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Archiv "Leberveränderungen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen" (03.08.1998)

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nter tiefenpsychologisch fun- dierter Psychotherapie (oder dynamischer Psychotherapie) sind dialogische Behandlungsverfah- ren zu verstehen, die auf dem Boden der psychoanalytischen Krankheits- lehre in Abweichung von psychoanaly- tischen Standardverfahren (langfristi- ge Hochdosisbehandlung mit Instruk- tionen des Patienten, zum Beispiel in bezug auf Traumarbeit und freie Asso- ziation) um eine besondere Anpassung der Behandlungstechnik an die jeweils individuellen Bedürfnisse des Patien- ten bemüht sind. Gemeinsamkeiten mit anderen psychoanalytischen Be- handlungsverfahren ergeben sich aus der Berücksichtigung:

– unbewußter psychodynami- scher Prozesse,

— der aktuellen Wirksamkeit in- trapsychischer und interpersoneller Schutzhaltungen des Patienten (soge- nannte „Widerstände“),

˜ der Bedeutung der Arzt-Pati- ent-Beziehung mit ihren realen wie auch „Übertragungs“-Anteilen für den Heilungsprozeß und

™ der langfristigen Wirksamkeit frühkindlicher Erfahrungen.

Modifikationen gegenüber der psy- choanalytischen Standardbehandlung ergeben sich:

– in den äußeren formalen Vor- gehensweisen (Setting, Terminverein- barungen),

— in der Steuerung von Übertra- gungs- und Regressionsprozessen (Ver- meidung von „Übertragungsneurosen“, das heißt Vermeidung therapieverlän- gernder starker Abhängigkeiten vom Therapeuten),

˜ in der Häufigkeit der therapeu- tischen Interventionen und

™ in der Zentrierung auf die ak- tuell im Vordergrund stehende Sym- ptomatik und ihren Konflikthinter- grund.

Wegen der enormen Variations- breite im technischen Vorgehen, von der ausgesprochenen Kurz- (3, 6, 9, 31, 34, 37, 38, 40, 43) oder Fokaltherapie (2, 30) bis zur Langzeittherapie (10, 28), ist die tiefenpsychologisch fundier- te Psychotherapie (10, 13) als ein Ober- begriff anzusehen, der im Prinzip gleichartige, in der jeweiligen Gestal- tung aber unterschiedliche Vorgehens- weisen umfaßt und Überschneidungen mit anderen Begriffen aufweist. Nach

Angaben der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung wurden im Rahmen der Richtlinien-Psychotherapie im Jah- resintervall 1995/96 insgeamt 138 576 tiefenpsychologisch fundierte Psycho- therapien durchgeführt, davon 98 981 Kurzzeittherapien und 39 595 Lang- zeittherapien. Dieses Therapieprinzip kommt damit wesentlich häufiger zur Anwendung als psychoanalytische Standardtherapien (30 096).

Indikation und Kontraindikation

Die große Anzahl ambulant durchgeführter, tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapien weist auf die breiten Einsatzmöglichkeiten dieser Verfahren hin. Zudem sind diese Verfahren im stationären Be- reich oft das Mittel der Wahl. Gerade auch die häufig notwendige Motivati- onsarbeit im Rahmen der psychoso- matischen Grundversorgung gewinnt mit der Fähigkeit des Arztes, die Prinzipien dieses Vorgehens gekonnt anzuwenden. Die Verfahren sind bei Jugendlichen und jungen Erwachse- nen wie auch bei Patienten „jenseits der Lebensmitte“ gut einsetzbar. Die Relevanz für die ärztliche Versor- A-1909

M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 31–32, 3. August 1998 (37)

Tiefenpsychologisch fundierte

Psychotherapie

Klaus Lieberz

Stichwörter: Psychotherapie, Psychoanalyse,

Psychosomatische Grundversorgung, Psychotherapeutische Versorgung, Psychotherapieindikation

Die „tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie“ hat we- gen der außerordentlich flexiblen Einsatzmöglichkeiten ein breites Indikationsspektrum und wird in der ambulanten wie auch stationären Versorgung sehr häufig genutzt. Auch die im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung oftmals notwendige und nicht selten langwierige Motivierung des Pati-

enten zur adäquaten Berücksichtigung psychosozialer Aspekte seines Krank-

seins gelingt bei sachgerechter Anwendung der Prinzipien die- ses Verfahrens besser. Die Versorgungsrelevanz ist dement- sprechend hoch. Dargestellt werden die Grundlagen tiefen- psychologischer Vorgehensweise, die Modifikationen dieses speziellen Verfahrens gegenüber anderen Techniken, Indika- tionen und Begrenzungen wie auch die Besonderheiten der In- terventionstechnik.

