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Archiv "Internationaler Prävalenz-Vergleich: Ein Weltatlas der Allergien" (22.05.1998)

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ellington, die Hauptstadt Neuseelands, hat schon länger den Ruf, die „Asth- mahauptstadt der Welt“ zu sein. Und nach den Daten, die das vor acht Jah- ren begonnene ISAAC-Projekt (In- ternational Study on Asthma and Al- lergy in Children) nun liefert, gehört die Stadt zumindest zu den heißesten Favoriten auf den zweifelhaften Titel.

Neuseeland, England und Australien führen die weltweite Asthmastatistik an: 25 bis 40 Prozent der in diesen Län- dern im Rahmen des ISAAC-Projek- tes befragten Kinder hatten im letzten Jahr typische Atemsymptome erlebt.

Forscher aus 56 Ländern haben sich an dieser ersten von drei geplanten ISAAC-Stufen beteiligt, deren Ergeb- nisse nun im „Lancet“ publiziert sind (1998; 351: 1225). Auf fünf Erdteilen wurden über 460 000 Kinder zwischen 13 und 14 Jahren anhand standardisier- ter Fragebögen und teilweise auch Videointerviews gefragt, ob sie in den letzten zwölf Monaten von typischen Symptomen der drei Allergieformen Asthma, allergische Rhinitis und atopi- sches Ekzem betroffen waren. „Die Studie erlaubt erstmals einen globalen Vergleich der Allergie-Häufigkeit auf der Basis einheitlicher Kriterien“, sag- ten Prof. Ulrich Keil (Universität Mün- ster) und Dr. Stephan Weiland als Co- Initiatoren des Projektes.

Bemerkenswert sei, wie sehr die Häufigkeit der Symptome weltweit va- riiert. Verglichen mit den sehr hohen Raten aus England oder auch Neusee- land, lag in Deutschland (Münster) die Rate der Beschwerden mit 14 Prozent nur etwa halb so hoch; in Greifswald, dem zweiten beteiligten deutschen Zentrum, lag sie noch einmal etwa zwei Prozentpunkte niedriger. Und un- ter 13- bis 14jährigen Indonesiern

scheint Asthma mit kaum zwei Prozent eine Seltenheit zu sein, aber auch in mehreren osteuropäischen Ländern, Griechenland, China und Indien klag- ten weniger als fünf Prozent der Kin- der über Symptome.

„Es gibt ein deutliches West-Ost- und ein Nord-Süd-Gefälle in der Asthma- und Allergie-Prävalenz“, sagte Keil. Insgesamt findet sich eine recht gute geographische Überein- stimmung zwischen den verschiede- nen Allergieformen: Wo Asthma häu- fig war, berichteten die Kinder auch häufiger über typische Anzeichen von Heuschnupfen und atopischem Ek- zem. So liegen die englischsprachigen Länder auch in diesen beiden Krank- heitsformen in der Spitzengruppe.

Überraschung für die Fachwelt

Es gab allerdings auch Ausreißer:

nigerianische Kinder lagen mit 40 Pro- zent an der Spitze der Heuschnupfen- Tabelle, liegen bei Asthma mit etwa zehn Prozent aber eher im Mittelfeld.

Selbst wenn sich die im Extremfall 60fachen Unterschiede zwischen ver- schiedenen Ländern etwas reduzieren, bleibt das grundsätzliche Rätsel beste- hen, warum die Krankheiten in eini- gen Ländern häufiger sind als in ande- ren. Daher werde in der zweiten Stufe des ISAAC-Projektes die Abhängig- keit der Krankheiten von sozialen Ge- gebenheiten, Impfstatus, Klima und Ernährungsgewohnheiten geprüft.

Für Deutschland liegen bereits Ergebnisse vor: Hier profitieren die Forscher von der einmaligen Situati- on nach der Wiedervereinigung: Eine der Überraschungen für die Fachwelt war, daß in Ostdeutschland Allergien

seltener sind als im Westen. Seitdem konzentriert sich die Suche nach dem Risikofaktor auf spezifische Faktoren des „westlichen Lebensstils“. Auch der Vergleich der beiden deutschen ISAAC-Zentren bestätigt diese Ost- West-Verteilung. So hatten beispiels- weise in Münster sieben Prozent der befragten Zwölf- bis 15jährigen ange- geben, jemals unter Asthma gelitten zu haben, in Greifswald lag die Rate bei knapp vier Prozent (European Respiratory Journal 1998; 11: 840).

