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9. Einsatzkräfte im Blick

9.3 Schutzfaktoren und Ressourcen von Einsatzkräften

Neben den Belastungen denen Einsatzkräfte ausgesetzt sind und den Gefahren, die ein solcher Beruf bergen kann, sind Einsatzkräfte durch bestimmte Aspekte vor den vielseitigen Stressoren und Belastungen geschützt. Viele Einsatzkräfte sind auch nach langer Dienstzeit subjektiv nicht beeinträchtigt und einsatzfähig. Dies liegt unter anderem an ihrem Berufsbild, ihren eigenen Kontroll- und Kompetenzerwartungen, der Rationalisierung, ihrer Einsatzerfahrung und der Schulung, die sie erfahren. Das Berufsbild hilft Einsatzkräften insofern als dass sie wissen, dass sie immer wieder mit belastenden Ereignissen konfrontiert sein werden und dafür nicht nur ausgebildet, sondern auch trainiert wurden. Außerdem spielen Einsatzkräfte immer wieder sogenannte „worst-case“ Szenarien im Geiste durch, zusätzlich zu ihrem Training von Einsätzen in der Realität. Im Rahmen ihrer Erfahrung von gemeisterten Einsätzen bildet sich bei den Helfern die Überzeugung mit belastenden Situationen gut umgehen und auf sich sowie auf Kollegen und Hilfsmittel vertrauen zu können.

Somit erzeugen ihre Kompetenzerwartungen einen Schutzfaktor für die Bewältigung schwieriger Situationen. Zudem schaffen die professionelle Arbeit und die Rationalisierung emotional belastender Situationen eine gewisse Distanz zu den betroffenen Personen und erleichtern den Umgang mit diesen ohne mitzuleiden. Wie bereits unter den Kompetenz- und Kontrollerwartungen erwähnt, schafft die Erfahrung bereits positiv bewältigter schwieriger Situationen einen Schutzfaktor. Als Vorbereitung auf extreme Einsätze werden Trainings oder Schulungen von Automatismen durchgeführt. Durch das Einstudieren dieser automatischen Handlungsabläufe wird der Gefahr, die die Unvorhersehbarkeit eines Ereignisses birgt, entgegengewirkt. Derartige Vorbereitung im Sinne des Trainierens von Handlungsabläufen

sind in Situationen größten Stresses, wie sie ein Einsatz darstellen kann, besonders hilfreich, da hier nur mehr reagiert und weniger agiert wird. Kann man hierbei auf vorbereitete Handlungen zurückgreifen erleichtert dies die Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit einer Einsatzkraft (Krampl, 2007). Zusätzliche Schutzfaktoren sind körperliche Fitness und Kondition. Weiterhin sind die vorherige geistige Auseinandersetzung mit der Situation (s.o.

„worst-case Szenarien“) sowie fachspezifisches Wissen und Handlungskompetenz schützende Aspekte. Ebenso ist die realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Selbstvertrauen ein Schutzfaktor, der eine Balance zwischen dem Kennen der eigenen Grenzen und Vertrauen in sich selbst schafft. Auch die Verhaltenskontrolle während des Einsatzes stellt einen Schutzfaktor dar. Mit Verhaltenskontrolle ist hierbei gemeint, dass die Einsatzkraft sich weder als hilflos noch ausgeliefert erlebt, sondern auch in schwierigen Situationen weiterhin kontrolliert handeln kann. Ebenfalls von Bedeutung ist das Kameradschafts- und Gemeinschaftsgefühl, sowie die Erfahrung ähnliche Situationen bereits erfolgreich bewältigt zu haben und eine optimistische Grundhaltung. Dies alles können Ressourcen zur besseren Bewältigung von schwierigen Einsätzen sein. Wurde die Kooperation mit anderen Berufsgruppen und Organisationen bereits geübt, kann in der tatsächlichen Einsatzsituation wesentlich schneller und effizienter gehandelt werden, dies beugt zusätzlichem Stress vor.

