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Archiv "Das sowjetische Gesundheitswesen im Jahr 1974" (28.08.1975)

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Spektrum der Woche

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Aufsätze • Notizen

BLICK

ÜBER DIE GRENZEN:

Das sowjetische Gesundheitswesen im Jahr 1974

AUS DEN

BUNDESLÄNDERN

TAGUNGSBERICHT:

Kritische Phasen des Kindesalters

FORUM:

„Jede Ideologie ist lebensfeindlich"

Arzneimittelplanung in einem Allgemeinen Krankenhaus mit Maximalversorgung Kosteninflation im Krankenhaus

BRIEFE

AN DIE REDAKTION

BEKANNTMACHUNGEN:

Statut des Filmpreises der Bundesärztekammer

PERSONALIA

FEUILLETON:

Sein Rechtsgefühl machte ihn zum Räuber

Im September 1974 wäre der russi- sche Sozialhygieniker A. N.

Semaäko (1874-1949) einhundert Jahre alt geworden. Als erster Volkskommissar für das Gesund- heitswesen und Begründer der

„prophylaktischen Richtung" in der sowjetischen Medizin hat er die so- zialistische Gesundheitspolitik we- sentlich geformt. Die von Semaäko postulierten Prinzipien — ein zen- tralistischer, staatlicher, in die Volkswirtschaftspläne integrierter Gesundheitsdienst mit Prävalenz der präventiven gegenüber der kurativen Medizin — bilden auch heute noch die unveränderten Grundlagen des sowjetischen Ge- sundheitswesens. Für 1974 hat Ge- sundheitsminister B. V. Petrovskij die vordringlichen Aufgaben umris- sen und folgende Schwerpunkte genannt: die Verbesserung der am- bulanten medizinischen Versor-

gung, den Ausbau der „Schnellen Hilfe" (Rettungsdienst) und eines Netzes überregionaler Fachklini- ken, die Angleichung der ärztlichen Versorgung der Landbevölkerung an das Niveau der Städte und den Umweltschutz, besonders die Ge- werbehygiene.

Im Unterschied zu den Intentionen von Semaäko sind diese Aufgaben heute nicht mehr ausschließlich unter dem Aspekt der Erhaltung gesunder Arbeitskräfte zu sehen, sondern sie gewinnen daneben im Rahmen der Wirtschaftspläne Be- deutung als Konsumgut. Die zu- nehmend verbrauchsbewußte Ge- sellschaft in der Sowjetunion be- ginnt auch an die Gesundheitsfür- sorge Ansprüche zu stellen, die über die Basisversorgung hinaus- gehen. Das bedeutet jedoch keine Änderung, sondern eine Weiterent-

Das sowjetische

Gesundheitswesen im Jahr 1974

Heinz Müller-Dietz

Aus der Abteilung Medizin (Direktor: Prof. Dr. med. H. Müller-Dietz) des Osteuropa-Instituts an der Freien Universität Berlin

Aus den amtlichen Angaben ergibt sich eine kontinuierliche Weiter- entwicklung des Gesundheitswesens der Sowjetunion. Es gibt aber auch Schwierigkeiten, die zum Teil systembedingt sind, zum Teil aber — wie beispielsweise ein Mangel an allgemeinmedizinisch tä- tigen Ärzten — in ähnlicher Form auch anderswo auftauchen. Einer der „Gesundheitsindikatoren", die Säuglingssterblichkeit, hat sich verschlechtert, was aber durchaus mit einer verbesserten Schwan- gerenbetreuung und der daraus erwachsenden Vermehrung der Frühgeburten zusammenhängen

kann.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 35 vom 28. August 1975 2405

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Sowjetisches Gesundheitswesen

wicklung der Gesundheitspolitik.

Für die meisten Teilbereiche des sowjetischen Gesundheitswesens begann das Jahr mit zufriedenstel- lenden Kennziffern, gemessen an den Erwartungen des Entwick- lungsplanes. Am 1. Januar 1974 zählte die UdSSR 250,9 und am 1.

