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Das individuelle Erleben von Einsatzkräften während und nach Gewaltereignissen sowie bestehende Unterstützungssysteme

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Academic year: 2022

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Eingereicht von Lia Elisabeth Schilling am 09. Juli. 2020, Innsbruck

01518886 |

Das individuelle Erleben von Einsatzkräften während und nach Gewaltereignissen sowie

bestehende Unterstützungssysteme

ANHAND EINER KONTRASTIERUNG DER AMOKFAHRT IN GRAZ, DES AMOKLAUFS IN MÜNCHEN UND DES AMOKLAUFS IN

STIWOLL

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Science (M.Sc.)

Institut für Psychologie

Betreuerin:

ao. Univ. - Prof. Dr. Barbara Juen

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This project has received funding from the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme under grant agreement No 786670.

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Kurzbeschreibung

Diese Masterarbeit ist als Teil des pan-europäischen Projekts NO-FEAR entstanden und hat zum Ziel mehr über das subjektive Erleben von psychosozialen Einsatzkräften während und nach Einsätzen bei Terror, Amok und Geiselnahmen (TAG-Lagen) zu erfahren. Äußere Bedingungen des Einsatzes, damit einhergehende Gefühle und angewandte Strategien wurden besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Mittels narrativer Experteninterviews wurde das Erleben von Einsatzkräften verschiedener Einsätze erfasst und mithilfe der Grounded Theory ausgewertet. Die Erkenntnisse beziehen sich auf drei Ereignisse: die Amokfahrt in Graz 2015, den Amoklauf in München 2016 und den Amoklauf in Stiwoll 2017.Die Kontrastierung der Einsätze stellte die Kontaktierung der eigenen Familien, den Rückgriff auf bewährte sowie gut eingeübte Routinehandlungen und die Nachbesprechung unter Kollegen als wichtigste Strategien heraus. Weiterhin wurden ein gut eingespieltes Team, ausreichende Ressourcen und gelingende Kommunikation als entlastend erlebt. Außerdem zeigten sich die Second Hit Gefahr und das sich daraus ergebende Gefühl von Furcht als Hauptbelastungen. Die Daten lassen zusätzlich Rückschluss auf verschiedene Belastungen je nach Position der Einsatzkraft während des Einsatzes zu.

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Abstract

This master thesis is part of the pan-European project NO-FEAR and has the goal to get to know more about the subjective experience of psychosocial first responders during and after incidents of terror, amok and hostage-taking. Exterior conditions of the operations, the emotions who accompany those and the strategies first responders use are at the center of attention. The experience of first responders during different operations was examined by means of narrative interviews. Later on, these interviews were analyzed using the grounded theory. The findings apply to the mad drive in Graz, the rampage in Munich and the rampage in Stiwoll. Contrasting these incidents showed that contacting the own family, using well-tried and well-trained routines and debriefing among coworkers were the most important strategies. Furthermore a well-functioning team, enough resources and successful communication were relieving. In contrast the danger of second hit and feelings of fright resulting from that were the main burdens. The data allow to draw the conclusion that different strains are experienced according to the position of the first responders during the operation.

(5)

Inhaltsverzeichnis

Kurzbeschreibung

Abstract

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung ... 1

2. Projektbeschreibung ... 2

3. Terrorismus ... 5

3.1 Definition ... 6

3.2 Gemeinsamkeiten mit und Unterschiede zu Amoktaten ... 7

4. Amoklauf im Allgemeinen ... 10

4.1 Erklärung und Ursprung des Begriffs Amok ... 10

4.2 Definition ... 11

4.3 Täter ... 13

4.4 Amokfahrt im Speziellen ... 16

5. Amokfahrt von Graz ... 16

5.1 Tathergang ... 17

(6)

5.2 Täter – Psychiatrische Besonderheiten ... 18

5.3 Gerichtsverhandlung – Besonderheiten im Prozess in Hinblick auf Zurechnungsfähigkeit ... 19

5.4 Urteil ... 22

6. Amoklauf von München ... 23

6.1 Tathergang ... 23

6.2 Diskussion um politische Beweggründe der Tat ... 26

7. Amoklauf von Stiwoll ... 27

7.1 Tathergang ... 27

8. Großschadensereignisse ... 28

8.1 Großschadensereignisse und ihre Bedeutung für die Gesellschaft ... 29

8.2 Großschadensereignisse und ihre Bedeutung für Einsatzkräfte ... 29

9. Einsatzkräfte im Blick ... 30

9.1 Besondere Belastungen für Einsatzkräfte ... 30

9.2 Risikofaktoren für Einsatzkräfte ... 32

9.3 Schutzfaktoren und Ressourcen von Einsatzkräften ... 35

9.4 Eigenschaften von Einsatzkräften/Persönlichkeit von Einsatzkräften ... 38

9.5 Traumafolgestörungen bei Einsatzkräften ... 39

9.5.1 Traumatischer Stress ... 40

9.5.2 Erschütterte Grundannahmen in Folge von Traumatisierung ... 42

(7)

9.5.3 Sekundäre Traumatisierung ... 44

9.5.4 Berufsbedingte Traumatisierung ... 45

9.5.5 Dissoziationen: Derealisation, Amnesie und Depersonalisation ... 48

10. Unterstützungssysteme für Einsatzkräfte ... 49

10.1 Arten von Prävention ... 50

10.2 Critical Incident Stress Management (CISM) und seine deutschen Entsprechungen ... 52

Debriefing ... 54

10.3 SAFER – Modell ... 55

10.4 Kölner Alternative ... 56

10.5 Unterschiede der Intervention bezüglich der Position einer Einsatzkraft ... 56

11. Fragestellung ... 57

12. Methode ... 59

12.1 Narratives Interview ... 59

Vorgehen und Interviewleitfaden ... 60

12.2 Stichprobe ... 62

12.3 Methoden zur Auswertung ... 62

Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring ... 63

Grounded Theory ... 65

13. Datenmaterial ... 66

13.1 Einsatzablauf ... 68

Befragte E. (Leitungsfunktion)... 68

(8)

Befragte F. (KI-Mitarbeiterin vor Ort) ... 68

14. Ergebnisse anhand der Kategorien ... 69

14.1 Stressreduzierende Faktoren ... 71

(1) Eigene Sicherheit... 72

(2) Sicherheit der MitarbeiterInnen ... 72

(4) Kommunikation/in Kontakt miteinander stehen ... 72

(5) Ressourcen ... 72

(6) Nachsorge ... 73

(7) Dankbarkeit und Wertschätzung durch Betroffene und Einsatzleitung ... 73

(8) Kooperation mit anderen Einsatzorganisationen ... 74

14.2 Subjektives Erleben ... 74

(1) Adrenalinschub bei Alarmierung ... 75

(3) Hilflosigkeit ... 75

(4) Übergehen der eigenen Grundbedürfnisse ... 76

(5) Intrusive Bilder vom Einsatz ... 76

(6) Dissoziation: Amnesie und Derealisation ... 76

(7) Einsetzen von Automatismen ... 77

(8) Dissoziation: Veränderte Zeitwahrnehmung ... 77

14.3 Strategien ... 77

(1) Aktivität ... 78

(3) Abgrenzung ... 79

(4) Selbstschutz: Eigene Betroffenheit zu Beginn in den Hintergrund drängen ... 79

(5) Ruhe bewahren ... 79

(9)

(6) Zurückhalten unbestätigter Gerüchte zum Schutz der MitarbeiterInnen ... 80

(8) Protokollierung ... 80

(9) Rückgriff auf Routinen ... 80

(10) Nachsorgeangebote ... 81

(11) Gemeinsame positive Aktivität ... 81

14.4 Kontextfaktoren ... 81

(2) Konflikte mit anderen Einsatzorganisationen ... 83

(3) Kind unter den Opfern/Warten auf Freigabe ... 83

(5) Große Arbeitslast ... 84

(6) Anhaltende Konfrontation durch Medien, Bekannte und Nachbesprechung... 84

(7) Fehlender Sichtschutz ... 85

(10) Second Hit Gefahr ... 86

(11) Sanitäter als (private) Ersthelfer ... 86

15. Kontrastierung mithilfe des axialen Kodierparadigmas: Bildung von Schlüsselkategorien ... 86

15.1 Amoklauf von München ... 87

(1) Intervenierende Faktoren (Stressoren) ... 87

(1) Intervenierende Bedingungen (stressreduzierend) ... 89

(2) Subjektives Erleben/Stresserleben ... 89

(3) Strategien ... 90

15.2 Amokfahrt von Graz ... 91

(1) Kausale Bedingungen ... 92

(2) Intervenierende Faktoren (Stressoren) ... 93

(10)

(3) Intervenierende Bedingungen (stressreduzierend) ... 94

(4) Subjektives Erleben/Stresserleben ... 96

(5) Strategien ... 97

15.3 Amoklauf von Stiwoll ... 98

(1) Kausale Bedingungen ... 99

(2) Intervenierende Faktoren (Stressoren) ... 100

(3) Intervenierende Bedingungen (stressreduzierend) ... 101

(4) Subjektives Erleben/Stresserleben ... 101

(5) Strategien ... 102

16. Diskussion und Interpretation der Ergebnisse ... 102

16.1 Bei TAG Lagen gilt die erste Sorge der Einsatzkräfte zunächst der eigenen Familie . 103 16.2 Second Hit Gefahr und Gefährdung der Einsatzkräfte führen zu Furcht und Grübeln, besonders Führungskräfte sorgen sich um MitarbeiterInnen ... 103

