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Tic-Unterdrückung und Rebound-Phänomen bei Patienten mit Gilles de la Tourette-Syndrom

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Academic year: 2022

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Aus der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover

unter der Leitung von Prof. Dr. med. S. Bleich

Tic-Unterdrückung und Rebound-Phänomen bei Patienten mit Gilles de la Tourette-Syndrom

Dissertation

zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Laura Riemann aus Herford

Hannover 2016

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Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 15.06.2017

Gedruckt mit der Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. med. Christopher Baum

Betreuerin: Prof.’in Dr. med. Dr. med. dent. Kirsten Müller-Vahl Referent: Prof. Dr. med. Joachim Krauss

Koreferent: Prof.’in Dr. phil. Dr. med. Astrid Müller

Tag der mündlichen Prüfung: 15.06.2017

Prüfungsausschussmitglieder:

Prof. Dr. med. Nils Schneider

Prof.’in Dr. rer. Nat. Tanja Zimmermann Prof. Dr. med. Klaus Hager

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Inhaltsverzeichnis

1. Einführung ... 6

1.1. Historische Entwicklung und Definition ... 6

2. Gilles de la Tourette-Syndrom ... 9

2.1 Epidemiologie ... 9

2.2 Komorbiditäten ... 9

2.3 Ätiologie ... 10

2.4 Diagnostik ... 12

2.5 Therapie ... 13

2.5.1. Medikamentöse Therapie ... 13

2.5.2. Verhaltenstherapien ... 14

2.5.2.1. Habit Reversal Training und Comprehensive Behavorial Intervention for Tics (CBIT) ... 14

2.5.2.2. Exposure and Response Prevention Training (ERP) ... 15

2.5.3. Therapie der Komorbiditäten ... 15

2.5.3.1. Therapie der Zwangserkrankung ... 15

2.5.3.2. Therapie der ADHS ... 16

2.6 Was sind Tics? ... 16

2.7 Tic-Stärke und –Häufigkeit ... 17

2.8 Vorgefühl ... 18

2.9 Unterdrückbarkeit der Tics ... 19

2.10 Rebound-Phänomen ... 20

2.11 Ziele dieser Studie ... 24

2.12 Hypothesen ... 25

3. Probanden und Methoden ... 27

3.1 Rekrutierung der Probanden ... 27

3.1.1. Ein- und Ausschlusskriterien bei der Rekrutierung der Probanden ... 27

3.2 Studiendesign ... 28

3.3 Studienablauf ... 29

3.3.1 Videoaufzeichnung und Modified Rush Video Protokoll ... 29

3.4 Bearbeitung der Videoaufzeichnungen ... 33

3.5 Auswertung der Videoaufzeichnungen ... 33

3.6 Fragebögen zur Charakterisierung des Probandenkollektivs ... 34

3.7 Diagnose einer ADHS ... 36

3.8 Fragebögen zur Selbsteinschätzung der Probanden: PUTS, VAS und RVTR ... 36

3.9 Statistische Auswertung ... 37

4. Ergebnisse ... 39

4.1. Deskriptive Statistik ... 39

4.2 Inferenzstatistik ... 41

4.2.1. Tic-Unterdrückung (nach MRVS) ... 41

4.2.2. Tic-Schwere nach der Tic-Unterdrückung (nach MRVS) ... 43

4.2.3. Selbsteinschätzung ... 43

4.2.4. Vorgefühl ... 45

4.2.5. Tic-Schwere (YGTSS) ... 48

4.2.6. Fähigkeit zur Tic-Unterdrückung (IP) ... 49

4.2.7. ADHS ... 49

5. Diskussion ... 53

5.1. Diskussion der Hypothesen ... 53

5.1.1. Tic-Unterdrückung (nach MRVS und VAS) ... 53

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5.1.2. Rebound-Phänomen und die subjektive Tic-Wahrnehmung (nach VAS) ... 54

5.1.3. Vorgefühl (nach PUTS) ... 56

5.1.4. Tic-Schwere (nach YGTSS) ... 57

5.1.5. ADHS ... 57

5.2 Stärken der Studie ... 58

5.3 Schwächen der Studie ... 59

5.4 Ausblick ... 60

6. Zusammenfassung ... 62

6.1 Einleitung ... 62

6.2 Methoden ... 62

6.3 Ergebnisse ... 62

6.4 Diskussion ... 63

7. Literaturverzeichnis ... 64

Anhang 1: Patienteninformationsanschreiben ... 69

Anhang 2: Probandeninformation und Einwilligungserklärung ... 71

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berichtete außerdem von nicht zu beeinflussenden Lautäußerungen und Ausrufen, bei denen es sich um vokale Tics gehandelt haben könnte. Spezifischer sind Berichte von Bouteille um 1810 und Itard um 1825 (3). Itard schrieb als Erster über die Marquise de Dampierre, einer Nobeldame aus dem 19. Jahrhundert, die auffällige und gleichzeitig für das TS typische Tics hatte. Itard hält durch die Beschreibung ihrer Symptome wesentliche Merkmale der Erkrankung schriftlich fest. Viele Jahre später konnten einige der Beschwerden, die auch für die Marquise de Dampierre beschrieben wurden, dann anhand größerer Studien als pathognomonisch für das TS festgestellt werden: Bei ihr begannen die ersten motorischen Tics im Alter von sieben Jahren an Armen und Händen. Später kamen Serien von Tics hinzu, die die Muskeln der Schultern und des Nackens betrafen. Zusätzlich traten Grimassieren und vokale Tics wie lautes Ausrufen von Silben und Schimpfwörtern auf (3).

Ein gewaltiger Schritt in der Klassifizierung und Differenzierung motorischer Bewegungsstörungen, die bis dahin unter dem Begriff „Chorea“ oder „Pseudo-Chorea“

zusammengefasst worden waren, wurde Ende des 19. Jahrhunderts von George Gilles de la Tourette geleistet (Abbildung 1). Aufgrund seiner Verdienste im Sinne einer Serie von präzisen und umfassenden Fallbeschreibungen erhielt diese Tic-Erkrankung von da an seinen Namen. Shapiro et al. beschreiben in ihrem Buch „Gilles de la Tourette Syndrome – Second Edition“ Gilles de la Tourettes Erkenntnisse wie folgt:

„In his 1885 paper, Tourette identified the unique development of the symptoms. Motor symptoms were the first to appear, most frequently of the face, specifically eye blinking, and then the upper limbs. These movements appeared suddenly and were executed rapidly and at close intervals. Facial tics appeared with greatest frequency and intensity, whereas the more complicated movements occurred less frequently. The next symptoms were such as „hm“,

„ouah“, and „ah“” (4).

Und weiter: „Other factors identified by Tourette were its childhood onset, usually before puberty, the male predominance, and that the symptoms are progressive, new ones added to or replacing old ones. He believed social class as well as geography to be of no importance because all social classes and people from many different areas were affected“ (5).

Vergleicht man Gilles de la Tourettes Beobachtungen mit der heute gültigen DSM-5 Klassifikation (6), ist vieles seiner damaligen Überlegungen darin wiederzufinden.

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Die Definition des TS nach DSM-5 umfasst 4 Kriterien, die in Tabelle 1 zusammengefasst sind:

Tabelle 1: Definition des Tourette-Syndroms nach DSM-5 (6), Übersetzung der Ver- fasserin

Diagnostische Kriterien für das Tourette-Syndrom 307.23

A. Multiple motorische Tics sowie mindestens ein vokaler Tic treten im Verlauf der Krankheit auf, jedoch nicht unbedingt gleichzeitig.

B. Die Tics variieren in ihrer Frequenz. Sie bestehen aber seit mindestens einem Jahr seit Auftreten des ersten Tics.

C. Der Beginn der Tics liegt vor Vollendung des 18. Lebensjahres.

D. Die Störung geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz (z.B.

Kokain) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors (z.B. M. Huntingtonsche Er- krankung oder postvirale Enzephalitis) zurück.

Durch die zeitliche Charakterisierung und das Auftreten von motorischen und vokalen Tics wird das TS nach DSM-5 gegenüber der transienten bzw. vorübergehenden Tic-Störung, die definitionsgemäß über einen Zeitraum von nicht mehr als zwölf Monaten anhält (6), und der chronischen motorischen oder vokalen Tic-Störung abgegrenzt, bei der nur motorische oder vokale Tics auftreten (6). Die Definitionen der Tic-Störungen nach DSM-5 und konkurrierenden Klassifikationen wie der der Tourette Syndrom Classification Study Group (7) unterliegen einem ständigen Wandel, da bisher kaum Kenntnisse zur Pathogenese des TS vorliegen und die Diagnose daher vorerst nur klinisch gestellt werden kann. Aus diesem Grund beruhen alle Klassifikationen auf einer Zusammenschau klinischer Befunde. Es ist zu erwarten, dass sich mit der Erlangung neuer Erkenntnisse durch qualitativ bessere und zahlreichere Forschungsergebnisse auch die Sicht auf das TS verändern wird. Beispielsweise könnten die Erkenntnisse über klinische Merkmale wie der Fähigkeit zur Tic-Unterdrückung oder der Auswirkung von Komorbiditäten auf die Unterdrückbarkeit der Tics und der anschließende Verlauf der Tics, wie wir sie in unserer Studie untersucht haben, zur Bildung homogener Untergruppen des TS führen. Dies wiederum würde die Option eröffnen, neue und spezifische Ansatzpunkte für verschiedene Therapeutika, sowohl medikamentöse als auch verhaltenstherapeutische Maßnahmen, zu ermitteln.