Juli 252,1 Millionen Einwohner. Der Anteil der Landbevölkerung beträgt nur noch 40 Prozent. Die Frauen waren mit 134,7 Millionen (53,7 Pro- zent) gegenüber den Männern (116,2 Mill.) erheblich in der Über- zahl. Unter den Neugeborenen des Jahres 1973 überwog das männli- che Geschlecht mit 51,2 Prozent.

Die mittlere Lebenserwartung wird bei Männern mit 64, bei Frauen mit 74 und im Gesamtdurchschnitt — wie in den Jahren zuvor — mit 70 Jahren angegeben.

Säuglingssterblichkeit stieg wieder an

Daneben gab es aber einige Be- reiche, die von Gesundheitsbehör- den stärkere Beachtung erfordern.

Ende 1973 entfielen auf je 1000 Ein- wohner 17,6 Geborene und 8,7 Ge- storbene. Das ergab einen natürli- chen Bevölkerungszuwachs von nur 8,9 auf 1000. Aus unbekannten Gründen stieg die Säuglingssterb- lichkeit weiter an. 1969 waren von je 1000 Geborenen 25,8 Kinder im ersten Lebensjahr gestorben; 1971 erreichte dieser Index ein Minimum von 22,9, und 1973 betrug er wieder 26,4/1000 (Bundesrepublik: 22,7/

1000 im Jahre 1973).

Im Oktober 1974 wurde auf dem X.

Unionskongreß der Pädiater in Moskau berichtet, daß von der Säuglingssterblichkeit zu einem hohen Prozentsatz die Frühgebore- nen betroffen sind und daß die Ur- sache für den späteren Tod bereits in intrauterinen Schädigungen der Frucht zu suchen ist. Diese Schwierigkeiten sollten durch ver- besserte Betreuung der Schwange- ren und intensive Fürsorge in der perinatalen Periode zu beheben sein, denn die Sowjetunion verfügt über 444 000 Krankenhausbetten für Kinder, fast 20 000 Kinder-Poli-

kliniken und Frauenberatungsstel- len, 94 000 Pädiater und 48 000 Gy- näkologen und Geburtshelfer (3,7 beziehungsweise 1,9 auf je 10 000 Einwohner).

Auf fast allen anderen Gebieten meldet der Gesundheitsdienst Erfol- ge. Der Haushaltsplan wies für Ge- sundheitswesen und Sport insge- samt 10,6 Milliarden Rubel aus — 359 Millionen mehr als 1973. Der staatlichen Sozialversicherung standen 1973 (geschätzt) 9,9 Mil- liarden Rubel zur Verfügung. Für die ambulante medizinische Ver- sorgung der Bevölkerung waren 36 100 Anstalten (Polikliniken, Am- bulatorien auf dem Lande, Dispen- saires, ärztlich geleitete Gesund- heitspunkte) in Betrieb, denen in den Städten und Fabriken die

„ärztlichen Bereiche" für jeweils — theoretisch — 2000 Einwohner oder Beschäftigte vorgeschaltet sind.

Zu viele zu kleine Krankenhäuser

Für die stationäre Behandlung gab es Ende 1973 über 25 000 Kranken- häuser mit insgesamt 2,866 Millio- nen Betten (11,4/1000 Einwohner).

Mehrere große Kliniken mit über 1000 Betten und zahlreiche mittlere Krankenhäuser waren im Bau. Bei den chronischen Schwierigkeiten und Verzögerungen im sowjeti- schen Hochbau ist kaum damit zu rechnen, daß alle Vorhaben fristge- recht abgeschlossen werden konn- ten. Doch nach der Fertigstellung der Anstalten sollte 1974 die Zahl der Krankenhausbetten auf 2 934 200 gesteigert werden, so daß für je 1000 Einwohner 11,58 Betten zur Verfügung stehen. Gegen Ende des Fünfjahrplanes soll dieser Index 11,7 Betten betragen. Bei den Neubauten und bei der Reor- ganisation bestehender Kranken- anstalten wird die Tendenz zur Vergrößerung der Kapazität und der Einzugsbereiche verfolgt, um die Wirtschaftlichkeit zu steigern.

