Der Verbraucher wünscht sich heute Naturmittel für alle seine Leiden. Diesen Trend hat die Medizin lange igno- riert, ja sich ihm sogar wider- setzt. Bei Schlafstörungen, die akut oder intermittierend auf- treten und leicht bis mittel- schwer ausgeprägt sind, haben Phytopharmaka durchaus ih- re Berechtigung. Ihre schlafin- duzierende Wirkung ist zwar schwächer als die chemischer
„Antiinsomnika“. Doch eine Reihe von Vorteilen wiegt dies in vielen Fällen auf, wie Prof. Eckart Rüther (Göttin- gen) auf einer Pressekonfe- renz in München ausführte.
Zu den positiven Eigen- schaften von pflanzlichen Schlaf- und Beruhigungsmit- teln zählt Rüther, daß sie kein Abhängigkeits- und Sucht- potential besitzen, keine Ab- setzeffekte mit sich bringen, eine große therapeutische Breite aufweisen, altersneu- tral anwendbar sind, keine Nebenwirkungen und Inter- aktionen induzieren, das natürliche Schlafmuster nicht verändern und den Patienten am Tag nicht beeinträchtigen.
Laut Prof. Rudolf Bauer (Düsseldorf) haben rund 20 Arzneipflanzen sedative Ef- fekte. Davon sind zehn posi- tiv monographiert (siehe Ta- belle). Ausdrücklich positiv bewertet wird auch die Kom- bination aus Hopfenzapfen, Melissenblättern und Baldri- anwurzeln, die zum Beispiel in dem Extrakt Sedacur® (Schaper & Brümmer) ent- halten ist. Durch die Kombi-
nation wird eine additive Wirkung im Vergleich zu den Einzelkomponenten erzielt.
Baldrianextrakt wirkt be- ruhigend und angstlösend. Im Experiment vermindert er die Motilität von Versuchstie- ren um 30 bis 50 Prozent, ver- längert die Thiopental- Schlafzeit um den Faktor 1,6 und senkt den Glukosever- brauch im Gehirn. Auch für einzelne Inhaltsstoffe von Baldrianwurzeln sind be- stimmte Wirkungen experi- mentell nachgewiesen. Die Bestandteile des ätherischen Öls (Valeranon, Valerenal) reduzieren die Motilität der Versuchstiere um 50 Prozent.
Valerensäure wirkt ZNS- dämpfend, spasmolytisch und muskelrelaxierend und hemmt in vitro den GABA- Abbau. Valtrat vermindert die Beta- und steigert die Del- ta-Aktivität im EEG; außer- dem bindet der Stoff an D1- Rezeptoren. Das erst kürzlich entdeckte Lignan-1-Hydroxy- pinoresinol bindet im Gehirn an 5HT-Rezeptoren.
Die Hauptinhaltsstoffe von Hopfenzapfen sind die in- stabilen Bitterstoffe Humu- lon, Lupulon und ätherisches Öl. Als Wirkstoff wird Me- thylbutenol diskutiert, ein flüchtiges Abbauprodukt aus Bitterstoffen mit stark beru- higender Wirkung, welches chemisch eine ähnliche Struk- tur aufweist wie die chemi- sche Substanz Methylpenti- nol (Allotropal). Im Tierex- periment verlängert Methyl- butenol die Narkoseschlaf-
zeit. Melissenblätter enthal- ten ein sedierend wirksames ätherisches Öl mit den Be- standteilen Citronellal, Citro- nellol, Linanool und Citral, für die sedierende und zen- tralnervös dämpfende Effek- te nachgewiesen wurden. In jedem Falle gilt jedoch, daß weniger die Einzelkompo- nenten als vielmehr der Ge- samtextrakt als Wirkprinzip zu betrachten ist.
In einer Anwendungsbe- obachtung wurden über 500 Patienten mit Sedacur® be- handelt, berichtete Dr. Mar- tin Adler (Siegen), der selbst 30 dieser Patienten betreute.
Die Patienten litten an nervö- ser Unruhe oder Ein- und Durchschlafstörungen. In- nerhalb von zehn bis 14 Ta- gen wurden Responseraten
von etwa 80 Prozent beob- achtet. Zwischen 20 und 30 Prozent der Patienten waren von ihrem Problem ganz befreit worden. Vigilanz und Leistungsbereitschaft nah- men unter der Therapie deut- lich zu.