ZUSAMMENFASSUNG

Key words: Psychotherapy, psychoanalysis,

basic psychosomatic care, psychotherapeutic health care, indications for psychotherapy

Psychoanalytic psychotherapy is of great importance in medi- cal care of inpatients and outpatients. The exceptional flexibil- ity of this method addresses to a broad spectrum of indica-

tions. Within basic psychosomatic care, these tech- niques – if correctly applied – help to motivate the

patients. We describe the technical principles, the modification of psychoanalytic psychotherapy in relation to other modes of treatment, the spectrum of indications, and the limitations as well as special characteristics of intervention.

SUMMARY

U

Psychosomatische Klinik am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim (Komm. Lei- ter: Prof. Dr. med. K. Lieberz), Fakultät für Kli- nische Medizin Mannheim der Ruprecht- Karls-Universität Heidelberg

(2)

gung ist dementsprechend hoch. Mit diesen Verfahren können sowohl Pa- tienten mit beispielsweise ausge- stanzter Angstsymptomatik wie auch verschiedensten funktionellen Be- schwerden oder einer breit angeleg- ten Persönlichkeitsstörung erreicht werden. Auch der Einsatz bei kör- perlichen Erkrankungen, wie zum Beispiel bestimmten Formen des Asthma bronchiale oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, kann zur Verbesserung der Krank- heitsbewältigung und Verhinderung weiterer Chronifizierung beitragen.

Zum Einsatz kommt die tiefen- psychologisch fundierte Psychothera- pie bei Patienten, die nicht zu sehr symptomzentriert sind und Bereit- schaft erkennen lassen, sich dem sym- ptomtragenden Konflikthintergrund zuzuwenden. Liegen diese Vorausset- zungen nicht vor, sollte meines Erach- tens die Kombination mit einer medi- kamentösen (zum Beispiel Anxiolyti- ka, Antidepressiva) Behandlung oder der Einsatz anderer Therapieformen, beispielsweise verhaltenstherapeuti- scher Art, erwogen werden.

Erscheint ein tiefenpsychologi- scher Behandlungsansatz grundsätz- lich angezeigt, dann ist bei der Wahl des Therapieverfahrens zunächst die soziale Situation (Schichtdienst, Wechseldienst) zu berücksichtigen, die den Einsatz einer Gruppenthera- pie ebenso ausschließen kann wie den einer höherfrequenten Therapieform.

Sodann ist bei der Behandlungspla- nung davon auszugehen, daß über die Art, Dauer und Prognose der Thera- pie nicht allein die Symptomatik (zum Beipiel Ausmaß der Behinderung oder Chronizität) entscheidet, son- dern daneben auch die aktuellen Lebensumstände (Arbeitslosigkeit, Schulden, andere schwer auflösbare Abhängigkeiten) und vor allem Per- sönlichkeitseigenschaften von Patient (und Therapeut!). Die Diagnostik hat deshalb diese drei Bereiche angemes- sen zu berücksichtigen.

Beispiel: Die 19jährige Gymna- siastin kommt in die Sprechstunde, weil sie vor zehn Tagen beim An- schauen eines bestimmten Filmes ei- nen Angstanfall bekam und seither von Zwangsbefürchtungen geplagt wird, sie könne jemandem etwas an- tun. Sonst keine wesentliche Begleit-

symptomatik. Sie steht noch ganz un- ter dem Eindruck der Symptomatik und fürchtet, daß diese ihr schulisches Fortkommen beeinträchtigen könn- te. Ihr daher motiviertes Drängen auf schnelle Wiederherstellung ihrer

„Funktionstüchtigkeit“ ist unterlegt von Hinweisen darauf, daß die akut aufgebrochene Symptomatik doch ei- nen bereits etwas längeren Vorlauf hatte und ohne Berücksichtigung die- ses Kontextes kaum erfolgreich be- handelt werden kann. Im Kontakt zeigt sich die Patientin vorsichtig, aber auch interessiert und kooperativ.

