Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 24⏐⏐15. Juni 2007 A1735
B R I E F E
WELTGESUNDHEITSTAG
Die WHO weist auf unzureichende Impfraten hin (DÄ 15/2007: „Weltge- sundheitstag 2007:
Vernunft einimpfen“
von Timo Blöß).
Das Recht auf Impfung
Die UNO-Konvention zum Schutz der Kinder sowie das Zusatzproto- koll der Sondertagung der UNO aus dem Jahre 2002 sind von der Bun- desrepublik Deutschland ratifiziert worden. In der UNO-Konvention zum Schutz der Kinder sind der Arti- kel 3, Absatz 2, der Artikel 18 und vor allen Dingen der Artikel 24 zu nennen. In Letzterem erkennen die Vertragsstaaten das Recht des Kin- des auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit an mit der Verpflich- tung, sich zu bemühen „dass alle Kinder die notwendige ärztliche Hil- fe und Gesundheitsfürsorge erhal- ten“. Im oben genannten Zusatzpro- tokoll wird dieses Ziel noch konkre- tisiert und jedem Kind „das Recht auf Impfung gegen verhütbare Krankheiten“ zuerkannt. Es wird ausgesagt, dass die Routine-Imp- fung von Kindern notwendig ist,
„um das Recht der Kinder auf Ge- sundheit“ zu gewährleisten. Mit der Ratifizierung dieser UNO-Konventi- on und des Zusatzprotokolls hat die Bundesrepublik Deutschland die Verpflichtung übernommen, diese Festlegungen in nationales Recht zu überführen. Dass dieses Recht der Kinder bisher nicht in unserer Ge- setzgebung so postuliert wurde, ist hinlänglich bekannt, und sehr zu be- dauern. Die immer wieder auftreten- den Klein-Epidemien in Deutsch-
land belegen hinlänglich dieses Manko. Seit Jahrzehnten wird in der Bundesrepublik auf Aufklärung und Freiwilligkeit gesetzt, ohne dass auch nur annähernd eine befriedi- gende positive Einstellung zum Imp- fen erreicht wurde. Diese Erkenntnis sollte sich – auch wenn man die Trägheit politischer Systeme in Rechnung stellt – durchsetzen . . .
Dr. med. Michael Lafrenz,Kopernikusstraße 39, 18057 Rostock
PKV
Durch den Basistarif drohen Umsatzein- bußen (DÄ 13/2007:
„Private Kranken- versicherung: Sys- temfremde Eingriffe bereiten den Ärzten Sorgen“ von Jens Flintrop und Samir Rabbata).
Zwangsarbeit ist verboten
Sie schreiben, Vertragsärzte dürfen die Behandlung dieser Klientel (PKV-Basistarif-Versicherte) nicht ablehnen, der Sicherstellungsauftrag gelte auch für diese Personengruppe.
Hier ist anzumerken, dass Artikel 12 des Grundgesetzes Zwangsarbeit verbietet. So wie ein Arzt sich frei- willig dem GKV-System anschließt, so muss er auch hier erst sein Einver- ständnis geben. Gezwungen werden kann er nicht. Schon bisher nimmt der Arzt bei Bedürftigen nur einen abgesenkten Gebührensatz. Auch den Basistarif wird der Arzt freiwil- lig dann akzeptieren, wenn der Kran- ke nicht wohlhabend oder in finanzi- ellen Schwierigkeiten ist, nicht aber regelhaft bei jedem. Die Ärzteschaft wartet seit 1996 auf einen Inflations-
ausgleich bei der GOÄ nach oben, nicht auf eine Honorarabsenkung.
Dr. Thomas Scholz,Waidmannsluster Damm 41, 13509 Berlin (Tegel)
GRUPPENBILDUNG
Nicht Pauschalisie- rung, sondern Indivi- dualisierung sollte Aufgabe der Zukunft sein (DÄ 9/2007:
„Arzneimittelgrup- penbildung: Indivi- dualisierung statt Pauschalisierung“ von Prof. Dr. med. Dr. h. c. Kay Brune).
Vorsicht geboten
Der Artikel findet in vielen Punkten unsere Zustimmung. Die Darstellung der „modernen selektiven Zyklooxy- genasehemmer (Celecoxib, Etorico- xib, Lumiracoxib)“ finden wir aber zu einseitig. Deren Vorteile werden aufgeführt (Vorteile bei Patienten mit gastrointestinalen Risiken, Neigung zu pseudoallergischen Reaktionen und eingeschränkter Blutgerinnung).
Auf deren Nachteile (erhöhtes kar- diovaskuläres Risiko) wird jedoch nicht eingegangen. Die „European Medicines Agency“ hat bereits am 27. Juni 2005 in einer Pressemittei- lung zu den Cox-2-Hemmern Cele- coxib, Etoricoxib, Lumiracoxib und Parecoxib u. a. darauf hingewiesen, dass Cox-2-Hemmer kontraindiziert sind bei Patienten mit koronarer Herz- erkrankung und/oder zerebrovas- kulärer Erkrankung (Schlaganfall) und auch bei Patienten mit pAVK und hat gewarnt, dass die Verord- nung von COX-2-Hemmern bei Pati- enten mit Gefäßrisikofaktoren wie Bluthochdruck, Fettstoffwechsel- störungen, Diabetes und Rauchen
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Das Leser-Forum
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vorsichtig erfolgen muss
(www.emea.europa.eu/pdfs/human/
press/pr/20776605en.pdf) . . .
Dr. Hans Gnahn, Dr. Claus Briesenick,
INVADE gGmbH, Karl-Böhm-Straße 32, 85598 Baldham
PATIENTENVERFÜGUNG
Die Empfehlungen der Bundesärzte- kammer haben die politische Diskussi- on stark beeinflusst (DÄ 13/2007: „BÄK empfiehlt ausführli- che Beratung“ von Samir Rabbata).