Nach den Beobachtungen einer Gruppe um Dr. Erika von Mutius (Universitätskinderklinik München), Dr. Christian Fritzsch (Universität Leipzig), Weiland und Keil sind ost- deutsche Kinder aber auf dem besten Weg, den Unterschied aufzuholen (Lancet 1998; 351: 6862). Die For- scher hatten im Schuljahr 1995/96 in Leipzig die Eltern von etwa 1 850 Neun- bis Elfjährigen per Fragebogen interviewt und 70 Prozent dieser Kin- der zudem einem Allergietest unter- zogen. Die Daten haben sie dann mit den Angaben verglichen, die sie be- reits 91/92 auf dieselbe Weise erhoben hatten. In diesen vier Jahren hatte sich die Häufigkeit von Heuschnup- fen von zwei auf fünf Prozent mehr als verdoppelt; im Westen liegt sie, so Weiland, bei acht bis neun Prozent.

Die Forscher glauben nicht, daß der Anstieg der Heuschnupfen-Zah- len darauf beruht, daß Eltern und Ärzte aufmerksamer auf Symptome geachtet haben. „Auch Hauttests auf Allergie gegen Hausstaubmilben, Gras-, Hasel- und Birkenpollen zeig- ten eine Zunahme der positiven Re- aktionen um 30 bis 80 Prozent“, sagte von Mutius. Insgesamt war die Rate der Kinder, die allergische Beschwer- den angaben, von 19 auf 27 Prozent gestiegen (West: 36 Prozent). Von die- ser rapiden Zunahme waren jedoch noch nicht alle Allergie-Formen be- troffen: Asthma war in Leipzig in et- wa gleich häufig geblieben.

Erika von Mutius sieht in dieser

„Trägheit“ die Bestätigung der These, daß die Anfälligkeit für Asthma mög- licherweise schon in der frühesten Kindheit „geprägt“ werde: „Die von uns befragten Kinder waren etwa drei Jahre vor der Wende geboren. Offen- bar hatten sie 1990 ihre Prägungspha- se schon hinter sich.“ Offen ist jedoch, A-1290 (26) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 21, 22. Mai 1998

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Internationaler Prävalenz-Vergleich

Ein Weltatlas der Allergien

Dreistufige Studie in 56 Ländern belegt unterschiedliche Allergie-Häufigkeit, deren Ursache nach wie vor ungeklärt ist.

Einige Wissenschaftler sehen in der Fettauswahl für die Nahrung einen möglichen Auslöser („Linolsäure-Hypothese“).

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welche Faktoren für diese Prägung verantwortlich sein könnten: Zu den prominentesten Verdächtigen zählen neben Infektionen in der frühen Kindheit die Wohnbedingungen und Ernährungsgewohnheiten.

So korrelierten im Vergleich zwi- schen Münster und Greifswald, aber auch in Leipzig häufigere Holz- und Kohleöfen in der Wohnung mit weni- ger Allergie-Symptomen, während Rauchen und Lkw-Verkehr in Wohn- straßen das Risiko erhöhte. Allerdings reiche die seit der Wende erfolgte An- gleichung etwa an den Wohnungsstan- dard in Westdeutschland alleine nicht aus, „um die rapide Zunahme allergi- scher Beschwerden in nur vier Jahren zu erklären“, sagte von Mutius.

Darüber hinaus identifizierte die Studie noch einen weiteren, bislang wenig systematisch untersuchten Risi- kofaktor für Allergien: Die Wahl von Fetten und Ölen. So gab eine Reihe von Familien an, seit der Wende But- ter durch Margarine ersetzt zu ha- ben. Kinder solcher Familien litten mehr als viermal so häufig unter Heuschnupfen (7,3 Prozent) als Kin- der der Familien, die ihren Margari- neverzehr reduziert hatten (1,6 Prozent). Umgekehrt fanden die Forscher in Familien, die ihren Butterkonsum erhöht hatten, deut- lich seltener positive Haut-Prick-Tests als im umgekehrten Fall (17 statt 29 Prozent).

Für diesen statistischen Zusam- menhang kann es zwei Erklärungen geben. Einerseits könnten sich hinter

„Margarine“ und „Butter“ in Wahr- heit andere, in der Studie aber nicht erfaßte Verschiebungen in Lebens- weise und Ernährung verbergen. Von Mutius bleibt deshalb vorsichtig:

Trotz einiger Gegenargumente könne die Studie das nicht völlig aus- schließen. Andererseits gibt es durch- aus Argumente für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen „Margari- ne“ und Allergien.