(ICD-10-Diagnose: F 41.0, F 42.0) Die Form einer ausgesproche- nen Kurztherapie kann nur bei Pati- enten mit guter Prognose gewählt werden. Dies setzt – wie im oben ge- schilderten Fall – voraus, daß sich ei- ne aktuelle Konfliktsituation (Sym- ptomauslösende-/Versuchungs-/Ver- sagungssituation) herausarbeiten läßt sowie eine kurze Symptomdauer bei guter Ich-Stärke und aktiver Ori- entierung besteht. Ein umschriebe- nes Hauptsymptom in Form von Ängsten (mit/ohne Körpersympto- matik, ICD-10: zum Beispiel F 41.0), Phobien mit Zwangsgedanken (ICD- 10: F 40.2), Trauerreaktionen, milden Depressionen (ICD-10: F 32,0) und interpersonellen Problemen bietet eine günstige Voraussetzung zur Kurztherapie. In der Vorgeschichte sollten sich bedeutungsvolle Objekt- beziehungen finden lassen. Damit sind Menschen gemeint, für die der Patient bereit gewesen ist, Opfer zu bringen. Gute Intelligenz, psycholo- gische Verständnisfähigkeit, kon- struktive Problemlösefähigkeit und vor allem die Fähigkeit, Prioritäten setzen zu können, sind für eine aus- gesprochene Kurztherapie (bis zu 25 Sitzungen) unabdingbar. Freier Af- fektzugang und affektive Ausdrucks- fähigkeit sind ebenso wie die Motiva- tion für eine Persönlichkeitsverände- rung (und nicht allein Symptomhei- lung) weitere Voraussetzungen (2, 3, 6, 9, 31, 34, 35, 38, 40).

Auf länger währende, tiefenpsy- chologisch fundierte Psychotherapien muß man sich bei allen Patienten ein- stellen, die diese strengen Auswahl- kriterien für eine Kurztherapie nicht erfüllen und/oder die folgende Anzei- chen erkennen lassen.

Dies sind Patienten mit starkem Rededrang (als Angstabwehr) oder mit der Neigung zum Monologisie- ren. Es sind weiter Patienten, bei de- nen Unselbständigkeit, Infantilität, Bequemlichkeit und Suchttendenzen auf stark ausgeprägte passiv-regressi- ve Versorgungswünsche hinweisen.

Auch Personen mit stark einge- schränkten kommunikativen Fähig- keiten (hartnäckige Schweiger, kom- munikationszerstörende Schizoide), mit geringer Angsttoleranz und Rea- litätsverankerung wie auch ausge- prägter Tendenz zu destruktivem Agieren und sadomasochistischen Arrangements gehören hierzu (10, 13, 28, 32, 37, 38) (ICD-10: zum Bei- spiel F 60.1, 60.7, 60.31).

Mitunter ist der passagere (oder manchmal auch dauerhafte) Einsatz von Psychopharmaka nützlich oder gar notwendig. So beispielsweise in der Anfangsphase der Behandlung schwer depressiver Patienten, die ohne diesen „Fremdanschub“ kaum die notwendigen Voraussetzungen für eine sinnvolle psychotherapeuti- sche Arbeit entwickeln (14, 15, 24, 29, 41). Auch Angstpatienten sper- ren sich ohne diese „schützenden Begleiter“ nicht selten gegenüber psychotherapeutischen Maßnah- men. Patienten mit massiven Störun- gen der Impulskontrolle (sogenann- te Borderline-Kranke) sind ohne medikamentöse „Steuerungshilfe“

oft nicht führbar. Freilich bedarf der Einsatz eines Psychopharmakons ei- ner sorgfältigen Reflektion der Aus- wirkungen auf die Arzt-Patient-Be- ziehung. Im übrigen ist die Kombi- nation von Psychotherapie und Me- dikament in der Behandlung be- stimmter internistisch-psychosoma- tisch Kranker (zum Beispiel eines Patienten mit Asthma bronchiale oder Colitis ulcerosa, ICD-10: J 45.1, K 51) oder primär somatisch Kran- ker selbstverständlich.

Mit einem Therapieversagen muß dann gerechnet werden, wenn neben den oben erwähnten therapie- verlängernden Anzeichen eine mas- sive emotionelle und materielle De- privation von frühester Kindheit an bestanden hat, eine auslösende Kon- fliktsituation für die aktuelle Sym- ptomatik sich nicht herausarbeiten läßt, ein beträchtlicher sekundärer A-1910

M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT

(38) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 31–32, 3. August 1998

(3)

Krankheitsgewinn besteht und/oder starke dissoziale Einstellungen wie auch masochistisch gefärbte Opfer-, Verzichts- und Bescheidenheitshal- tungen das persönlichkeitsstruktu- relle Bild bestimmen.