16.3 Der Rückgriff auf bewährte und gut eingeübte Routinehandlungen hilft, das Gefühl der Kontrolle zu bewahren... 105

16.4 Ein gut eingespieltes Team und ausreichende Ressourcen sowie gute Kommunikation sind hilfreich und entlastend ... 105

16.5 Kinder unter den Toten und das Ausmaß an Exposition sind besonders relevante Risikofaktoren ... 106

16.6 Nachbesprechungen unter Kollegen, positives Feedback durch Führungskräfte sowie ein klarer Einsatzabschluss werden als entlastend erlebt ... 107

17. Grenzen der Arbeit und Ausblick... 108

(11)

Literaturverzeichnis ... 110

Eidesstaatliche Erklärung ... 122

(12)

Abkürzungsverzeichnis

CISM Critical Incident Stress Management

EMS Emergency Medical System

FBI Federal Bureau of Investigation

JVA Justizvollzugsanstalt

KI Krisenintervention

KIT Kriseninterventionsteam

KRI Kölner Risiko Index

NO-FEAR Network Of practitioners For Emergency medicAl systems and cRitical care

OEZ Olympia Einkaufszentrum

PTBS Posttraumatische Belastungsstörung

SbE Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen

SvE Stressverarbeitung bei Einsatzkräften

TAG Terrorlagen, Amoklagen und Geiselnahmen

(13)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Zusammenarbeit der Partner von NO-FEAR ... 3

Abbildung 2: Anzahl von Schulamokläufen, Hochschulamokläufen und Terroranschlägen (Bondü, Tampe, & Menke, 2019) ... 5

Abbildung 3: Strecke der Amokfahrt von Graz (Vorarlberg Online, 2016) ... 17

Abbildung 4: Tödliche Schüsse in München, (Sundermann, 2017) ... 25

Abbildung 5: Einflussfaktoren für die Entstehung einer PTBS (Wagner , et al., 2001)... 38

Abbildung 6: Erweiterter Bezugsrahmen und seine Sprengung... 46

Abbildung 7: Gesprächsverlauf bei SbE Maßnahmen (Hausmann, 2010) ... 54

Abbildung 8: Ablaufmodell zusammenfassender Inhaltsanalyse (vgl. (Mayring, 2015)) ... 64

Abbildung 9: Axiales Kodierparadigma (vgl. Pentzold, Bischof, & Heise, 2018)... 66

Abbildung 10: Axiales Kodierparadigma für München ... 87

Abbildung 11: Axiales Kodierparadigma für Graz ... 91

Abbildung 12: Axiales Kodierparadigma Stiwoll ... 99

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Berufsbedingte Belastungen (Wagner et al., 2001) ... 32

Tabelle 2: Interviewte Einsatzkräfte und ihre Position ... 67

Tabelle 3: Überblick über gewonnene Kategorien ... 70

Tabelle 4: Stressreduzierende Faktoren ... 71

Tabelle 5: Subjektives Erleben ... 75

Tabelle 6: Strategien ... 78

Tabelle 7: Kontextfaktoren ... 82

(14)

1. Einleitung

In dieser Arbeit soll das subjektive Erleben von Einsatzkräften, die bei Einsätzen wie terroristischen Anschlägen oder Amokläufen, sogenannte TAG1 Einsatzlagen, beteiligt waren, im Vordergrund stehen. Von besonderem Interesse sind die von ihnen berichteten Belastungen, ihre Ressourcen und Schutzfaktoren sowie Kontextfaktoren, die die Einsätze bestimmt haben. Besonders in den letzten Jahren lässt sich eine Häufung der Berichterstattung über Amok- und Terrortaten feststellen. Dabei lösten vor allem die Terroranschläge in Paris im Jahr 2015 sowie die Tat in Nizza 2016 internationales Interesse aus. Innerhalb Deutschlands sorgte der Amoklauf von München 2016 für viel Aufregung. All diesen Taten ist gemein, dass sie aufgrund ihrer Unvorhersehbarkeit und dem Unvermögen die Tat und deren Hintergründe zu verstehen, eine extreme Abweichung der normalerweise gewohnten und geltenden gesellschaftlichen Normalität darstellen (Ahrens, 2017). Aufgrund dieser Eigenheit sind die Taten nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Einsatzkräfte besonders einschneidend. Zudem ist bei Ereignissen mit vielen Verletzen, der Unbegreiflichkeit der Geschehnisse und besonders folgenschweren Konsequenzen der Tat das Medieninteresse enorm. Ein erhöhtes Medieninteresse wird neben sehr langen Einsätzen und Einsätzen bei Großschadensereignissen von Einsatzkräfte als besonders belastend empfunden (Krampl, 2007). Um einen Beitrag zu einem besseren Verständnis der Besonderheiten und Herausforderungen solcher Einsätze für Einsatzkräfte leisten zu können wird in dieser Arbeit ein Vergleich zweier Amoktaten angestrebt. Dabei sollen die Einsätze bei der Amokfahrt von Graz 2015, dem Amoklauf von München 2016 und dem Amoklauf von Stiwoll 2017 durch die Schilderungen der Einsatzkräfte näher beleuchtet und miteinander verglichen werden. Die

1 TAG beschreibt Einsätze bei Terror, Amok, und Geiselnahmen.

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Gefahr an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) oder anderen Belastungsreaktionen auf traumatische Ereignisse zu erkranken ist für Einsatzkräfte durch die Häufigkeit, mit der sie solchen Geschehnissen ausgesetzt sind, besonders hoch. Dabei sind Einsatzkräfte, die bei Katastrophen und Terroranschlägen eingesetzt waren, besonders gefährdet eine Traumafolgestörung zu entwickeln (Wee & Myers, 2002). Die Erkenntnisse dieser Arbeit, sollen im Rahmen eines groß angelegten pan-europäischen Projekts einen Beitrag zur Ermittlung der besten Praktiken während solcher Einsätze leisten, die dann in Workshops, Demonstrationen und Übungen vermittelt werden sollen.

2. Projektbeschreibung

Diese Arbeit entsteht als Beitrag des „Network Of practitioners For Emergency medicAl systems and cRitical care”, das sogenannte NO-FEAR Projekt. Bei diesem arbeiten 18 Partner aus insgesamt 12 Ländern gemeinsam an der Erarbeitung einer systematischen Kooperation aller Einsatzkräfte, inklusive der des Sicherheitssektors. Aufgrund neuartiger Bedrohungen, wie terroristischer Anschläge, ergeben sich neue Herausforderungen die das „Emergency Medical System“ (EMS) zu bewältigen hat. Aktuell ist in Situationen größten Stresses sowohl Wissen als auch Erfahrung der Einsatzkräfte verstreut und wird nicht effizient geteilt. Die Herausforderung bei solchen Ereignissen ist es handlungsfähig zu bleiben, die besten Reaktionen auf die Bedrohung offerieren zu können und der Gesellschaft in Gefahr Sicherheit und Versorgung zu garantieren, um somit ihr Vertrauen in Autoritäten aufrecht zu erhalten.

Bislang gibt es allerdings keine üblichen Methoden oder standardisierte Aktionen, also kein standardisiertes Vorgehen in Situationen terroristischer Bedrohung. Da die Kette der Akteure, die in sicherheitsrelevante Vorfälle verwickelt sind, sehr fragmentiert ist und eine gelingende Kommunikation zwischen den Praktizierenden vor Ort fehlt, ist eines der Ziele von NO-FEAR einen vertrauensvollen sowie effizienten Austausch von Wissen und Erfahrung der Beteiligten

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zu schaffen. Mit Hilfe eines pan-europäischen Netzwerks von Praktikern, Entscheidungsträgern und der Politik, die alle im medizinischen sowie im Sicherheitssektor tätig sind, soll in Situationen terroristischer Bedrohung Handlungsfähigkeit und die Garantie von Sicherheit und Versorgung der Gesellschaft sichergestellt werden. Grundlage des Projekts ist die Kollaboration und Zusammenarbeit verschiedener Experten, die sich in drei Säulen aufteilen lassen. Die erste Säule beschäftigt sich mit der akuten Versorgung von Patienten, die zweite mit akuten Versorgungsoperationen in sicherheitsbezogenen Vorfällen und die dritte mit Training und Ausbildung von Personal sowie von Freiwilligen. Dabei soll es nicht nur zu Kooperation und zum Austausch der verschiedenen Expertengruppen innerhalb der Säulen, sondern auch zwischen den Säulen kommen.

Abbildung 1:

Zusammenarbeit der Partner von NO-FEAR

Um die acht, innerhalb des Projekts definierten Ziele zu erreichen sollen gelernte Lektionen, best practice und aktuelle Bedürfnisse sowie neue Bedrohungen und Trends identifiziert werden. Weiterhin sollen bestehende und zukünftige innovative Lösungen gefunden werden, welche später in Workshops, Übungen und Demonstrationen vermittelt werden. Die

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verschiedenen Ziele sind neben der Schaffung eines vertrauensvollen und effizienten Austausch an Wissen und Erfahrung der beteiligten Einsatzkräfte auch die Etablierung einer langanhaltenden pan-europäischen Gemeinschaft von Entscheidungsträgern, der Politik und dem Netzwerk von Lieferanten und der Akademie. Ein weiteres Ziel ist die Gewährleistung einer geteilten Vision, die nachhaltig sowie flexibel ist und somit vorhandene Lücken schließt und Innovation berücksichtigt. Im Rahmen dieser Vision sollen auch konkrete praktische Empfehlungen gegeben werden. Das vierte Ziel ist die Kooperation und Unterstützung von NO-FEAR durch andere Projekte wie beispielsweise „Monitor H2020“2. Um die Wettbewerbsfähigkeit Europas auf internen und externen Exportmärkten zu verbessern, soll das Projekt einen Beitrag zur Stärkung der Industrie und Forschungsbasis der EU leisten. Das sechste Ziel ist die Unterstützung des europäischen Sicherheits-, Schutz- und Verteidigungsmarktes, damit eine erleichterte Finanzierung von Innovation und in der Folge eine leistbare, möglichst kollektive Beschaffung möglich wird. Zusätzlich soll auf Prioritäten bezüglich bestimmter Domänen, die mehr Standardisierung bedürfen, hingewiesen werden.

