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it den Inhalten des 1. GKV- Neuordnungsgesetzes hat sich der Vermittlungsaus- schuß von Bundestag und Bundesrat Ende Januar erst gar nicht befaßt. Die Länder wollten keine Sachdiskussion führen, sondern statt dessen warten, bis auch das 2. GKV- Neuordnungsgesetz im Ausschuß be- raten werden kann. Im Bonner Sprachgebrauch nennt man so etwas eine „ergebnislose erste Runde“. Fol- gen noch zwei weitere Runden ohne Resultat, gilt das Vermittlungsverfah- ren als gescheitert.Daß dies genau so kommen wird, ist nicht schwer vorherzusehen. War- um sollte sich die Opposition auch auf einen Kompromiß einlassen, wenn die Gesundheitspolitik zu einem Wahlkampfthema erster Güte reifen kann? Der Slogan ist auch bereits ge- funden – jedenfalls für die SPD.
„Zwei-Klassen-Medizin: Nicht mit uns!“ ist ihr Programm zur Reform der sozialen Krankenversicherung überschrieben. Bündnis 90/Die Grü- nen haben nahezu zeitgleich ihre Eck- punkte zur Fortsetzung der Gesund- heitsreform vorgelegt. Beide Papiere haben viele Gemeinsamkeiten.
SPD: Beiträge wie zur Rentenversicherung
An erster Stelle steht dabei die Forderung nach einem Globalbudget für die gesamten Ausgaben der gesetz- lichen Krankenversicherung (GKV).Beide bezeichnen dies als Sofortmaß- nahme gegen die defizitäre Entwick- lung der GKV. Grüne und SPD wollen zudem die Einnahmen der Kranken- kassen erhöhen, indem die Beitragsbe- messungsgrenze deutlich hochgesetzt werden soll: auf das Niveau der Ren- tenversicherung. Das allein, so die SPD, könne zu einer Beitragssatzsen- kung um 0,6 Prozentpunkte führen.
Als Mittel der Wahl für eine wirt- schaftliche Arzneimittelversorgung fa- vorisieren SPD und Grüne nach wie vor die Positivliste. Zwei Milliarden
DM an Einsparungen würde diese nach Auffassung der Sozialdemokra- ten bringen. Die Sozialdemokraten setzen sich massiv für die Beibehaltung der Arznei- und Heilmittelbudgets ein – ohne Wenn und Aber, wie es wörtlich in einem „Leitfaden für Abgeordnete und hauptamtliche Mitarbeiter“ heißt.
„Wahlgeschenke“ an die Niedergelassenen
Trotz Honorarmisere und Ko- stendruck auf die Arzneiverordnun- gen sind die niedergelassenen Ärzte nach Auffassung der SPD bei der am- tierenden Bundesregierung offenbar zu gut weggekommen. In einer Mu- sterrede zu den Gesundheitsgesetzen, konzipiert für Auftritte der SPD-Ab- geordneten in ihren Wahlkreisen, heißt es dazu: „Wahlgeschenke wur- den verteilt: 840 Millionen DM an die Ärzte durch Regreßverzicht und Auf- stockung von Vergütungen.“Daß ein Großteil dieser „Wahl- geschenke“ in der längst überfälligen Verbesserung der hausärztlichen Ver- gütung bestand, wird geflissentlich verschwiegen. Es paßt auch nicht so ganz ins Konzept, denn die Sozialde- mokraten wollen andererseits „den Hausarzt stärken“. Sie plädieren für ein Hausarztsystem; die Krankenver- sichertenkarte soll so verändert wer- den, daß jeder Versicherte nur einmal im Quartal direkt zum Facharzt gehen kann. Außerdem fordert die SPD:
„Der Patient soll jede einzelne er- brachte Leistung beim Arzt oder Zahnarzt quittieren. Zum einen er- fährt der Patient hierdurch, was für ihn eigentlich abgerechnet wird, und zum anderen ist das eine längst fällige Kontrolle.“
Bündnis 90/Die Grünen und SPD wollen Gesundheitszentren – im Kran- kenhaus sollen Pflegetage überhaupt keine Rolle mehr spielen, sondern komplett durch Fallpauschalen ersetzt werden. Die Krankenhäuser müßten effizienter arbeiten und sich flexibler an neue medizinische und gesund- heitspolitische Herausforderungen an- passen. Die SPD-Bundestagsfraktion möchte den Krankenhäusern deshalb einen größeren „unternehmerischen Spielraum“ geben. Die Finanzierung der Krankenhäuser – das ist keine neue Forderung – soll in einer Hand, nämlich der der Krankenkassen, lie- gen. Mit Blick auf die Länder, die für die Investitionen in den Kliniken zu- ständig sind, heißt es im SPD-Pro- gramm: „Wer eine Investition tätigt und sich nachher nicht um die Be- triebskosten kümmern muß, kann leicht investieren. Das muß anders werden.“ Nach wie vor tritt die SPD für die institutionelle Öffnung der Krankenhäuser zur ambulanten Ver- sorgung ein, „allerdings nur da, wo die niedergelassenen Fachärzte den Be- darf nicht sicherstellen können“.
Der weitere „Fahrplan“ für das wichtigere der beiden Gesetze, für das 2. NOG, stellt sich momentan folgen- dermaßen dar: Bis Ende Februar Be- ratungen im Gesundheitsausschuß des Bundestages, dann 2. und 3. Lesung im Bundestag (20. März), 2. Durchgang im Bundesrat (25. April). Wahrschein- lich Anrufung des Vermittlungsaus- schusses mit dem Ergebnis „Aufhe- bung des Gesetzes“ (14. Mai). Zurück- weisung dieses Beschlusses durch den Bundestag (15. Mai). Einspruch des Bundesrates (12. Juni). Zurückwei- sung des Einspruchs durch den Bun- destag (12. Juni). Inkrafttreten des Ge- setzes am 1. Juli 1997. Josef Maus A-354 (22) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 7, 14. Februar 1997
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