Inhaltliche Beschreibung

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapien (einschließlich Kurz- und Intervalltherapien) streben eine Begrenzung des Behandlungsaufwan- des (10, 13, 26, 31) an. Aus psychoana- lytischer Sicht erscheint es dabei sinn- voller, statt der Behandlungsdauer bes- ser den Behandlungsaufwand in Form der Anzahl eingesetzter Therapiesit- zungen zu modifizieren. Statt drei oder vier fester Behandlungssitzungen pro Woche werden die Behandlungstermi- ne bei dieser Therapieform variabel auf die jeweiligen Bedürfnisse des Pati- enten und des Behandlungsprozesses abgestimmt. Dies kann dazu führen, daß es in Risikosituationen zu hochfre- quenten Therapieabschnitten kommt, in anderen Phasen die Termine ge- streckt und behandlungsfreie Interval- le eingelegt werden. In der Regel wird angestrebt, mit dem Patienten mög- lichst einmal in der Woche zusammen- zukommen, in der Anfangsphase viel- leicht auch öfter.

Eng verbunden mit der Begren- zung des Behandlungsaufwandes ist die notwendige Begrenzung des Be- handlungsziels. Die Besserung der Symptomatik (Ängste, Depressio- nen, funktionelle Störungen) ist si- cher eines der nächstliegenden Ziele für den Patienten, wird aber speziell von psychoanalytisch trainierten Therapeuten erfahrungsgemäß in seiner Bedeutung unterschätzt, da diese mehr auf die Änderung sym- ptomtragender Persönlichkeitsmerk- male und Verhaltensmuster des Pati- enten ausgerichtet sind. Dafür sind analytische Therapeuten sicher weni- ger in Gefahr, schnellen Besserungen oder Heilungserfolgen (ohne ent- sprechende persönlichkeitsstruktu- relle Veränderungen) Glauben zu schenken, wissen sie doch, daß der Patient gern weitergehende und an- strengende Änderungen seiner Erle- bens- und Verhaltensgewohnheiten zu vermeiden trachtet und sich zum

Beispiel „in die Gesundheit flüch- ten“ kann. Auch die Kenntnis über kurz nach Beginn der Therapie ein- setzende „Übertragungsheilungen“

(als „Liebesbeweis“ gegenüber dem Therapeuten) schützt den Therapeu- ten vor zu früher Beendigung der Therapie. Auch wird sich der Thera- peut einen Einblick verschaffen müs- sen, inwieweit die Symptomabnahme auf Kosten einer breiten Lebensein- schränkung (zum Beispiel Vermei- dung von geselligen Kontakten oder Sexualität) geht oder ein Symptom- wandel eingetreten ist. Schnelle

„Heilungserfolge“ sind gerade in tie- fenpsychologisch fundierten Psycho- therapien suspekt, da diese eher bei schwerkranken Patienten eingesetzt werden, bei denen mit schnellen Er- folgen gar nicht zu rechnen ist. Vor dem Hintergrund der Begrenzung des Behandlungsaufwandes müssen Veränderungen in der Persönlich- keitsstruktur aber auf das zur Sym- ptombeseitigung unbedingt notwen- dige Maß beschränkt bleiben. Zur Zielbegrenzung gehört auch die the- matische Begrenzung. Nur der je- weils aktuell wirksame Konflikt wird zum Thema in der Therapie. Dieser Fokus sollte möglichst noch vor Be- ginn der eigentlichen Therapie, spä- testens jedoch in der Anfangsphase festgelegt sein. Als Wegweiser zum aktuellen Hauptkonflikt können die- nen (10, 13, 25, 26):

– die symptomauslösende Kon- fliktsituation (Versuchungs-/Versa- gungssituation);

— das pathogene soziale Feld, das die auslösende Situation konstel- liert, begünstigt oder verstärkt (zum Beispiel in Partnerschaft, Familie, Be- ruf und anderem);

˜ das aktuelle Beziehungsge- schehen Patient-Therapeut.