Von den Stadtkrankenhäusern ha- ben fast zwei Drittel eine Kapazität unter 200 Betten, fast die Hälfte un-

ter 100 Betten und auf dem Lande noch erheblich weniger. Um das Niveau der stationären Versorgung auf dem Lande anzuheben, wird die Einrichtung zentraler Kliniken mit spezialisierten Fachabteilungen für einen oder mehrere Kreise fort- gesetzt. In den Landbereichen gab es zu Beginn des Jahres erst 187 größere Krankenhäuser mit durch- schnittlich 683 Betten, aber auch noch rund 11 000 kleine Bereichs- krankenhäuser mit einer mittleren Kapazität von 31 Betten, die in den nächsten Jahren aufgelöst oder zu Abteilungen an Kreiskrankenhäu- sern beziehungsweise zu Feldscher- Stationen reorganisiert werden sol- len.

Auch in den Städten wird das Netz überregionaler, eng spezialisierter Zentren und, für die Notfallversor- gung, der Stationen für die

„Schnelle Hilfe" weiter ausgebaut.

Neben der Ausdehnung dieses Net- zes, das zu Beginn des Jahres 3700 Stationen und 44 Notfallkranken- häuser umfaßte, auch auf mittlere Städte und Landkreise steht seine organisatorische Zusammenlegung mit dem mobilen Notdienst der Po- likliniken („Dringliche Hilfe") auf dem Programm. Die Einsatzbriga- den und ihre Fahrzeuge sind stär- ker als bisher auf bestimmte Be- darfsfälle (Herzinfarkt, Wiederbe- lebung, Vergiftungen, Schock) zu spezialisieren und mit Funk auszu- rüsten.

Ärztinnen

sind oft in der Überzahl

In der Versorgung mit Ärzten und Heilhilfspersonal („mittleres medi- zinisches Personal") gibt es, trotz der hohen absoluten und relativen Zahlen, noch Engpässe, besonders in den Polikliniken und Bereichen, auf dem Lande und in einigen Fachrichtungen (Rettungsdienst, Hygiene). In den Jahren von 1970 bis 1973 hatte die Sowjetunion 174 680 Ärzte und Apotheker ausge- bildet. Anfang 1974 gab es dort insgesamt 766 700 Ärzte und Zahn- ärzte (ohne aktive Militärärzte).

Das sind 30,5 Ärzte und Zahnärzte

2406 Heft 35 vom 28. August 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

auf 10 000 Einwohner. In diesen Zahlen sind neben den Fachärzten für Zahn- und Mundkrankheiten (Stomatologen) auch über 50 000

„Zahnärzte" im engeren Sinne ent- halten, die zum mittleren medizini- schen Personal (Dentisten) gehö- ren.

Im Sommer 1974 wurden mehr als 47 000 Studienabgänger erwartet, so daß die Gesamtzahl der Ärzte und Zahnärzte gegen Ende des Jahres auf rund 800 000 ansteigen sollte und zum Ende des Fünfjahr- planes 830 000 betragen soll. Das entspricht dann 32,5 Ärzten auf 10 000 oder einem Arzt für 308 Ein- wohner. (In der Bundesrepublik kommt heute ein Arzt auf 532 Ein- wohner.) 70 Prozent der Ärzte wa- ren Frauen.

Außerdem nennt die Statistik zu Beginn des Jahres 1974 über 56 000 Pharmazeuten mit höherer (Apotheker) und 133 600 mit mittle- rer (Provisoren) Ausbildung sowie 2,369 Millionen Angehörige der Heilhilfsberufe (Krankenschwe- stern, Hebammen, Feldschere, Röntgen- und Laborassistentinnen, Zahntechniker u. a.). Auf je 10 000 Einwohner entfallen damit 94,4 An- gehörige dieses „mittleren medizi- nischen Personals".

