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Archiv "Das Tourette-Syndrom: Eine zu selten diagnostizierte Tic-Störung?: 2. Formalien beachten" (06.06.1994)

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MEDIZIN

lagendisziplinen wie der kognitiven Neurowissenschaft (1) stützen und ist ausgesprochen hilfreich, um im praktischen Umgang mit dem Patien- ten eine wirklich funktionierende In- tegration von medikamentösen und gegebenenfalls psychotherapeuti- schen Therapieansätzen zu errei- chen. Aber dieses Verständnis ist ebenso unumgänglich auf dem Weg zu einer Erforschung gerade der noch gänzlich unklaren Mechanis- men, mit denen zum Beispiel auch genetische Faktoren an der Entste- hung von komplexen, zum Teil nur subjektiv für den Betroffenen erfahr- baren Symptomen beteiligt sind.

Literatur:

1. Alexander, G. et al.: Do Cortical and Basal Ganglionic Motoareas Use „Motor Pro- grams" to Control Movement? Behav.

Brain Sc. 15 (1992) 656-665.

2. Lang, A.: Patient Perception of Tics and other Movement Disorders. Neurology 41 (1991) 223-228.

3. Robertson, M.: The Gilles de la Tourette Syndrome: The Current Status. Brit. J.

Psychiatry 154 (1989) 147-169.

4. Sacks, 0.: Neuropsychiatry and Tourette's.

In: Mueller (Hrsg.): Neurology and Psych- iatry: A Meeting of Minds. Karger, Basel, 1989. pp 156-174.

5. Sandor, P.: Gilles de la Tourette Syndrome:

A Neuropsychiatric Disorders. J. Psycho- som. Res. 37 (1993) 211-226.

Dr. med. Peter Henningsen

Psychosomatische Universitätsklinik Thibautstraße 2 69115 Heidelberg

2. Formalien beachten Bei aller Freude über die sehr gut gelungene Darstellung des Gil- les-de-la-Tourette-Syndroms muß ich jedoch sehr bedauern, daß die Auto- ren — sicherlich völlig unbeabsichtigt

— die amerikanische Unsitte der Ver- stümmelung von Familiennamen übernommen haben. Gilles de la Tourette ist der Familienname von George Albert Eduard Brutus . . . Gilles de la Tourette, insofern sollte das Syndrom, gleichgültig wie es zur Zeit in den gängigen diagnostischen Kodierungssystemen genannt wird, weiterhin Gilles-de-la-Tourette-Syn- drom heißen.

Claudio Garcia Leitender Arzt

des Psychiatrischen Krankenhauses Seilerweg 29 • 36251 Bad Hersfeld

DISKUSSION

Schlußwort

Die Stellungnahme zu dem Bei- trag von Herrn Kollegen Garcia kann kurz ausfallen: Wir stimmen Herrn Garcia zu und es ist uns natürlich auch bekannt, daß Gilles de la Tou- rette der Familienname des Erstbe- schreibers dieses Syndroms ist. Wir haben uns in unserem Beitrag der kürzeren amerikanischen Nomenkla- tur angeschlossen. Wir stimmen Herrn Garcia aber auch dahingehend zu, daß in den gängigen diagnosti- schen Klassifikationssystemen das Syndrom als „Gilles-de-le-Tourette- Syndrom" bezeichnet werden sollte.

Wir zweifeln allerdings daran, ob dies sich realisieren läßt.

Zur Zuschrift von Herrn Dr.

Henningsen (Heidelberg) möchten wir folgendes bemerken: Es war ge- rade unsere Absicht, das Gilles-de- la-Tourette-Syndrom als komplexe neuropsychiatrische Störung darzu- stellen und nicht einen einseitigen Ansatz zu vertreten. Wir sehen unse- ren Ansatz auch keineswegs als „re- duktionistisch" an. Die subjektiven Aspekte haben wir durchaus ange- schnitten, und zwar nicht nur unter dem Stichwort „psychiatrische Be- gleitsymptomatik", sondern auch un- ter Hinweis auf die von vielen Patien- ten berichteten „subjektiven Span- nungszustände und sensorischen Er- lebnisse". Wir haben ferner auch auf die „selbstverletzenden Tics" und auf die Zwangssymptomatik (auch dies ist eine vielfach nur der Introspektion zu- gängliche Störung) hingewiesen.

