• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Einsatz von Honorarärzten: Vorsicht ist geboten" (04.11.2011)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Einsatz von Honorarärzten: Vorsicht ist geboten" (04.11.2011)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 108

|

Heft 44

|

4. November 2011 A 2323 EINSATZ VON HONORARÄRZTEN

Vorsicht ist geboten

Sowohl die Sozialversicherungsträger als auch die Steuerbehörden bewerten den Einsatz von Honorarärzten in den Krankenhäusern in vielen Fällen als unzulässige Scheinselbstständigkeit.

N

ach der Arztzahlstudie der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung sind bundesweit 5 000 Stellen in den Kliniken unbesetzt – Ten- denz steigend. Um trotz Personal- mangels und der chronischen Un- terfinanzierung des Gesundheits- systems die Behandlung weiter auf dem bisherigen Niveau gewährleis- ten zu können, setzen die Kranken- häuser vermehrt sogenannte Hono- rarärzte ein.

Mehr Betriebsprüfungen in den Krankenhäuser

Die Honorarärzte werden als freie Mitarbeiter deklariert, so dass kei- ne Sozialversicherungsbeiträge für sie abgeführt werden. Inzwischen zeich net sich allerdings ab, dass so- wohl die Sozialversicherungsträger als auch die Steuerbehörden in die- ser gängigen Handhabung in vielen Fällen eine unzulässige Schein- selbstständigkeit sehen. Deswegen kam es in letzter Zeit häufiger zu

Betriebsprüfungen in Krankenhäu- sern. Dabei besteht für die Betriebs- prüfer und auch für die Gerichte so- wohl hinsichtlich der Auswahl der einzelnen Gesichtspunkte als auch hinsichtlich deren jeweiliger Ge- wichtung ein großer Ermessens- spielraum. Dies wiederum führt zu einer unterschiedlichen Bewertung vergleichbarer Sachverhalte, was durch bisher ergangene Entschei- dungen deutlich wird.

So hat das Sozialgericht Dort- mund (Az.: S10RJ 307/03) am 12. Januar 2006 – bestätigt durch das Landessozialgericht (LSG) Nord- rhein-Westfalen (Az.: L11(8) R50/06) am 29. November 2006 – entschie- den, dass ein Facharzt für Neurolo- gie und Psychiatrie, der drei Tage die Woche in einer Klinik tätig war und hierfür monatliche Honorarzah- lungen auf Stundenbasis erhielt, als abhängig beschäftigt und damit auch als sozialversicherungspflich- tig anzusehen ist. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war, dass der

Arzt hinsichtlich der ihm zugeteilten Patienten weisungsgebunden und sowohl zeitlich als auch ört lich in den Betrieb der Klinik eingegliedert war. Auch fehlte es an dem für eine selbstständige Tätigkeit charakteris- tischen Merkmal des unternehmeri- schen Risikos, weil alle geleisteten Arbeitsstunden durch das Kranken- haus vergütet wurden – unabhängig davon, ob in dieser Zeit Patienten behandelt wurden.

Auch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Az.: L1KR 555/07) stufte in seinem Urteil vom 13. März 2009 eine zahnmedizini- sche Verwaltungsassistentin, die in der von ihrem Ehegatten und ihren Söhnen betriebenen Zahnarztpraxis weisungsfrei das Rechnungswesen, die Buchhaltung, die Lohnbuch - haltung und das Personalwesen erledigte, als sozialversicherungs- pflichtig ein. Demnach stelle ihre Tätigkeit im Verhältnis zu den Praxisbetreibern keine unabhängige und unternehmerähnliche Position dar, sondern vielmehr eine auf die Bereiche Verwaltung, Abrechnung und Personalführung beschränkte.

Auch treffe sie keine unternehmeri- schen Entscheidungen im Hinblick auf zahnärztliche Fragen, praxisbe- zogene Anschaffungen et cetera.

Beitragsforderungen der Rentenversicherung

Demgegenüber haben andere Ge- richte in ähnlich gelagerten Fällen Honorarärzte als freie Mitarbeiter eingeordnet: Das Landessozialge- richt Niedersachsen-Bremen hat in seinem Beschluss vom 3. März 2009 (Az.: L4KR 64/09 B ER) die Beitragsforderung der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig- Hannover für die freie Mitarbeit ei- ner Diplom-Psychologin und einer Diplom-Pädagogin in der Praxis ei- ner Fachärztin für Kinder- und Ju- gendpsychiatrie beanstandet. Beide waren dort zuvor fest angestellt ge- wesen. Nach der Gründung jeweils eigener Praxen wurde dann ein frei- es Beschäftigungsverhältnis verein- bart. Das LSG bejahte das freie Be- schäftigungsverhältnis, insbesonde-

Foto: Your Photo Today

Weisungsgebunden oder frei? Der Sta- tus von Honorarärzten ist rechtlich strittig.