Außerdem ist die Unterstützung durch den Einsatzleiter oder die Organisation eine Quelle des Schutzes (Lasogga & Karutz, 2005; Bengel & Heinrichs, 2004; Teegen F. , 2003). Gute Vorbereitung und Personalführung kann eine Begrenzung der psychischen Belastungen von Einsatzkräfte darstellen (Teegen F. , 2004). Eine solche Personalführung beinhaltet die psychologische Vorbereitung, bei der die Relevanz des Einsatzes erläutert wird und Informationen über Belastungsreaktionen gegeben sowie Kontakt zu psychologischen Hilfen bereits vor Beginn des Einsatzes hergestellt werden. Wie gut eine Belastung bewältigt werden

kann, wird nicht nur durch individuelle Schutzfaktoren, sondern auch durch eine professionelle Konzentration auf die Arbeit, eine gute Einsatzleitung sowie die Qualität des Umfeldes während der Erholung, mitbestimmt. Außerdem sollte eine klare Aufgabenstellung vorherrschen und die Schichten zeitlich begrenzt sein (Teegen F. , 2004). Zudem ist es von Vorteil unerfahrene Kollegen mit erfahreneren zusammenarbeiten zu lassen. Von großer Bedeutung ist weiterhin die soziale Unterstützung unter Kollegen. Diese können bei der Verarbeitung der extremen Eindrücke und der Bewältigung von damit verbundenen Emotionen sehr hilfreich sein (Kohlweg, 2002, Lasogga & Karutz, 2005; Bengel & Heinrichs, 2004; Teegen F. , 2003; Kowalski, 2001). Sind die Einsatzkräfte mit der Bereitschaft ausgestattet über die emotionale Bedeutung des Erlebten mit ihren Kollegen und Bezugspersonen zu sprechen, dies nennt man Disclosure, dann dient der Austausch als Schutzfaktor. Das dabei erlebte Verständnis, das einem Kollegen und Angehörige entgegenbringen, fördert das Kontrollgefühl nach solch extremer Belastung (Teegen F. , 2004).

Außerdem dient der Erfahrungsaustausch unter Kollegen und die Modellfunktion von erfahrenere Einsatzkräften, die ihre Emotionen ausdrücken und über sie berichten können, der besseren Verarbeitung belastender Erlebnisse (Wagner D. , et al., 2001). In der Ausbildung und Vorbereitung auf einen Einsatz sollte Wissen über die Normalität psychobiologischer Stressreaktionen vermittelt werden. Im besten Fall führt das Wissen dazu, dass die Einsatzkraft ihre Reaktionen nicht als persönliche Schwäche, sondern als normalen Bewältigungsprozess bewerten kann. Daraus resultierend wird die Inanspruchnahme professioneller Hilfe, die ausreichend angeboten werden sollte, gefördert (Teegen F. , 2004).

Bereits während des Einsatzes wenden Einsatzkräfte für sie bewährte Strategien zur Stressreduktion an. Diese sind unter anderen das gedankliche Durchspielen des schlimmst möglichen Ausgangs eines Einsatzes und die Nutzung von schwarzem Humor während und

nach einem Einsatz. Ebenfalls hilfreich können die Entpersonalisierung einer Leiche sowie Selbstgespräche sein. Außerdem kann die Fähigkeit zu Fokussieren und bis auf einen Ausschnitt das Gesamtgeschehen auszublenden, genutzt werden (Mader, 2011). Darüber hinaus ist das Persönlichkeitskonstrukt „Hardiness“ ein weiterer Schutzfaktor. Hierbei handelt es sich um die Neigung Probleme eher als Herausforderung zu sehen, internale Kontrollüberzeugungen zu haben und engagiert zu sein (Wagner D. , et al., 2001). In Abbildung 5 sind die verschiedenen Bereiche, die der Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung entgegenwirken können, sowie Faktoren, die zu ihrer Entstehung beitragen können zur besseren Übersicht zusammengefasst.