Abschließend soll durch das achte Ziel die Nutzung und Weitergabe der NO-FEAR Ergebnisse verbessert und vereinfacht werden.

Die Universität Innsbruck, als einer der Partner dieses Projekts, beschäftigt sich vor allem mit der psychologischen Unterstützung von Einsatzkräften in und nach sicherheitsrelevanten Ereignissen. Dabei werden die professionellen und moralischen Verantwortlichkeiten sowie Interessen der verschiedenen Einheiten, die in psychosoziale Operationen verwickelt sind, beschrieben. Von besonderer Bedeutung sind dabei Situationen, in denen es zu einer Konkurrenz psychosozialer Bedürfnisse und der „Pflicht zu helfen“ mit anderen Interessen oder sicherheitsbedingten Verantwortlichkeiten kommt, die damit das Vertrauen in das

2 Eines der größten Forschungs- und Innovationsprogramme der EU (Results of Horizion 2020 Stakeholder Consultation, 2017).

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Gesundheitswesen und in Autoritäten gefährden. Zudem werden Situationen untersucht, in welchen die Berichterstattung der Medien Reaktionen von Angst oder Ärger auslösen sowie den Verlust von Vertrauen der Betroffenen und ihrer Angehörigen in Autoritäten und Helfer unterstützt. Außerdem ist die direkte Betroffenheit von Helfern durch die Ereignisse zu ermitteln, die in Folge dessen spezifische Unterstützung benötigen. Weiterhin von Interesse ist das Fehlen von Ressourcen, welches psychosoziale Triage Entscheidungen erzwingt.

3. Terrorismus

Die Häufigkeit terroristischer Taten hat in den letzten Jahren zugenommen. Während 2013 im Monat durchschnittlich 46 Anschläge3 verübt worden sind, waren es 2014 schon 106 monatlich (Bondü et al., 2019). Durch die andersartigen Bedrohungen, die durch diese Art von Anschlägen entstehen, sind neue Entwicklungen und standardisierte Handlungsweisen von Nöten. Diese sollen im Rahmen des NO-FEAR Projekts erarbeiten werden.

Abbildung 2:

Anzahl von Schulamokläufen, Hochschulamokläufen und Terroranschlägen (Bondü et al., 2019)

3 Hierbei geht es um Anschläge, die durch den Islamischen Staat (IS) weltweit verübt wurden.

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3.1 Definition

Bisher gibt es keine einheitliche Definition für Terrorakte, allerdings sind vielen der vorhandenen Definitionen einige ihrer Elemente gemein. Zunächst einmal sind terroristische Akte entweder politisch, ideologisch oder religiös motiviert. Aven und Guikema (2015) beschreiben Terrorismus beispielsweise als Akt der Gewalt oder Bedrohung, der zum Ziel hat Terror zu stiften, um ein festgesetztes oder implizites politisches, religiöses oder ideologisches Ziel zu erreichen. Andere Definitionen fokussieren vor allem den politischen Zweck von Terrorismus (Cooper, 2001). Bei diesem Element scheint eine Abgrenzung des Terrorismus von Krieg notwendig. Denn auch bei Kriegen liegt die Motivation meist in politischen oder ideologischen Zielen begründet. Allerdings wird Terrorismus eben durch die Nutzung von Mitteln und das Durchführen von Handlungen verstanden, die außerhalb der politischen, routinemäßigen Bemühungen einer bestimmten Regierung zu agieren liegen (Böckler et al., 2018). Die trotz dieser Unterscheidung vorliegende Nähe terroristischer Akte zu kriegerischen erklärt möglicherweise das erhöhte Gefühl von Ohnmacht oder Machtlosigkeit bei potenziellen Opfern (Ruby, 2002). Hierbei handelt es sich um das nächste Element von Terrorismus, welches den meisten Definitionen inhärent ist. Cooper (2001) meint, dass neben dem extremen politischen Zwang, der durch terroristische Akte erzeugt wird, ein weiteres Kernelement die Erzeugung massiver Angst ist. In seiner Definition heißt es: „Terrorismus [sei das] intentionale Erzeugen von massiver Angst mit dem Zweck die Macht über andere Menschen zu sichern oder zu behalten“ (Cooper, 2001,S. 883).

Daraus resultiert das nächste Element der Definitionen von Terrorismus. Den Tätern geht es nicht nur darum die direkten Opfer solcher Anschläge und deren Angehörige, sondern vielmehr die breite Masse und damit ein größeres Publikum zu erreichen (Ruby, 2002). Böckler et. al (2018) beschreiben Terrorismus deswegen auch als Akt der Gewalt, der in eine

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Kommunikationsstrategie eingebettet ist, welche konstruiert wurde, um weitreichende psychologische Effekte, die über die direkten Opfer hinausgehen, zu erreichen. Dabei zielen die Täter meist auf das Generieren von Angst in der Öffentlichkeit ab (Böckler et al., 2018).

Das Publikum, welches mit diesen Taten erreicht werden soll, können rivalisierte religiöse Gruppen, ein ganzes Land, eine nationale Regierung oder auch eine politische Partei sein (Böckler et al., 2018). Über diese drei Elemente hinausgehend beschreibt das „Department Pattern of Global Terrorism“ die Täter solcher Anschläge im Rahmen ihrer Definition. Laut dem Department gehören die Täter subnationalen Gruppen an oder sind Geheimagenten. Bei diesem Kriterium ist die Heimlichkeit, die Terrorismus auszeichnet, von entscheidender Bedeutung. Sie sorgt dafür, dass die Opfer, zumal diese meist militärisch nicht ausgebildete Zivilisten sind, keine Möglichkeit haben sich auf die Tat vorzubereiten (Ruby, 2002). Dieser Aspekt erklärt warum terroristische Anschläge derart viel Aufmerksamkeit erfahren, obwohl sie jährlich weniger Opfer fordern als beispielsweise Autounfälle. Das Gefühl, dass die betroffene Person so empfindlich gegenüber derart bizarren und unkontrollierbaren Attacken ist, schürt die Angst vor solchen Anschlägen und führt zu einem erhöhten Angstgefühl (Ruby, 2002).

3.2 Gemeinsamkeiten mit und Unterschiede zu Amoktaten

Bei den hier behandelten Taten handelt es sich rückblickend zwar, zumindest vordergründig, um Amoktaten allerdings war die Art des Ereignisses in beiden Fällen während des Einsatzes nicht klar. Während in München lange Zeit von einem Terroranschlag ausgegangen wurde, gab es in Graz noch während des Einsatzes Gerüchte über weitere Taten und im Nachhinein eine ausführliche Diskussion über eine potenziell politische Motivation des Täters. Aufgrund dessen soll hier auf die geteilten Merkmale und Unterschiede zwischen Amoktaten und terroristischen Taten eingegangen werden. Bisher wurden in Forschungsarbeiten Amoktaten

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von terroristischen Anschlägen durch den Ort (Schule vs. öffentlicher Raum) und die Motive, bei Amoktaten meist persönliche und im Falle terroristischer Gewalt politisch, ideologisch oder religiös, unterschieden (Böckler et al., 2018). Allerdings gab es in jüngster Vergangenheit auch immer wieder Taten, welche die Linie zwischen sogenannten School Shootings4 und Terroranschlägen verschwimmen ließen. Ein Beispiel für eine solche Tat ist die von A. Breivik in Oslo auf der Insel Utøya. Seine Motivation war extremistischer Natur. Allerdings zeigten sich in seinem Vorgehen auf der Insel Utøya ebenfalls starke Parallelen zu Amokläufen an Schulen (Böckler et al., 2018). Auch in München 2016 beinhaltete die Tat eine Kombination von Elementen gezielter Schulgewalt und Elementen rechtsorientierter extremistischer Taten.

Das Auftreten von Vergehen, in denen beide Elemente zu finden sind, liegt vermutlich an der Entwicklung terroristischer Strategien im Laufe der letzten 20 Jahre. Im Feld des dschihadistischen Terrorismus gibt es Tendenzen von Individualisierung seit die Al-Qaida zum führungslosen und individuellen Dschihad aufgerufen hat (Böckler et al., 2018). Aufgrund dessen liegt der Vorschlag eines Konzepts vor, welches beide Phänomene unter einer Kategorie zusammenfasst. Böckler et al. (2018) haben dieses als Konzept der demonstrativen Gewalt benannt. Sie wird charakterisiert durch das Auftreten im öffentlichen Raum und der Auswahl der Opfer aufgrund ihrer symbolischen Signifikanz. Außerdem beinhaltet diese Form von Gewalt eine Demonstration von Vulnerabilität sowie Destruktivität dessen, was der Täter als mächtige Gruppe oder Institution ansieht. Damit geht einher, dass mit jedem Anschlag eine Botschaft mitschwingt, die über die Attacke selbst hinausgeht. Diese Botschaft kann unter anderem dazu dienen die Aufmerksamkeit auf Ungerechtigkeit zu lenken, Angst und Panik zu erzeugen und andere für die eigene Sache zu mobilisieren.

