. J Med Ethics 2005; 31:

164–8.

10. Hughes D: Rationing of Drugs for Rare Diseases. Pharmacoeconomics 2006; 24 (4): 315–16.

11. 12. McDonough CM, Tosteson ANA: Mea- suring Preferences for Cost-Utility Analy- sis. Pharmacoeconomics 2007; 25(2):

93–106.

12. Nuijten MJC: Pricing matrix model: dealing with uncertainty. Eur J Health Econ 2007;

8: 333–7.

13. National Institute for Health and Clinical Excellence: Appraising life-extending, end of life treatments. www.nice.org.uk, Ja- nuary 2009.

14. Bach PB: Limits on Medicare’s Ability to Control Rising Spending on Cancer Drugs.

N Engl J Med 2009; 360: 626–33.

15. Warren JL, Yabroff KR, Meekins A, Topor M, Lamont EB, Brown ML: Evaluation of Trends in the Cost of Initial Cancer Treat- ment. J Natl Cancer Inst 2008; 100(12):

888–97.

16. Winer E, Gralow J, Diller L et al.: Clinical Cancer Advances 2008: Major Research Advances in Cancer Treatment, Preventi- on, and Screening – A Report from the American Society of Clinical Oncology. J Clin Oncol 2008; 27: 812–26.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Berichte über allergische Reaktionen, darunter auch schwere Schockreaktionen, weisen auf eine gegenüber ande- ren Lokalanästhetika hö- here allergene Potenz von Procain hin..

Der Vorschlag, Ge- brauchsinformationen für Fachkreise an die entspre- chenden Ärzte immer dann zu verschicken, wenn sich der Text dieser Information geän- dert hat, ist

Nach einem Jahr hatten sich 18 Prozent der zusätzlich mit Thiopental behandelten Patienten erholt und die zerebralen Funktio- nen erreicht, die sie vor dem Herz-

Zur Be- wertung von Acetylsalicyl- säure muß, wie in Stock- holm ebenfalls durch eine Fall-Kontroll-Studie nach- gewiesen, von einem we- sentlich höheren Risiko für die

2 SGB V ist weiterhin festgelegt, dass die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam und einheit- lich mit der Deutschen Krankenhausge- sellschaft und

(2) Die Nutzenbewertung nach § 35a Absatz 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch wird durchgeführt für erstattungsfähige Arzneimittel mit Wirkstoffen, die keine neuen Wirkstoffe im

Für Arzneimittel, die nicht der Standardpackung entsprechen, ergibt sich der Festbetrag in Deutscher Mark durch Multiplikation des Festbetrages der Standardpackung mit dem Ergebnis

Die Gegner der Regelung halten diese für verfassungs- widrig, weil eine besondere Konfliktlage nach den neuen Bestimmungen nicht nachge- wiesen werden muß. Sie