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ie biosyn Arzneimittel GmbH ist ein kleines und noch junges biotech- nologisch ausgerichtetes Phar- maunternehmen, das sich vor allem der Entwicklung neuer Therapeutika und Diagnosti- ka für die Onkologie sowie für die Intensiv- und Umweltme- dizin verschrieben hat. Der„Mittelständler“ mit einer Tochterfirma in den USA be- schäftigt derzeit etwa 70 Mit- arbeiter und erzielte im ver- gangenen Jahr einen Umsatz von 26 Millionen DM, wovon etwa 20 Prozent für präklini- sche und klinische Forschung ausgegeben werden.
Schwerpunkt ist die Ent- wicklung innovativer Arznei- mittel, die das Wachstum von Metastasen hemmen, die Im- munabwehr mobilisieren und die Lebensqualität der Pati- enten verbessern. Finanziert werden diese Aktivitäten durch die erfolgreiche Ver- marktung von Mineral- und Spurenelementen, Selenprä- paraten, komplementären Im- mun- und Biomodulatoren so- wie generischen Zytostatika.
Im Programm befinden sich auch ein humanes Interferon und ein Immuntest.
Das heute in Fellbach an- sässige Unternehmen wurde 1984 als eine der ersten Grün- derfirmen im neuen Techno- logiezentrum in Stuttgart-Vai- hingen gegründet. Die Ver- bindung zwischen naturheil- kundlicher Komplementärme- dizin und der herkömmlichen Standardtherapie in der On- kologie stellt nach Darstellung von Dr. Thomas Stiefel (Ge- schäftsführer) das Integrative Konzept in der Onkologie her, mit dem das Unternehmen vor allem auf die Bedürfnisse von Patienten reagiert.
Dass viele Patienten neben der Schulmedizin auch natur- heilkundliche Präparate an- wenden, gehöre zur Realität, erläutert Stiefel. „Wir sitzen als Firma mit unseren Pro- dukten irgendwo zwischen den Stühlen.“ Ziel des inte- grativen onkologischen Kon- zeptes ist die Konditionierung des Immunsystems, die Redu- zierung von Nebenwirkungen einer Krebsbehandlung sowie
die Verringerung der Rezidiv- und Metastasierungsrate. Da- für stellt das Unternehmen den Ärzten Therapieschema- ta als Ergänzung zu onkologi- schen Standardtherapien zur Verfügung.
Da sich ohnehin etwa 70 Prozent der Krebspatienten auch mit komplementärmedi-
zinischen Produkten und meist ohne Wissen des behan- delnden Arztes versorgen, las- se sich durch ein standardisier- tes Vorgehen mithilfe natur- heilkundlicher Produkte für die Patienten mehr Lebens- qualität und eine bessere Compliance erzielen. Mit dem Begriff „Alternativmedizin“
möchte das Fellbacher Unter- nehmen jedoch keinesfalls as- soziiert werden, „da wir mit unseren Forschungsaktivitä- ten auf etablierte naturwissen- schaftliche Ansätze bauen“, betont Stiefel.
Kalifornische Meeresschnecke Mehrere Millionen DM hat das Unternehmen in den ver- gangenen Jahren für For- schungen an dem Wirkstoff Immunocyanin ausgegeben, dessen antitumorale Wirkung seit 1973 bekannt ist. Immu- nocyanin wird aus dem Sauer- stofftransportprotein einer ka-
lifornischen Meeresschnecke, der Schlüssellochschnecke (Megathura crenulata), ge- wonnen, die im Pazifischen Ozean in etwa 40 Meter Mee- restiefe lebt. Die Gensequenz des Proteins wurde 1999 zu- sammen mit einer Arbeits- gruppe um Prof. Jürgen Markl (Universität Mainz) aufge-
schlüsselt und patentiert. Er- ste Teilstrukturen werden in- zwischen rekombinant herge- stellt.
Seit 1997 ist die Substanz (Immucothel®) in den Nie- derlanden zur Rezidivpro- phylaxe beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom zuge- lassen. Die Verringerung der Rezidivrate liegt bei etwa 40 Prozent. Die Zulassung für Deutschland ist beantragt.
Darüber hinaus wird Immu- nocyanin unter der Bezeich- nung Vacmune® als Träger- molekül für verschiedene An- tigene von therapeutischen Impfstoffen, die in den USA und Kanada entwickelt wer- den, verwendet.
Um die Forschungen an der fast faustgroßen kaliforni- schen Meeresschnecke, über die Zoologen auch heute noch wenig wissen, überhaupt erst zu ermöglichen, seien umfang- reiche und jahrelange Vorar- beiten etwa zur Ernährung
und zur notwendigen Quali- tät des Wassers erforderlich gewesen, berichtet Ortwin Kottwitz (biosyn). Inzwischen gibt es in Frankreich eine ei- gene Zucht, und in Fellbach wird eine große Meerwasser- aquarienanlage mit einer aus- gefeilten Regel- und Steue- rungstechnik betrieben.
Zur Herstellung des Wirk- stoffs Immunocyanin muss je- de Schnecke unter Kältenar- kose von Hand punktiert wer- den, um so die Hämolymphe zu gewinnen. Dazu wurde ein sehr aufwendiges Herstel- lungsverfahren entwickelt, das die sterile Entnahme der Flüs- sigkeit ermöglicht. Dabei kann von einer Schnecke etwa so viel Substanz gewonnen wer- den, wie für die Behandlung eines Patienten mit dem dar- aus gewonnenen Wirkstoff Immunocyanin im Laufe ei- nes Jahres benötigt wird.
Verwendet werden die Moleküle des Blutfarbstoffs (Keyhole limpet hemocyanin, KLH) der Schnecke, der we- gen des hohen Kupfergehalts blau ist. Das immunologisch aktive Eiweiß wirkt als Anti- gen und gehört zu den poten- testen Aktivatoren der zel- lulären und humoralen Ab- wehr.
In Phase III der klinischen Prüfungen befindet sich der- zeit eine Substanz zur Reduk- tion von Lebermetastasen bei gastrointestinalen Tumoren.
Geforscht wird außerdem an der Mistel mit der Absicht, rei- nes Mistellektin 1 zur gezielten Immunmodulation isolieren und herstellen zu können. An der „Schwelle zur Schulmedi- zin“, so Stiefel, befindet sich Selen: In der Intensivmedizin führe eine frühe und hoch do- sierte Gabe von Selen (Se- lenease®) zu einer signi- fikanten Verringerung der Sterblichkeit durch Sepsis, Myokardinfarkt oder akuter Pankreatitis. Weitere Indika- tionen für eine Selentherapie in der Intensivtherapie sind nach Unternehmensangaben Polytraumata, Schädel-Hirn- Verletzungen, Verbrennungen und Zustände, die eine voll- ständige parenterale Ernäh- rung erfordern. Jürgen Stoschek V A R I A
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 30½½½½27. Juli 2001 AA1983
biosyn Arzneimittel
Integratives Konzept in der Onkologie als Ziel
Unternehmen
Ein wertvoller „Lieferant“ für das Integrative Konzept in der Onkologie: ka- lifornische Meeresschnecke (Megathura crenulata) Foto: biosyn