Der Pneumologe Prof. Roland Buhl (Uniklinik Mainz) hält die Idee,

„daß einige Fettsorten das Allergie- und Asthmarisiko erhöhen können“, für durchaus plausibel. Dahinter steht die Befürchtung einer wachsenden Zahl von Wissenschaftlern, daß es in der Ernährung der westlichen Indu- striestaaten in den letzten Jahrzehn-

ten zu einem Ungleichgewicht zwi- schen „Omega-3“-(n-3)- und „Ome- ga-6“-(n-6)-Fettsäuren gekommen ist.

Diese zwei Klassen der mehr- fach ungesättigten Fettsäuren liefern nicht nur Kalorien. Einige Mitglieder sind zudem Liganden einer erst kürz- lich entdeckten Klasse von Rezepto- ren, die unter anderem an der Regula- tion von Fettstoffwechsel- und Ma- krophagenaktivierung beteiligt ist.

Und seit langem ist bekannt, daß sie Ausgangsmaterial für die Synthese ei- ner Vielzahl von Hormonen, darunter die Prostaglandine, sind. Dabei haben die aus n-6-Fetten gebildeten Varian- ten stark verein-

fachend eher

„proinflammatorische“ und „prolife- rationsfördernde“ Wirkungen, wäh- rend die Produkte der n-3-Fette sich als „Gegenspieler“ charakterisieren lassen, als „entzündungsdämpfend“

und „anti-proliferativ“. Ernährungs- wissenschaftler gehen heute da- von aus, daß der Stoffwechsel des Menschen evolutionär an eine n-6/n- 3-Relation in der Nahrung von etwa vier zu eins angepaßt ist. Diese Relati- on hat sich in den letzten 100 Jahren in Europa aber auf bis zu 10 : 1 erhöht (Isr J Med Sci 1996; 32: 1134–1143).

Die Frage lautet deshalb: Wirkt sich diese Verschiebung auf die Häu- figkeit und den Verlauf von Entzün- dungen aus? Einzelne Berichte deu- ten das für Allergien an: So scheint ei- ne unausgewogen hohe n-6-Fett-Zu- fuhr die Herstellung von IgE-Anti- körpern zu begünstigen (European Respiratory Journal 1997; 10: 6). Zu denken gibt in diesem Zusammen- hang auch, daß derzeit mit den „Leu- kotrien-Rezeptor-Antagonisten“ eine

neue Klasse von Asthma-Medikamen- ten auf den Markt kommt, deren Wir- kung eben auf der Blockade einiger extrem potenter Entzündungshormo- ne beruht: Auch die Leukotriene wer- den letztlich aus n-6-Fettsäuren syn- thetisiert. Margarine fügt sich in diese Hypothese, weil sie große Mengen der wichtigsten n-6-Fettsäure enthält – die Linolsäure.

Diese Fettsäure ist mit einem An- teil von über 60 Prozent die wichtigste Fettsäure in Sonnenblumen-, Mais- keim-, Soja- und Distelöl und den daraus hergestellten Margarinesor- ten. Ein kleine Menge Linolsäure täglich, etwa ein Prozent der Kalo- rien, gilt als essentiell. In Deutschland liegt der durchschnittliche An- teil der Linolsäure an den Kalorien derzeit bei etwa sieben Pro- zent, während die Auf- nahme von n-3-Fetten (enthalten in Fisch und alpha- Linolensäure-reichen Ölen) eher rückläufig war.

Einige Forscher befürchten sogar, daß diese Verschiebung im Gleich- gewicht der potenten Fettsäuren neben Allergien auch eine Reihe weiterer „westlicher“ Krankheiten be- günstigt haben könnte, darunter auch Brustkrebs und Alters-Diabetes (Prog Lipid Res 1997; 35: 409–457, Isr J Med Sci 1996; 32: 1134–1143). Allerdings steht die „Linolsäure-Hypothese“

noch auf unsicheren Füßen und ist nur eine von mehreren Erklärungskandi- daten etwa für die Zunahme der Aller- gien im Westen.

Prof. Helmut Bartsch, der derzeit am Deutschen Krebsforschungszen- trum die Wirkungen verschiedener Fette auf Brustkrebs untersucht, hält die Hinweise aber für zumindest ernst genug, um „eine kritische Diskussion“

der Fettproblematik zu beginnen.

Aussagekräftige prospektive Ernäh- rungsstudien, die den Zusammenhang zwischen Asthma und Allergien und der n-6/n-3-Relation in der Nahrung klären, fehlen bislang aber noch. Im- merhin stellte auch Prof. Günther Wolfram, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, im April klar, daß „unter Berücksichtigung präventiver Aspekte“ das n-6/n-3-Ver- hältnis von derzeit 8 : 1 auf 5 : 1 redu- ziert werden sollte. Klaus Koch A-1291

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 21, 22. Mai 1998 (27)

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