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Archiv "Neuwahl des Bundestages: Politik unter Zeitdruck" (03.06.2005)

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as Wortungetüm, dass sich Bundesgesundheitsmini- sterin Ulla Schmidt dieser Tage zurechtgelegt hat, bereitet ihr noch etwas Schwierigkei- ten. „Kopfgeldprämienmodell“

nennt sie das Konzept der Uni- on zur Reform der Gesetzli- chen Krankenversicherung seit neuestem. Das klingt bürokra- tisch, kalt und ein wenig nach Wildwest. Der Bürger soll sich selbst die Frage beantworten, wer die Kopfgeldjäger sind.

Es ist Wahlkampf in Deutsch- land, und der Ton zwischen den politischen Lagern wird rauer – auch in der Gesundheitspolitik.

Nach jetzigem Stand will Bun- deskanzler Gerhard Schröder bereits am 1. Juli im Bundestag die Vertrauensfrage stellen.

Wahltag wird voraussichtlich der 18. September. Für Politiker aller Lager bedeutet dies einen enormen Zeitdruck. Zukunfts- konzepte müssen in Wahlpro- gramme gegossen und bislang unerledigte Vorhaben wenn möglich noch rasch über die parlamenta- rischen Hürden gebracht werden.

Gesundheitsministerin Schmidt kün- digte bereits an, dass die von Rot-Grün favorisierte Bürgerversicherung einen gebührenden Stellenwert im Wahlmani- fest der SPD einnehmen werde. Gleich- zeitig äußerte sie die Vermutung, CDU und CSU würden das Thema Gesund- heit wegen etlicher offener Fragen in dem von ihnen konzipierten Prämien- modell aus dem Bundestagswahlkampf ausklammern. „Doch wir werden das nicht zulassen“, so die Ministerin.

Im Detail haben bislang weder Uni- on noch Rot-Grün ausreichend über ih- re Vorhaben informiert. Ein konkretes

Konzept für eine Bürgerversicherung gibt es nicht. Nach wie vor sind die Vor- stellungen von SPD und Grünen ne- bulös. Für den politischen Gegner ist es deshalb schwierig, Angriffspunkte zu finden.

Zumal CDU und CSU gesundheitspo- litisch mit sich selbst beschäftigt sind. Die Union hatte zwar ein vergleichsweise konkretes Reformkonzept beschlossen.

Gleichwohl sind noch etliche Detailfra- gen – insbesondere die Finanzierung be- treffend – offen. Mit deren Klärung muss man sich nun herumschlagen.

Auszutüfteln ist insbesondere, wie das Gesundheitsmodell mit dem Steuerkon- zept der Union verzahnt werden kann. In

dieser Woche treffen sich die Schwesterparteien, um einen Fahrplan für die Erstellung des gemeinsamen Wahlprogramms zu erarbeiten. Nach Auskunft des CDU-Sozialexperten An- dreas Storm wird wohl Anfang Juli ein Entwurf stehen. Ende nächsten Monats soll das Pro- gramm auf Wahlparteitagen ver- abschiedet werden.

Was kommen wird, ist das ei- ne, was liegen bleibt, das andere.

Zu Letzterem zählt wohl die Neugestaltung des Finanzaus- gleichs der gesetzlichen Kran- kenkassen. Der morbiditäts- orientierte Risikostrukturaus- gleich, kurz Morbi-RSA, sollte die Kosten unterschiedlicher Krankheitsrisiken bei den Kas- sen gerechter verteilen. Kommt es im September zu einem Re- gierungswechsel, ist dieses Pro- jekt gescheitert.

Dies könnte konkrete Aus- wirkungen auf die Kassenärzte haben. Denn bisher ging man davon aus, dass mithilfe des Morbi-RSA die notwendigen Mittel be- reitgestellt werden, um die für 2007 ge- plante Umstellung der ärztlichen Ver- gütung auf morbiditätsbezogene Regel- leistungsvolumina zu bezahlen. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung (KBV), Dr. med. An- dreas Köhler, bleibt jedoch gelassen.