Je besser sich eine spezifische und aktuelle symptomauslösende Si- tuation herausarbeiten läßt, desto günstiger sind die Therapievoraus- setzungen auch hinsichtlich der the- matischen Zielbegrenzung. Bei Pati- enten, bei denen es schwerfällt, klare, aus der individuellen Biografie ab- leitbare Auslöser in der aktuellen Lebenssituation zu erkennen, sind eher längerfristige Therapieverläufe zu erwarten. Hier muß am ehesten der Umweg über die sich seitens des

Patienten konstellierende Bezie- hungsgestaltung in der Therapie ge- nommen werden, um den zentralen Beziehungskonflikt des Patienten in seinen aktuellen sozialen Auswir- kungen festzumachen.

Das in diesen Therapieformen erforderliche aktive Vorgehen wird unterstützt durch eine realitätsnahe Gestaltung des „Settings“. Die Be- handlung findet ohne vorherige Ver- abredungen oder Instruktionen (zum Beispiel hinsichtlich der Bei- bringung von Träumen, der Bearbei- tung des Traummaterials) im Ge- genübersitzen statt. Dies fördert ei- ne eher aufbauende, partnerschaftli- che Ebene in der Kommunikation und begrenzt zu starke regressive Tendenzen. Es gibt dem (zumeist tief mißtrauischen) Patienten Gelegen- heit, den Therapeuten „im Auge“ zu behalten und sich von dessen Reak- tionen zu überzeugen. Dadurch wer- den stärkere paranoide Einstellun- gen begrenzt. Die Realitätsprüfung des Patienten wird durch die Zen- trierung auf das aktuelle Wahrneh- men, Erleben und Handeln geför- dert.

Es ist sicher eine der größten Schwierigkeiten in diesen Therapien, trotz eher niedrigfrequenter Termin- gestaltung das aktuelle Übertragungs- geschehen richtig zu erfassen und do- sierend zu beeinflussen. Das regressi- ons- und übertragungsbegrenzende Vorgehen in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie beinhaltet (1, 10, 25, 28, 31, 37):

– Reduzierung der Anzahl der wöchentlichen Behandlungsstunden,

— behandlungsfreie Intervalle,

˜ aktive und frühe Interpretati- on von Widerstand und Übertragung,

™ Minimierung von Übertra- gungsdeutungen und

š Fokussierung auf die sekun- dären (tertiären) Folgen der Neurose.

Es ist dabei im Auge zu behalten, daß das Übertragungsgeschehen genü- gend Tiefgang behält, um einen befrie- digenden Therapieausgang zu gewähr- leisten und die Mündung der Therapie in einen oberflächlichen Ersatzbefrie- digungskontakt zu vermeiden.

Die eingesetzten therapeutischen Interventionen (10) unterscheiden sich nicht qualitativ, sondern quanti- tativ von den in anderen psycho- A-1911

M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 31–32, 3. August 1998 (39)

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analytischen Behandlungsverfahren eingesetzten Interventionen. Bezie- hungsgestaltende Handlungen, wie zum Beispiel das Angebot einer zu- sätzlichen Stunde, der Abbruch oder die Verkürzung einer Behandlungs- stunde, stehen ebenso wie klimabe- stimmende Interventionen in Form von Trost, Anerkennung, Skepsis oder Mißbilligung stärker im Vor- dergrund als in einer Standardbe- handlung. Interventionen pädago- gischen Charakters, wie Informatio- nen und Belehrungen, Ratschläge, Aufforderungen oder Verbote, sind in solchen Therapien selten zu vermei- den. Weiterhin sind themenbestim- mende Fragen und Kommentare von großer Bedeutung für die Behand- lung. Der Rückgriff auf frühere Inter- pretationen, Themen und Probleme wird um so notwendiger, je niederfre- quenter die Therapie gehalten wird (10, 28, 37, 38).

Resümee

Gute Therapieeffekte konnten in Studien, die forschungsmethodischen Mindestanforderungen genügen, aus- gewiesen werden (8, 31, 42). Zudem haben sich diese Therapieverfahren nunmehr über Jahrzehnte unter natu- ralistischen Bedingungen bewährt, was nicht gering zu schätzen ist, wie unter anderem die Ergebnisse der

„Consumer-Reports-Study“ belegen (27, 36). Der Nachweis von Wirkun- gen in der Routine der Alltagspraxis („effectiveness“) hat noch einmal ei- nen anderen Stellenwert als der Wir- kungsnachweis in experimentell ange- legten Designs („efficacy“).

