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Archiv "HMG-CoA-Reductase-Hemmer LDL-Cholesterin sinkt spektakulär" (05.11.1987)

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PHARMAFORSCHUNG

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

E

in Pilz hat die Vorarbeit ge- leistet für die Entwicklung ei- ner neuartigen Klasse von Li- pidsenkern, von denen ein entschei- dender Fortschritt in der Primärprä- vention der koronaren Herzkrank- heit erwartet wird. Die Rede ist von den HMG-CoA-Reductase-Hem- mern, die den geschwindigkeitsbe- stimmenden Schritt der Cholesterin- Biosynthese inhibieren und so — bis- lang das weitaus beste Ergebnis ei- ner Monotherapie — das atherogene LDL-Cholesterin um 30 bis 45 Pro- zent reduzieren.

1976 wurde aus dem Schimmel- pilz Penicillium citrinum das Stoff- wechselprodukt Compactin isoliert, welches die HMG-CoA-Reductase als Schlüsselenzym der Cholesterin- Synthese kompetitiv blockiert; und 1980 folgte die Entdeckung von Lo- vastatin, einem bezüglich dieser pharmakologisch interessanten Ak- tivität noch potenteren Metaboliten des Pilzes Aspergillus terreus. Inzwi- schen hat die amerikanische Ge- sundheitsbehörde FDA für Lovasta- tin als erstem Vertreter der neuen Wirkstoffklasse die Zulassung er- teilt.

Das Lovastatin-Derivat Symva- statin, das die Firma MSD Sharp und Dohme, München, in der Bun- desrepublik einführen wird, befindet sich derzeit in Phase III der klini- schen Prüfung

Das Wirkprofil der HMG-CoA- Reductase-Hemmer im Detail: Das Gesamt-Cholesterin verringert sich um 20 bis 35 Prozent und das LDL- Cholesterin (low density lipopro- tein) um 30 bis 45 Prozent, während das protektive HDL-Cholesterin (high density lipoprotein) um 10 bis 15 Prozent steigt. Die Triglyzeride gehen unter der Behandlung um 10 bis 22 Prozent zurück, und für das Apoprotein B werden Abnahmen um 20 bis 35 Prozent beobachtet.

Ihre Wirkweise macht die HMG-CoA-Reductase-Hemmer zu physiologisch sinnvollen Therapeuti- ka für Hypercholesterinämien unter- schiedlicher Genese. Gemeinsam ist nämlich der Mehrzahl derartiger Fettstoffwechsel-Störungen, daß ein Anstieg der intrazellulären Chole- sterin-Konzentration zu einer Down-Regulation der LDL-Rezep-

HMG-CoA-Reductase-Hemmer

LDL-Cholesterin sinkt spektakulär

toren führt, die in besonders großer Zahl auf der Oberfläche der Leber- zellen anzutreffen sind. In der Folge wird aus dem Blut weniger LDL- Cholesterin abgezogen, dessen Be- teiligung als Substrat an der Ent- wicklung der Arteriosklerose heute, wenn auch nicht restlos geklärt, so doch als gesichert gilt.

Je nachdem, wieviel Cholesterin intrazel- lulär durch LDL-Aufnahme bzw. Neusyn- these via HMG-CoA verfügbar ist, wird die Dichte der LDL-Rezeptoren auf den Le- berzellen herauf- oder herunterreguliert

Der intrazelluläre Cholesterin- Pool — Richtgröße eines mehrfach rückgekoppelten Regelkreises — wird aus verschiedenen Quellen ge- speist: durch die Cholesterin-Neu- synthese, durch die Aufnahme von im Blut zirkulierenden LDL-Parti- keln und durch die Aufnahme zirku- lierender Reste von Chylomikronen, welche mit der Nahrung zugeführtes Cholesterin enthalten. Bei einem — wie auch immer verursachten — Rückstau von Cholesterin in den Le- berzellen wird nicht nur via Fein- steuerung der Rezeptordichte die Extraktion von LDL-Cholesterin aus dem Blut gedrosselt, sondern es wird außerdem auch die Aktivität der HMG-CoA-Reductase und da-

mit die Cholesterin-Synthese herab- gesetzt.

Die HMG-CoA-Reductase- Hemmer forcieren also einen zellei- genen Regelmechanismus, indem sie durch Induktion eines intrazellulä- ren Cholesterin-Mangels die Dichte der LDL-Rezeptoren heraufregulie- ren. Die LDL-Clearance wird er- höht, die LDL-Spiegel gehen zu- rück.