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2. Gilles de la Tourette-Syndrom

2.1 Epidemiologie

Das TS ist eine psychiatrisch-neurologische Erkrankung, über deren weltweite Prävalenz lange Zeit wegen divergierender Studienergebnisse Uneinigkeit herrschte. In einer Übersicht gibt Robertson Prävalenzen zwischen 0,4% und 3,8% an (8). In einer Meta-Analyse, in der 35 Studien aus den Jahren 1985-2011 berücksichtigt wurden, ermittelten Knight et al. eine Prävalenz von 0,77% (9).

In allen Studien konnte gezeigt werden, dass sich das TS typischerweise bereits im Grundschulalter manifestiert, im Mittel im Alter von 6,4 Jahren (10). Die Symptome zeigen ihre stärkste Ausprägung im Alter von 10-12 Jahren (11, 12, 13). Dabei treten vokale Tics etwa zwei bis drei Jahre später auf als motorische Tics (14).

2.2 Komorbiditäten

Als Komorbidiäten werden alle neben den Tics bestehenden Symptome bezeichnet. Sie bestehen etwa bei 80-90% der Tourette-Erkrankten (10). Einige Erkrankungen wie eine Zwangserkrankung (obsessive compulsive disorder, OCD) oder die Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitätsstörung (ADHS) kommen bei Menschen mit TS häufiger als in der Allgemeinbevölkerung vor (15). In einer großen multizentrischen Studie fanden Freeman et al. (10) heraus, dass nur 12% der 3500 untersuchten Patienten mit TS nicht an einer Komorbidität litten. In 60% waren die Tics vergesellschaftet mit einer ADHS, in 27% mit einer OCD und in 32% mit Zwangssymptomen (obsessive compulsive behaviour, OCB), die nicht die Diagnosekriterien einer Zwangserkrankung erfüllten. Auch andere Erkrankungen wie Lernstörungen (23%), Depression (20%), Angststörungen (18%), Wutausbrüche (jemals in 37%, gegenwärtig in 26%), Schlafstörungen (jemals in 25%, gegenwärtig in 16%) oder autoaggressives Verhalten (14%) wurden häufig bei den Probanden gefunden. Allgemein lässt sich feststellen, dass die Zahl und Schwere der Komorbiditäten mit der Schwere der Tics zunimmt (10). Im Hinblick auf eine verhaltenstherapeutische Behandlung der Tics ist besonders die Komorbidität ADHS hervorzuheben, da spekuliert wird, dass sich eine Aufmerksamkeitsstörung negativ auf die Fähigkeit zur Tic-Unterdrückung auswirken könnte (16). Da die Konzentration auf eine bestimmte Aufgabe typischerweise zu einer Reduktion

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weniger effizienten Tic-Reduktion führt. Es kann daher angenommen werden, dass eine Verhaltenstherapie wie das Habit Reversal Training (HRT) (siehe 2.5.2 Verhaltenstherapien), bei der statt des Tics eine alternative Bewegung ausgeführt werden soll, bei Patienten mit einer komorbiden ADHS weniger erfolgreich ist.

Diese theoretischen Überlegungen zeigen, dass es für die Therapie des TS und auch für die Erforschung ätiopathogenetischer Faktoren von erheblicher Bedeutung ist, ob neben den Tics noch weitere Symptome vorliegen. Dafür haben sich die Begriffe „TS only“ für Patienten mit reiner Tic-Symptomatik und „TS plus“ für Patienten mit zusätzlich bestehenden Komorbiditäten etabliert.

2.3 Ätiologie

Zurzeit gehen Experten von einer multifaktoriellen Genese bei der Entstehung des TS aus (17). Eine Zusammenfassung über die für die Pathogenese des TS diskutierten Faktoren ist in Abbildung 2 dargestellt. Es wird vermutet, dass sowohl innere als auch äußere Faktoren eine Rolle spielen. Daher gibt es intensive Bemühungen mit Hilfe von molekulargenetischen Methoden wie Segregations-, Kopplungs- und Assoziationsstudien oder latenter Klassenanalyse, ein geeignetes Kandidatengen für eine Genmutation oder einen Suszeptibilitäts-Locus zu finden. Hierzu wurden zahlreiche Studien durchgeführt, ohne dass bisher allerdings ein viel versprechender Genlocus identifiziert werden konnte.

Zurzeit geht man von einem komplexen polygenen Vererbungsmodell aus (18, 19). Da sich aber sogar bei monozygoten Zwillingen nur eine Konkordanzrate von 50-70% (und nicht etwa von 100%) findet (20), gilt es als sicher, dass auch äußere (nicht-genetische) Faktoren relevant sind, die nicht nur die Entstehung, sondern vermutlich auch das Ausmaß eines TS beeinflussen.

Neben prä- und perinatalen Komplikationen und allgemeinem Stress wurde immer wieder diskutiert, ob auch immunologische Faktoren und Infekte als derartige exogene Faktoren relevant sein könnten. Freeman et al. (10) fanden in einer großen multizentrischen Studie mit 3500 Patienten bei 20% der Probanden prä- oder perinatale Komplikationen. Als weitere Risikofaktoren werden das Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft (21), eine geringes Geburtsgewicht und ein höheres Alter der Eltern (22), aber auch allgemeiner Stress und bedeutsame Lebensereignisse diskutiert (23). In welcher Art und welchem Maße diese von Bedeutung sind, ist jedoch ebenso wenig geklärt wie die Frage der Kausalität. So können

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viele der diskutierten postnatalen Faktoren sowohl Ursache als auch Folge des TS sein. Dies gilt auch für die nachfolgend beschriebenen immunologischen Auffälligkeiten.

Im Mittelpunkt dieser Überlegungen steht die Hypothese, dass Infektionen für die Entstehung von Tic-Störungen von Bedeutung sein könnten. Hier wiederum werden insbesondere Infekte mit ß-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A (GABHS) diskutiert, kurz PANDAS- Hypothese (Pediatric Autoimmune neuropsychiatric disorders associated with streptococcal infections). Untersuchungen im Hinblick auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen solchen Infektionen und der Entstehung oder Verschlechterung von Tics erbrachten bis heute widersprüchliche Befunde, so dass die Bedeutung von GABHS-Infekten für die Entstehung von Tics unklar bleibt. Ebenso offen ist die Befundlage zur Prüfung der Hypothese, ob eine immunologische Dysregulation in verschiedenen Regelkreisen des Körpers Ausgangspunkt oder Wegbereiter der Erkrankung sein könnte. Positive Befunde zur Bedeutung der immunologischen Dysregulation erbrachten Studien zu antineuronalen Antikörpern (24, 25, 26, 27). Gegen die Relevanz der immunologischen Dysregulation sprechen jedoch eine Reihe von anderen Studien (28, 29, 30, 31). Ebenso bleibt die Rolle intrathekaler oligoklonaler Banden und deren Kausalität ungeklärt (32).

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Symptomatik können auch häusliche Videoaufnahmen und eine Befragung Angehöriger hilfreich sein.

2.5 Therapie

Die Indikation zur Therapie ist stets im Einzelfall zu stellen und hängt in hohem Maße vom Wunsch des Patienten ab, aber auch von der Art und Schwere der Tics, der sozialen Beeinträchtigung und zusätzlich bestehender Komorbiditäten. Es sind vor allem Zwänge, eine Depression und eine ADHS, die die Lebensqualität der Tourette-Patienten negativ beeinflussen (36). Die gängige Therapie des Tics ist zurzeit die medikamentöse Behandlung.

Dabei handelt es sich um eine symptomatische, oft unzureichend wirksame und nebenwirkungsreiche Therapie. Aus diesem Grund müssen mögliche Nebenwirkungen gegenüber dem zu erwartenden Therapieerfolg sorgfältig abgewogen werden. In den meisten Fällen ist eine Reduktion der Tics mit Hilfe einer medikamentösen Therapie um etwa 50% zu erwarten. In den letzten Jahren wurden neben der medikamentösen Therapie verschiedene Formen der Verhaltenstherapie eingeführt. Eine kurative Therapie ist bisher nicht bekannt (37).

2.5.1. Medikamentöse Therapie

Insgesamt ist die Datenlage zur medikamentösen Behandlung von Kindern und Erwachsenen mit Tics schlecht (37). Das in Deutschland einzig zugelassene Medikament in der Behandlung des TS ist Haloperidol. Wegen stärkerer Nebenwirkungen im Vergleich zu anderen Substanzen – vor allem Müdigkeit, Gewichtszunahme und sexuelle Dysfunktion – wird es jedoch heute nur noch als Reservemedikament eingesetzt. Auch andere klassische Antipsychotika wie Pimozid und Fluphenazin stellen in der Behandlung Erwachsener lediglich Reservemedikamente dar. Aufgrund guter klinischer Erfahrungen wird das Benzamid Tiaprid von der deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie als Medikament der ersten Wahl für Kinder empfohlen, gefolgt von den Atypika Risperidon und Aripiprazol. Bei Erwachsenen gelten Sulpirid, Risperidon und Aripiprazol als Substanzen der ersten Wahl.

Diese oben genannten Dopaminrezeptor-Antagonisten führen häufig zu Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Gewichtssteigerung und Sexualfunktionsstörungen. Die meisten Studien zur Behandlung von Tics liegen für das Antipsychotikum Risperidon vor. In jüngster Zeit mehren

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Antipsychotikum Aripiprazol besonders gut zur Behandlung von Tics geeignet ist, da es offenbar gut wirksam ist und seltener zu Nebenwirkungen führt. So kommt es unter Aripiprazol nicht zu Sexualfunktionsstörungen, Gewichtszunahme oder einer Prolaktinerhöhung und seltener zu Müdigkeit und extrapyramidal-motorischen Symptomen.