4 Tötungen beziehungsweise Tötungsversuche durch Jugendliche an ihrer aktuellen oder ehemaligen Schule.

Nicht gezwungenermaßen mit Schusswaffen. Dabei sind Schüler oder Lehrer Ziel der Tötungsabsicht (Wickenhäuser, 2007).

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In ihrer Studie fanden Böckler et al. (2018) heraus, dass Amoktätern und terroristischen Tätern gemein ist, dass der Tat eine Phase des heimlichen Planens vorausgeht. Diese Phase des Planens kann zwischen zwei und sechs Monaten andauern und ist ein zentraler Faktor in der Entstehung symbolischer Attacken (Böckler et al., 2018). Bondü et al. (2019) verglichen Hochschulamokläufer mit Schulamokläufern und islamistisch motivierten Tätern hinsichtlich ihres Alters, des Migrationshintergrunds, der Tatzeit, der Tatwaffen, der Opfer und des Suizids nach der Tat. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass sich die Täter der Hochschulamokläufe und die islamistisch motivierten Täter signifikant im Alter von den Tätern der Schulamokläufe unterschieden. Außerdem hatten die islamistisch motivierten Täter signifikant häufiger einen Migrationshintergrund. In allen Gruppen war der Anteil männlicher Täter gleich groß.

Bezüglich der Tatzeit zeigte sich bei den Amokläufern ein U-förmiger Verlauf mit einem Rückgang der Taten in den Sommermonaten. Islamistisch motivierte Täter forderten signifikant mehr Todesopfer als Amokläufer an höheren Bildungseinrichtungen und denen an Schulen. In allen Tätergruppen war die Schusswaffe, die am häufigsten gewählte Tatwaffe.

Islamistisch motivierte Täter benutzten häufiger explosive Stoffe und Fahrzeuge. Die Amokläufer von höheren Bildungseinrichtungen und die islamistisch motivierten Täter suizidierten sich häufiger als die Amokläufer von Schulen. Hierbei wird vermutet, dass bei den islamistisch motivierten Tätern der Suizid zu Verdeutlichung des Märtyrertums dient. In der Forschung wurde lange Zeit die Dichotomie von Amokläufern und Terroristen so beschrieben, dass Amokläufer psychisch instabil seien, während Selbstmordattentäter extremistisch, aber rational handeln würden. Laut Ergebnissen der Studie von Böckler et al. (2018) sind Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen allerdings eher kulturelle als persönliche.

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4. Amoklauf im Allgemeinen

Als nächstes sollen in diesem Kapitel Amoktaten im Allgemeinen behandelt werden. Dabei werden vom Ursprung des Begriffs, über die Definitionen von Amok die Antworten auf die Fragen „Was macht die Taten aus?“, „Wie werden sie definiert?“ und „Welche Besonderheiten gehen mit ihnen einher?“ gefunden.

Kriminalität, Devianz und auch abweichendes Verhalten zeichnen sich durch die Übertretung gesellschaftlicher Regeln und Normen aus. Dabei gibt es einen gewissen Radius an Abweichung, der innerhalb unserer Gesellschaft als möglich und deswegen weitgehend akzeptiert gilt. Dies trifft auf Amoktaten nicht zu. Sie lösen Trauer und Schock sowie völlige Fassungslosigkeit aus, da sie mit allen Konventionen, auch den negativen, die in der Alltagswelt für möglich gehalten werden, brechen. Damit gehört ein Amoklauf nicht nur zu einem Akt extremer Gewaltausübung, sondern stellt auch eine enorme Abweichung der normalerweise gewohnten und geltenden gesellschaftlichen Normalität dar (Ahrens, 2017).

4.1 Erklärung und Ursprung des Begriffs Amok

Seinen Ursprung hat der Begriff Amok in Vorderindien. Dort versteht man unter einem

„Amuco“ einen Krieger, der sich den Kopf kahlgeschoren, auf die letzte Schlacht vorbereitet und mit seinem Leben abgeschlossen hat. Dieser Begriff wurde später von malaiischen Kriegern aufgegriffen und während des Kampfes als Schlachtruf gebraucht, um zu verdeutlichen, dass sie bereit waren alles zu geben und notfalls im Kampf zu sterben. Unter dem malaiischen Wort „amuk“ kann man „im Kampf sein Letztes geben“ verstehen. Es gibt aber auch andere Übersetzungen, die meinen „amuk“ bedeutet so viel wie „zornig“ oder

„rasend“. Die Kämpfer solcher Elitegruppen wurden „Pengamoks“ genannt, für unbesiegbar gehalten und demensprechend verherrlicht (Knecht, 1999). Zu der Entstehung oder Verursachung von Amokläufen gab es viele verschiedene Ideen und Theorien. In der

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Volkspsychologie von Malaysia ist man von einer Besessenheit durch Geister ausgegangen, die zu den Amokläufen geführt hat. Später gab es Überlegungen, dass es aufgrund von gastrointestinalen Störungen zu den Taten kam. Daraufhin wurde Anfang des 20. Jahrhunderts angenommen, dass es sich um Ausnahmezustände nach einer Infektion mit Malaria, Dengue- Fieber oder anderen Krankheiten handle. Erst später wurden psychogene Ursachen des Amoks diskutiert. Wobei man in Malaysia bis heute üblicherweise eine Schizophrenie bei den Tätern diagnostiziert und sie deswegen eher in eine psychiatrische Verwahrung als in den Strafvollzug gelangen (Knecht, 1999). Aufgrund der Vorkommnisse in Malaysia galt Amok lange als kulturspezifisches Phänomen, welches primär im malaiischen Kulturkreis begangen wurde. Allerdings kam es auch in anderen Kulturkreisen und Ländern zu Amoktaten.

Mittlerweile spricht man von Amok nicht länger als kulturspezifisches Phänomen. In Nordamerika wird seit den 90er Jahren vermehrt über Amokläufe geforscht, vor allem über die sogenannten School Shootings (Hoffmann, 2003).

In Deutschland kam es zu einer starken Psychiatrisierung von Amoktaten, ausgelöst durch die Tat des Hauptschullehrers Ernst Wagner 1913. Dieser hatte in einem paranoiden Wahn seine Kinder sowie seine Frau im Schlaf erstochen, eine Scheune und ein Gasthaus angezündet, um dann in Mühlhausen neun Menschen zu erschießen und elf zu verletzen. Diese Tat war unter anderem deswegen so wegweisend für die Vorstellung solcher Taten und Täter, da Wagner überlebte und einem Psychiater im Nachhinein von der Tat und seiner Planung sowie seinen Absichten berichtete (Hoffmann, 2003).

4.2 Definition

Es gibt bis zum heutigen Datum keine einheitliche Definition des Phänomens Amok.

Verschiedene Autoren haben sich daran versucht die Taten zu umschreiben, jedoch hat sich keine dieser Definitionen endgültig und über alle Institutionen hinweg durchsetzen können.

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Dabei scheint immer wieder schwierig zu sein einen Amoklauf trennscharf gegenüber einem Massenmord abzugrenzen. Das einzig klare Unterscheidungsmerkmal ist, dass es bei einem Amokläufer anders, als bei einem Massen- oder Serienmörder, keine Abkühlungsperiode zu geben scheint (Hoffmann, 2003; Eichen et al., 2018). Damit einhergehend ist eine Amoktat die Tötung mehrerer Personen im Zuge eines einheitliches Tatereignis (Hoffmann, 2003). Als Motive werden in der Literatur immer wieder Wut, Hass und Rache angeführt, wobei auch andere Motive denkbar sind (Bannenberg et al., 2014; Yaksic, 2019). Diese Taten sind somit durch persönliche Motive motiviert, die mit dem Schulkontext assoziiert sind und meist als persönliche Rache für Erlebnisse der Erniedrigung verstanden werden (Böckler et al., 2018).

In manchen Definitionen wird eine Phase des Grübelns und des sozialen Rückzugs als dem Amok inhärent beschrieben (Hagan et al., 2015; Knecht, 1999; Peter & Bogerts, 2010). Als Ziel der Täter wird in den verschiedenen Definitionen die beabsichtigte oder vollzogene Tötung möglichst vieler Menschen beschrieben. Durch dieses Ziel bedingt oder zumindest beeinflusst sind die Opfer solcher Taten manchmal bewusst gewählt aber auch häufig willkürlich getötete oder verletzte Unbeteiligte (Eichen et al., 2018; Bannenberg, 2017). Je nach Tatmotiv kommt es zur Tatausführung im öffentlichen Raum wie auf der Straße, im Supermarkt, in Gerichtssälen, in der Schule oder am Arbeitsplatz. Durch einen im öffentlichen Raum befindlichen Tatort kommt es des Öfteren zu Zufallsopfern, die eventuell gar nicht zum intendierten Opferkreis gehören (Eichen, Holzbach, & Blomeyer, 2018). Bannenberg et al.

(2017) gehen davon aus, dass die Täter mit ihren Taten häufig Ruhm oder zumindest Aufmerksamkeit bezwecken wollen. Meist ist bei Amokläufen von der Tat einer Einzelperson auszugehen. Nur in seltenen Fällen kommt es zur Tatdurchführung durch zwei Täter, wie

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beispielsweise bei dem School Shooting an der Columbine High School5 (Bannenberg et al., 2014). Da viele der Täter im Anschluss an die Tat Suizid begehen oder diesen in Kauf nehmen (suicide by cop6), gilt auch er teilweise als definitorisch für eine Amoktat (Peter & Bogerts, 2010; Hoffmann, 2003; Bannenberg, 2017).

