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Archiv "Effizienzmessungen im Gesundheitswesen" (14.11.1974)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

THEMEN DER ZEIT

Ulrike Alter und Michael Klausing

Fortsetzung und Schluß

3. Chemotherapie

der endothorakalen Tuberkulose Bei dieser Untersuchung ging es ebenfalls um die Frage, inwieweit gesundheitliche Maßnahmen ge- samtwirtschaftliche Bedeutung ha- ben. Allerdings stellt sich hier das Problem etwas anders, weil — im Gegensatz zu Impfaktionen — hier nicht verglichen werden kann, was mit und was ohne gesundheitliche Maßnahmen an Nutzen bewertbar ist, sondern es mußte hier heraus- gefunden werden, inwieweit die Verbesserungen der Chemothera- pie der letzten Jahre gesamtwirt- schaftlich relevanten Nutzenzu- wachs bringen. Folglich läßt sich in diesem Falle das Ergebnis der Ko- sten-Nutzen-Analyse nicht als „ein- fache" Relation darstellen, viel- mehr müssen an sich zwei Kosten- Nutzen-Relationen miteinander verglichen werden.

Der Nutzen, den eine Therapie er- bringen soll, ist der Heilerfolg.

Bringen nun verschiedene Thera- pieformen gleiche Heilerfolge, wo- bei eine mit geringerem finanziel- len Aufwand durchführbar ist, so ist der Differenzbetrag der Nutzen- zuwachs. Ein weiterer Nutzenzu- wachs kann sich ergeben, wenn die billigere Therapie obendrein bessere Heilerfolge bringt.

Folglich setzt sich die gesamte Nutzendifferenz zweier Therapie-

formen zusammen aus der Diffe- renz der Heilerfolge und der Diffe- renz der für diese Heilerfolge auf- gebrachten finanziellen Mittel.

3.1 Allgemeine Informationen In der Untersuchung über die Grip- peschutzimpfung war gezeigt wor- den, daß für die Kosten- und Nut- zenermittlung die epidemiologi- schen Zusammenhänge eine ent- scheidende Rolle spielen.

Wenn auch diese Zusammenhänge hier nur mittelbar für den Berech- nungssatz relevant sind, so sollen sie doch angedeutet werden, weil über den Verlauf der gesamten Tu- berkuloseepidemie und ihre Beein- flussung durch die Tuberkulostati- ka vielfach falsche Vorstellungen herrschen. Darstellung 2 gibt einen Überblick über den Verlauf der abendländischen Tuberkuloseepi- demiewelle an Hand der Sterblich- keitsziffern. Es ist leicht zu erken- nen, daß mit der Einführung des lsoniazid (INH) in den fünfziger Jahren die Chemotherapie ihren Anfang nahm, als, gemessen an der Morbidität, die Tuberkulose ihren Schrecken bereits verloren hatte.

Darstellung 3 zeigt, daß in der Bun- desrepublik Deutschland Neuzu- gänge, Bestand und Sterbefälle an Tuberkulose der Atmungsorgane seit Beginn der chemotherapeuti- BRIEFE AN DIE REDAKTION

der schulärztliche Dienst erfolg- reich durchgeführt werden. In dem Berliner Arbeiterbezirk, in dem ich tätig bin und der von täglich neu einreisenden Gastarbeiterfamilien

— man kann schon sagen, über- schwemmt wird, ' ist diese Zusam- menarbeit verwirklicht und nicht mehr zu entbehren. Andererseits ist gerade der schulärztliche Dienst in einer Großstadt mit zahl- reichen körperlich und geistig be- hinderten Kindern, die zu einem täglich größer werdenden Anteil auch aus Gastarbeiterfamilien stammen, durch eine derartige Vielfalt und Größe der Aufgabenbe- reiche gekennzeichnet, daß ein niedergelassener Kollege dieses umfangreiche Arbeitsgebiet un- möglich neben seiner Patienten- praxis bewältigen dürfte, zumal in Berlin die gesetzlichen Pocken- schutzimpfungen sowie die Erstun- tersuchungen zum Jugendarbeits- schutzgesetz noch zu den Pflicht- aufgaben der Schulärzte gehören.