Abbildung 5:

Einflussfaktoren für die Entstehung einer PTBS (Wagner D. , et al., 2001)

9.4 Eigenschaften von Einsatzkräften/Persönlichkeit von Einsatzkräften

Ein weiterer Aspekt zum Schutz von Einsatzkräften scheint ihre Eignung und Prädisposition für ihren Beruf zu sein. Dabei scheinen die HelferInnen durch ihre Persönlichkeit und den ihnen innewohnenden Eigenschaften für ihren Beruf besonders passend zu sein. In verschiedenen

Studien zeigten Einsatzkräfte Eigenschaften, die sie einen und eventuell auch von anderen Berufsgruppen unterscheiden. Sie sind häufig besonders risikofreudig und engagiert aber langweilen sich auch schnell. Sie agieren meist handlungs-, ziel- und kontrollorientiert, treten bestimmend auf und sind nicht nur vielseitig belastbar, sondern haben häufig auch eine hohe Stresstoleranz (Krampl, 2007). Einige haben zudem das Bedürfnis gebraucht zu werden oder einen ausgeprägten Wunsch nach Anregung (Willkomm, 2000). Wie oben erwähnt kamen verschiedene Untersuchungen zu der Persönlichkeit von Einsatzkräften zu dem Schluss, dass sich viele dieser Personen in wesentlichen Punkten sehr ähnlich sind. Diese Aspekte werden teilweise bereits bei der Einstellung in den Beruf abgefragt und favorisiert. Außerdem stellen sie einen Schutzfaktor gegenüber den alltäglichen Belastungen des Alltags einer Einsatzkraft dar. Fasst man die Studien zusammen ergibt sich das Bild einer Einsatzkraft als Person mit hoher sozialer Kompetenz, der Perspektivenwechsel leichtfallen, die eine hohe soziale Toleranz gegenüber anderen Vorstellungen und Denkmodellen hat und über ein großes Empathievermögen verfügt. Zudem zeichnet sich die „typische“ Einsatzkraft durch eine hohe Belastbarkeit sowie große Stresstoleranz aus. Weiterhin haben Einsatzkräfte meist ein hohes soziales Verantwortungsgefühl und starke internale Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen.

Damit ist gemeint, dass sie ein großes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten haben und eher nicht davon ausgehen, dass ihr Leben von außen, zum Beispiel durch Schicksal oder andere Menschen bestimmt wird (Krampl, 2007).

9.5 Traumafolgestörungen bei Einsatzkräften

Trotz der sehr belastenden Einsätze und hohen Anforderungen während Großschadenslagen bewältigen die meisten Einsatzkräfte diese Belastungen gut. Vergleicht man primäre Opfer mit den professionellen Helfern nach Katastrophen, zeigen letztere deutlich seltener schwerwiegende psychische Störungen (Norris, et al., 2002b). Nichtsdestotrotz handelt es sich

bei Einsatzkräften um eine Hochrisikopopulation bezüglich Traumafolgestörungen. Deswegen sollen im Folgenden relevante Aspekte zur Entstehung, der Häufigkeit und der Besonderheiten von Traumatisierung durch den Beruf dargestellt werden.

Zwischen 8 und 20% der Einsatzkräfte im Routinedienst, also von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst, entwickeln eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) (Teegen F. , 2003). Skogstad et al. (2016) berichten von einer Prävalenz von 10% bei Rettungskräften. Sie schlüsseln dabei auf, dass sich die Raten je nach Berufsgruppe unterscheiden. Bei Polizeibeamten liegt sie bei unter 10%, fasst man Feuerwehrleute, Personal der Ambulanzen und Gesundheitsdienstleister zusammen steigt in dieser Gruppe die Prävalenz auf bis zu 20%

an (Skogstad et al., 2016).