Rund achtzig Prozent der Hy- percholesterinämien lassen sich über den LDL-Rezeptor beeinflussen, da ihnen eine strukturell oder regulato- risch bedingte Rezeptorsuppression zugrunde liegt.

Klassisches Beispiel für eine derartige strukturelle Anomalie ist der genetische LDL-Rezeptordefekt bei familiärer Hypercholesterinämie (FH).

Seit den bahnbrechenden Ar- beiten der Nobelpreisträger Brown und Goldstein über den LDL-Re- zeptor im allgemeinen und dessen Defekt bei FH im besonderen ist es gelungen, diese Stoffwechsel-Er- krankung auf molekularer Ebene noch weiter zu entschlüsseln. Dabei hat sich herausgestellt: Die familiäre Hypercholesterinämie ist eine hete- rogene Krankheit. Wie Ende Au- gust bei einem internationalen FH- Symposium in Oslo berichtet wurde, sind derzeit zehn verschiedene Mu- tationen des auf Chromosom 19 lo- kalisierten LDL-Rezeptorgens be- kannt, die dazu führen, daß entwe- der gar keine oder nur wenige oder defekte Rezeptoren produziert wer- den.

Die Folge ist in jedem Fall ein dramatischer Anstieg des LDL-Cho- lesterins, der die frühzeitige Ent- wicklung einer koronaren Herz- krankheit nach sich zieht. Bei hete- rozygoten Patienten treten erste Myokardinfarkte im frühen Erwach- senenalter auf, bei Homozygoten so- wie bei Doppeltheterozygoten (Trä- ger zweier verschiedener Mutatio- nen) bereits in der Kindheit oder während der Adoleszenz.

Mit den HMG-CoA-Reducta- se-Hemmern scheint in der The- rapie der familiären Hypercho- lesterinämie ein Durchbruch mög- lich: Bei heterozygoten Patienten läßt sich mit den neuartigen Pharma- A-3058 (72) Dt. Ärztebl. 84, Heft 45, 5. November 1987

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ka ein Abfall des LDL-Cholesterins um vierzig Prozent herbeiführen, und durch Kombination mit einem Ionenaustauscherharz kann dieser Effekt sogar bis auf sechzig Prozent gesteigert werden. Inzwischen wer- den Behandlungszeiträume von fünf Jahren überblickt: Die Wirksamkeit ist dauerhaft.

Bei homozygoten und bei thera- pieresistenten heterozygoten Patien- ten wird die LDL-Apherese einge- setzt, wobei sich der lipidsenkende Effekt durch die adjuvante Gabe von HMG-CoA-Reductase-Hem- mern verstärken läßt. Derzeit wird geprüft, inwieweit die Entwicklung der Koronarsklerose mit einem der- art aggressiven Regime beeinflußt werden kann. Erste Ergebnisse sind vielversprechend. So beobachtete G. R. Thompson, London, unter der kombinierten Anwendung von LDL-Apherese und Lovastatin bei FH-Patienten mit schwerer korona- rer Herzkrankheit eine deutliche Besserung der Symptome und der Leistungsfähigkeit sowie eine deut- liche Abnahme der Ischämiezeichen im Belastungs-EKG. Als ultima ra- tio ist bei homozygoten Patienten ei- ne Lebertransplantation zu erwägen

— die LDL-Rezeptor-Kapazität läßt sich dadurch auf 63 Prozent der Normwerte anheben.

Entscheidend für die KHK-Prä- vention durch eine lipidsenkende Therapie bei FH-Patienten ist der frühe Behandlungsbeginn. Im Hin- blick darauf stellen HMG-CoA-Re- ductase-Hemmer nicht nur aufgrund ihrer hohen Effizienz, sondern auch wegen der guten Akzeptanz durch die Patienten einen Fortschritt dar.

Während es mit Ionenaustauscher- harzen — bislang Therapeutika der Wahl bei familiärer Hypercholeste- rinämie — zu erheblichen Complian- ceproblemen kommt, weisen erste Erfahrungen darauf hin, daß auch Kinder die neuartigen Medikamente gut annehmen. In Langzeit-Studien muß jetzt deren genaues Nutzen-Ri- siko-Profil insbesondere bei jungen Patienten ermittelt werden.