Die UdSSR stellt damit rund ein Viertel aller auf der Welt vorhan- denen Ärzte (über 2,6 Millionen).

Doch die sowjetische Zahl ist mit denen anderer Länder nicht ohne weiteres vergleichbar, denn der re-

lativ kurze gesetzliche Arbeitstag für Ärzte (durchschnittlich sechs Stun- den), die enge Spezialisierung in 51 Fachrichtungen und die un- gleichmäßige Verteilung der Fach- kräfte schaffen einen weit höheren Bedarf als in anderen Gesund- heitssystemen. Rund ein Zwölftel der Ärzte ist durch die Lehre sowie durch die medizinische und die pharmazeutische Forschung absor- biert.

Etwa 10 Prozent der Ärzte werden für den „öffentlichen Dienst" aus- gebildet, das heißt, als Hygieniker, Epidemologen, Verwaltungsmedizi-

ner, Gesundheitserzieher und an- dere Spezialisten der unmittelbaren Arbeit am Kranken entzogen. Fast 800 sowjetische Ärzte sind in Ent- wicklungsländern beschäftigt.

Das Sozialprestige der Ärzte ist un- verändert hoch: die Zahl der Stu- dienbewerber übersteigt alljährlich die der freien Studienplätze um ein Mehrfaches. Damit zeigt sich auch in der Medizin ein unerwünschter Trend zu den Berufen mit Hoch- schulausbildung, der mit ökonomi- schen Mitteln gesteuert werden soll: Trotz einer Gehaltsaufbesse- rung für Ärzte um rund 20 Prozent im Jahre 1972 liegen die- Medizinal- personen insgesamt am Ende der Einkommensskala. Sie verdienten 1974 durchschnittlich nur 99 Rubel im Monat; der monatliche Unions- durchschnitt für alle Berufe betrug 135 Rubel.

Ärztemangel auf dem Lande

Der Einsatz der Hochschulabsol- venten wird staatlich gelenkt. Für die ersten drei Jahre haben die Be- hörden das Recht, ihnen Arbeits- plätze zuzuweisen. Unterversor- gungen, auch mit Ärzten, können auf diese Weise allmählich ausge- glichen werden. An Therapeuten (Internisten, Allgemeinärzten) be- steht ein Mangel in der ambulanten Versorgung, besonders auf dem Lande und in den ärztlichen Berei- chen, in denen ein erkrankter Stadtbewohner in der Regel den ersten Kontakt zu einem Arzt auf- nimmt. Den ambulanten Betreu- ungseinrichtungen kommt daher besondere Bedeutung zu, um so mehr, als zu ihren Aufgaben nicht nur die Behandlung von Krankhei- ten gehört, sondern auch ihre Ver- hütung und Früherkennung.

Dieses Netz der Polikliniken und Bereiche ist noch nicht überall voll funktionsfähig. Die Versorgungs- kontingente sind häufig noch zu groß. Selbst in der RSFSR sind zahlreiche ärztliche Planstellen in den Bereichen nicht oder — zu rund 12 Prozent — nur mit Arzthel-

fern (Feldscheren) besetzt. Die Be- reitschaft der Mediziner, als Be- reichstherapeuten zu arbeiten, blieb auch 1974 hinter dem Bedarf zurück, und die Fluktuation in die- sen Stellen ist erheblich.