Dr. med. Angelika Bischoff
A-686 (66) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 11, 14. März 1997
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
Pflanzliche Sedativa
Schlafinduktion ohne Interaktionen
Arzneipflanzen mit sedativer Wirkung:
Hopfenzapfen Johanniskraut Lavendelblüten Wolfstrappkraut Melissenblätter Passionsblumenkraut Kava-Kava-Wurzel- stock
Rauwolfia-Wurzel Baldrianwurzel
Zum ersten Mal wurde jetzt auch in einer angiogra- phisch kontrollierten Studie belegt, daß KHK-Patienten mit normalem bis mäßig er- höhtem LDL-Cholesterin von der Therapie mit einem Statin, wie die HMG-CoA-Redukta- se-Hemmer vereinfacht be- zeichnet werden, profitieren.
Die Zunahme vorhandener Stenosen und die Neubildung neuer Läsionen war statistisch signifikant geringer als in der Kontrollgruppe, und bei etwa doppelt so vielen Patienten kam es zu einer Regression der atherosklerotischen Ver- änderungen, so Prof. Antonio Gotto (Houston). In die Stu- die „Lipoprotein and Coro-
nary Atherosclerosis“ waren 429 Patienten im Alter zwi- schen 35 und 75 Jahren einge- schlossen worden.
Progression verlangsamt
Voraussetzungen waren eine koronare Herzkrankheit mit angiographischem Nach- weis von mindestens einer Koronarstenose und ein LDL-Cholesterin zwischen 115 bis 190 mg/dl. Ein Myo- kardinfarkt mußte länger als sechs Monate zurückliegen, es durfte keine Bypass-Ope- ration oder Stent-Implantati-
HMG-CoA-Reduktase-Hemmer
Fluvastatin auch bei
Norm-LDL effektiv
on und maximal eine Angio- plastie durchgeführt worden sein. Nach einer zehnwöchi- gen Diät-Vorlaufphase lag die mittlere LDL-Konzentra- tion bei 145,9 mg/dl. Doppel- blind randomisiert, erhielten die Patienten dann entweder zweimal täglich 20 mg Fluva- statin oder Plazebo. Die 107 Studienteilnehmer mit einem LDL über 160 mg/dl nahmen
aus ethischen Gründen zu- sätzlich Cholestyramin (im Mittel 8 mg) ein. Die Kon- trollangiographie nach zwei- einhalb Jahren ergab, daß in der Verumgruppe der mini- male Durchmesser der Koro- nararterie im Mittel nur um 0,028 mm zugenommen hat- te, in der Kontrollgruppe da- gegen um 0,1 mm. Eine athe- rosklerotische Neubildung
wurde bei 22 Fluvastatin- und bei 37 Plazebo-Patienten be- obachtet. Zur Regression war es unter Verum in 14,6 Pro- zent und unter Plazebo in 8,3 Prozent der Fälle gekommen.
Die morphologischen Befun- de waren unabhängig von der Höhe des LDL-Ausgangs- werts. Gleichzeitig wurden auch die unter anderen Stati- nen dokumentierten positi-
ven Auswirkungen auf die Klinik bestätigt. Gesamtleta- lität und kardiovaskuläre Er- eignisse (Myokardinfarkte, stationär behandlungsbedürf- tige Angina pectoris, Bedarf an revaskularisierenden Maß- nahmen) waren bei den mit Fluvastatin behandelten Pati- enten um etwa ein Drittel sel- tener als in der Kontrollgrup- pe. Gabriele Blaeser-Kiel
A-687 Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 11, 14. März 1997 (67)
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
Kurz informiert
Allergie-Infoline – Rhône- Poulenc Rorer bietet auf CD- ROM Informationen über Al- lergien und Asthma für Pati- enten an. Das Unternehmen hat bewußt das Medium CD- ROM gewählt, da es beson- ders die Gruppe der jüngeren Allergiker anspricht. Jeder CD liegt ein Informationsheft über die Inhalte bei, in dem der Anwender auch die Instal- lationshinweise für seinen PC erfährt. Die CD-ROM wird zu einer Schutzgebühr von 19,80 DM angeboten: Rhône-Pou- lenc Rorer, Fisons Arzneimit- tel, Albrecht Habicht, Natter- mannallee 1, 50829 Köln. pe
Verlängerung der Hepati- tis-B-Patente – Das Unter- nehmen Biogen erwartet, daß seine Hepatitis-B-Patente in Europa bis ins nächste Jahr- tausend hinein verlängert wer- den, nachdem ein europäi- sches Gerichtsverfahren kürz- lich positiv für Biogen verlau- fen ist. Der Europäische Ge- richtshof hat in einem Fall um die Verlängerung von Biogens europäischen Hepatitis-B-An- tigen-Patenten die Gesetze zugunsten des Unternehmens ausgelegt. Aufgrund dieser Auslegung ist zu erwarten, daß die europäischen Mit- gliedsstaaten für Biogens komplettes Hepatitis-B-Pa- tentportfolio eine Verlänge- rung je nach Marktlage um ein bis fünf Jahre über das ur- sprüngliche Datum hinaus aussprechen werden. KI
Valtrex® – Das Präparat Valtrex® (Valaciclovirhydro- chlorid) zur Therapie des Herpes zoster wird, so teilt
das Unternehmen Glaxo Wellcome mit, um eine neue Darreichungsform erweitert:
Valtrex®S, Filmtabletten. Es handelt sich um eine spezielle Zubereitung zur Therapie des HSV1- und HSV2-bedingten Herpes genitalis. Empfohlen wird die zweimal tägliche Ga- be je einer Filmtablette 500 mg Valaciclovir über fünf Ta- ge bei der Rezidiverkrankung und über zehn Tage bei der Primärinfektion.