„Es gibt keinen kausalen Zusammen- hang zwischen Morbi-RSA und Regel- leistungsvolumina.“ Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, so Köhler gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.

Er gehe weiterhin davon aus, dass die morbiditätsbezogenen Regelleistungs- volumina pünktlich eingeführt würden.

Wenig Hoffnung macht sich Köhler, P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 22⏐⏐3. Juni 2005 AA1553

Neuwahl des Bundestages

Politik unter Zeitdruck

Nach der Entscheidung, die Bundestagswahl vorzuziehen, gilt es für alle Parteien, Zukunftskonzepte zu konkretisieren und Unerledigtes abzuarbeiten.

Vielen gesundheitspolitischen Vorhaben der Regierung droht das Aus.

Noch im Juli will die Kanzlerkandidatin der Union, Angela Mer- kel, ein Wahlprogramm vorlegen. Die Entscheidung von Bundes- kanzler Gerhard Schröder und SPD-Chef Franz Müntefering, die Bundestagswahl vorzuziehen, kam auch für sie überraschend.

Fotos:dpa

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dass nach einem Regierungswechsel die Debatte über die Zukunft der Kas- senärztlichen Vereinigungen (KVen) verstummen könnte. Die Kritik am KV- System sei parteiübergreifend.Auch die Union müsse sich entscheiden, wie sie zum Kollektivvertrag stehe.

Die Gesundheitskarte kommt

Kontinuität auch im Falle eines Regie- rungswechsels erwartet Köhler bei der schrittweisen Etablierung der elektroni- schen Gesundheitskarte. Das Vorhaben werde sicher nicht gestoppt, so der KBV- Vorsitzende.Auch die jetzige Opposition habe ein Interesse an dem Projekt. Mög- lich seien aber Änderungen am Zeitplan.

Ganz sicher ist davon auszugehen, dass es ein rot-grünes Gesamtmodell zur Reform der Pflegeversicherung, das bis zum Herbst dieses Jahres vorliegen sollte, nicht mehr geben wird. „Wir wer- den noch vor der Sommerpause ein ei- genes Konzept vorlegen“, betonte die Bundestagsabgeordnete Petra Selg von Bündnis 90/Die Grünen auf Anfrage des Deutschen Ärzteblattes. Die Pfle- geexpertin favorisiert eine Lösung nach dem Modell der Riester-Rente, sprich:

zusätzlich zur vorhandenen Absiche- rung eine private Zusatzpflegeversiche- rung mit einem Beitragssatz von min- destens 0,5 Prozent. Im Falle eines Regierungswechsels wäre aber auch dieser Vorstoß Makulatur.

Ob es der FDP besser gelänge, eige- ne gesundheitspolitische Positionen ge- genüber dem größeren Koalitionspart- ner durchzusetzen als bislang den Grü- nen, ist offen. Noch gehen die Vorstel- lungen von Union und FDP weit aus- einander.Wo Kompromisslinien verlau- fen könnten, will der liberale Bundes- tagsabgeordnete Dieter Thomae nicht sagen: „Das wäre ja zu schön für Sie.“

Klar sei, dass man die weitgehenden Konzepte der FDP, beispielsweise hin zu einer Privatisierung der Krankenver- sicherung, nicht in einem Schritt reali- sieren könne. Doch den politischen Wil- len vorausgesetzt, ließen sich Schnitt- stellen zur Union finden.

Thomae bedauert im Übrigen, dass sich der Umbau der Arzneimittelzulas- sung und -überwachung verzögern wird. Das „Gesetz zur Errichtung einer

Deutschen Arzneimittel- und Medizin- produkteagentur“ wird nicht mehr schnell genug die parlamentarischen Hürden nehmen können. „Deutschland fällt dadurch bei der Zulassung von Arzneimitteln zurück“, fürchtet der Gesundheitspolitiker.Auch das Präven- tionsgesetz, dem die unionsgeführten Bundesländer am 27. Mai im Bundesrat ihre Zustimmung verweigerten und das sie in den Vermittlungsausschuss über- wiesen, wird auf keinen Fall mehr „über die Rampe“ kommen, ist Thomae über- zeugt. Das bedauert er jedoch weniger.