Schwachstellen im System der ambulanten Betreuung

Die großen Anstrengungen, die in der materiellen und personellen Ausstattung der Polikliniken und Ambulatorien gemacht worden sind, sowie die schwachen Stellen in der ambulanten Betreuung zeig- te im Mai 1974 eine kritische Be- trachtung des Stellvertretenden Gesundheitsministers der UdSSR, A. F. Serenko. Viele Anstalten auf dem Lande, aber auch in den Städ- ten, sind in unzureichenden Räu- men untergebracht, so daß die not- wendigen Voraussetzungen für die reibungslose Aufnahme, Untersu- chung und Behandlung der Kran- ken fehlen. Der Plan für den Neu- bau von Polikliniken wird aber nur mit Verzögerungen erfüllt. Beim Bau neuer Wohnsiedlungen ver- gessen die Planer oft, in der Infra- struktur auch Polikliniken vorzuse- hen. In einigen Republiken ver- nachlässigen die Medizinalbehör- den das Personal für die ärztlichen Bereiche, so daß diese immer noch zu groß sind und stellenweise über 4000 Einwohner umfassen. Die dar- aus resultierende Mehrbelastung der wenigen Bereichstherapeuten verstärkt ihre Neigung, in andere Stellen abzuwandern. Daher findet man in den Bereichen vorwiegend ganz junge, noch unerfahrene oder alte Mediziner. Der Anteil der Jung- ärzte mit ein- bis fünfjähriger Be- rufserfahrung macht in der verant- wortungsvollen Funktion der Be- reichsärzte 26 bis 29 Prozent aus (in einigen Städten sogar über 60 Prozent). Die Bindung der Patien- ten an bestimmte Ärzte im Sinne des hausärztlichen Vertrauensver- hältnisses wird dadurch erheblich erschwert. Die Gründe für die Fluk- tuation der Ärzte sind in der schweren Arbeit unter ungünstigen Bedingungen, im Fehlen von Kraft- fahrzeugen für dienstliche Wege,

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 35 vom 28. August 1975 2407

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Spektrum der Woche Aufsätze Notizen

Sowjetisches Gesundheitswesen

von Wohnungen, kulturellen und Fortbildungsmöglichkeiten usw. zu suchen.

Diese Kritik, die sich noch auf an- dere Probleme in der ambulanten Versorgung erstreckt, darf jedoch sicherlich nicht verallgemeinert werden, sondern betrifft Rand- und Übergangserscheinungen. Im gan- zen funktioniert der ambulante Ge- sundheitsdienst, der auf dem Poli- kliniksystem beruht und für den es in der sozialistischen Gesell- schaftsordnung keine Alternative gibt, zufriedenstellend. Von grund- sätzlicher Bedeutung sind dagegen einige Verbesserungen und Verän- derungen im Gesundheits- und So- zialwesen, die überwiegend vom aktuellen Bedarf diktiert sind.

Zur Hebung der Geburtenfreudig- keit erhalten einkommensschwa- che Familien, in denen das Pro- Kopf-Einkommen weniger als 50 Rubel im Monat beträgt, ab 1. No- vember eine Beihilfe von monatlich 12 Rubel für jedes unter acht Jahre alte Kind. Die Gesamtausgaben für diesen Zweck werden auf 1,8 Mil- liarden Rubel geschätzt.

Verschärfte Bestimmungen gegen Drogenmißbrauch

Obwohl Drogenmißbrauch und Rauschgiftsucht (wenn man den Al- koholismus nicht dazurechnet) in der UdSSR kaum Probleme dar- stellen, sind durch eine Anordnung im April die Strafbestimmungen für den Besitz, die Herstellung, den Diebstahl und den Vertrieb von Narkotika noch weiter verschärft worden.

Strafbar sind auch die Neigung zum Genuß narkotischer Stoffe und deren Einnahme ohne ärztliche Verordnung. Rauschgiftsüchtige unterliegen der Zwangsbehand- lung.

In Hygiene und Umweltschutz er- fordern die ärztliche und hygieni- sche Versorgung sowie der Seu- chenschutz bei dem Großbaupro- jekt der Amur-Bajkal-Eisenbahn

besondere Anstrengungen der Ge- sundheitsbehörden. Die Gesetze für den Schutz der Binnenwässer vor Verunreinigungen wurden im Februar durch eine Anordnung zur Reinhaltung auch der offenen Mee- re ergänzt.