Wegen fehlender Studien beruht die Auswahl der Substanz vor allem auf klinischer Erfahrung und Gepflogenheiten der behandelnden Zentren.

2.5.2. Verhaltenstherapien

2.5.2.1. Habit Reversal Training und Comprehensive Behavorial Intervention for Tics (CBIT)

Das HRT wurde erstmals in den 1970er Jahren zur Behandlung von pathologischem Nägelkauen, Daumen lutschen und gegen Trichotillomanie eingesetzt (38, 39). Wenn solche automatisierten, ritualisierten und situationsspezifischen Verhaltensauffälligkeiten Teile von Verhaltensketten sind, so ist es für die Betroffenen meist schwer, diese spontan zu durchbrechen. Mit Hilfe des HRT wird versucht, in fünf Behandlungsschritten statt der oftmals ohne bewusste Kontrolle ablaufenden Verhaltensweisen ein neues kompetitives Alternativverhalten zu erlernen:

1. Wahrnehmungstraining: Das pathologische Verhalten (beispielsweise ein Tic) soll bewusst wahrgenommen werden. Um eine Intervention durchführen zu können, müssen den Tics vorausgehende Warnsignale sowie auslösende und aufrechterhaltende Faktoren erkannt werden. Bei Tourette-Patienten geht dem Tic in der Mehrzahl der Fälle ein Vorgefühl voraus. Wird dies spontan nicht berichtet, wird die Wahrnehmung eines vorangehenden Vorgefühls geübt. Als helfende Instrumente dienen Tagebücher oder Videodokumentation, vor allem bei bisher nicht wahrgenommenen Tics.

2. Training im Umgang mit unvorhersehbaren Ereignissen: Tics können als Reaktion auf vorhersehbare und unvorhersehbare Ereignisse auftreten. Ein zentraler Bestandteil des HRT ist es, Bewältigungsstrategien für unvorhersehbare Ereignisse einzuüben.

3. Entspannungstraining: Da Tics typischerweise durch Stress und Angst verstärkt werden und Entspannung meist zu einer Abnahme der Tics führt, umfasst das HRT das Einüben von Entspannungstechniken (z.B. progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen (40)).

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4. Identifizieren und Erlernen eines Alternativverhaltens = Competing Response Training: Alternativbewegungen sollen idealerweise mit den antagonisierenden Muskeln des eigentlichen Tics durchgeführt werden.

Wesentliche Bestandteile dieses Therapieschrittes bilden die Motivation des Patienten und die positive Verstärkung.

5. Automatisierung und Generalisierung des Verhaltens für gegebenenfalls schwierige Alltagssituationen.

Eine Weiterentwicklung des HRT ist die Comprehensive Behavorial Intervention for Tics (41). Zusätzlich zu den o.g. Techniken des HRT nutzt das CBIT ein erweitertes Spektrum an Strategien wie z.B. Psychoedukation über Tic-Störungen und eine detaillierte Funktionsanalyse.

2.5.2.2. Exposure and Response Prevention Training (ERP)

Beim ERP (42) wird von der Annahme ausgegangen, dass dem Tic immer ein Vorgefühl vorausgeht. Folglich wird zunächst die Wahrnehmung des Vorgefühls trainiert. Der sonst nachfolgend automatisch ausgeführte Tic soll unterdrückt werden, bis der Drang, den Tic auszuführen, nachlässt.

2.5.3. Therapie der Komorbiditäten

Bei der Therapie der Komorbiditäten ist grundsätzlich zu beachten, dass die Lebensqualität des Patienten durch stärker ausgeprägte Komorbiditäten meist sehr viel mehr beeinträchtigt wird als durch die Tics (36). Aus diesem Grund ist es wichtig, in der Anamnese auch mögliche komorbide Erkrankungen zu erfassen und ggf. zu behandeln.

2.5.3.1. Therapie der Zwangserkrankung

Die Therapie der Zwangserkrankung erfolgt alternativ medikamentös oder mittels kognitiver Verhaltenstherapie, bei der die Konfrontation mit der Angst-auslösenden Situation und die anschließende Bewältigung dieser Situation erfolgen soll (42). Medikamente der ersten Wahl sind Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie Citalopram oder Escitalopram (43).

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2.5.3.2. Therapie der ADHS

Die Therapie der ADHS sollte stets multimodal erfolgen – gegebenenfalls unter Einbeziehung der Familie und des sozialen Umfeldes – mittels Psychoedukation, kognitiver Therapie, sozialem Kompetenztraining, Therapie von Teilleistungsschwächen und eventuell auch einer Pharmakotherapie. Präparat der ersten Wahl bei der medikamentösen Behandlung ist Methylphenidat. Andere Stimulanzien wie Amphetaminsulfat, Dexmethylphenidat oder Dextroamphetamin sind Mittel der zweiten Wahl. Für Kinder und Jugendliche sind außerdem als Mittel der zweiten Wahl das Präparat Atomoxetin sowie Lisdexfetamin zugelassen (37, 44).

2.6 Was sind Tics?

Tics sind definiert als „plötzliche, schnelle, sich wiederholende, nicht rhythmische motorische Bewegungen oder Lautäußerungen“ (6). Es wird vermutet, dass Tics physiologische Bewegungen darstellen, deren Auftreten in Zeit und Situation aber pathologisch ist (45, 46).

Tics werden nach ihrer Qualität unterteilt in „motorisch“ oder „vokal“ sowie nach ihrer Komplexität in „einfach“ oder „komplex“. Findet die Bewegung nur in einer einzelnen Muskelgruppe statt, so wird dies als „einfacher Tic“ bezeichnet, z.B. Augenblinzeln, Kopf- oder Schulterzucken. Sind hingegen mehrere Muskelgruppen an der Bewegung beteiligt oder ist die Bewegung scheinbar absichtsvoll, so nennt man dies einen „komplexen Tic“, z.B.

Springen oder Berühren von Gegenständen oder Menschen. Beispiele für einfache vokale Tics sind Ausstoßen von Luft oder Seufzen. Ein Beispiel für einen komplexen vokalen Tic ist das Aussprechen kurzer Sätze.

Zusätzlich gibt es weitere typische Phänomene, die vor allem in der Allgemeinbevölkerung wegen ihrer Ausgefallenheit und gesellschaftlichen Provokation mit dem TS in Verbindung gebracht werden. Sie treten bei den Betroffenen aber nur in der Minderheit der Fälle auf.

Dazu wird die sehr seltene Kopropraxie (das Ausführen obszöner Gesten) gezählt, die mit einer Lebenszeitprävalenz von 5,9% bei Männern und 4,9% bei Frauen auftritt. Auch die Koprolalie (das Ausrufen von Schimpfwörtern) wird oft mit dem TS in Zusammenhang gebracht, obwohl sie nur bei 19,3% der männlichen und 14,6% der weiblichen Patienten vorkommt (48). Noch seltener ist die Koprographie (das Schreiben oder Malen obszöner Wörter oder Bilder). Auch Echophänomene wie die Echopraxie (Wiederholung von

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automatisierte Handlungen wie Duschen oder Tippen, passive Handlungen oder Interaktion mit Familienmitgliedern (53, 54).

2.8 Vorgefühl

Das Vorgefühl (= „premonitory urge“, auch „premonitory sensory urge“) bezeichnet ein Kitzeln, Kribbeln, Druck- oder Spannungsgefühl oder auch das Gefühl, „dass etwas nicht stimmt“, bevor ein Tic sich manifestiert. Dabei kann es sich einerseits um ein diffuses generalisiertes Gefühl handeln oder andererseits um ein lokales Gefühl genau an der Stelle, an der nachfolgend der Tic auftritt. Die Intensität des Vorgefühls variiert je nach Körperregion und ist besonders intensiv an den Schultern, Händen und Oberschenkeln (55). In Studien mit Kindern und Jugendlichen konnte gezeigt werden, dass die Wahrnehmung des Vorgefühls altersabhängig ist (55, 56). Demnach besteht bei Kindern zwischen 8 und 10 Jahren in 24%

der Fälle ein Vorgefühl, bei Kindern zwischen 11 bis 14 Jahren in 34% und bei Jugendlichen besteht im Alter zwischen 15 und 19 Jahren in 57% der Fälle ein Vorgefühl (56). Über alle Altersgruppen von 8 bis 19 Jahren zusammengenommen besteht in 37% der Fälle ein Vorgefühl (56), bei Erwachsenen hingegen in 74% (57) - 93% (55) und somit der überwiegenden Mehrzahl der Patienten. Ob die Ursache dieser Entwicklung dadurch zu erklären ist, dass sich das Vorgefühl erst in der Adoleszenz entwickelt oder in einer Veränderung der Wahrnehmung und Möglichkeiten zur Artikulation liegt, konnte bisher nicht geklärt werden. Interessant ist jedoch, dass viele Patienten das Vorgefühl an sich als viel störender empfinden als den Tic selbst, der von den Betroffenen oftmals nur als Folge dieses unangenehmen und unausweichlichen Gefühls gewertet wird.