9.5.1 Traumatischer Stress

Eine besondere Belastung, der Einsatzkräfte ausgesetzt sind, ist der sogenannte traumatische Stress. Es gibt verschiedene Formen von Stress, die sich durch ihre Intensität und Dauer unterscheiden. Von traumatischem Stress spricht man in Situationen, in denen die Grundannahmen der betroffenen Personen durch die Gegebenheiten bedroht sind. Vor allem für Einsatzkräfte ist diese Art von Stress relevant, da sie immer wieder aufs Neue im Rahmen ihrer Tätigkeit Situationen ausgesetzt sind, die objektiv traumatisch sind. Allerdings genügt die objektive Einschätzung einer Situation als traumatisch alleine nicht damit es zum Erleben von traumatischem Stress kommt. Vielmehr ist das Entstehen von traumatischem Stress ein Ergebnis der objektiven Einschätzung sowie der subjektiven Empfindung der Betroffenen (Van der Kolk et al., 2000). Die primäre und sekundäre Bewertung ob Stress als belastend oder potenziell traumatisierend empfunden wird hängt von dem Bezugsrahmen einer jeden Einsatzkraft ab. Dieses Weltbild, welches sich durch Ausbildung und Erfahrung erweitert, besteht aus persönlichen Einstellungen, Normen und Werten. Sieht sich die Einsatzkraft mit

einem Ereignis konfrontiert, welches außerhalb dieses erweiterten Weltbildes liegt, bewirkt dies traumatischen Stress und birgt die Gefahr eine akute Belastungsstörung zu entwickeln (Trummer & Helm, 2008). Im Rahmen des traumatischen Stresses geraten die Betroffenen in einen Zustand indem ihre bisherigen Bewältigungsmechanismen nicht mehr genügen. Das ist für Einsatzkräfte enorm belastend, da sie nicht nur gewisse Anforderungen an sich selbst stellen, sondern wie oben erläutert auch die Umwelt eine Erwartungshaltung gegenüber ihnen hat. Aufgrund der entstehenden Diskrepanz zwischen den Gefühlen von Hilflosigkeit oder auch emotionaler Überwältigung, die durch die Situation ausgelöst wurden, und den eigenen und fremden Kontroll- und Erwartungshaltungen an die Fähigkeiten der Einsatzkraft kann es zu einer massiven Bedrohung des Selbstbildes kommen (Krampl, 2007). Zu besonders belastenden Stressoren während eines Einsatzes zählen Einsatzerlebnis und -dauer, Entscheidungs- und Handlungsdruck, Versagensängste, Hilflosigkeit, Informationsdruck oder -mangel und Öffentlichkeit (Trummer & Helm, 2008).

Die Auswirkungen von traumatischem Stress lassen sich sowohl endokrinologisch wie auch neurobiologisch erklären. Wird man mit traumatischen Ereignissen konfrontiert wirkt sich dies auf die Hirnphysiologie unseres Körpers aus. Befindet man sich in Stresssituationen schüttet der Körper Stresshormone aus, um den Betroffenen auf eine Flucht- oder Kampfreaktion vorzubereiten. Im Rahmen von traumatischem Stress sind die Stresssituationen deutlich intensiver. Dadurch zieht die Einwirkung dieser Art von Stress eine Veränderung der Hirnphysiologie nach sich und führt zu massiven Beeinträchtigungen bei der Informationsverarbeitung und -speicherung. Aus diesem Grund scheint die Weiterverarbeitung von Informationen im neuronalen Netz blockiert zu sein. Eine Integration des traumatischen Erlebnisses als Lernerfahrung ist nicht möglich. Im Zuge dessen können die einzelnen Sinneseindrücke des Erlebten nicht als Gesamtheit aufgenommen werden. Sie