Den bislang vorliegenden Daten zufolge können unter HMG-CoA- Reductase-Hemmern die Transami- nasen bis auf das Dreifache der Normwerte ansteigen. Symptomati-

sche Leberschäden wurden aber nicht gesehen, so daß sich nach An- sicht der Experten das Risiko durch engmaschige Kontrollen der Leber- enzyme in der Anfangsphase der Therapie minimieren läßt.

Da im Tierversuch unter hohen Dosen Lovastatin Katarakte auftre- ten, wurde bei den klinischen Prü- fungen auf diese mögliche Neben- wirkung besonders geachtet. Eine Studie an 431 Patienten ergab nach durchschnittlich neun Monaten Lo- vastatin-Therapie keine erhöhte Prävalenz der Linsentrübung.

Insgesamt zeichnet sich für die HMG-CoA-Reductase-Hemmer be- reits ein sehr günstiges Nutzen-Risi- ko-Profil ab; der zu erwartende Nut- zen im Sinne der KHK-Prävention

HMG-CoA-Reductase-Hemmer und Ionen- austauscherharze verringern auf unter- schiedlichem Wege die intrazelluläre Cholesterin-Konzentration und regulieren so die Dichte der LDL-Rezeptoren herauf dürfte die Nebenwirkungen bei wei- tem überwiegen. Da es sich um eine lebenslange Therapie handelt, ist dieser Aspekt von besonders großer Wichtigkeit.

Daß sich durch eine konsequen- te Behandlung der Hypercholeste- rinämie eine effektive Primärprä- vention der koronaren Herzkrank- heit und damit des Myokardinfarkts betreiben läßt, darüber besteht heu- te kein Zweifel mehr. Wie B. M.

Rifkind, Bethesda, USA, beim in- ternationalen Symposium „Chole- strol Control and Cardiovascular Diseases: Prevention and Therapy"

Anfang Juli in Mailand berichtete, liegt inzwischen eine erste kontrol- lierte Untersuchung vor, in der un-

ter der cholesterinsenkenden Thera- pie mit einem Ionenaustauscherharz koronarangiographisch eine verzö- gerte Entwicklung arterioskleroti- scher Läsionen verifiziert werden konnte. Dieser Befund ergänzt das Ergebnis der prospektiven LRC- CPPT-Studie, welche exemplarisch unter Cholestyramin gegenüber Pla- zebo eine deutlich geringere KHK- Morbidität und -Mortalität nachge- wiesen hat.

Bereits wesentlich niedrigere Cholesterinspiegel, als lange Zeit angenommen wurde, sind mit einem deutlichen Anstieg des koronaren Risikos verbunden und bedürfen der ärztlichen Aufmerksamkeit. Bei Werten zwischen 200 und 250 mg/dl

— das hat die großangelegte MrFit- Studie gezeigt — steigt das Risiko auf das Doppelte, bei höheren Werten erfolgt der Anstieg dann exponen- tiell. Die familiäre Hypercholeste- rinämie ist nur die Spitze des Eis- bergs. Es gibt eine ganze Reihe ge- netischer Defekte, die das atheroge- ne LDL-Cholesterin ansteigen las- sen. G. Assmann, Münster, erklärte in Mailand, daß man diesen geneti- schen Defekten hart auf den Fersen ist. Einen entscheidenden Einfluß auf die Konzentration des LDL- Cholesterins besitzen neben dem LDL-Rezeptor-Gen offenbar das Gen für die HMG-CoA-Reductase und die Gene für die Apoproteine B und E, mit denen sich Lipoproteine an den LDL-Rezeptor binden.

Das gar nicht mehr so weit ent- fernte Ziel: Mit Hilfe derartiger ge- netischer Marker — sprich: speziellen Mutationen der genannten Gene — sollen frühzeitig Personen mit einem hohen Infarktrisiko identifiziert und einer „Behandlung" zugeführt wer- den. Vor allem durch eine entspre- chende Lebensweise, so hoffen die Kardiologen, müßte sich eine gene- tische Prädisposition zumindest teil- weise kompensieren lassen. Die Er- folge, die bei einer gezielten Ge- sundheitserziehung machbar schei- nen, sind beträchtlich. Denn das ha- ben alle vorliegenden Studien über- einstimmend gezeigt: Jede Senkung des Serum-Cholesterins um ein Pro- zent bringt eine Reduktion des koro- naren Risikos zum zwei Prozent.

Ulrike Viegener A-3060 (74) Dt. Ärztebl. 84, Heft 45, 5. November 1987

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