T H E M E N D E R Z E I T

(2)

A 2324 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 108

|

Heft 44

|

4. November 2011 re weil die Terminvergabe nach den

Wünschen der Mitarbeiterinnen er- folgte. Bei kurzfristiger Absage oder Nichterscheinen der Patienten unter- blieb eine Vergütung. Auch wurden anteilige Praxiskosten über ein re - duziertes Honorar bezahlt. Darüber hin aus waren beide Mitarbeiterin- nen sowohl in ihren eigenen Praxen als auch für andere Praxen tätig.

Statusfeststellungsverfahren sorgt vorab für Klarheit

Bis zur Entscheidung des Landes- sozialgerichtes Niedersachsen-Bre- men musste die Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie al- lerdings einen weiten Weg zurück- legen und trotz dieser zahlreichen für eine selbstständige Tätigkeit der Diplom-Psychologin und der -Pädagogin sprechenden Kriterien mehrere Tausend Euro Sozialver - sicherungsbeiträge bezahlen, die sie erst nach dem Beschluss des Landessozialgerichtes zurückfordern konnte. Denn ihr Widerspruch ge- gen den Ausgangsbescheid der Deutschen Rentenversicherung hat- te keine aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass die Beitragsforde- rung vollstreckbar war und geleistet werden musste.

Hier wird eine besondere Gefahr für die Betroffenen deutlich: In der Rechtsprechung der Sozialgerichte besteht bezüglich der Frage, ob der Widerspruch gegen einen Beitrags- bescheid aufschiebende Wirkung haben kann, heftiger Streit. Nur zum Teil sprechen die Sozialgerich- te den betroffenen Praxisinhabern oder Krankenhäusern die aufschie- bende Wirkung zu. Überwiegend wird sie abgelehnt mit der Folge, dass hohe Beitragsforderungen er- ledigt werden müssen. Bedenkt man in diesem Zusammenhang, dass Sozialversicherungsbeiträge regelmäßig bis zu vier Jahre nach- gefordert werden können und dass die – fast – gesamte Zahlungslast beim Auftraggeber beziehungswei- se Arbeitgeber liegt, kommen hier riesige finanzielle Risiken auf die Krankenhäuser beziehungsweise Praxisinhaber zu.

Zahlungsverpflichtungen aus der Beschäftigung von Honorarärz- ten gegenüber den Sozialversiche-

rungsträgern lassen sich vermei- den, wenn die Beteiligten rechtzei- tig ein Anfrageverfahren zur Sta- tusklärung bei der Deutschen Ren- tenversicherung Bund einleiten.

Wird dieser Antrag, der in § 7 a Abs. 6 S. 1 SGB IV geregelt ist, in- nerhalb eines Monats nach Aufnah- me der Tätigkeit des Honorararztes gestellt, ist sichergestellt, dass kei- nerlei Nachzahlungspflichten ent- stehen können. Denn in diesem Fall treten die Versicherungs- und damit auch die Beitragspflicht frü- hestens mit der Bekanntgabe der Statusentscheidung, also mit dem Abschluss des Statusfeststellungs- verfahrens ein. Voraussetzung ist lediglich, dass für den beschäftig- ten Honorararzt eine anderweitige Absicherung für Krankheit bestand und dass die Zustimmung des Ho- norararztes zu dieser Vorgehens- weise vorliegt.

Von dieser besonderen Form des Anfrageverfahrens ist bisher schon

in vielen Branchen Gebrauch ge- macht worden. Auftraggeber und selbstständig Beschäftigter reichen in der Regel gemeinsam innerhalb des ersten Monats nach Aufnahme der Beschäftigung den Antrag auf Statusfeststellung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ein. Da- bei empfiehlt es sich, neben dem hier zur Verfügung stehenden Form- blatt auf beigefügtem Schreiben gleich bei der Antragstellung weite- re Informationen für die Deutsche Rentenversicherung zur Vertragsge- staltung und -abwicklung zu geben.

Schriftliche Nachfragen und Besuche vor Ort

Sehr ernst scheint die Deutsche Rentenversicherung auch wieder ihre Pflicht zur Amtsermittlung zu nehmen. Schriftliche Sachverhalts- nachfragen sind häufig. Nicht sel- ten kündigen sich auch Mitarbeiter der Deutschen Rentenversicherung zu persönlichen Gesprächen und Besuchen bei den Beteiligten oder deren Beratern an.