zerfallen in ihre Einzelteile und können weder als zugehörig zueinander identifiziert noch eindeutig zugeordnet werden. Diese Fragmente können später als Intrusionen auf unterschiedlichen Sinneskanälen auftreten. Bei sogenannten Intrusionen handelt es sich um intensive und sich aufdrängende Erinnerungen an den Einsatz oder gar das Wiedererleben des Einsatzes. Da Intrusionen aufgrund ihrer quälenden Wirkung auf den Betroffenen so gut es geht vermieden werden, kann es zu keinem Abschluss des traumatischen Erlebnisses aufgrund dieser Vermeidungsstrategie kommen. Das Erleben wird weiterhin als bedrohlich eingeordnet, weswegen der Körper fortwährend Stresshormone ausschüttet. Erst wenn eine Entspannung eintritt, kann die Ausschüttung der Stresshormone reduziert werden und die Informationsverarbeitung wieder in den Vordergrund rücken (Trummer & Helm, 2008). Kann es zu keinem Zustand der Entspannung kommen so entwickelt sich aus dem anhaltenden Stress im schlimmsten Fall eine Traumafolgestörung.

9.5.2 Erschütterte Grundannahmen in Folge von Traumatisierung

Um besser zu verstehen was zu einer Traumafolgestörung führt und wie genau sich diese im Erleben der Einsatzkräfte zeigt wird in diesem Kapitel besonderes Augenmerkt auf die Vorstellungen der Helfer gelegt. Einsatzkräfte brauchen, um besonders gefährliche oder anspruchsvolle Situationen bewältigen zu können, ein Grundvertrauen in ihre Kollegen, in sich, in die Organisation und in die Umwelt. Dieses Vertrauen zeigt sich in den Grundüberzeugungen, die bei Einsatzkräften festzustellen sind (Krampl, 2007). Während verschiedener Einsätze können die Grundannahmen von Einsatzkräften durch den Einsatzstress aber auch durch sogenannten Traumastress erschüttert werden.

Zu diesen Grundannahmen gehören Überzeugungen zur gegenständlichen und persönlichen Welt, Sinn- und Bedeutungshaftigkeit, Kontrollierbarkeit sowie Wertigkeit des Selbst. Mit der gegenständlichen Welt ist die Organisation, die vorhandenen Infrastrukturen aber auch das

notwendige Material für die Versorgung von Betroffenen gemeint. Innerhalb dieser Welt können sich die Einsatzkräfte aufeinander verlassen. Meist gibt es eine klare funktionale Gliederung der organisatorischen und infrastrukturellen Bereiche. Die Einsatzkraft geht vom Wohlwollen dieser gegenständlichen Welt aus. Wenn aber beispielsweise der Einsatzleiter während eines Ereignisses ausfällt, kann dies zur Erschütterung der Grundannahme führen.

Die Vorstellung des Wohlwollens der Welt kann ebenfalls bedroht sein, wenn die Einsatzkraft mit einer Situation konfrontiert ist, die ihre in der Ausbildung erlernten Fähigkeiten überschreitet. Nicht nur bezüglich der gegenständlichen Welt wird von einem Wohlwollen dieser ausgegangen, sondern auch in der persönlichen Welt. Besonders relevant ist in der persönlichen Welt der Einsatzkräfte das Team. Der zentrale Bestandteil eines Teams ist das gegenseitige Vertrauen aufeinander. Außerdem ist ein Team durch eine hohe Gruppenkohärenz und eine große Identifikation mit den Kollegen ausgezeichnet. Wenn einem der Kollegen etwas zustößt, wird der Einsatzkraft die eigene Vulnerabilität bewusst und es kann zur Infragestellung dieser Grundannahme kommen. Eine weitere Grundannahme ist die der Sinn- und Bedeutungshaftigkeit. Unter ihr versteht man eine gewisse Vorstellung von Gerechtigkeit. Diese Vorstellung kann nach einem Einsatz nur schwer gewahrt werden, wenn ein Kind verletzt oder getötet wird. Sind Kinder unter den Opfern ist sie besonders stark bedroht. Eine der wichtigsten Überzeugungen ist die der Kontrollierbarkeit (Brauchle et al., 2000; Krampl, 2007). Diese Grundannahme kann in verschiedenen Situationen herausgefordert werden. Zum einen, wenn Personen trotz richtigen Verhaltens zum Opfer werden. Zum anderen vor allem dann, wenn die Einsatzkraft das Gefühl hat keine oder nur wenig Kontrolle über die Situation zu haben. Eine weitere Grundannahme ist die Wertigkeit des Selbst. Hierbei handelt es sich um das Gefühl, sich nicht nur auf die Kollegen und das Team verlassen zu können, sondern vor allem in sich selbst zu vertrauen. Durch das Selbstbild