Laut der polizeilichen Arbeitsdefinition handelt es sich bei einer Amoktat um einen oder mehrere Täter, die versuchen in kurzer Zeit so viele Menschen wie möglich zu töten (Bannenberg et al., 2014). Das FBI trifft dabei noch eine Unterscheidung in folgende Subtypen:

klassische Amoktat mit Tötung wahllos ausgewählter Menschen an einem öffentlichen Ort, Workplace Violence, wobei der konfliktbehaftete Arbeitsplatz als Tatort gewählt wird und School Shootings, bei denen jugendliche Täter ihre Schule als Tatort wählen (Eichen et al., 2018). Für diese Arbeit möchte ich mich einer der jüngsten Definitionen von Bannenberg et al. (2014) bedienen.

Amoktaten sind beabsichtigte, versuchte oder vollzogene Mehrfachtötungen nach dem Typus des Massemordes, bei denen in der Regel ein Einzeltäter aus Wut, Hass und/oder Rache bestimmte oder auch willkürlich ausgewählte Opfer attackiert (vgl. Bannenberg, Bauer, &

Kirste, 2014).

4.3 Täter

Es wurde in der Vergangenheit immer wieder versucht Merkmale von Amoktätern zu finden, die sie teilen und die somit ermöglichen ein Täterprofil zu erstellen. Tatsächlich zeigt sich, dass es verschiedene Gruppen von Amoktätern gibt. Durch verschiedene Quellen in denen bisherige Amoktaten analysiert wurden, werden zwei Gruppen beschrieben. Die der

5 An der Columbine High School kam es am 20.April 1999 zu einem School Shooting durchgeführt durch E.

Harris (17 Jahre) und D. Klebold (18 Jahre) dem 26 Menschen zum Opfer fielen, von denen 13 starben (Waldrich, 2007).

6 Ein Täter, der durch sein Handeln den Polizeibeamten keine andere Möglichkeit gibt als ihn zu erschießen (Hagan, Podlogar, & Joiner, 2015).

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jugendlichen Täter, die eine relativ homogene Gruppe darstellt und die der erwachsenen Täter, die eine deutlich heterogenere Gruppe darstellen (Peter & Bogerts, 2010; Bannenberg, Bauer, & Kirste, 2014). In manchen Veröffentlichungen wird auch von einer dritten Gruppe berichtet, zu denen psychotische Personen gehören, die aufgrund einer manifesten wahnhaften Störung die Tat begehen (Peter & Bogerts, 2010). Bei der Gruppe der jugendlichen Täter fällt auf, dass sich wesentliche Gemeinsamkeiten in der Persönlichkeit der Täter finden lassen. Häufig ist ein großer Wunsch nach sozialem Kontakt und Anerkennung vorhanden, jedoch schaffen es die Täter nur schwer sich in eine Gruppe von Gleichaltrigen einzufügen. Außerdem haben sie ein tiefgreifendes Fremdheitsgefühl und deswegen das Gefühl ein Außenseiter zu sein. Dabei schwanken die Betroffenen zwischen der Abgrenzung und Akzeptanz anders zu sein und dem Wunsch nach Zugehörigkeit. Häufig fühlen sie sich missachtet, gedemütigt und herabgesetzt zudem sind sie leicht kränkbar. Es beginnt die Entwicklung einer Selbstbezogenheit, um die empfundene Kränkung zu kompensieren.

Bannenberg et al. (2014) fassen die Gruppe der jugendlichen Täter durch ihre Neigung zu eigentümlichen Verhalten, ihrem äußeren Erscheinungsbild mit kühlem Affektausdruck und ihrem tief verankerten Fremdheitsgefühl symptomatisch als schizotypische Persönlichkeitsvariante zusammen. Die Gruppe der erwachsenen Täter ist deutlich weniger erforscht. Allerdings zeigt sich durch die bisher gewonnenen Ergebnisse eine sehr viel heterogenere Gruppe, als sie die der jugendlichen Täter darstellt. Das Altersspektrum der erwachsenen Täter reicht von 25 bis 71 Jahren. Wie bei den Jugendlichen handelt es sich auch in dieser Gruppe überwiegend um männliche Täter. Das Ziel der erwachsenen Täter kann genauso variieren wie ihr Alter. Teilweise kommt es zur Tötung ihrer Familie, Taten am Arbeitsplatz oder auch Attacken auf ihnen völlig fremde Personen. In der Studie von Bannenberg et al. (2014) konnte zudem festgestellt werden, dass mindestens ein Drittel der

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erwachsenen Täter (paranoid) schizophren gewesen waren. Peter und Bogerts (2010) fanden in ihrer Analyse von Amoktaten heraus, dass bei 74% der Täter bereits in der Vergangenheit psychische Probleme bestanden haben. Dabei scheinen laut Adler et al. (2006) wahnnahes Verhalten sowie Impulssteuerungsstörungen des heteroaggressiven7 Typen vorzuherrschen.

Die erwachsenen Täter unterscheiden sich von den jugendlichen durch ihre weniger detailverliebte und kürzere Planungszeit. Weiterhin ist es möglich, dass es bei ihnen um eine Inszenierung von Männlichkeit durch die Tat geht. Häufig suizidieren sich sowohl die erwachsenen als auch die jugendlichen Täter direkt nach der Tat. Neben Taten unter Alkohol- und Drogeneinfluss können auch Probleme im sozialen Miteinander, wie Bindungs- und Beziehungsschwierigkeiten, als Auslöser dienen (Bannenberg et al,, 2014). Infolge dieser Konflikte scheint es zu einer starken Empfindung von Ungerechtigkeit zu kommen, für die sich die Täter rächen wollen. Dabei muss der Auslöser der Tat nicht zwingend mit dem eigentlichen Motiv der Tat in Zusammenhang stehen (Peter & Bogerts, 2010). Anders als bei anderen Straftätern gelingt es den Amokläufern zunächst sich beruflich zu integrieren, bevor es schließlich zu einer Dekompensation kommt (Adler et al., 2006). Da bei der Tat in Graz, die für diese Arbeit neben dem Amoklauf in München und dem Amoklauf in Stiwoll im Zentrum stehen soll, ausgiebig über die Schuldfähigkeit des Täters verhandelt wurde, möchte ich hier noch eine Studie zur Schuldfähigkeit erwähnen. Bei einer Analyse von Strafakten zu bekannten Amokläufern, die ihre Tat überlebt haben, gewannen die Autoren die Erkenntnis, dass von 27 Tätern 12 nur vermindert schuldfähig und 7 schuldunfähig waren. Den Tätern, die als schuldunfähig galten, wurden allen eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert (Peter &

Bogerts, 2010).

7 Bezeichnet aggressives Verhalten, welches sich auf ein außen liegendes Objekt richtet. Im Gegensatz dazu richtet sich die Autoaggression gegen das Individuum selbst. (Gedankenwelt, 2018; Duden online, 2020)

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4.4 Amokfahrt im Speziellen

Die am häufigsten verwendete Tatwaffe bei Amoktaten, ist mit über 50% Vorkommnis eine Schusswaffe (Peter & Bogerts, 2010). Allerdings häufen sich vor allem in letzter Zeit Taten, in denen Personen- und Lastkraftwagen als Waffe eingesetzt werden (Eichen et al. , 2018). Ein Beispiel für eine solche Tat ist der Anschlag in Nizza vom 14.07.2016, bei dem der Täter mit einem LKW in eine Menschenmenge raste und dabei 86 Personen tötete. Im gleichen Jahr, am 19.12 verübte A. Amri mit einem Sattelzug auf dem Berliner Weihnachtsmarkt eine ähnliche Tat und tötete dabei 12 Menschen. In London geschahen 2017 direkt zwei solcher Anschläge.

Am 22.03.2017 fuhr ein Attentäter mit einer Geländelimousine auf der Westminster-Brücke in London in eine Gruppe Passanten und am 03.06.2017 fuhren drei Männer mit einem Lieferwagen in Passanten. Auch in Barcelona kamen am 17.08.2017 14 Personen durch einen, in die Menschenmenge rasenden Lieferwagen ums Leben (Neue Zürcher Zeitung, 2017). Trotz der Häufung von Amoktaten, bei denen Personen- und Lastkraftwagen als Waffen verwendet wurden, gibt es aktuell noch keine Forschung, welche sich im Speziellen mit Amokfahrten und ihren Besonderheiten befasst. Es bleibt bislang nur festzuhalten, dass bei diesen Taten häufig große Opferzahlen zu beklagen sind und die Opfer eher wahllos beziehungsweise zufällig gewählt werden.

5. Amokfahrt von Graz

Im Rahmen dieser Arbeit soll unter anderen das Ereignis vom 20. Juni 2015 in Graz näher beleuchtet werden. Dabei wird zunächst der Tathergang der Amokfahrt in Graz näher beschrieben. Außerdem wird es um den Täter und seine möglichen Beweggründe sowie den Strafprozess gehen.

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5.1 Tathergang

Zunächst sollen hier die Ereignisse des 20. Juni 2015 genauer dargestellt werden. An diesem Tag fuhr der 26-jährige Alen R. mit seinem SUV in erhöhter Geschwindigkeit durch die Grazer Innenstadt. Begonnen hatte er die Fahrt am Griesplatz. Um 12:15 Uhr wurde ein Autounfall mit Fahrerflucht gemeldet (Marits, 2016).

Später sollte sich herausstellen, dass dieser Unfall einen Toten und eine Schwerverletzte zur Folge hatte. Die insgesamt zweieinhalb Kilometer lange Fahrtstrecke (siehe Abbildung 3) führte Alen R. weiter durch die Grazer Fußgängerzone und führte zu 36, teils schwerverletzten Personen sowie drei Toten.