Die neueste Studie zu dieser Thematik führten Ganos et al. (58) durch. Sie untersuchten an 15 erwachsenen Probanden, ob ein Zusammenhang zwischen der Stärke des Vorgefühls (anhand der Premonitory Urge Tic Scale (PUTS), siehe 3.7 Fragebögen zur Selbsteinschätzung der Probanden: PUTS, VAS und Relative Messung der Tics (RVTR)) und der Fähigkeit zur Tic- Unterdrückung besteht. Zur Berechnung der Fähigkeit zur Unterdrückung (Original:

„Inhibition potency“) entwickelten Ganos et al. den Terminus IP=(RF-RI)/RF, wobei IP = Inhibition potency (Fähigkeit zur Tic-Unterdrückung) bedeutet, RF der Tic-Schwere vor Unterdrückung entspricht und RI die Tic-Schwere während der Unterdrückung bezeichnet (basierend auf den mit dem Modified Rush Video Protokoll (MRVS) ermittelten Tic-Scores (siehe 3.3.1 Videoaufzeichnung und Modified Rush Video Protokoll). Die Autoren fanden keine signifikante Korrelation zwischen PUTS und IP oder IP und Yale Global Tic Severity

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Scale (YGTSS, siehe 3.6 Fragebögen zur Charakterisierung des Probandenkollektivs) und schlussfolgerten daher, dass die Fähigkeit zur Tic-Unterdrückung nicht von der Wahrnehmung des Vorgefühls abhängt. Auch führt dies zu der Frage, ob das Vorgefühl tatsächlich der Kern des TS ist oder ein sekundär verursachtes Phänomen. Zudem stellt sich die Frage, ob das Fokussieren auf das Vorgefühl, wie es beim HRT/CBIT und der ERP (siehe 2.5 Verhaltenstherapien) trainiert wird, ein Erfolg versprechendes Therapiekonzept darstellt, dass tatsächlich am Kernpunkt der Erkrankung angreift oder ob dadurch nur die Wahrnehmung eines sekundären Vorgefühls verstärkt wird, welches für den Patienten viel unangenehmer ist als der Tic selbst.

2.9 Unterdrückbarkeit der Tics

Die Tics unterliegen nicht nur äußeren und inneren Einflüssen, sondern können auch von vielen Patienten bewusst unterdrückt werden. Während die meisten Patienten spontan angeben, dass sie ihre Tic nur kurz (d.h. für Sekunden) unterdrücken können, konnten Woods und Himle (59) zeigen, dass eine Tic-Unterdrückung nach Aufforderung und mit entsprechender Motivation, z.B. in Form einer versprochenen Belohnung, auch über einen längeren Zeitraum von 5, 25 und sogar 40 Minuten möglich ist. Dieses Charakteristikum des TS ist in der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion von großer Bedeutung, da die neu etablierten verhaltenstherapeutischen Verfahren wie HRT/CBIT und ERP (siehe 2.5 Verhaltenstherapien) eine gute Fähigkeit zur Unterdrückung der Tics voraussetzen. Dabei wird davon ausgegangen, dass es notwendig ist, die Wahrnehmung des Vorgefühls zu üben und zu stärken, um die Fähigkeit zur Unterdrückung trainieren zu können. Es wird dabei versucht, das Vorgefühl als Signal für einen kommenden Tic zu werten und daraufhin die Ausübung einer alternativen Handlung für einen einzelnen Tic (beim HRT/CBIT) bzw. die globale Tic-Unterdrückung (beim ERP) einzuleiten. Ungeklärt ist in diesem Zusammenhang, ob verhaltenstherapeutische Maßnahmen wie das HRT/CBIT oder ERP auch dann zu erlernen sind, wenn Patienten angeben, kein Vorgefühl zu haben.

Außerdem geben viele Patienten im klinischen Alltag an, dass sie ihre Tics nicht gern unterdrücken. Sie empfinden das Unterdrücken als äußerst anstrengend und erschöpfend.

Außerdem fordere es viel Konzentration und verursache eine enorme innere Anspannung, die sich dann in überschießenden Tics entlade. Weiterhin berichten die meisten Patienten spontan, dass das Vorgefühl während der Unterdrückung immer weiter zunehme bis es unerträglich

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werde und nur durch einen Tic erleichtert werden könne. Dieses Gefühl könne dabei nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben werden.

2.10 Rebound-Phänomen

Neben den für das TS typischen Fluktuationen und der Abhängigkeit von situativen und individuellen Einflüssen, berichten viele Patienten über einen Anstieg ihrer Tics und eine Verstärkung des Vorgefühls nach der Tic-Unterdrückung, dem sogenannten Rebound- Phänomen. Dieser von den meisten Patienten empfundene überschießende Tic-Anstieg ist ein Grund dafür, dass viele Patienten ihre Tics nicht gerne unterdrücken. Außerdem geben viele an, dass die Unterdrückung viel Konzentration und Anstrengung fordere. Diese Berichte von Patienten sind im Hinblick auf die Einführung von Verhaltenstherapien (HRT/CBIT, ERP) zur Behandlung von Tics von großem Interesse (siehe 2.5 Verhaltenstherapien). Sollte es in der Tat – wie von vielen Patienten beschrieben - nach dem willentlichen Unterdrücken zu einem bedeutsamen Anstieg der Tics kommen, wäre kritisch zu hinterfragen, ob Verhaltenstherapien dieser Art sinnvoll sind.

Bisher wurden vier Studien durchgeführt, in denen das Rebound-Phänomen untersucht wurde:

In der ersten Studie untersuchten Woods und Himle (16) 13 Kinder mit chronisch motorischer oder vokaler Tic-Störung oder TS. Bei 46,2% der Probanden lag zusätzlich eine ADHS vor und 38,5% litten neben dem TS an einer generalisierten Angststörung. Das mittlere Alter der Probanden lag bei 11,5 Jahren (10-17 Jahre). Die Untersuchung gliederte sich in eine Phase zur Ermittlung der Tic-Basalrate (vor der willentlichen Unterdrückung der Tics), eine Unterdrückungsphase und eine Phase nach der Unterdrückung. Jedes Kind wurde dabei mit dem Anreiz einer Belohnung angeleitet, die Tics für 5, 25 oder 40 Minuten zu unterdrücken.

Daraufhin folgte eine 5-minütige Postsuppressionsphase. Woods und Himle konnten eine signifikante Verminderung der Tics in allen Suppressionsphasen (nach 5, 25 und 40 Minuten) im Vergleich zur Basalrate zeigen. Dabei zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Zeitspannen der Unterdrückung (5, 25 oder 40 Minuten). Außerdem fanden sie eine negative Korrelation zwischen der Leistung in einem kontinuierlichen Performanztest (Conners Continous Performance Test) und der Fähigkeit, die Tics zu unterdrücken. Das bedeutet, dass eine verminderte Aufmerksamkeitsleistung mit einer geringeren Tic- Unterdrückung einhergeht. Es zeigte sich kein Effekt komorbider Erkrankungen auf die Fähigkeit, Tics zu unterdrücken.

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Verdellen et al. (60) untersuchten bei 20 Probanden mit TS die Tic-Frequenz vor und nach 10 ERP-Sitzungen (siehe 2.5.2 Verhaltenstherapie). Das mittlere Alter der Probanden betrug 22,4 Jahre (7-55 Jahre). Die Untersuchung gliederte sich in drei Phasen, in denen die Tics jeweils per Video dokumentiert und ausgewertet wurden. In der ersten Phase wurde direkt vor dem ERP-Training ein 15-minütiges Gespräch über Hausaufgaben und die Erwartungen an die folgende Sitzung per Video dokumentiert. Aus diesem Gespräch wurden 5 Minuten zur Ermittlung der für den Probanden durchschnittlichen Tic-Rate, der Tic-Basalrate, verwendet.

Darauf folgten die 10 jeweils wöchentlich stattfindenden ERP-Sitzungen. In diesen musste der Proband seine Tics für jeweils zwei Stunden unterdrücken (zweite Phase). Im Anschluss an jede der ERP-Sitzungen wurden die Tics der Probanden für weitere 15 Minuten aufgezeichnet (dritte Phase). Eine Besonderheit dieser Studie war, dass drei Videoaufzeichnungen von Angehörigen der Probanden zu Hause aufgenommen wurden. Die Untersucher fanden folgende Ergebnisse: während der Tic-Unterdrückung reduzierten sich die Tics um bis zu 91%. In der dritten Phase nach der Tic-Unterdrückung trat kein Rebound- Effekt ein, sondern im Gegenteil eine Reduktion der Tics im Vergleich zur ersten Phase um im Mittel 33%. Diese Reduktion war nach der ersten, neunten sowie zehnten ERP-Sitzung signifikant. Auch in den im vertrauten, häuslichen Umfeld vorgenommenen Einschätzungen fand sich kein Rebound-Effekt. Dies wurde dahingehend interpretiert, dass die Art des Umfeldes (Labor versus Zuhause) nicht für das Ergebnis bedeutsam ist.

Als Limitationen dieser Studie sind folgende Punkte zu sehen: Ziel der Studie war es, die Wirksamkeit des ERP nachzuweisen, daher wurde die Hypothese aufgestellt, dass es keinen Rebound-Effekt gibt. Es liegen in der Studie einige Bedingungen vor, die den Nachweis des postulierten Rebound-Effekts erschweren. So konnte gezeigt werden, dass ein Gespräch über Tics, wie das über die bevorstehende ERP-Sitzung, die Tics verstärkt (61). Dann wäre die Anzahl der Tics in der Basalrate höher und der Nachweis eines Rebound-Phänomens folglich weniger wahrscheinlich. Zudem ist einzuwenden, dass eine gemischte pädiatrische und adulte Probandengruppe untersucht wurde, obwohl bekannt ist, dass Kinder unter 10 Jahren ihre Tics signifikant schlechter unterdrücken können als Erwachsene (56). Außerdem folgte der Postsuppressionsphase ein Gespräch über den Verlauf des ERP und die Hausaufgaben für die nächste Sitzung. Das könnte dem Probanden in der Postsuppressionsphase das Gefühl gegeben haben, dass die Sitzung „noch nicht vorbei sei“ und so zu einer weiteren Unterdrückung geführt haben.