Allerdings ist die Psychothera- pieforschung aufgrund der enormen methodischen Schwierigkeiten in die- sem hochkomplexen Gegenstandsbe- reich bisher nicht in der Lage, über allgemeine, für die verschieden-

sten Psychotherapieverfahren gültige Therapieeffekte hinaus die jeweils spezifischen Wirkfaktoren dieser (wie anderer) Therapietechniken zu bele- gen. Hier besteht erheblicher For- schungsbedarf (7, 27, 42).

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1998; 95: A-1909–1912 [Heft 31–32]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. med. Klaus Lieberz Psychosomatische Klinik am Zentralinstitut für

Seelische Gesundheit Mannheim Postfach 12 21 20

68072 Mannheim

A-1912

M E D I Z I N DIE ÜBERSICHT/FÜR SIE REFERIERT

(40) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 31–32, 3. August 1998 Neben der primär sklerosieren-

den Cholangitis sind auch diffuse Leberveränderungen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen nicht selten.

Die Autoren aus Padua, Italien, berichten über eine Multicenter-Stu- die an 484 Patienten mit Colitis ulcerosa beziehungsweise Morbus Crohn, bei denen Leberuntersu- chungen durchgeführt wurden.

Im Vergleich zu einer Kontroll- gruppe waren eine Fettleber und ei-

ne Erhöhung der alkalischen Phos- phatase bei Patienten mit Colitis ul- cerosa häufiger anzutreffen. Die Le- berveränderungen korrelierten mit der Krankheitsdauer, dem Aktivi- tätsindex und der Behandlung mit Steroiden und Mesalazin.

Pathologische Leberwerte fan- den sich bei bis zu 50 Prozent der un- tersuchten Patienten. Von besonde- rer Bedeutung ist jedoch die primär sklerosierende Cholangitis, die in einer Häufigkeit von 2 bis 26 Pro-

zent bei Patienten mit Colitis ulce- rosa und Morbus Crohn angetroffen

wird. w

Riegler G, Dinca R, Sturniolo GC et al.:

Hepatobiliary alterations in patients with inflammatory bowel disease: a multi- center study. Scand J Gastroenterol 1998;

33: 93–98.

Divisione di Gastroenterologia, Ospe- dale Cevile, via Guistiniani, 2, Padua, Italien.

Loftus EV, Sandborn WJ, Lindor KD, La Russo NF: Interactions between chronic liver disease and inflammatory bowel disease. Inflammatory Bowel Diseases 1997; 3: 228–302.

Division of Gastroenterology, Mayo Medical School, Clinic and Foundation, Rochester, MN, USA.

Leberveränderungen bei

chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

Die akute Pankreatitis stellt die häufigste Komplikation der endosko- pisch retrograden Cholangio-Pank- reatikographie (ERCP) dar. Diese geht sowohl auf Manipulationen an der Papilla Vateri als auch auf wieder- holte Injektionen eines hyperosmola- ren Kontrastmittels zurück. Die pro- phylaktische Gabe von Octreotid, Somatostatin, Nifedipin, Glukagon, Calcitonin und Aprotinin kann diese

Komplikation leider nicht verhin- dern.

Die Autoren aus Cleveland un- tersuchten in einer kontrollierten ran- domisierten Multicenter-Studie den Effekt von 125 Milligramm Methyl- prednisolon i.v. vor Durchführung einer endoskopisch retrograden Cho- langio-Pankreatikographie auf die Rate möglicher Pankreatitiden. Ins- gesamt wurden 286 Patienten rando-

misiert, die Pankreatitisrate lag nach Gabe des Cortisonpräparates bei 12,4 Prozent, in der Plazebogruppe bei 8,7 Prozent. Die Gabe von Methylpredni- solon i.v. kann somit die ERCP-indu- zierte Pankreatitis nicht verhindern.w Dumont JA, Conwell DL, O’Connor JB et al.: Pretreatment with methylpredni- solone to prevent ERCP-induced pan- creatitis: a randomized, multicenter, pla- cebo-controlled clinical trial. Am J Gastroenterol 98; 93: 61–65.

Departments of Gastroenterology and General Surgery, Cleveland Clinic Foun- dation, 9500 Euclid Avenue, Cleveland, OH 44195, USA.

Cortison verhindert die

ERCP-induzierte Pankreatitis nicht

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