Unter den Toten war ein 4-jähriges Kind, ein 28-jähriger Mann und eine 53-jährige Frau (Holzer, 2016). Zudem sprang Alen R.

zwischenzeitlich aus seinem Auto und attackierte zwei Menschen mit einem Messer (BR-Online, 2015). Schließlich konnte der Fahrer von der Polizei festgenommen werden, nachdem er in der Schmiedgasse auf Höhe der Polizeiinspektion seine Fahrt beendete (Marits, 2016). Nach der Festnahme wurde Alen R.

zunächst in der Justizanstalt Graz-Jakomini in Untersuchungshaft genommen. Aufgrund seines aggressiven und unkooperativenen Verhaltens wurde er in einen gesicherten Haftraum gebracht. Außerdem war das Personal der Grazer Justizanstalt emotional sehr betroffen und es schien bei Alen R. eine suizidale Gefährdung vorzuliegen, weswegen er in die Sonderanstalt

Abbildung 3:

Strecke der Amokfahrt von Graz

(Vorarlberg Online, 2016)

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JVA Göllersdorf verlegt wurde (Wikipedia, kein Datum). Insgesamt wird von 110 Opfern und Betroffenen ausgegangen (Schuchter, 2016).

5.2 Täter – Psychiatrische Besonderheiten

Alen R. war zum Zeitpunkt der Tat verheiratet und Vater zweier Kinder. Von Beruf war er Kraftfahrer. Er war der Polizei aufgrund eines Vorfalls von häuslicher Gewalt bereits bekannt.

Am 28. Mai 2015 wurde er infolgedessen seines Wohnsitzes verwiesen (ORF, 2015). Laut dem Sprecher der Staatsanwaltschaft, Christian Kroschl, war R. als vierjähriger von Bosnien nach Österreich gezogen und habe dort sowohl die Schule besucht als auch eine Lehre abgeschlossen. Es wurde kurze Zeit nach der Tat über einen religiösen Hintergrund spekuliert, da einige Zeugen berichtet haben, dass er „Ich habe es für Allah getan“ gerufen hätte. Diese Aussagen haben sich im Nachhinein nicht bestätigen lassen. Die Tat wurde nicht aufgrund religiöser Gründe begangen und auch ein terroristischer Anschlag sei es nicht gewesen (ORF, 2015). Nach seiner Festnahme gab der Täter zunächst nur an, dass er sich verfolgt gefühlt habe. Sonst schwieg er weitgehend oder tätigte wirre Aussagen. Laut Aussage der damaligen Ehefrau war die Ehe durch Probleme belastet. Alen R. sei ihr gegenüber gewalttätig gewesen und habe von ihr verlangt ein Kopftuch zu tragen (steiermark ORF, 2015). Seit Februar 2016 ist Alen R. von seiner Ehefrau geschieden. Außerdem wurde ihr das Sorgerecht für die beiden gemeinsamen Kinder zugesprochen (Kleine Zeitung, 2016).

Während seiner Untersuchungshaft in der Justizanstalt Jakomini sei der Täter verbal aggressiv gewesen, habe mit Essen geworfen und seine Zelle verwüstet. Aufgrund des unkooperativen und aggressiven Verhaltens des Insassen aber auch wegen der großen emotionalen Beteiligung der Angestellten der Justizanstalt und der suizidalen Tendenzen von R., beantragte die Anstaltsleitung eine Verlegung in die Justizanstalt Wien-Josefstadt (Kleine Zeitung, 2015).

Zum Zeitpunkt des Gerichtsprozess befand sich Alen R. in dem Hochsicherheitsbereich der

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Sonderanstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher in Göllersdorf (Kleine Zeitung, 2016).

Nachdem zwei Gutachter hinsichtlich der psychischen Verfassung des Täters zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen waren, musste ein dritter Gutachter bestellt werden. Das Obergutachten durch den Spezialisten Jürgen Müller vom Fachklinikum Göttingen kam zu dem Schluss, dass Alen R. an paranoider Schizophrenie leide (Seeh, 2016).

5.3 Gerichtsverhandlung – Besonderheiten im Prozess in Hinblick auf Zurechnungsfähigkeit

Während des Gerichtverfahrens wurde immer wieder über die Frage der Zurechnungsfähigkeit des Täters diskutiert. Diese war besonders in den Vordergrund getreten, da verschiedene Gutachter zu gegenteiligen Ergebnissen gekommen waren.

Nachdem der Täter festgenommen worden war, hatte der zuständige Staatsanwalt vorsorglich ein psychiatrisches Gutachten durch Peter Hofmann bestellt. Bevor dessen Gutachten abgeschlossen war, hatte der Haftrichter zu entscheiden ob R. in einer Psychiatrie oder in Untersuchungshaft unterkommen sollte. Dieser beauftragte Manfred Walzl ein Gutachten zu erstellen. Als beide Gutachter zu einem Ergebnis kamen waren ihre Schlussfolgerungen diametral. Während Hofmann R. als unzurechnungsfähig erklärte, hielt Walzl ihn für zurechnungsfähig (Seeh, 2016). Hofmann diagnostiziert eine paranoide Schizophrenie bei R., weswegen er an Verfolgungswahn sowie Halluzinationen gelitten haben soll (Der Standard, 2016). Laut Hofmann sei Alen R. zudem am Tag nach der Tat psychotisch gewesen, während er bei der später folgenden Gerichtsverhandlung eher abwesend und emotionslos wirkte. Aufgrund der unterschiedlichen Ergebnisse der Gutachten wurde das Urteil eines Obergutachters notwendig. Mit dessen Erstellung wurde Jürgen Müller beauftragt, welcher zum gleichen Ergebnis wie Hofmann, nämlich der Unzurechnungsfähigkeit des Täters, kam (Der Standard, 2016).

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Der Prozess um die Amokfahrt begann am 20.09.2016 und fand vor dem Grazer Straflandgericht statt. Am ersten Tag des Prozesses sagte der Betroffene8 aus, dass er das Gefühl gehabt habe verfolgt zu werden und auf der Flucht vor Schüssen, die er gehört hatte, war (Die Presse, 2016). Während des Prozesses war die Diagnosestellung immer wieder Thema. Es gab keine konkrete, konsensfähige Diagnose. Außerdem wurde Alen R. aufgrund der ersten Diagnose einer paranoiden Schizophrenie mit starken Psychopharmaka behandelt, sodass kritisiert wurde, wie sich in diesem Zustand eine Aussage über die psychische Verfassung treffen lasse (Müller, Der Standard, 2016). Die Einschätzung der psychischen Verfassung des Betroffenen war aber sehr wichtig, um festzustellen, ob der Täter seinen Wagen ganz gezielt gelenkt oder aber in Panik die Kontrolle verloren hatte. Ein Technikgutachter kam, entgegen der Beteuerung R.s aus dem Gefühl verfolgt zu werden in Panik geraten zu sein und Menschen nur versehentlich gestreift zu haben, zu dem Schluss, dass es sich um einen Lenker gehandelt habe, der sein Fahrzeug beherrschte (Müller, Der Standard, 2016). Auch die geladenen Zeugen zeichneten ein anderes Bild als R. Es wurde in den Zeugenaussagen davon gesprochen, dass der Lenker immer wieder die Richtung geändert und gezielt Passanten sowie Motorrad- und Fahrradfahrer anvisiert hätte (Müller, Der Standard, 2016).

Am sechsten Prozesstag wurde auch Rainer Lapornik, der erste Psychiater der R. nach seiner Tat gesprochen hatte, befragt. Er berichtete von einer eingeschränkten Empathiefähigkeit und Fremdschuldzuweisungen des Täters. Seine Verdachtsdiagnose war eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (Der Standard, 2016). Am gleichen Prozesstag wurde die Exfrau von R.

befragt. Sie schilderte die Gewaltbereitschaft ihres Exmannes, wie er sie während ihrer Schwangerschaft mit Waffen bedroht habe, dass er lügen würde und Moslem, nicht etwa

8 Aufgrund des Antrags auf Anstaltsunterbringung, der im Raum stand, wurde Alen R. als Betroffener und nicht als Angeklagter bezeichnet.

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Christ, wie er behauptet hatte, sei. Weiterhin soll er täglich Cannabis konsumiert haben.

Außerdem sei er des Öfteren nach Graz gefahren und habe eine Machete in seiner Laptoptasche mitgeführt. R. äußerte mehrmals das Gefühl, sich von seinem Schwiegervater verfolgt worden zu sein. Allerdings beteuerte die Exfrau, dass die beiden keinen Kontakt gehabt hätten. Konfrontiert mit der Aussage seiner Exfrau meinte R. sie würde lügen, habe sich die Verletzungen selbst zugefügt. Ihr Ziel wäre es, dass er im Gefängnis bleibe und sie somit das Kindergeld bekomme (Müller, Der Standard, 2016). Am siebten Prozesstag war der Psychiater Jürgen Müller geladen und stellte dar, weswegen er bei Alen R. zu der Diagnose Schizophrenie gekommen war und ihn damit als unzurechnungsfähig eingestuft hatte (Schmidt, 2016). Walzl diagnostizierte bei R. eine kombinierte Persönlichkeitsstörung und meinte, dass er durchaus zurechnungsfähig sei, obwohl er ihn für zwanghaft, abhängig, negativistisch, eigensinnig und dissozial hielt. Er meinte, dass das Motiv der Tat Hass auf die Gesellschaft war und R. mit der Tat ein Ventil für seine Rachegedanken gefunden hatte (Schmidt, 2016). Auch beschrieb Walzl das wiederkehrende Scheitern von R. im Beruf und das Scheitern seiner Ehe. Zusätzlich zu den anderen dreien gab es noch eine vierte Gutachterin, Anita Raiger. Sie hatte R. begutachtet als dieser noch nicht unter dem Einfluss von Psychopharmaka, aufgrund der Erstdiagnose Schizophrenie, stand. Sie kam zu dem Schluss, dass R. zurechnungsfähig sei und die Tat geplant hatte. Sie hatte bei ihm während des Gesprächs eine psychopathologische Störung festgestellt aber keine paranoide Schizophrenie.