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Himle und Woods (62) führten eine weitere Studie mit insgesamt 7 Kindern durch, davon 6 Kinder mit TS und 1 Kind mit einer chronisch motorischen Tic-Erkrankung. Die Kinder waren im Mittel 9,86 Jahre (8-12 Jahre) alt. Bei einem Kind lag zusätzlich eine ADHS vor.

Die Studie war in 5 Phasen unterteilt: Ermittlung der Tics während der (1) Basalrate, (2) einer Suppressionsphase und (3) einer Postsuppressionsphase. Im Anschluss daran wurde die Tic- Häufigkeit in einer erneuten (4) Suppressionsphase und dann wieder einer (5) Postsuppressionsphase ermittelt. Alle Phasen waren jeweils 5 Minuten lang. Den Kindern wurde eine Belohnung für erfolgreiches Unterdrücken versprochen. In der Studie zeigte sich eine signifikante Verminderung der Tics um etwa 70% in den Suppressionsphasen im Vergleich zur Basalrate, aber kein Hinweis auf ein Rebound-Phänomen in den Postsuppressionsphasen. Ganz im Gegenteil kam es sogar auch in der Postsuppressionsphase nicht etwa zu einer Zunahme, sondern zu einer Verminderung der Tics um 17% im Vergleich zur Basalrate. Außerdem fanden die Autoren eine negative Korrelation zwischen einem Defizit der Aufmerksamkeitsleistung (gemessen mit der Child Behavior Checklist, „Attention problems subscale“ (63)) und der Fähigkeit zu unterdrücken.

Ebenso wie bei den zuvor beschriebenen Studien ist auch in dieser Studie die geringe Probandenanzahl als Limitation hervorzuheben. Dies gilt vor allem bezüglich der Korrelation zwischen ADHS und der Fähigkeit zu unterdrücken, da nur bei einem Probanden eine ADHS vorlag. Hinzu kommt, dass nicht angegeben wurde, wie genau die „Fähigkeit zu unterdrücken“ berechnet wurde. Da nach bisheriger Studienlage die Unterdrückbarkeit von Tics im Kindesalter nicht so gut ausgebildet ist wie in der Adoleszenz und im Erwachsenenalter (62), ist außerdem fraglich, ob fünf-minütige Untersuchungsintervalle nicht zu kurz sind, um mögliche Effekte durch eine Unterdrückung zuverlässig zu erfassen.

Meidinger et al. (64) untersuchten eine kleine Probanden-Gruppe mit 4 Kindern und 2 Erwachsenen in einem A-B-A-Design. Das mittlere Alter der Probanden betrug 10,83 Jahre (7-20 Jahre). Die Patienten wurden mittels einer Videokamera gefilmt und anschließend wurde die Anzahl der Tics ausgezählt. In der ersten Phase wurde die Tic-Basalrate ermittelt (A). Danach folgte die Tic-Unterdrückung (B). Nachfolgend kam die Postsuppressionsphase, in welcher keine Instruktion / Anreiz zur Tic-Unterdrückung gegeben wurde (A). Alle Phasen dauerten 30 Minuten. Während der Phase der Ermittlung der Tic-Basalrate und in der Postsuppressionsphase wurde den Probanden eine Fernsehsendung gezeigt. Die Phase der Unterdrückung gliederte sich in zwei Abschnitte: Im ersten Teil wurde die explizite Anweisung gegeben, die Tics zu unterdrücken, während der Proband sich allein im

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Untersuchungszimmer befand („alone suppression“). Im zweiten Teil erhielt der Proband keine explizite Handlungsanweisung. Der Untersucher führte eine Unterhaltung mit dem Probanden, die aber nicht die Tics zum Inhalt hatte. Dies hatte das Ziel, den Einfluss von sozialem Druck auf die Unterdrückung zu untersuchen („social suppression“). In einer zweiten Phase der Untersuchung verkürzten Meidinger et. al das A-B-A-Design auf 5 Minuten pro Phase und erweiterten das Probandenkollektiv um einen Probanden (4 Kinder, 2 Erwachsene). Allerdings sahen die Probanden in dieser Folgestudie keine Fernsehsendung.

Des Weiteren wurden die Untersuchungsteilnehmer in der Suppressionsphase im Untersuchungszimmer allein gelassen.

Meidinger et al. (64) fanden lediglich bei einem Kind einen Rebound-Effekt im Sinne einer signifikanten Erhöhung der Tics (p<.0001; Angaben zur Stärke des Effektes werden nicht gemacht) in der Postsuppressionsphase im Vergleich zur Tic-Basalrate. Vorangegangen war eine signifikante Verminderung der Tics in der Suppressionsphase (bei sozialem Druck) im Vergleich zur Basalrate. Außerdem zeigte sich eine signifikante Erhöhung der Tics in der Postsuppressionsphase gegenüber der Basalrate (unter sozialem Druck) bei zwei Kindern, was üblicherweise als Rebound-Effekt angesehen wird. Allerdings waren die Tics während der Suppression nicht signifikant geringer als während der Basalrate, so dass davon auszugehen ist, dass die beiden Probanden ihre Tics nicht unterdrückt haben. Definiert man einen Rebound-Effekt als Folge einer gelungenen Suppression, dann ist bei diesen Kindern der Terminus Rebound-Effekt nicht angemessen. Bei den anderen 3 Probanden ergab sich hingegen kein Hinweis auf einen Rebound-Effekt.

Die Autoren führten als mögliche Ursache für den fehlenden Rebound eine eigene Beobachtung an. Und zwar beschrieben sie, dass während der Tic-Unterdrückung vor allem offensichtliche Tics, wie zum Bespiel Tics im Bereich des Gesichts, abnahmen. Auf der anderen Seite kam es zur Zunahme anderer natürlicher wirkender Tics. Nach Angabe der Autoren erschwerte dieses „Umlenken der Tics“ das Auszählen durch den Untersucher erheblich. Dadurch könnte es zu einer fehlerhaften Einschätzung der Tic-Häufigkeit gekommen sein. Dies sahen die Autoren im Zusammenhang mit der Tatsache, dass die Bewertung der Tics nur anhand der Tic-Häufigkeit erfolgte, was möglicherweise unzureichend ist. Vielmehr sollte auch eine Bewertung der Schwere der Tics erfolgen. Als Bestätigung für diese Auffassung führten die Autoren eigene Beobachtungen während der Studie an. So nahmen die Untersucher bei einigen Patienten eine stärkere Suppression und

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sich jedoch objektiv nicht bestätigen. Eine mögliche Erklärung der Diskrepanz zwischen einer Erhöhung der Tics in der Postsuppressionsphase, die bei zwei Kindern, nicht aber bei den Erwachsenen gefunden wurde, sehen die Autoren darin, dass Erwachsene durch eine langjährige soziale Kontrolle (lächerlich machen und Bestrafung wegen der Tics) gelernt haben, ihre Tics besser umzulenken und somit gegenüber Dritten besser verbergen zu können.

Aufgrund der äußerst geringen Probandenzahl mit zusätzlich heterogenem Alter sollten weitere Studien folgen, um die Generalisierbarkeit dieser Ergebnisse zu überprüfen.

2.11 Ziele dieser Studie

Ziel dieser Studie war es zu überprüfen, ob infolge der Unterdrückung von Tics ein Rebound- Phänomen auftritt. Hiermit sollte auch der Frage des Nutzens verschiedener verhaltenstherapeutischer Therapieverfahren auf den Grund gegangen werden, deren Kern das Unterdrücken der Tics bzw. das Ausführen einer konkurrierenden Handlung oder Bewegung ist. Für derartige Therapieformen ist es daher von zentraler Bedeutung, ob es nach dem Unterdrücken der Tics zu einem überschießenden Anstieg der Tics über das Niveau vor der Unterdrückung hinaus kommt. Dies ist insofern von klinischer und praktischer Bedeutung, als eine vorübergehende Verminderung der Tics um den Preis einer anschließenden vorübergehenden Zunahme der Tics als Therapiekonzept nicht sinnvoll erscheint.

Dies ist von besonderem Interesse, da eine Vielzahl von Patienten im klinischen Alltag berichten, dass sie ihre Tics aufgrund einer nachfolgenden überschießenden Tic- Verschlechterung nur ungern unterdrücken. Wie oben beschrieben, konnte in allen bisherigen Studien kein Rebound-Effekt nachgewiesen werden. Aufgrund der Limitationen dieser Studien und im Hinblick auf die gegenteiligen klinischen Erfahrungen erschien es sinnvoll, eine erneute Prüfung der Hypothese vorzunehmen.