Der Verdienst dieser Ausführungen des Blauen Papieres besteht in der Hervorhebung der Eigenverant- wortlichkeit des Arztes im öffentli- chen Gesundheitswesen. Diesem Umstand müßte bei der Besoldung weit mehr Rechnung getragen wer- den, als dies bisher geschieht und in zukünftigen Besoldungsänderun- gen vorgesehen ist. Auch müßte die hierarchische Abstufung inner- halb der Ärzte des öffentlichen Ge- sundheitsdienstes ausgeglichen werden.

Was die Planung der Unterrichts- programme anbetrifft, wären wir sehr erfreut, wenn uns das Unter- richtsministerium in diesem Punkte mehr Mitspracherecht einräumen würde, als es bisher der Fall ist.

Wir erinnern an den bisher noch immer erfolglosen Kampf um die Abschaffung der Turnzensur, die der Bewegungsfreudigkeit so ab- träglich ist. Wie gesagt: Schön wär's ja!

Dr. med. Helga Eisermann 1 Berlin 19,

Westendallee 101

Effizienzmessungen im Gesundheitswesen

Beispiele der Kosten-Nutzen-Analyse

3338 Heft 46 vom 14. November 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Indusel eal isierung 1790-1850

1760 80 1800 20 40 60 80 190020 40 1960

Darstellung 2: Abendländische Tuberkulosegroßwelle (an Hand der Tu- berkulose-Sterblichkeitskurve, Todesfälle auf 100 000 Lebende 1760-1960).

Die Kurve soll einen Überblick geben üben den Verlauf der Tuberkulose- epidemie-Welle in unserer abendländischen Kultur anhand der Sterb- lichkeitsziffern. Der ausgezogene Teil der Kurve ist weitgehend statistisch belegt, der gestrichelte Anteil nur eine konstruktive Ergänzung ohne Zahlen- belege. Es kommt hierbei nicht auf Einzelwerte an, sondern auf eine Her- ausstellung der Verlaufstendenz der Epidemie-Welle in ihrer Gesamtheit.

Es handelt sich um eine Summationskurve ohne Berücksichtigung örtlicher Verschiedenheiten. Quelle: Nachrichten der Landesversicherungsanstalt Hes- sen, Sonderausgabe 14. Jahrgang, April 1964, 69

->

allgem.Gesundheitspflege u.Selbststeuerg.

u.Therapieausbau u.Auslese

Krieg 1939-45 INH Krieg

1870-71

Krieg 1914-18 900

800

obaJ 700 -

‚, '600 500 400 • 300 200 - 100

Aufsätze • Notizen Effizienzmessungen

schen Ära stetig ohne markanten Einbruch zurückgegangen sind. Im Hinblick auf die Kosten-Nutzen- Analyse der Chemotherapie der Lungentuberkulose deuten diese Kurvenverläufe, im Gegensatz zum Verlauf der Morbidität an Polio- myelitis (vgl. Darstellung 1 in Heft 45/1974) darauf hin, daß hier sehr

„sensible" Kosten-Nutzen-Ansätze gefunden werden müssen, weil of- fensichtlich die Tuberkulose in

Deutschland auch ohne den Einsatz der Chemotherapie ausrottbar wäre, nur würde es dann wahr- scheinlich länger dauern.

3.2 Analyse des Systems der Einflußfaktoren

Für die Festlegung des Untersu- chungszeitraumes, die Auswahl des Kollektivs und die Definition der Kosten-Nutzen-Faktoren wurde eine Analyse der die Tuberkulose und ihre Behandlungseffekte deter- minierenden Einflüsse vorgenom- men, da die Aufgabenstellung ver- langte, den Kosten-Nutzen-Ansatz auf die Änderung nur eines Fak- tors, nämlich der Chemotherapie, zu beziehen.

Das Ergebnis: Obgleich „nur" eine Infektionskrankheit mit hinreichend abgeklärter Ätiologie, ergeben sich Pathogenese und Prognose der Tu- berkulose aus dem Zusammenspiel eines außerordentlich komplexen Systems von Einflußfaktoren, deren Zahl in der Größenordnung von 100 liegt.

Da Einflußfaktoren immer in ir- gendeiner Weise kombiniert auftre- ten und als neuer Einflußfaktor wir- ken können, muß davon ausgegan- gen werden, daß es nicht möglich ist, alle Einflußfaktoren mathema- tisch exakt eliminieren zu können, um allein den Einfluß der Chemo- therapie zu betrachten. Die Aufgabe bekommt somit eine neue Nuance:

es gilt diejenigen Einflußfaktoren und ihre Kombinationen zu elimi- nieren, deren Wirkung so groß ist, daß sie nicht vernachlässigt werden dürfen.