Sie sprach zudem von einer schweren emotionalen Störung, die sich in einer hohen Lügenbereitschaft zeige. Sie sah eine Diskrepanz in den Aussagen R.s sich von dunklen Männern verfolgt gefühlt, dann aber Kinder und Frauen niedergefahren zu haben. Sie führte

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das Konzept der hegemonialen Männlichkeit9 an und meinte, dass R. das Persönlichkeitsbild von anderen Amokläufern aufweise und es sich damit um das Muster einer Amokfahrt handle (Müller, Der Standard, 2016).

Nachdem R. ein Jahr lang unbehandelt in Untersuchungshaft verblieben war, wurde er während des Prozesses in das LKH Graz Süd-West gebracht, wo er zwischenzeitlich behandelt wurde. Daraufhin wurde die Behandlung in Göllersdorf fortgesetzt. Dorthin war er auf Weisung des Innenministeriums aus Sicherheitsgründen überstellt worden (Müller, Der Standard, 2016).

5.4 Urteil

Alen R. wurde am 29.09.2016 des dreifachen Mordes und des 108-fachen Mordversuches von den Geschworenen schuldig gesprochen. Es wurden lebenslange Haft und die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verhängt. Dieses Urteil war noch nicht rechtskräftig, da die Verteidigerin von R. Nichtigkeitsbeschwerde eingereicht hatte. Dadurch musste der Fall vor den Obersten Gerichtshof gebracht werden (Der Standard, 2016). Der Oberste Gerichtshof in Wien hatte am 05.04.2017 die Nichtigkeitsbeschwere zurückgewiesen.

Damit blieb es bei der Einschätzung des Schwurgerichts, dass R. zurechnungsfähig und schuldig war (Der Standard, 2017). Am 27.06.2017 hatte das Wiener Oberlandesgericht das Strafmaß auf lebenslänglich verbunden mit der Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher festgelegt (Der Standard, 2017).

9 Der Begriff stammt von dem Männerforscher R.W. Conell und beschreibt das Verhalten von Männern als hegemonial, wenn sie Frauen sowie „niedrige“ Männer ausschließen, unterordnen und ihre Dominanz durch Gewaltausübung oder Waffenbesitzt absichern. (Connell, 2015)

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6. Amoklauf von München

Im Folgenden wird der Amoklauf von München im Juli 2016 beschrieben. Hierbei handelt es sich um eine Tat, die während des Einsatzes zunächst für einen weiteren Terroranschlag gehalten wurde. Der Tat waren einige Anschläge in den Jahren 2015 und 2016

vorausgegangen. Begonnen hatte die Anschlagsserie im Januar 2015 als zwei Täter die Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris stürmten und 11 Menschen töteten. Zwei Tage nach dieser Tat kam es zu einer Geiselnahme in einem Pariser Supermarkt bei der 5 Menschen starben. Beide Taten waren in Namen von Al-Qaida begangen worden. Im November

desselben Jahres kam es erneut in Paris zu Terroranschlägen. Dieses Mal handelte es sich um mehrere islamistisch motivierte und koordinierte Terrorangriffe. Zudem waren im März 2016 Anschläge durch Selbstmordattentäter in Brüssel am Flughafen und in der

Metrostation begangen worden (Wirtz & Harding, 2018). Nur wenige Tage vor dem

Amoklauf in München fand zudem ein Terroranschlag in Nizza statt (Neue Zürcher Zeitung, 2017).

6.1 Tathergang

Laut den Ermittlungen der Sonderkommission hatte der 18-jährige D. Sonobly über einen Facebook-Account Einladungen verschickt am Tag der Tat um 16:00 Uhr in einen McDonald’s nahe des Münchner Olympia Einkaufszentrums zu kommen. Bei diesem Schnellrestaurant traf sich der Täter mit einem Freund. Nachdem sein Freund gegangen war eröffnete D. Sonobly um 17:51 am 22.07.2016 das Feuer auf eine Gruppe Jugendlicher. Hierbei tötete er zwei 15- jährige, einen 14-jährigen und zwei 14-jährige Mädchen. Ein 13-jähriges Kind überlebte die Tat schwer verletzt. Nach nur einer Minute verließ der Täter das Restaurant und schoss in Richtung eines Elektromarktes. Auf die von dort fliehenden Menschen schoss D. Sonobly gezielt, traf dabei einen 17-jährigen sowie einen 45-jährigen tödlich und verletzte einen 27-

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jährigen und einen 60-jährigen schwer. D. Sonobly überquerte daraufhin die Straße und erschoss im Münchener Einkaufszentrum einen 20-Jährigen (Bayerisches Landeskriminalamt, 2017). Von den insgesamt neun Getöteten waren acht Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren mit Migrationshintergrund (SPIEGEL Panorama, 2016). Im Anschluss verließ der Täter das Einkaufszentrum über eine überdachte Brücke. Von dort aus schoss er auf eine Passantin und das anliegende Parkdeck, verletzte aber niemanden. Er durchquerte das Parkhaus und trat auf das oberste Parkdeck hinaus (Bayerisches Landeskriminalamt, 2017). Von dort aus führte er ein Streitgespräch mit einem Anwohner, der ihn mehrmals beleidigte.

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Einige Anwohner filmten das Gespräch. Auf dem Video dieses Gesprächs ist zu hören, dass der Täter behauptet Deutscher zu sein, sich eine Waffe gekauft habe und in Behandlung sei (SPIEGEL Panorama, 2016). Im Zuge des Gesprächs schoss der Täter in Richtung des Balkons und verletze einen Anwohner durch die abprallenden Geschosse. Um 18:04 Uhr entdeckten Polizeibeamte den Täter, schossen auf ihn aber verfehlten ihn woraufhin dieser flüchtete. Erst nach mehreren Stunden konnte die Polizisten D. Sonobly um 20:26 Uhr stellen. Als der Täter auf die Polizisten traf erschoss er sich selbst (Bayerisches Landeskriminalamt, 2017). Aufgrund

Abbildung 4:

Tödliche Schüsse in München, (Sundermann, 2017)

Olympia Einkaufszentrum (OEZ): Um 17:51 Uhr fallen Schüsse vor einer McDonalds-Filiale, dann im OEZ. Neun Menschen sterben, 16 werden verletzt. Polizei schickt Großaufgebot, Lage und Anzahl der Täter lange.

Olympiadorf: Gegen 20:30 wird beim Olympiadorf eine weitere Leiche gefunden, es handelt sich um Täter.

Der Mittlere Ring, eine der Hauptverkehrsstraßen in München, ist zeitweise gesperrt. Tausende Autofahrer stehen im Stau.

Das Gelände des Tollwood-Festivals wird geräumt. Später kursiert das Gerücht, es habe dort ebenfalls Schüsse gegeben. Die Polizei bestätigt das nicht.

Um 19:15 Uhr räumt die Polizei den Hauptbahnhof. Der Zugverkehr ruht für Stunden, ebenso der öffentliche Nahverkehr.

Stachus: Kurze Zeit nach den Schüssen am OEZ kommt es zu einem Fehlalarm am Stachus in der Münchener Innenstadt.

Der Marienplatz-Mittelpunkt der Münchner Fußgängerzone ist am Abend nahezu menschenleer und wird von schwer bewaffneten Polizisten gesichert.

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der verschiedenen Tatorte war die Lage lange unklar. In der Stadt brach auch an, vom Einkaufszentrum weit entfernten Orten Panik aus. Insgesamt meldeten sich 32 weitere Personen, die sich in mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang mit dem Amoklauf verletzt hatten und daraufhin im Krankenhaus behandelt wurden (Bayerisches Landeskriminalamt, 2017). Auch für die Polizei war die Lage lange unklar, sie befürchtete einen Terroranschlag, wie in der Einleitung dieses Kapitels näher erklärt (SPIEGEL Panorama, 2016).

6.2 Diskussion um politische Beweggründe der Tat

Drei Jahre nach der Tat wurde diese als rechtsextrem motiviertes Verbrechen eingestuft.