Die Statusklärung ist mit einem gewissen Aufwand verbunden und wird häufig von Beratern begleitet, die auch die zugrunde liegenden freien Mitarbeiterverträge mit den Honorarärzten gestalten. Das Sta- tusverfahren beansprucht regelmä- ßig einen Zeitraum von wenigstens drei Monaten. Da eine rückwirken- de Zahlungspflicht aber ausge- schlossen ist, wirkt sich die Dauer des Verfahrens nicht zulasten der Beteiligten aus.

Fazit: Für Kliniken ist bei der Be- schäftigung von Honorarärzten wei- terhin große Vorsicht geboten, denn eine einheitliche Rechtsprechung zum rechtlichen Status dieser Ver- tragsverhältnisse fehlt bis heute.

Hohe Anforderungen sind aus Sicht der Kliniken vor allem an die Ver- tragsgestaltung, aber auch an die Durchführung der Zusammenarbeit mit den Honorarärzten zu stellen.

Eine große Erleichterung bieten Statusfeststellungsverfahren, die bei der Deutschen Rentenversicherung Bund durchgeführt werden und die eine rechtzeitige und verbindliche Klärung zum Vertragsstatus des Ho- norararztes sicherstellen können.

RAin Dr. Kerstin Reiserer, Heidelberg Hinter dem Begriff der Scheinselbstständigkeit verbirgt

sich die legitime Frage, ob eine bestimmte Tätigkeit, die eine Person leistet oder anbietet, im Rahmen eines Ar- beitsverhältnisses oder im Rahmen eines freien Dienst- verhältnisses erfolgt. Eine Person ist nur dann schein- selbstständig, wenn sie sich als selbstständiger Unter- nehmer oder freier Mitarbeiter geriert, obwohl sie in Wahrheit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungs- verhältnisses beziehungsweise Arbeitsverhältnisses tätig ist. Die Selbstständigkeit besteht also nur „zum Schein“.

Oder anders ausgedrückt: Scheinselbstständigkeit ist der Versuch, eine eigentlich voll steuerpflichtige und so- zialabgabenpflichtige Tätigkeit zur Vermeidung der Abga- ben aus dem Arbeitsverhältnis im Rahmen jener (Schein-)Selbstständigkeit zu führen.

Das Bundessozialgericht hat schon sehr früh Abgren- zungskriterien entwickelt, um echte Arbeitnehmer von sogenannten Scheinselbstständigen abzugrenzen. Im Sinne des Sozialversicherungsrechtes ist jemand nicht selbstständig, wenn er in den Betrieb eingegliedert ist und einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung um- fassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.

Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vor al- lem durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhan- densein einer eigenen Betriebsstätte und eigener Be- triebsmittel, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tä- tigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

SCHEINSELBSTSTÄNDIGKEIT

T H E M E N D E R Z E I T

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

R und eine Million (fünf Prozent) der Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind epidemiologi- schen Studien zufolge psychisch oder psychosomatisch krank und

Ein Geschenk- buch für Kinder und ihre Eltern, Friedrich Bahn Verlag, Verlags- gesellschaft des Erziehungsver- eins, Neukirchen-Vluyn, 1999, 80 Seiten mit Illustrationen von Werner

Dann jedoch, wenn kein individueller Nutzen, sondern ein Erkenntnisgewinn nur zum Wohl der Mitglieder der Gruppe erwartet werden kann, darf der Minder- jährige im Regelfall nicht

Für eine Selbst- überprüfung bei der Kassenärztlichen Vereinigung gemäß Abschnitt 2 der An- lage IV der Vereinbarung wird eine Fall- sammlung nach den Vorgaben des § 5 Abs.. 3

Denkbare Ursachen sind folgende Punkte: Eine Scheu vor anderen medizinischen Aspekten bei den Kinder- und Jugendpsychiatern, deren Gebiet sich eher aus der

Gruppenselbsterfahrung Die Gruppenselbsterfahrung wird von einem befugten Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Facharzt für Psychiatrie und

(wichtig: Die Korrespondenz bezüglich der Fortbildung läuft über E-Mail- Kontakt). als Teilnehmer*in an der Weiterbildung „Grundkurs Kinder- und

Bei Depressionen wie auch Angst- und Zwangs- störungen deuten Langzeit-Verlaufsuntersu- chungen darauf hin, dass die medikamentöse Behandlung mit wirksamen Substanzen zwar in