In keiner der bisher durchgeführten Studien wurde eine mögliche Erklärung dafür gefunden, warum die Patienten und Experten zwar von einem Rebound-Phänomen berichten, aber dieses bisher nicht nachgewiesen werden konnte. Ursächlich für die Diskrepanz zwischen den Ergebnissen empirischer Studien und den Berichten der Patienten könnten zum einen methodische Schwächen der bisher durchgeführten Studien gewesen sein. Bisher wurde nur eine sehr kleine Anzahl von Probanden untersucht, was den Nachweis eines Rebound-Effekts erschwert. Die Probandengruppen bestanden aus Kindern oder gemischt pädiatrisch-adulten Probandengruppen. Da Kinder ihre Tics schwerer unterdrücken können, ist das Auftreten

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eines Rebound-Effektes hier weniger wahrscheinlich. Weiterhin vermuteten wir, dass bisher kein Rebound-Phänomen gezeigt werden konnte, weil die Messung der Tics in der Postsuppressionsphase unzureichend war. Eine gute zeitliche Auflösung der Registrierung der Tics in der Postsuppressionsphase ist von besonderer Bedeutung, um den Zeitraum des Rebound-Phänomens zu erfassen. Eine falsche Wahl der Messzeitpunkte könnte zu falsch negativen Ergebnissen führen. Zudem kontrollierten wir Variablen, die das Auftreten eines Rebound-Phänomens moderieren könnten. Wir haben Faktoren berücksichtigt, die sich auf die Fähigkeit zur Unterdrückung auswirken, da das Rebound-Phänomen eine Fähigkeit oder zumindest eine Anstrengung zur Tic-Unterdrückung voraussetzt. In diesem Zusammenhang untersuchten wir den Einfluss einer komorbiden ADHS sowie der Tic-Schwere auf die Tic- Unterdrückung.

Zum anderen könnte die Diskrepanz zwischen Studienlage und Patientenberichten auf eine verzerrte Wahrnehmung der Patienten zurückzuführen sein. Aus diesem Grund berücksichtigten wir die subjektive Wahrnehmung der Tics sowie das vorangehende Vorgefühl. Für den Fall, dass kein Nachweis eines Rebound-Effektes gelingt, liefert die Berücksichtigung subjektiver Parameter Hinweise für die Erklärung der Diskrepanz zwischen objektiven und subjektiven Befunden. In diesem Zusammenhang war es uns wichtig, dass die Probanden das Ziel der Studie nicht kannten. Da die Compliance für eine Verhaltenstherapie wesentlich durch das subjektive Erleben beeinflusst ist, hat dies auch eine klinische Bedeutung.

2.12 Hypothesen

Folgende Hypothesen wurden aufgestellt:

1. Eine willentliche Tic-Unterdrückung führt zu einer messbaren Verminderung der Tics.

2. Die Probanden nehmen subjektiv eine Verminderung der Tics während der Unterdrückung wahr.

3. Die willentliche Tic-Unterdrückung führt nachfolgend zu einem objektiv messbaren Rebound-Phänomen, das heißt zu einem Anstieg der Tics nach der Unterdrückung im Vergleich zur Tic-Ausprägung vor der Unterdrückung.

4. Auch von den Probanden wird nach der willentlichen Tic-Unterdrückung ein Rebound-Phänomen wahrgenommen.

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5. Während der willentlichen Tic-Unterdrückung kommt es zu einer Zunahme des Vorgefühls.

6. Probanden mit einer komorbiden ADHS können ihre Tics signifikant schlechter unterdrücken.

7. Die Tic-Schwere korreliert negativ mit der Fähigkeit, die Tics zu unterdrücken.

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3. Probanden und Methoden

3.1 Rekrutierung der Probanden

Nach Erhalt des Ethikvotums am 9.5.2010 konnten wir 22 Patienten aus der Tourette- Sprechstunde der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und über einen Aufruf auf der Homepage der Tourette Gesellschaft Deutschland sowie über http://www.tourette- syndrom.de/usn/0001.htm (15.5.2010) für die Teilnahme an unserer Studie gewinnen. Im Zeitraum vom 12.6.2010 bis zum 12.9.2011 erfolgte die Datenerhebung und Videoaufzeichnung der Probanden. Alle Probanden erhielten eine ausführliche schriftliche und mündliche Information und unterzeichneten nach Beantwortung aller Fragen die Einwilligungserklärung zu unserer Studie (Anhang 1 und 2).

3.1.1. Ein- und Ausschlusskriterien bei der Rekrutierung der Probanden

Nach Vorlage einer schriftlichen Einwilligungserklärung und der Sicherstellung der Diagnose eines TS nach zu diesem Zeitpunkt noch geltenden Kriterien entsprechend DSM-IV-TR durch eine neurologisch-psychiatrische Untersuchung und unter Einbeziehung vorliegender Arztbriefe, überprüften wir die Ein- und Ausschlusskriterien der Probanden.

Zu den Einschlusskriterien gehörten:

1. sowohl männliche als auch weibliche Probanden 2. Alter > 18 Jahre und < 55 Jahre

3. Diagnose eines TS nach DSM-IV-TR

4. nach eigener Einschätzung des Probanden gelingt eine Unterdrückung der Tics für zumindest einige Minuten vollständig oder teilweise

5. während der Messung der Tic-Basalrate (vor der Unterdrückung) bestanden zumindest geringe Tics (Tic-Score entsprechend der YGTSS > 7)

6. der Proband war einwilligungsfähig Zu den Ausschlusskriterien gehörten:

1. eine sekundäre Tic-Erkrankung

2. eine relevante schwere andere neurologische oder psychiatrische Erkrankung wie z.B.

Psychose oder psychogene Bewegungsstörung

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3. bei der Ermittlung der Basalrate konnten keine oder nur minimale Tics (Tic-Score entsprechend der YGTSS < 7) gemessen werden

3.2 Studiendesign

Die Studie wurde monozentrisch durchgeführt. Alle Untersuchungen erfolgten in der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der MHH.

Bei unserer Forschungsarbeit haben wir alle möglichen Vorkehrungen getroffen, um sekundäre Einflüsse auf die Untersuchungsergebnisse zu reduzieren. Dies ist sinnvoll und notwendig, da Tics nicht nur willentlich unterdrückt werden können, sondern auch zahlreiche situative Faktoren Einfluss auf die Stärke der Tics nehmen können wie Stress, Konzentration und Aufregung. So wurde den Probanden das eigentliche Studienziel (Untersuchung des Rebound-Phänomens) nicht mitgeteilt. Stattdessen wurde den Patienten gesagt, dass das Ziel der Studie die Untersuchung des Ausmaßes der Tic-Unterdrückung sei. Auf diesem Weg sollte verhindert werden, dass möglicherweise bereits das Wissen der Probanden um das Studienziel (Messung der Tics nach Unterdrückung) zu einer Beeinflussung der Ergebnisse führt. Dieses Vorgehen war mit der Ethik-Kommission vorab abgestimmt worden.

Weiterhin wurde die Videoaufzeichnung eines Probanden über den ganzen Zeitraum hinweg in demselben Raum vorgenommen. Damit sich der Proband an die Untersuchungssituation und die Kamera gewöhnen konnte, wurde die Kamera schon zu Beginn der klinischen Untersuchung (vor Beginn der Messung der Tics) eingeschaltet. Für alle Probanden war hierbei der Ablauf der Studie - von Begrüßung bis zur Verabschiedung des Probanden - gleich.

Darüber hinaus wurden die Videoaufnahmen zur Ermittlung der Tic-Schwere von zwei

„geblindeten“ Untersuchern ausgewertet. Zum Zeitpunkt des Tic-Ratings war den Auswertenden nicht bekannt, zu welchem Messzeitpunkt (Basalrate, Unterdrückung, etc.) die gerade auszuwertende Aufnahme aufgenommen worden war.

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3.3 Studienablauf

In unserer Studie verwendeten wir drei unterschiedliche Strategien zur Datenerhebung:

1. Zuerst führten wir die Anamnese durch und legten den Probanden Fragebögen vor, anhand derer wir unser Probandenkollektiv genauer definieren konnten. Dies waren Selbstauskunftsfragebögen.

2. Zusätzlich wurden standardisierte Interview- und Beurteilungsskalen durch den Untersucher vorgegeben und bearbeitet.

3. Im Anschluss führten wir eine Videodokumentation der Tics nach dem MRVS durch (65).

4. Während der Videodokumentation legten wir den Probanden zusätzlich Selbstauskunfts-Fragebögen zur Dokumentation der Selbsteinschätzung vor.

3.3.1 Videoaufzeichnung und Modified Rush Video Protokoll

Die Videoaufzeichnung gliederte sich in drei Phasen. Zunächst gab es eine Vorphase, in der die mittlere Tic-Rate der Probanden (=Baseline, Vorphase) ermittelt wurde. Darauf folgte eine Phase der Tic-Unterdrückung. Im Anschluss folgte die Phase nach der Tic- Unterdrückung (siehe Abbildung 4).

Zur Untersuchung des Tic-Verlaufs vor, während und nach einer Phase der aktiven Tic- Unterdrückung, legten wir fünf Aufzeichnungsabschnitte fest. Die Auswahl unserer Aufzeichnungsabschnitte erfolgte nach dem MRVS (65). In jedem Aufzeichnungsabschnitt gab es zwei Messzeitpunkte, zu denen später das Tic-Rating stattfand. Für die statistische Auswertung wurden beide Messzeitpunkte eines Aufzeichnungsabschnittes zusammengefasst.

Näheres hierzu ist unter „3.4 Die Bearbeitung der Videoaufzeichnungen“ beschrieben.

Zusätzlich zu diesen zehn Messzeitpunkten wählten wir einen weiteren Messzeitpunkt direkt im Anschluss an die Unterdrückung, um einen möglicherweise direkt auftretenden Rebound- Effekt nicht zu verpassen. Im Folgenden werden die beiden zusammengefassten Messzeitpunkte sowie der zusätzliche Messzeitpunkt als Messzeitpunkte 1-6 bezeichnet.