einer/eines Heldin/Helden ist die eigene psychische oder auch physische Vulnerabilität bis zu einem gewissen Grad geschützt. Durch Erfahrungen während der Ausbildung und auch vorangegangen Einsätzen, lernt die Einsatzkraft auf sich selbst und vor allem in die eigenen Fähigkeiten zu vertrauen (Gerngroß, 2015). Diese Grundannahmen sind besonders gefährdet bei extrem belastenden Einsätzen, bei persönlicher Bekanntschaft mit dem Opfer und emotionaler Involviertheit. Außerdem kann es zu einer Kumulation von Stressoren wie Unvorhersehbarkeit und Unkontrollierbarkeit sowie Einsatzhäufigkeit kommen (Wagner D. , et al., 2001). Sind die Grundannahmen nachhaltig erschüttert, ist dies der Nährboden zur Entwicklung einer Belastungsstörung.

9.5.3 Sekundäre Traumatisierung

Im Rahmen der Traumafolgestörungen unterscheidet man bei einer Belastungsstörung zwischen der primären und sekundären. Während es bei einer primären Traumatisierung zur Konfrontation mit dem Trauma als Opfer kommt, ist das Wissen um ein traumatisches Erlebnis oder die Konfrontation mit einem traumatischen Erlebnis, dem eine andere Person zum Opfer fiel, bei der sekundären Belastungsstörung der Auslöser (Bengel & Heinrichs, 2004). Als Einsatzkraft ist man während der Arbeit unter Umständen sowohl primärer als auch sekundärer Traumatisierung ausgesetzt, wobei die Zahl sekundär traumatischer Erlebnisse höher ist als die der primären (Bengel & Heinrichs, 2004). Weiterhin wird zwischen zwei Arten von sekundärer Traumatisierung unterschieden. Zum einen die oben erwähnte Form, dass das Wissen um die Traumatisierung einer anderen Person oder die Konfrontation mit einem Erlebnis, dass andere traumatisiert hat zu einer sekundären Traumatisierung führt. Zum anderen die Konfrontation mit einer Situation, die so oder so ähnlich bereits im Leben der Person vorkam, damals bereits traumatisch gewirkt hat und nun zu einer erneuten Traumatisierung führt (Krampl, 2007). Diese Form wird auch Retraumatisierung oder

Polytraumatisierung genannt. Während Einsatzkräfte vor allem von der ersten der beiden Arten betroffen sind, kann durch die Art der Einsätze, wenn es mehrmals zu einem ähnlichen Einsatz kommt, auch die zweite Form auftreten (Krampl, 2007). Eine akkumulierte, sekundäre Traumatisierung führt in der Folge zu ausgeprägter Negativität, völliger Erschöpfung und Selbst- und Fremdbeschuldigung (Pearlman & Saakvitne, 1955). Zusätzlich wirkt sich eine sekundäre Traumatisierung häufig negativ auf das Selbstbild der Einsatzkräfte aus. Durch die Einschränkung ihrer eigenen Handlungsfähigkeit in der Einsatzsituation sind sie vermehrt von Insuffizienzgefühlen geplagt und haben starke Selbstzweifel (Krampl, 2007). Das Selbstbild einer Einsatzkraft wird durch verschiedene Aspekte geprägt. Unter anderen durch das Vertrauen in sich selbst und in die eigenen Fähigkeiten. Hinzu kommt das Vertrauen in die eigene Belastbarkeit, sowie das Vertrauen zu anderen und der Organisation, in der sie arbeiten. Besonders relevant ist das Vertrauen in Grundannahmen wie Gerechtigkeit, Sinnhaftigkeit oder Erklärbarkeit. Erlebt die Einsatzkraft ein für sie traumatisierend wirkendes Ereignis, kann es zu Vertrauensverlusten in allen oben genannten Bereichen kommen (Krampl, 2007). Für alle traumatischen Ereignisse, über alle Bevölkerungsgruppen hinweg gilt, dass es bestimmte Faktoren gibt die als Mediatoren die Wirkung der traumatischen Situation verstärken oder abmildern können. Der aktuelle Zustand der Betroffenen im Sinne der körperlichen und psychischen Fitness und überdauernder Dispositionen wie der Persönlichkeit oder der Vorerfahrungen beeinflussen, wie die traumatische Situation erlebt wird (Lasogga & Karutz, 2005; Bengel & Heinrichs, 2004; Teegen F. , 2003).