3.3. Untersuchungszeitraum Bei der Festlegung des Untersu- chungszeitraumes mußte daher un- tersucht werden, welche relevanten Änderungen sich im Verlauf der

chemotherapeutischen Ära seit den fünfziger Jahren ergeben ha- ben. Aus dem Verlauf der Sterbe- fälle (vgl. Darstellung 3) ergibt sich zunächst, daß bis Ende 1953 sehr deutlich die Nachwirkungen des Krieges mit den Verbesserungen der Lebensbedingungen und dem dadurch bedingten stärkeren Zu- rückgehen der Sterbefälle Einflüs- se wirksam wurden, die man aus der Untersuchung ausklammern muß.

Auch die Umsetzung der Erkennt- nisse über die Erregerresistenz setzte sich nur allmählich in die Praxis um, so daß man beispiels- weise davon ausgehen muß, daß regelmäßige Sensibilitäts- bzw. Re- sistenzprüfungen mit standardisier- ten Verfahren erst am Ende der sechziger Jahre durchgeführt wur- den.

Daher wurde der Beginn des Un- tersuchungszeitraumes auf 1968 festgelegt. Da bei der Durchfüh- rung der Untersuchung das jüngste statistische Material das von 1972 war, wurde mit 1972 das Ende des Untersuchungszeitraums festge- legt. Somit überblickt man einen Zeitraum von zwei Jahren vor und nach der Einführung des Rifampi- zin.

3.4 Untersuchungskollektiv

Bei der Auswahl des Untersu- chungskollektivs ist zu unterschei- den zwischen den Einflußfaktoren auf die Tuberkulose selbst und auf die Behandlungsergebnisse. Ziel dieses Untersuchungsschrittes war es, ein solches Kollektiv auszuwäh- len, bei dem einerseits einige wich- tige Einflußfaktoren ausgeklammert sind, und andererseits sicherzuge- hen, daß die verbleibenden Fakto- ren in den Vergleichskollektiven homogen verteilt sind. Die Grenzen dieses Selektionsschrittes waren hierbei gegeben durch die Struktur des zu erhaltenden statistischen Materials. Das nach diesen Kriteri- en ermittelte „optimale" Kollektiv hat folgende Charakteristik:

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M

au- lia91111111111111111 11 111111• 1111 •111 111 111

azzazzalasmizasmown

•1111 1 11 11 1111 3 11 • 11113• 311 111M

1950 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 1971 Neuzugänge an aktiver Tuberkulose der Atmungsorgane auf 100 000 Einwohner,BRD

250 200 150 100 50

1000 800 600 400 200

1950 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 1971 Bestand an aktiver Tuberkulose der Atmungsorgane auf 100 000 Einwohner,BRO

35 30 25 20 15 10

1950 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 1971 Sterbefälle an Tuberkulose der Atmungsorgane auf 100 000 Einwohner,BRO

Darstellung 3: Tuberkulose der Atmungsorgane in der Bundesrepublik Deutschland: Neuzugänge, Bestand, Sterbefälle

INH RMP

regelmäßige Sensibilitätsprüfung EMB,

Transaminasen- wertbestimmung

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Effizienznnessu ngen

— Erstbehandlung

— Alter: ab 15 Jahre

— Behandlungsart: stationär, kon- servativ mit Tuberkulostatika

— Bakterienverhalten: Sputum bei Behandlungsbeginn positiv, bei Ende der stationären Behandlung mehrfach nachgewiesen negativ

— Entlassungsform: regulär

— Begleitkrankheiten: keine.

3.5 Kosten- und Nutzenfaktoren Bei der Ermittlung der Kosten- und Nutzenfaktoren haben wir uns auf diejenigen Behandlungsergebnisse beschränkt, die eindeutig monetär erfaßbar sind.

Für diese Untersuchung konnten die Dauerbehandlungseffekte nicht in die Kosten-Nutzen-Analyse mit einbezogen werden, da mit der breiten Einführung des Rifampizin ab 1970 der kurze Betrachtungs- zeitraum von zwei Jahren keine

Beurteilung der Dauerbehand- lungsergebnisse zuläßt. Auch die Untersuchung des Zusammenhan- ges zwischen primären und sekun- dären Behandlungseffekten, der zweifellos besteht (ohne Sputum- negativierung keine weitere Aus- heilung), ließ uns davon absehen, ausgehend von den primären Be- handlungsergebnissen die Dauer- behandlungsergebnisse hochzu- rechnen und dann zu bewerten.