Messzeitpunkt 1 lag in der Phase vor der Tic-Unterdrückung (M1 Basalrate) und Messzeitpunkt 2 während der Tic-Unterdrückung (M2 Unterdrückung). Der Messzeitpunkt 3 lag exakt nach Beendigung der Unterdrückung (M3 nach 30 Sekunden). Der Messzeitpunkt 4 lag in den ersten zehn Minuten nach der Unterdrückung (M4 nach 10 Minuten). Die

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Abbildung 5. Ablauf der Videobeobachtung. Es wurde 2,5 Minuten der Oberkörper mit Untersucher, 2,5 Minuten der Oberkörper ohne Untersucher, 2,5 Minuten der ganze Körper ohne Untersucher und zuletzt 2,5 Minuten der ganze Körper mit Untersucher aufgezeichnet.

In der zweiten Phase fand die Tic-Unterdrückung statt (siehe Abbildung 4). Die Probanden erhielten hierzu die Instruktion, „die Tics so gut wie möglich zu unterdrücken.“ Für eine gelungene Unterdrückung wurde den Probanden eine Belohnung in Form von Schokoladenpralinen versprochen. Diese wurde jedem Probanden nach Beendigung der Untersuchung ausgehändigt. Das Schema der Intervalle war analog zur ersten Phase vor der Unterdrückung und dauerte insgesamt von der 10. bis zur 20. Minute (siehe Abbildung 6).

10.-12.5. Minute: Aufzeichnung des Oberkörpers in Anwesenheit des Untersuchers

12.5-15. Minute: Aufzeichnung des Oberkörpers ohne den Untersucher 15.-17.5. Minute: Aufzeichnung des ganzen Körpers ohne den Untersucher 17.5.-20. Minute: Aufzeichnung des ganzen Körpers in Anwesenheit des

Untersuchers

Abbildung 6. Ablauf der Videobeobachtung. Es wurde 2,5 Minuten der Oberkörper mit Untersucher, 2,5 Minuten der Oberkörper ohne Untersucher, 2,5 Minuten der ganze Körper ohne Untersucher und zuletzt 2,5 Minuten der ganze Körper mit Untersucher

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Es schlossen sich die Phasen nach der Unterdrückung (Post-Suppressionsphasen) an (siehe Abbildung 4). Der Proband erhielt die Anweisung, „den Tics wieder freien Lauf zu lassen“.

Um auch den Zeitraum direkt nach der Tic-Unterdrückung zu erfassen, verließ der Untersucher – anders als in den ersten beiden Phasen der Videoaufzeichnung - zu Beginn der Phase den Raum. An die Tic-Unterdrückung gliederten sich drei Post-Suppressionsphasen, die jeweils 10 Minuten dauerten und nach folgendem Schema verliefen (siehe Abbildung 7):

Abbildung 7. Ablauf der Videobeobachtung. Es wurde 2,5 Minuten der Oberkörper ohne Untersucher, 2,5 Minuten der ganze Körper ohne Untersucher, 2,5 Minuten der Oberkörper mit Untersucher und zuletzt 2,5 Minuten der ganze Körper mit Untersucher aufgezeichnet

Post-Suppressionsphase 1

20.-22.5. Minute: Aufzeichnung des Oberkörpers ohne Untersucher 22.5.-25. Minute: Aufzeichnung des ganzen Körpers ohne Untersucher

25.-27.5. Minute: Aufzeichnung des Oberkörpers in Anwesenheit des Untersuchers 27.5.-30. Minute: Aufzeichnung des ganzen Körpers in Anwesenheit des Untersuchers Post-Suppressionsphase 2

30.-32.5. Minute: Aufzeichnung des Oberkörpers ohne Untersucher 32.5.-35. Minute: Aufzeichnung des ganzen Körpers ohne Untersucher

35.-37.5. Minute: Aufzeichnung des Oberkörpers in Anwesenheit des Untersuchers 37.5.-40. Minute: Aufzeichnung des ganzen Körpers in Anwesenheit des Untersuchers Post-Suppressionsphase 3

40.-42.5. Minute: Aufzeichnung des Oberkörpers ohne Untersucher 42.5.-45. Minute: Aufzeichnung des ganzen Körpers ohne Untersucher

45.-47.5. Minute: Aufzeichnung des Oberkörpers in Anwesenheit des Untersuchers 47.5.-50. Minute: Aufzeichnung des ganzen Körpers in Anwesenheit des Untersuchers

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3.4 Bearbeitung der Videoaufzeichnungen

Um Daten über die Tic-Ausprägung in den unterschiedlichen Phasen der Untersuchung zu gewinnen, wurden aus den zweieinhalb-minütigen Videos, entsprechend dem MRVS (65), ein-minütige Sequenzen herausgeschnitten. Dabei wurde die entsprechende zweieinhalb- minütige Sequenz in eine ein-minütige Sequenz beginnend ab der 30. Sekunde bis zur 1,5.

Minute geschnitten. Um einen möglichen Rebound-Effekt direkt im Anschluss an die Unterdrückung erfassen zu können, schnitten wir zudem eine weitere Sequenz aus der ersten Postsuppressionsphase (20.-30. Minute der Videoaufzeichnung, siehe Abbildung 4). Diese begann ab der 0. bis zur 30. Sekunde. Da diese nur 30 Sekunden lang war, verdoppelten wir die gezählte Tic-Frequenz für die statistische Auswertung, um sie an die anderen ein- minütigen Sequenzen anzugleichen. Die „Entblindung" der Auswerter konnten wir vermeiden, da die Auswerter die Dauer einer Sequenz nicht vor deren Ende kannten.

Insgesamt erhielten wir so für jeden Probanden 11 Videosequenzen und insgesamt 242 Videosequenzen. Allerdings konnten aufgrund technischer Probleme nicht alle Videosequenzen ausgewertet werden. Per Losverfahren wurde den Videosequenzen Nummern zugeteilt, um eine zufällige Reihenfolge zu erreichen. Für die Bearbeitung der Sequenzen verwendeten wir das Programm „Studio ultimate – premium edition, Version 12“

von Pinnacle, das wir auf einem Computer der Marke Toshiba (Modell Satellite A200-10N) installierten.

3.5 Auswertung der Videoaufzeichnungen

Nach dem Erstellen der Videosequenzen und dem Erstellen einer zufälligen Reihenfolge der Videos wurden die Tics durch zwei Untersucherinnen, Prof.’in Dr. Kirsten Müller-Vahl und Dr. Stefanie Bokemeyer, entsprechend des MRVS (65) ausgezählt. Prof.’in Dr. Müller-Vahl leitet die Tourette-Ambulanz in der Klinik für Psychiatrie, Sozialmedizin und Psychotherapie der MHH, in der auch Dr. Stefanie Bokemeyer seit vielen Jahren tätig ist. Beide Untersucherinnen sind somit Expertinnen in der Beurteilung von Tics. Sie hatten keine Informationen darüber, zu welchem Zeitpunkt die jeweilige Videosequenz aufgezeichnet worden war. Prof.’in Müller-Vahl zählte die motorischen Tics (MT) und Dr. Bokemeyer die vokalen Tics (VT).

Die Auszählung erfolgte entsprechend des MRVS (65) getrennt für vokale (MRVS-VT) und

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wurde die Anzahl der betroffenen Körperregionen („Number of body areas“) auf einer fünfstufigen Skala (0 = keine Körperregion betroffen, 1 = 1 oder 2, 2 = 3 oder 4, 3 = 5 oder 6 und 4 = 7 oder mehr Körperregionen betroffen) bestimmt. Zweitens wurde die Frequenz der Tics („Frequency“) auf einer fünfstufigen Skala erhoben (für MT: 0 = keine Tics, 1 = 1-20, 2

= 21-40, 3 = 41-60, 4 = mehr als 60 Tics/Minute; für VT: 0 = keine Tics, 1 = 1-5, 2 = 6-10, 3

= 11-15, 4 = mehr als 15 Tics/Minute). Drittens wurde der Schweregrad der Tics („Severity“) ebenfalls auf einer fünfstufigen Skala ermittelt (für MT: 0 = fehlend, 1 = minimal: könnte normal sein, 2 = mild: auf eine Muskelgruppe begrenzt, 3 = mäßig: begrenzt auf ein einzelnes Körperteil, 4 = schwer: mehr als ein Körperteil betroffen oder komplex; für VT: 0 = fehlend, 1 = minimal: könnte normal sein, 2 = mild: einzelne Wörter oder Geräusche, die wenigstens durch einen Atemzug oder vier Sekunden unterbrochen sind; 3 = mäßig: zwei- oder dreimal wiederholte Wörter oder Geräusche in Folge oder einzelne Obszönitäten, die durch mindestens einen Atemzug oder vier Sekunden unterbrochen sind, 4 = schwer: eine Reihe von Wörtern oder Geräuschen, die viermal oder öfter wiederholt werden oder Obszönitäten, die mindestens zwei- oder dreimal in Folge wiederholt werden). Der Gesamtscore (MRVS-TTS) für motorische und vokale Tics berechnete sich nach dem MRVS als Summe der einzelnen Punktzahlen von MRVS-VT und MRVS-MT.

3.6 Fragebögen zur Charakterisierung des Probandenkollektivs

Zur näheren Charakterisierung des Probandenkollektivs wurden nachfolgend beschriebene weitere Test durchgeführt:

1. Die YGTSS (66) misst die Schwere der Tics während der letzten sieben Tage, die getrennt nach vokalen und motorischen Tics erfasst werden. Die Bewertung erfolgt nach den Kriterien Anzahl, Häufigkeit, Intensität, Komplexität und Interferenz, aus deren Teilpunkten (0-5) am Ende der Total Tic Score (TTS) (0-50) errechnet wird.