Exeu® – Das Unterneh- men Biocur Arzneimittel (Hexal) bietet zur Behand- lung von Erkältungskrank- heiten der Atemwege das neue pflanzliche Präparat Exeu®an. Die Kapseln ent- halten 200 mg Eukalyptusöl.
Die Packungen werden mit 20 und 50 Kapseln angeboten.
Omeril®– Die Bayer Vital GmbH & Co. KG, Leverku- sen, teilt mit, daß die Abgabe des Antihistaminikums Ome- ril® Dragees zum 1. Januar 1997 eingestellt wurde.
Zulassung der AUC-Do- sierung für Carboplat®–Das Bundesinstitut für Arzneimit- tel und Medizinprodukte hat Carboplat® (Bristol-Myers Squibb) für eine Dosierung nach AUC (Area Under the Curve) zugelassen. Damit ist im Gegensatz zur bisherigen Standardmethode, die sich auf die Körperoberfläche bezieht, eine individuelle Dosierung von Carboplatin beim Er- wachsenen möglich. Carbopla- tin ist ein Cisplatin-Analogon, das vor allem zur Behandlung von Ovarialkarzinomen und kleinzelligen Bronchialkarzi- nomen eingesetzt wird. pe
Als im Sommer 1993 in den USA erstmals nach 20 Jahren das neue Epilepsieme- dikament Felbamat zugelas- sen wurde, das in klinischen Prüfungen durch Wirksam- keit auch bei verzweifelten Fällen und durch fehlende Organtoxizität bestach, wur- den Hoffnungen geweckt.
Aber etwa ein Jahr nach der Einführung erschienen Be- richte über zum Teil tödlich verlaufende Anämien und akutes Leberversagen. Die geschätzte Inzidenz der apla- stischen Anämie betrug eins zu 4 000 bis eins zu 6 000 Pati- enten. Von den 32 Fällen (31 in den USA) verstarben zehn Patienten.
In Deutschland führte dies zu einer deutlichen Ein-
schränkung der Zusatzthera- pie bei Patienten mit der Len- nox-Gastaut-Epilepsie, die mit keinem anderen Medikament behandelt werden konnte.
Unzweifelhaft ist Felba- mat (Taloxa®, Essex Pharma) ein wirksames Medikament für Patienten mit Lennox-Ga- staut-Epilepsie, die oft zu Sturzverletzungen im Anfall führt und gehäuft mit zum Teil tödlich verlaufendem Status epilepticus einhergeht.
Bei niedriger Dosis zu Be- ginn, allmählicher Steigerung und Begrenzung auf Fälle, die mit keinem anderen Medika- ment zu behandeln sind, und bei zweiwöchigen Blut- und Leberkontrollen ist der Ein- satz von Felbamat zu vertre- ten. Prof. Dieter Schmidt Deutschland war im
Jahr 1994 weltweit größter Exporteur von Arzneimitteln.
Der Pharma-Export erreichte einen Wert von knapp 15 Milli- arden DM. Die Schweiz, USA und Großbritannien fol- gen auf den Plätzen zwei bis vier. Mehr als die Hälfte der Me- dikamente „made in Germany“ wurde in die Länder Westeuro- pas exportiert.