Was wir aber gerade aufgrund der neueren Erkenntnisse vermeiden wollten, war ein „Rückfall" auf die alte psychoanalytische Literatur, denn diese deutet keineswegs so ein- hellig in die Richtung, die Herr Hen- ningsen aufzeigt. So klassifiziert Abraham (1) Tics als eine besondere Form von Zwangsneurosen und sieht in den Tics eine Regression auf die anal-sadistische Phase der psychose- xuellen Entwicklung. Fenichel (2), Mahler (6, 7) und M. Klein (4, 5) sind der Ansicht, daß die Ursachen für Tics in einer gestörten psychosexuel- len Entwicklung zu suchen seien, wo- bei es zur Verdrängung unerlaubter sexueller und aggressiver Impulse kä- me, die sich explosiv und unwillkür-

lich über die Motorik entladen. Inso- fern seien Tics auch nicht einer ein- heitlichen nosologischen Kategorie zuzuordnen, sondern lediglich ober- flächliche Symptome ganz verschie- dener zugrundeliegender Störungen.

In extremer Sicht von Ferenczi und M. Klein sind Tics als Äquivalente von Onaniephantasien aufzufassen.

Gerade derartige Auffassungen von Tics und dem Gilles-de-la-Tou- rette-Syndrom wollten wir mit unse- rer Darstellung überwinden, in der es uns in erster Linie darauf ankam, das Syndrom als solches möglichst klar zu beschreiben, damit es zumindest von der objektivierbaren Symptomatik her früher diagnostiziert wird. Daß zwischen dem ersten Auftreten der Symptomatik und der Diagnose des Gilles-de-la-Tourette-Syndroms auch heute mitunter noch viele Jahre ver- gehen, ist eine traurige Tatsache. Wir haben in den letzten Jahren mehrere Patienten beobachtet, bei denen die Störung erst rund zehn Jahre nach der ersten Manifestation diagnosti- ziert wurde. Diese Situation zu ver- bessern, war die Intention unseres Beitrages, der verständlicherweise nicht alle Aspekte dieser interessan- ten Störung anschneiden konnte.

Literatur:

1. Abraham, K.: Contribution to a discussion of the tic. In: Selected Papers, Hogarth Press Ltd. London 1921

2. Fenichel, 0.: The psychoanalytic theory of neurosis, Norton New York 1945

3. Ferenczi, S.: Psychoanalytische Betrachtun- gen über den Tic (1921), in: S. Ferenczi:

Bausteine zur Psychoanalyse 193-234, Hu- ber, Bern/Stuttgart 1964

4. Klein, M.: Zur Genese des Tic (Int. Z. f.

Psychoanalyse, XI, 1925), zit. nach M.

Klein: Die Psychoanalyse des Kindes, Rein- hardt, München/Basel 1971

5. Klein, M.: Die Psychoanalyse des Kindes, Reinhardt, München/Basel 1972

6. Mahler, M. S.: Psychosomatic studies of maladie des tics. Psychiat. Quart. 17 (1943) 579

7. Mahler, M. S.: A psychoanalytic evaluation of tics in psychopathology of children:

Symptomatic and tic syndrome. Psychoanal.

Stud. Child 3/4 (1949) 279-310

Prof. Dr. med. Dr. phil.

Helmut Remschmidt

PD Dr. med. Johannes Hebebrand Klinik u. Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der

Philipps-Universität Hans-Sachs-Straße 6 35033 Marburg A-1650 (88) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 22/23, 6. Juni 1994

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