Es konnte auch gezeigt werden, daß so wichtige statistische Kenn- größen wie Zugänge, Bestandsver- änderungen und Mortalität für den Kosten-Nutzen-Ansatz ungeeignet waren. Mit diesen Einschränkun- gen schienen uns für das betrach- tete Kollektiv . Behandlungsdauer und Leistungsfähigkeit die geeig- neten Ansätze.

Die beiden gewählten Ansätze stel- len einen Minimalansatz dar, der aber nicht zuletzt auf Grund sei- ner gesamtwirtschaftlichen „Nähe"

reizvoll ist.

3.6 Bewertung

Für das oben definierte Kollektiv wurde beim Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, der rund 80 Prozent aller Lungentuberkulo- sen betreut, für die Jahre 1968 bis 1972 eine Sonderstatistik ange- fertigt; sie ist das Fundament der Berechnungen 3).

Da die Behandlungsergebnisse von 1972 mit denen von 1968 verglichen werden sollten, wurden schon der Berechnung saldierte Größen zu- grunde gelegt, so daß beispiels- weise positive Kostendifferenzen Nutzenzuwachs bedeuten.

3.6.1 Verkürzung der

stationären Behandlungsdauer Das Kollektiv wurde, getrennt nach den Geschlechtern, in 13 Alters- gruppen aufgeteilt, für die dann im

3) Diese Statistik ist zwar nicht perso- nenbezogen, sondern behandlungsab- schnittbezogen; auf eine Schätzung des statistischen Fehlers wurde verzichtet.

3340 Heft 46 vom 14. November 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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einzelnen die Behandlungsdauer- verkürzung an Hand der Differenz der durchschnittlichen Verkürzung der stationären Behandlungsdauer (Pflegetage) errechnet wurde. Die- se Differenz wurde mit der Zahl der Fälle 1972 multipliziert; das Pro- dukt ergibt für das Kollektiv (insge- samt 2250 Patienten, davon 675 Frauen und 1675 Männer) rund 90 000 ersparte Behandlungstage, wovon rund 20 000 auf Frauen und rund 70 000 auf Männer entfallen.

Da die Größe des Kollektivs weit jenseits jeder Diskussion um Re- präsentativität steht, kann beden- kenlos auf 100 Prozent hochge- rechnet werden und mit dem Pfle- gesatz von 41,- DM von 1968 als Basisjahr multipliziert werden.

..,.. Somit ergeben sich rund 4.4 Mil- lionen DM allein aus der Verkür- zung der Behandlungsdauer. Diese Gesamtersparnis kann auch inter- pretiert werden als derjenige Be- trag, den man 1968 hätte mehr auf- wenden müssen, wäre das Kollek- tiv von 1972 damals behandelt wor- den.

3.6.2 Erhöhung der Erwerbsfähigkeit

Die Erhöhung der Erwerbsfähigkeit hat zwei Komponenten, nämlich - Erwerbsfähigkeitsverlängerung aus der Verkürzung der Behand- lungsdauer und

- Erwerbsfähigkeitszuwachs aus der höheren Zahl der Erwerbsfähi- gen.

Grundlage ist die Zahl derjenigen Patienten, denen nach Abschluß der stationären Behandlung die Fortsetzung einer Tätigkeit möglich war. Für jede der gebildeten Grup- pen wurde der prozentuale Anteil derjenigen Patienten ermittelt, die 1972 und die 1968 einer Tätigkeit nachgehen konnten. Die Differenz der prozentualen Angabe zwischen beiden Jahren ist der Zuwachs, der dann mit dem Anteil des Kollektivs von 1972 multipliziert wurde, der einer Tätigkeit nachgehen konnte;

so kommt man zu den absoluten Zuwächsen. Bei der Bewertung des Erwerbsfähigkeitszuwachses muß- ten die beiden Fragen diskutiert werden, ob die Beurteilung der Er- werbsfähigkeit hinreichend einheit- lich vorgenommen wird, und wel- che Dauer hier zugrunde gelegt werden sollte. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit durch den Arzt der Rehabilitationseinrichtung un- terliegt gewiß subjektiven Schwan- kungen, wird aber grundsätzlich nach einheitlichen Richtlinien vor- genommen, so daß angenommen werden kann, daß für diese Be- rechnung die Beurteilung hinrei- chend einheitlich vorgenommen wird.