9.5.4 Berufsbedingte Traumatisierung

Erwähnung soll hier auch die spezielle Form der sekundären Traumatisierung die Einsatzkräfte betrifft, finden. Sie wird berufsbedingte Traumatisierung genannt. Figley (2002) bezeichnet die berufsbedingte Traumatisierung auch als „the cost of caring“ und beschreibt Empathie mit

den Traumatisierten und Konfrontation mit traumatischen Informationen als Bedingungen zur Entstehung solcher Traumatisierung. Er nennt diesen sekundären traumatischen Stress, aus welchem die sekundäre Belastungsstörung entstehen kann auch Co-Viktimisierung, sekundäre Viktimisierung oder Sekundärüberlebende (Figley, 2002).

Durch ihre Ausbildung sowie ihre Erfahrung sind Einsatzkräfte von der Allgemeinbevölkerung zu unterscheiden. Ihr kognitiver Bezugsrahmen innerhalb dessen Verarbeitung stattfindet, insbesondere die Verarbeitung schwieriger Situationen, ist deutlich größer als der von anderen Menschen. Allerdings gibt es auch Ereignisse, die selbst den erweiterten Bezugsrahmen der Einsatzkräfte sprengen und dazu führen, dass ihre Bewältigungsmechanismen nicht mehr ausreichen und die Ressourcen der Person nicht länger genügen, um die Situation zu bewältigen (siehe Abbildung 6). Bei Vorkommnissen die in ihrer Dimension oder Intensität außergewöhnlich sind, bei denen es besonders viele Tote und/oder Schwerverletzte gibt, bei denen Kinder involviert sind, während derer das eigene Leben bedroht ist oder bei enormen Medieninteresse ist die Gefahr besonders groß, dass die vorhandenen Mechanismen zur Bewältigung nicht ausreichen. Dies gilt vor allem auch dann, wenn die Identifikation mit dem Opfer ausgeprägt ist, beispielsweise bei dem Tod eines

Durch ihre Ausbildung sowie ihre Erfahrung sind Einsatzkräfte von der Allgemeinbevölkerung zu unterscheiden. Ihr kognitiver Bezugsrahmen innerhalb dessen Verarbeitung stattfindet, insbesondere die Verarbeitung schwieriger Situationen, ist deutlich größer als der von anderen Menschen. Allerdings gibt es auch Ereignisse, die selbst den erweiterten Bezugsrahmen der Einsatzkräfte sprengen und dazu führen, dass ihre Bewältigungsmechanismen nicht mehr ausreichen und die Ressourcen der Person nicht länger genügen, um die Situation zu bewältigen (siehe Abbildung 6). Bei Vorkommnissen die in ihrer Dimension oder Intensität außergewöhnlich sind, bei denen es besonders viele Tote und/oder Schwerverletzte gibt, bei denen Kinder involviert sind, während derer das eigene Leben bedroht ist oder bei enormen Medieninteresse ist die Gefahr besonders groß, dass die vorhandenen Mechanismen zur Bewältigung nicht ausreichen. Dies gilt vor allem auch dann, wenn die Identifikation mit dem Opfer ausgeprägt ist, beispielsweise bei dem Tod eines