Davor hatten Wissenschaftler, Politiker und die Polizei ausgiebig über die Einordnung diskutiert. Die Kriminologin Britta Bannenberg war in ihrem Gutachten, welches sie für das bayerische Landeskriminalamt erstellt hatte, zu dem Schluss gekommen, dass S. ein typischer junger Amoktäter mit einem generalisierten Hass gewesen sei. Diese Art von Täter wurde in dieser Arbeit bereits unter dem Kapitel „Täter“ näher beleuchtet. Zu diesem Bild passen die Mobbingerfahrungen die S. während seiner Schulzeit machen musste, sowie seine bekannte psychische Erkrankung. Allerdings warf unter anderem die Vorbereitung des Täters und auch Äußerungen während der Tat die Frage auf, ob nicht von einem rassistischen Hassverbrechen auszugehen sei. D. Sonobly hatte vor seiner Tat ein Pamphlet10 verfasst, indem er unter anderem von „ausländischen Untermenschen“ sprach. Weiterhin gab es Nachrichten und Videos in denen fremdenfeindliche Äußerungen vorkamen (Sundermann, 2017). Zudem lud er über einen Fake Account auf Facebook ausschließlich türkisch- und balkanstämmige Jugendliche in den McDonald’s ein, wo seine Tat beginnen sollte. Während seiner Taten rief er „Ich bin Deutscher, ich bin hier geboren worden, wegen den Scheiß-Kanaken tue ich das“

10 Ein Pamphlet ist eine Streit- oder Schmähschrift (Duden).

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oder „Ich hasse euch Moslems“. Weiterhin hatte er sich im Voraus nicht nur für Schulamokläufen, sondern vor allem für den norwegischen Rechtsterroristen Breivik interessiert. Die Tat von München fand am fünften Jahrestag der Attentate von Norwegen statt, was vor dem Hintergrund nicht zufällig erscheint (Wiedmann-Schmidt, 2019). Die Diskussion über die Bezeichnung und Einordnung dieser Tat zeigt auf wie schwer sich aktuell verübte politisch oder religiös motivierte Taten einordnen lassen. Weder die klassische Definition von terroristischen Anschlägen noch die von Amokläufen eignen sich für diesen Fall.

Politologe Florian Hartleb findet für diese spezielle Form des Attentats den Begriff „Einsamer- Wolf-Terrorismus“ (Wiedmann-Schmidt, 2019). Dieser beinhaltet die Charakteristika dieser Tat, es handelte sich um einen Einzeltäter, der aus politisch motivierten Beweggründen eine Tat beging, die allerdings auch Elemente eines Amoklaufs aufwies.

7. Amoklauf von Stiwoll

In diesem Kapitel wird der Amoklauf von Stiwoll näher beschrieben. Bei dieser Tat handelte es sich um den Amoklauf eines erwachsenen Täters. Es lässt sich vermuten, dass der Täter Ähnlichkeiten mit anderen erwachsenen Tätern hinsichtlich einer kurzen Planungszeit und dem Ursprung der Tat in Problemen des sozialen Miteinanders aufweist (Bannenberg, Bauer,

& Kirste, 2014). Weiterhin scheint bei diesem Täter auch die Entwicklung hin zur tatsächlichen Tat dem aus der Literatur bereits bekannten Verlauf zu entsprechen. Nach den erwähnten Konflikten kann es zu starken Empfindungen von Ungerechtigkeit kommen, die ihren Ausdruck in Taten aus Rache finden (Peter & Bogerts, 2010).

7.1 Tathergang

Am 29.10.2017 um 09:15 Uhr griff der 66-jährige F. Friedrich drei Personen mit einer Langwaffe in Stiwoll an. Dabei erschoss er eine 55-jährige Frau sowie einen 64-jährigen Mann.

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Eine weitere Person wurde schwer verletzt. Ein Polizeisprecher erklärte später, dass es sich bei den Opfern um Nachbarn von F. gehandelt habe. Diese seien zum Tatzeitpunkt im Freien gewesen und von dem Angriff überrascht worden (Gubisch, 2017). Der Täter soll aus einem Nebengebäude aus dem Hinterhalt auf die Personen geschossen haben. Nach der Tat flüchtete der Täter vom Tatort und es wurde mit einer großangelegten Fahndung nach ihm gesucht (steiermark ORF.at, 2017). F. war den Behörden bereits wegen vermehrter Anzeigen, die er gegen die Behörden gestellt hatte, bekannt. Deswegen stellte die Polizei bei den Institutionen, mit denen F. Konflikte hatte, zum Schutz Beamten ab. Auf seinem Blog war F.

sehr aktiv und hatte dort mit rechten, identitären Kreisen sympathisiert (Müller, DER STANDARD, 2017). Allerdings wird davon ausgegangen, dass die Tat Folge eines jahrelangen Nachbarschaftsstreits und somit nicht politisch motiviert war (Wikipedia, 2020). Im Zuge eines der vielen Verfahren gegen F. wurde ein psychiatrisches Gutachten erstellt, in welchem F. eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert wurde.

Am Folgetag der Tat wurde das Fahrzeug des Täters verlassen in einem Wald gefunden. Zur Vorsicht blieben Kindergärten und Schulen mehrere Tage geschlossen und die Bevölkerung wurde zur Vorsicht gemahnt. Im November 2017 wurde dann eine Sonderkommission namens „Friedrich“ gegründet, welche sich unter anderem mit den Hinweisen zum Flüchtigen beschäftigt. Im selben Jahr wurde F. auf die Liste „Europe’s Most Wanted Fugitives“ und die Liste „Austria’s Most Wanted Persons“ gesetzt. Im Februar 2018 wurde die Sonderkommission eingestellt. F. ist bis heute auf der internationalen Fahndungsliste, da er noch nicht gefasst werden konnte (Kleine Zeitung, 2018).

8. Großschadensereignisse

Es gibt verschiedene Arten von Katastrophen, die aufgrund der Bedrohung, die sie darstellen, nicht nur häufig mit der Zerstörung von Infrastruktur einhergehen, sondern auch Regeln des

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Zusammenlebens langfristig verändern und beeinträchtigen können. Zu Katastrophen zählen Naturkatastrophen (Lawine, Überschwemmung, ...), Katastrophen verursacht durch technisches oder menschliches Versagen (Brand, Bus- oder Zugunglück, ...), humanitäre, soziale und gesundheitliche Katastrophen (Krieg, Hungersnot, ...) und vor allem für diese Arbeit von Relevanz sind absichtlich herbeigeführte Katastrophen (Terroranschlag, Sabotage, Amoklauf). Letztere werden auch man-made Desaster genannt (Disaster Survival Resources).

Ereignisse, die aufgrund einer großen Anzahl von Betroffenen oder dem Ausmaß an Zerstörung den Rahmen von lokalen Hilfseinsätzen sprengen, ohne dass übergreifende Strukturen bedroht oder zerstört sind (z.B. Massenkarambolage auf Autobahn) werden Großschadensereignisse oder auch Großunfälle genannt (vgl. Hausmann, 2010). Bei solchen Geschehnissen werden Einsatzkräfte aus verschiedenen Organisationen alarmiert, die es dann zu organisieren und koordinieren gilt. Das bedeutet einen großen organisatorischen Aufwand und führt des Öfteren zu Missverständnissen oder auch Konflikten unter den verschiedenen Organisationsmitgliedern. Bei Ereignissen dieses Ausmaß‘ kommt erschwerend die häufig sehr lange Einsatzdauer und das große mediale Interesse hinzu (Hausmann C. , 2010).

8.1 Großschadensereignisse und ihre Bedeutung für die Gesellschaft

Aufgrund der Möglichkeit, dass bei einem Großschadensereignis das Alltagsleben für längere Zeit beeinträchtigt ist, bedeutet ein solches Geschehen einen Einschnitt nicht nur für die Betroffenen sondern möglicherweise für die gesamte Gesellschaft (Hausmann C. , 2010).

8.2 Großschadensereignisse und ihre Bedeutung für Einsatzkräfte

Im Allgemeinen zeichnet sich die Arbeit von Einsatzkräften häufig durch ihre Unkontrollierbarkeit sowie Mehrdeutigkeit aus. Allerdings ist vor allem bei größeren Schadensereignissen gehäuft mit einer mehrdeutigen und nur schwer zu durchschauenden Situationen vor Ort zu rechnen (Krampl, 2007). Zudem bedeuten Großschadensereignisse

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meist einen hohen Grad an Exposition mit dem Tod oder schweren Verletzungen und obwohl es bei Einsatzkräften einen gewissen Gewöhnungseffekt gibt bleibt die Konfrontation trotzdem belastend (Bengel & Heinrichs, 2004; Teegen, 2004).

9. Einsatzkräfte im Blick

Da sich diese Arbeit mit dem Erleben der Einsatzkräfte beschäftigt soll ihre Arbeit und die Besonderheiten ihres Umgangs mit potenziell traumatisierenden Situationen nun näher beleuchtet werden. Einsatzkräfte der verschiedensten Organisationen wie die der Feuerwehr, Polizei und auch Mitglieder des Rettungsdienstes gehören zu einer der Hochrisikogruppen bezüglich psychischer Traumatisierung (Bengel & Heinrichs, 2004). Unter anderem ist dies begründet in der Tatsache, dass sich Einsatzkräfte immer wieder mit Extremsituationen konfrontiert sehen. Dabei verfügen sie zwar über eine Ausbildung, teilweise auch über Wissen bezüglich Stressverarbeitungsmechanismen und vor allem über Erfahrung und doch gibt es Situationen, die ihre professionellen Verarbeitungsmechanismen überfordern (Hausmann C. , 2010). Vor allem die Häufung an belastenden Einsätzen, mit denen eine Einsatzkraft in ihrem Berufsleben konfrontiert wird, macht besondere Mechanismen und Maßnahmen zur Stressverarbeitung so bedeutsam (Krampl, 2007).

9.1 Besondere Belastungen für Einsatzkräfte

Einsatzkräfte sind durch ihren Beruf verschiedenartigen Belastungen ausgesetzt, mit denen die Allgemeinbevölkerung nicht oder nur in Ausnahmefällen in Kontakt kommt. Sie müssen beispielsweise regelmäßig Verantwortung für das Leben anderer übernehmen und sind auch sonst mit vielfältigen psychologischen Anforderungen konfrontiert. Unter anderem kann die große Verantwortung, die mit diesem Beruf einhergeht, dazu führen, dass die Einsatzkräfte auch nach erfolgreichen Einsätzen noch lange darüber nachdenken oder sogar grübeln was

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