Für die Dauer der Erwerbsfä- higkeit haben wir ebenfalls einen Minimalansatz vorgenommen und sind davon ausgegangen, daß die Erwerbsfähigkeit nach Beendigung der stationären Behandlung minde- stens ein Jahr lang anhält und so- mit in den Bereich der primären Behandlungsergebnisse fällt. Diese Annahme erscheint gerechtfertigt, weil die Gefahr eines Rückfalles beim betrachteten Kollektiv einer- seits wegen des Kriteriums "Erst- behandlung" im Gegensatz zu an- ders charakterisierten Kollektiven, beispielsweise den chronischen Tuberkulösen, gering ist, anderer- seits nach erfolgreicher Beendi- gung einer korrekten Chemothera- pie die Rezidivrate gewöhnlich erst wesentlich später als 12 Mona- te nach Behandlungsende ansteigt.

Die unter diesen Voraussetzungen errechnete gesamte Erhöhung der Erwerbsfähigkeit, Summe aus Ver- längerung durch Behandlungsdau- erverkürzung und -zuwachs, be- trägt rund 670 Erwerbsfähigkeits- jahre, wobei rund 500 Jahre auf Männer und rund 170 Jahre auf Frauen entfallen.

Bewertet man die so gewonnenen 670 Erwerbsfähigkeitsjahre mit den Einkommen des durchschnittlichen Erwerbstätigen im Jahre 1968 in Höhe von 15 825 DM, so ergibt sich ein Gesamtbetrag von rund 10,6 Millionen DM.

Aufsätze ·Notizen Effizienzmessungen

Addiert man die Einsparungen aus der Verkürzung der Behandlungs- dauer hinzu, so ergibt sich für die rund 2700 erstbehandelten ende- thorakalen Tuberkulosen ohne Be- gleitkrankheiten in der Bundesre- publik Deutschland, deren chemo- therapeutische Behandlungen 1972 regulär und mit Sputumkonversion abgeschlossen wurde, im Vergleich zu 1968 insgesamt ein Betrag von rund 15,0 Millionen DM, den die Volkswirtschaft hätte mehr aufwen- den müssen, wäre dieses Kollektiv 1968 behandelt worden.

Zur besseren Beurteilung dieser absoluten Ergebnisse noch die ent- sprechenden Relationen:

..,.. Bezieht man die Einsparungen aus der Behandlungsdauerverkür- zung auf die mittlere Behandlungs- dauer von 1968, so beträgt die Er- sparnis bei den Frauen rund 13,8 Prozent, bei den Männern 19,7 Pro- zent.

..,.. Bezieht man allein den Zuwachs an Erwerbsfähigkeit (ohne seine Verlängerung aus der Verkürzung der Behandlungsdauer) auf die Ge- samtzahl der Erwerbsfähigkeiten von 1972, so ergibt sich bei den Frauen ein prozentualer Zuwachs von rund 25,2 Prozent, bei den Männern sogar rund 63,9 Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr 1968. Bezogen auf das Gesamtkol- lektiv, lauten die Zuwachsraten 16,1 und 18,4 Prozent.

..,.. Mit den gesamten Ersparnisra- ten aus Behandlungsdauerverkür- zung und Zuwachs an Erwerbsfä- higkeit ergibt sich eine prozentua- le, gewichtete Gesamtersparnis von rund 17,8 Prozent; hier wurde auch die Pensionsaltersgrenze be- rücksichtigt und mit 65 Jahren an- gesetzt.

IV. Resümee

Alle drei Kosten-Nutzen-Analysen haben gezeigt, daß auch ohne Hin- zuziehen von ökonomisch nicht meßbaren Imponderabilien (meta- ökonomische Effekte, intangibles)

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Neuordnung

der Krankenversicherung in der Schweiz

Hauptprobleme: Leistungsausbau, Zusatzfinanzierung, Erhaltung oder Änderung der freiheitlichen Struktur — Erfolgreiche Allianz Ärzte—Kassen

Karl Appert

Eine jahrelange, für den auswärtigen Beobachter sehr verwirrende Periode der Auseinandersetzung um eine Reform des schweizeri- schen sozialen Krankenversicherungssystems könnte im Dezember zu Ende gehen. Zwei Alternativvorschläge stehen zur Volksabstim- mung. Einer davon, der auch gewisse Chancen zur Annahme hat, ist durch eine politisch ungewöhnliche Konstellation zustande ge- kommen: Verfasser ist eine Allianz der Ärzte und Krankenkassen.