Ausgebremst werden durch die er- warteten Neuwahlen auch einige Ge- sundheitspolitiker, die sich schwer- punktmäßig mit ethischen Fragestellun- gen befassen. So hatte der rechtspoliti- sche Sprecher der SPD-Fraktion, Joa- chim Stünker, kürzlich den Entwurf ei- nes „3. Gesetzes zur Änderung des Be- treuungsrechts“ verfasst, der noch vor der Sommerpause den Weg ins Parla- ment finden sollte. Doch eine gesetzli- che Klarstellung zu Patientenverfügun- gen wird nicht mehr gelingen. Ebenso wenig macht der erwartete Vorstoß aus

den Reihen der Enquete-Kommission

„Ethik und Recht der modernen Medi- zin“ zu diesem Thema derzeit noch Sinn. „Das Thema müsste im Bundestag so intensiv diskutiert werden, dass die Zeit nicht mehr reicht“, stellt Hubert Hüppe (CDU) klar, stellvertretender Vorsitzender der Enquete. Die erwarte- ten Neuwahlen haben auch zur Folge, dass die Enquete-Kommission nicht mehr wie eigentlich üblich einen Ab- schlussbericht vorlegen wird.

Das Schicksal des Nationalen Ethik- rates ist ebenfalls ungewiss. Das Gremi- um wurde vor allem auf Betreiben von Bundeskanzler Gerhard Schröder im Ju- ni 2001 eingesetzt. Kürzlich wurden na- hezu alle Mitglieder für weitere vier Jah- re im Amt bestätigt. Lediglich der ehe- malige SPD-Politiker Hans-Jochen Vo- gel und Bischof Dr. Gebhard Fürst schei- den aus. Für sie kommen der ehemalige Bundesbildungsminister Jürgen Schmu- de (SPD) und der katholische Augsbur- ger Weihbischof Dr. Anton Losinger.

Ob der Nationale Ethikrat unter einer neuen Bundesregierung weiterarbeiten wird, ist offen. Samir Rabbata, Sabine Rieser P O L I T I K

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A1554 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 22⏐⏐3. Juni 2005

Informationsfreiheitsgesetz

Rot-Grün gibt nach

Gesundheitsministerin Schmidt nimmt Bedenken der Kassen auf.

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ventuell klappt es doch noch mit dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG).In letzter Minute ist die Bun- desregierung den Bedenken der Kas- sen gefolgt und hat bei dem Gesetzes- vorhaben nachgebessert.Wie aus einem Änderungsantrag der Regierungsfrak- tionen im Innenausschuss hervorgeht, sollen nun Daten der Krankenkassen besser geschützt werden. Nun können die Kassen die Herausgabe von Infor- mationen verweigern, wenn „das Be- kanntwerden der Information geeignet wäre, fiskalische Interessen des Bundes im Wirtschaftsverkehr oder wirtschaft- liche Interessen der Sozialversicherun- gen zu beeinträchtigen“.

Bei den Krankenkassen begrüßt man das Einlenken. „Durch die darin

vorgesehenen Regelungen wird ver- hindert, dass zum Beispiel die Pharmaindustrie oder die privaten Krankenversicherungen die gesetzli- chen Krankenkassen ausforschen“, erklärte der Sprecher des Bundes- vorstandes der Betriebskrankenkas- sen, Florian Lanz. Die Kassen hatten zuvor die Befürchtung geäußert, dass beispielsweise Arzneimittel- hersteller Einblick in die Verord- nungs- und Abrechnungsdaten erhal- ten könnten.

Werden die Änderungen im In- nenausschuss des Bundestages über- nommen, könnte das IFG bereits An- fang Juni den Bundestag passieren.

Im Bundesrat würde es dann für Mit- te Juni auf der Tagesordnung stehen.

Wird das Einspruchsgesetz dort zurückgewiesen, müsste der Bundes- tag dieses mit einfacher Mehrheit

„überstimmen“. Ein Länder-Veto mit anschließendem Vermittlungs- verfahren dürfte de facto jedoch das Ende des Gesetzesvorhabens bedeu-

ten. Timo Blöß

Referenzen

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