Neben den genannten fünf Kriterien wird die Gesamtbeeinträchtigung durch das TS ermittelt (0-50). Der Untersucher fragt die einzelnen Kategorien ab und fügt eigene Beobachtungen, wie z.B. während der Befragung auftretende Tics, die der Proband selbst nicht schildert, hinzu. Dies bedeutet, dass in die Auswertung des Fragebogens sowohl die Selbsteinschätzung des Patienten, als auch die qualifizierte Beurteilung des Untersuchers eingeht. Abschließend werden bei der Auswertung vier Scores berechnet: Die Summe der Teilscores (Anzahl, Häufigkeit, Intensität, Komplexität und Interferenz) getrennt für motorische (YGTSS-MT, 0-25) und vokale Tics (YGTSS-

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VT, 0-25), ein Tic-Gesamtscore (YGTSS-TTS; vokale plus motorische Tics, 0-50) und ein Gesamt-Score (Tic-Score plus Score für die Beeinträchtigung der Lebensqualität, YGTSS-GS, 0-100). Ein hohe Punktzahl bedeutet eine schwere Ausprägung des TS, eine niedrige Punktzahl eine leichte Ausprägung.

2. Die Conners Adult ADHD Rating Scale (CAARS) (67, 68) ist ein Selbstbeurteilungs- bogen und fragt 66 Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften aus dem Alltag des Patienten ab, die typisch für die ADHS sind. Das vierstufige Antwortformat reicht von

„überhaupt nicht, nie“ (entsprechend 0 Punkten) bis zu „sehr stark, sehr häufig“

(entsprechend 3 Punkten). Alle 66 Antworten werden acht Subskalen zugeordnet (Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität, Selbstkonzept, Unaufmerksamkeit nach DSM-IV, Hyperaktivität nach DSM-IV, Summe der Subskalen 5 und 6 nach DSM-IV (DSM-IV-Total) sowie ADHS-Index). Zusätzlich zu diesen wird ein Inkonsistenzfaktor bestimmt. Bei einem Inkonsistenzfaktor >8 wurde der Fragebogen für die Auswertung nicht berücksichtigt, da von einer mangelnden Compliance oder zu geringen sprachlichen Fähigkeiten auszugehen ist. Für die Auswertung werden nach Geschlecht und Alter getrennte Normwerte (T-Werte) errechnet. Entsprechend des CAARS-Manuals deutet ein T-Wert ≥ 65 auf eine jeweils überdurchschnittliche Ausprägung eines Subtyps oder des Gesamttyps hin und ist somit ein Hinweis auf eine vorliegende ADHS. Wurde der Cut-Off im DSM-IV-Total oder im ADHS-Index überschritten, wurde die Diagnose einer ADHS gestellt. Wurde hingegen nur in einer der Subskalen der Cut-Off erreicht, wurde dies lediglich als Hinweis auf das Vorliegen einer ADHS gewertet.

3. Die Wender-Utah-Rating-Scale-Kurzform (WURS-K) (69) ist ebenfalls ein Fragebogen, der von den Probanden selbst ausgefüllt wird. Er bezieht sich auf Gewohnheiten und Verhaltensweisen die rückwirkend für das Alter von acht bis zehn Jahren beurteilt werden und fragt typische Alltagssituationen ab, die bei Kindern mit Aufmerksamkeitsstörung oder Hyperaktivitätsstörung auftreten. Der Test verwendet ein vierstufiges Antwortformat, welches von „trifft nicht zu“ (entsprechend 0 Punkten) bis zu „stark ausgeprägt“ (entsprechend 4 Punkten) reicht. Aus allen Antwortmöglichkeiten wird ein Gesamtscore berechnet. Der Cut-off für das Vorliegen einer ADHS liegt bei 30 Punkten.

4. Die DSM-IV-Symptomliste (70) für die Aufmerksamkeitsdefizit-/

Hyperaktivitätsstörung fragt nach Verhaltensweisen, die im Alter zwischen sechs und

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Selbstbeurteilungsskala und gibt Hinweise auf eine im Kindesalter bestandene ADHS- Erkrankung. Bei einem Score >5 geben die Fragen 1-9 einen Hinweis auf das Vorliegen des Subtyps „Unaufmerksamkeit“, die Fragen 10-18 hingegen auf den Subtyp „Hyperaktivität“. Wenn in beiden Subskalen ein Score >5 erzielt wird, liegt ein kombinierter Typ vor.

3.7 Diagnose einer ADHS

Die Diagnose einer komorbiden ADHS wurde anhand der CAARS, der WURS-K und der DSM-IV-Symptomliste gestellt. Waren bei der Mehrzahl der Tests die Cut-off-Werte für eine ADHS überschritten, wurde insgesamt eine ADHS diagnostiziert. Sofern der CAARS nicht interpretiert werden konnte und die WURS-K und die DSM-IV-Symptomliste ein unterschiedliches Ergebnis lieferten, wurden die Anamnese und klinische Untersuchung von Prof.’in Dr. Müller-Vahl zur definitiven Entscheidung hinzugezogen.

3.8 Fragebögen zur Selbsteinschätzung der Probanden: PUTS, VAS und RVTR

Die Probanden füllten jeweils in den letzten zweieinhalb Minuten jeder 10-minütigen Sequenz die unten beschriebenen Fragebögen aus. Das bedeutet während der Erfassung der Basalrate nach 7,5 Minuten (jeweils gemessen ab Beginn der Untersuchung), während der Unterdrückung nach 17,5 Minuten und in den Phasen nach der Tic-Unterdrückung nach 27,5 Minuten, 37,5 Minuten und nach 47,5 Minuten.

1. Die Visuelle Analogskala (VAS) (71) beinhaltet eine Skala von 0 bis 100. 0 bedeutet, dass zu diesem Zeitpunkt keine Tics bestehen und 100, dass für den Probanden die individuell stärkste Ausprägung der Tics vorhanden ist (absolute subjektive Tic- Messung).

2. Die PUTS (71) umfasst zehn Fragen zu dem Vorgefühl, die der Proband selbst in der entsprechenden Phase beantwortete. Daraus ergibt sich eine Summe zwischen 10 und 40. Die Antworten werden auf einer vierstufigen Skala vorgenommen, die von

„stimmt gar nicht“ (1 Punkt) bis „stimmt sehr“ (4 Punkte) reicht. So lassen sich Daten über die Ausprägung und die Art des Vorgefühls gewinnen. Zur Auswertung wird ein Gesamtscore aus allen Werten der 10 einzelnen Fragen berechnet.

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3. Zur Messung der relativen Änderung der Tics haben wir die RVTR entwickelt. Der Proband erhält eine visuelle Analogskala, auf der die Veränderung der Tic-Rate von - 100 bis +100 angegeben wird. Ausgehend von der Tic-Basalrate in den ersten zehn Minuten, die auf der Skala der Zahl 0 entspricht, wird eine Zunahme (1 bis 100), eine Abnahme (-1 bis -100) oder keine Veränderung (entsprechend 0) der Tics markiert. So konnte bestimmt werden, wie die Phasen im Vergleich zueinander, im Sinne einer relativen Tic-Messung, wahrgenommen wurden.

3.9 Statistische Auswertung

Die Hypothesen wurden, soweit sie sich auf Mittelwertunterschiede bezogen, mittels einer Varianzanalyse geprüft. Diese wurden mit der Prozedur GLM des SPSS-Programmpakets (Version 21) berechnet. In diese Varianzanalyse ging ein Messwiederholungsfaktor

„Zeitpunkte“ ein. Für die Analysen, in denen das Probandenkollektiv in Subgruppen unterteilt wurde (Analysen zu ADHS und zum Vorgefühl getrennt nach hohem und niedrigem Vorgefühl) ging zusätzlich ein Zwischensubjektfaktor (Gruppierungsfaktor) ein. Der Faktor

„Zeitpunkte“ hatte fünf bzw. sechs Abstufungen von M1 bis M6. Wenn für den Faktor

„Zeitpunkte“ statistisch signifikante Unterschiede gefunden wurden, wurde mittels Posthoc- Tests (paarweiser Vergleich) geprüft, welche Mittelwerte sich signifikant voneinander unterschieden. Um festzustellen, ob eine Unterdrückung vorliegt, wurde der Mittelwert der Tics in der Suppressionsphase mit dem Mittelwert in der Basalmessung verglichen. Um zu prüfen, ob ein Rebound-Effekt vorliegt, wurde der Mittelwert der Postsuppressionsphasen mit dem Mittelwert der Basalrate verglichen. Da bei Varianzanalysen mit Messwiederholungen die Verletzung der statistischen Voraussetzungen zu einer falschen (weniger strengen) Prüfung der Hypothesen führt, wird bei signifikanten Ergebnissen jeweils auch eine sehr konservative Anpassung der Freiheitsgrade (Untergrenze) berichtet. Für alle Tests wurde die maximal zulässige Irrtumswahrscheinlichkeit auf α=0,05 festgelegt.

Einstichproben-t-Tests fanden Anwendung bei der Analyse der RVTR. Es wurde geprüft, ob die Mittelwerte der Probanden statistisch signifikant von 0 abwichen. Eine signifikante positive Abweichung zeigt an, dass die Probanden eine stärkere Ausprägung der Tics gegenüber dem Ausgangswert berichten. Eine negative Abweichung von 0 bedeutet, dass die Probanden eine geringere Tic-Ausprägung erfahren haben.

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Zur Prüfung von Hypothese 6 wurden die YGTSS-Skalen mit den jeweils korrespondierenden Tics (MRVS-VT, MRVS-MT, MRVS-TTS) korreliert (Pearson Produkt Moment Korrelation), das heißt, YGTSS-MT wurde mit MRVS-MT, YGTSS-VT mit MRVS-MT und YGTSS-TTS mit MRVS-TTS über alle Probanden korreliert.

Referenzen

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