Die beiden Gruppen fanden sich zusammen, weil beiden das Inter- esse an der Abwehr eines sozialdemokratischen Vorschlags gemein- sam ist, der zu einem gesundheitsdienstähnlichen System mit un- übersehbarer Kostenentwicklung führen müßte. — Der Autor dieses Berichtes leitet den in Zürich beheimateten Informationsdienst der schweizerischen Ärzteschaft.

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

BLICK ÜBER DIE GRENZEN

Am 8. Dezember 1974 haben die Schweizer Stimmbürger über eine Neuordnung der sozialen Kranken- und Unfallversicherung auf Verfas- sungsebene abzustimmen. Die Neuordnung hat zum Ziel, die enor- me Kostenexplosion im Gesund- heitswesen einzudämmen, die Ver- sicherungsleistungen für alle schweren Risiken zu allseits trag- baren Bedingungen auszubauen, die Mehrkosten zu finanzieren und bei der ganzen Übung die bisheri- ge hohe Qualität der ärztlichen Versorgung für die Bevölkerung zu erhalten.

Dieses — in einem einzigen Anhieb fast unlösbare — Problemquadrat beschäftigt die schweizerische So- zialpolitik schon lange, und es wird sie noch viele Jahre in Bewegung halten. Die Rechtsetzung in der

„direkten Demokratie" ist eine umso heiklere Sache, je mehr sie sich dem Portemonnaie des stimm-

berechtigten Bürgers und Steuer- zahlers nähert. Zudem öffnet die Volksabstimmung vom 8. Dezem- ber 1974 erst den Weg zu einer Ausführungsgesetzgebung, in der bekanntlich der Teufel im Detail steckt, und in deren Verlauf die verschiedenen sozialpolitischen Lager noch eine ganze Reihe um- strittener Positionen auszumarchen haben.

Zwei-Fronten-Krieg

Die maßgeblichen Partner der so- zialen Krankenversicherung, die Ärzte und die Krankenkassen, fechten in einer starken gesund- heitspolitischen Allianz Seite an Seite — magnum novum helveti- cum — zusammen mit den bürger- lichen Regierungsparteien, mit Ar- beitgebern, Privatversicherern usw.

gegen eine sozialistisch-gewerk- schaftliche Volksinitiative (SPI) und Effizienzmessungen

beachtenswerte ökonomische Er- gebnisse erzielt werden können.

Die Qualität des systemanalyti- schen Teils der Kosten-Nutzen- Analyse ist entscheidend; hier lie- gen, gerade wenn es um medizini- sche Fragen geht, die meisten Feh- lerquellen. Eine Kosten-Nutzen- Analyse in diesen Bereichen sollte deshalb nie ohne fachärztliche Be- ratung durchgeführt werden. Sind die medizinischen Zusammenhän- ge geklärt, treten im allgemeinen die Probleme der Datenbeschaf- fung in den Vordergrund. Da es in der Bundesrepublik Deutschland bislang keine umfassende Medizi- nalstatistik gibt, müssen fast immer zusätzliche Erhebungen vorgenom- men werden.

Darüber hinaus werden Kosten- Nutzen-Ansätze erschwert durch die Tatsache, daß es in fast jedem medizinischen Einzelgebiet Berei- che gibt, deren Einschätzung und Beurteilung unter den Experten umstritten ist. Fehlende statistische Daten und medizinisch noch unge- löste Fragen schränken daher die Möglichkeiten zur Anwendung von Kosten-Nutzen-Analysen ein. Trotz- dem kann in abgegrenzten Berei- chen mit diesem Verfahren sinnvoll gearbeitet werden. Es ist für die Zukunft wünschenswert, daß derar- tige Betrachtungen bei der Aus- wahl alternativer medizinischer Techniken, z. B. in der Präventiv- medizin oder für den ökonomi- schen Vergleich verschiedener Therapieformen verstärkt Verwen- dung finden.

Anschrift der Verfasser:

Dipl.-Volkswirt Ulrike Alter Dipl.-Wirtsch.-Ing.

Michael Klausing Battelle-Institut e. V.

6Frankfurt am Main 90 Am Römerhof 35

3342 Heft 46 vom 14. November 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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