Fünfjähriger Forschungsplan

In der medizinischen Forschung begannen 1974 die Planungsarbei- ten für den nächsten Fünfjahresfor- schungsplan (1976-1980). Federfüh- rend ist dabei die Akademie der Medizinischen Wissenschaften der UdSSR mit ihren 37 Leitinstitutio- nen, die jetzt die Forschungsarbei- ten an 75 Schwerpunktproblemen anleiten und koordinieren. Zuneh- mendes Gewicht gewinnt die wis- senschaftliche Zusammenarbeit nicht nur mit den sozialistischen, sondern auch mit westlichen Län- dern, besonders den USA. Durch ein Zusatzabkommen (zu dem Ver- trag mit den USA von 1972) wurde im Juni die gemeinsame Entwick- lung eines künstlichen Herzens be- schlossen.

Das starke Gewicht, das auf die in- ternationale Zusammenarbeit in der Medizin gelegt wird, stimmt mit der außenpolitischen Tendenz überein, die Kontakte zu westli- chen Ländern zu erweitern und zu festigen. Für die Innenpolitik der Sowjetunion waren im Jahre 1974 die Stabilisierung der ideologi- schen Linie, die Weiterführung der in den Parteidirektiven festgelegten Programme und die Bekämpfung einiger ökonomischer Schwierig- keiten charakteristisch. Auch diese Tendenzen werden in der Gesund- heits- und Sozialpolitik des Be- richtsjahres reflektiert.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Professor

Dr. med. Heinz Müller-Dietz 1 Berlin 37

Hertastraße 7

AUS DEN BUNDESLÄNDERN

HAMBURG

36 Stunden Sprechzeit in der Woche

In der neuesten Ausgabe des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES (Heft 32/1975, Seite 2241), veröf- fentlicht die Kassenärztliche Bun- desvereinigung eine Empfehlung über Abhaltung von Sprechstun- den, Durchführung von Besuchen und Regelung der Vertretung von Kassenärzten. Dazu teilt die Kas- senärztliche Vereinigung Hamburg mit, daß eine über die Bundesemp- fehlung hinausgehende Regelung in Hamburg schon seit zehn Jahren besteht. Jeder Kassenarzt in Ham- burg hat die verbindliche Pflicht, mindestens 14 Sprechstunden in der Woche anzuzeigen und abzu- halten.

Die Erfahrungen zeigen, daß die wirklich ausgeführten Sprechstun- den weit über diesen Rahmen hin- ausgehen. Um sich ein genaues Bild machen zu können, hat die KV Hamburg im Januar 1975 eine Um- frage durchgeführt, an der 1364 Hamburger Kassenärzte beteiligt waren. Das Ergebnis zeigte, daß der Kassenarzt in Hamburg eine durchschnittliche Arbeitszeit von 237 Stunden im Monat hat; das sind 59 Stunden in der Woche oder 11,3 Stunden pro Tag. Davon ent- fallen 144 Stunden im Monat aus- schließlich aus Sprechstundenzeit für Patienten, das sind 36 Stunden in der Woche oder 6,9 Stunden pro Tag.

Für die aus den Gesetzesvorschrif- ten sich ergebende zusätzliche Bü- roarbeit braucht der Kassenarzt durchschnittlich 30 Stunden im Mo- nat beziehungsweise 7,5 Stunden in der Woche oder 1,4 Stunden pro Tag. Hinzugerechnet werden muß dabei noch die Zeit für Patienten- hausbesuche, die im Monat durch- schnittlich 31 Stunden, das sind 7,8 Stunden pro Woche oder 1,5 Stun- den pro Tag, ausmachen. Ein- schließlich der telefonischen Bera- tung ergibt die ärztliche Tätigkeit einen 10-Stunden-Tag, der voll aus-

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Heft 35 vom 28. August 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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