Abgeordnete nicht ausreichend informiert
Mit der Verabschiedung der „Emp- fehlungen der Bundesärztekammer zum Umgang mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung“ bekräftigt die verfasste deutsche Ärzteschaft die entscheidenden medizinischen, ethischen und persönlichkeitsrechtli- chen Rationalen, die der bereits gel- tenden Rechtslage zu Patientenverfü- gungen und medizinischen Behand- lungsbegrenzungen zugrunde liegen.
Anlässlich der ersten Aussprache des Deutschen Bundestags zur derzeit ebenfalls geplanten gesetzlichen Re- gelung der Patientenverfügung zeig- te sich jedoch, dass große Teile des Parlaments zu diesen Fragen noch nicht ausreichend informiert sind:
Tatsächlich liegen dem Parlament Gruppenanträge vor, die zum Teil weit hinter die bereits geltende Rechtslage zurückfallen. Dies wird weder in der Medizin, noch in der Rechtspflege, geschweige denn in der breiten Öffentlichkeit verstanden oder gebilligt und birgt das Risiko, noch sehr viel unheilvollere Verwir- rung, Unsicherheiten sowie gesell- schaftspolitische Konflikte als bisher in Bezug auf diese schwierigen Fra- gen zu stiften. Insbesondere eine
„Reichweitenbegrenzung“ der Gül- tigkeit der Patientenverfügung oder auch der Zulässigkeit der Behand- lungsbegrenzung auf die Phase der unmittelbaren Todesnähe läuft auf eine in jeder Hinsicht höchst frag- würdige, gesetzlich verordnete Pflicht- oder gar Zwangsbehandlung
hinaus: Diese müsste – entgegen der eigenen, nicht zuletzt auch medizi- nisch-objektiv meist sehr gut be- gründbaren Überzeugungen – von Patienten erduldet und von Ärzten durchgeführt werden. Dies würde je- doch eine unverhältnismäßige Ein- schränkung sowohl von Selbstbe- stimmungsrechten von Patienten als auch der ärztlichen Berufsfreiheit darstellen. Etliche der derzeit disku- tierten formaljuristischen Hürden würden ebenfalls die Möglichkeiten massiv einschränken, wirksame Pati- entenverfügungen abzufassen und differenzierte Entscheidungsprozes- se am Lebensende zu moderieren. Im Sinne der Ermutigung aller Beteilig- ten zur bejahenden Annahme einer ärztlichen wie auch gesamtgesell- schaftlichen Ethik der Verantwor- tung und der Verantwortungsbereit- schaft sollte auch seitens des Gesetz- gebers dem ausgewogenen Beispiel der Bundesärztekammer gefolgt wer- den und keine Gesetzesinitiative Zu- stimmung finden, die hinter die in der Bundesrepublik Deutschland be- reits jetzt geltende sowie allgemein anerkannte Rechtslage zurückfällt.
Priv.-Doz. Dr. med. Meinolfus W. M. Strätling, Klinik für Anästhesiologie der Universität zu Lübeck, Campus Lübeck, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck
Dr. med. Franz Bartmann,
Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein, Körperschaft des öffentlichen Rechts, Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Vorbild Österreich
Seit Jahren streiten in Deutschland hohe Gremien wie Enquete- und
„Kutzer“-Kommission, Ethikrat, Justizministerium und natürlich auch Vereine, die Medien, die Kir- chen und die Öffentlichkeit über In- halt und Form eines Gesetzes zu Patientenverfügungen. Abstrakt wird gestritten über die Bedeutung von Grunderkrankung, Patienten- wille, Reichweite, vormundschafts- richterlicher Überprüfung etc. – Nun stehen wieder parlamentari- sche Initiativen mit Gruppenanträ- gen bevor, bei denen sich die Be- fürworter rigiden oder liberalen Umgangs mit „der Patientenverfü- gung“ gegenüberstehen. Liest man die Bundestagsdebatte dazu, beein- drucken Redundanz und viele rein
private Ansichten „über das Le- ben“. Auf diese Weise ist es durch- aus möglich, dass in Deutschland parlamentarisch-mehrheitlich eine Position zum Gesetz wird, die den derzeitigen Spielraum für Indivi- dualentscheidungen sogar verklei- nert. – Ärzte, Krankenschwestern in Pflegeheimen und die Erkrankten selbst werden alleingelassen . . . Ein Blick über die Grenze täte gut:
In Österreich gibt es seit 2006 ein Gesetz nicht über die Bedeutung von „der Patientenverfügung“, son- dern es werden zwei Kategorien ge- bildet: eine beachtliche und – wenn bestimmte Kriterien wie eine doku- mentierte umfassende ärztliche Aufklärung, eine notarielle oder an- waltliche Bestätigung und eine zeit- liche Erneuerung erfüllt sind – eine verbindliche Variante unterschie- den. Dadurch ist gesichert, dass ei- ne Verbindlichkeit mit all ihren Konsequenzen nur erlangt wird, wenn der Kontext stimmig ist, wenn Fremdeinflüsse weitgehend ausgeschaltet sind etc. Wenn ich dieses Gesetz als onkologisch täti- ger Arzt lese, kann ich nur noch den Kopf schütteln über die Praxisferne der gesetzgebenden Gremien in Deutschland und zugleich den Ärz- ten und Patienten in Österreich gra- tulieren zu diesem aus der Praxis für die Praxis geschriebenen Gesetz . . .
Dr. Heinrich Günther,Lönsstraße 12, 01259 Dresden
KUBA
Seit Monaten halten die Spekulationen um den Gesund- heitszustand Fidel Castros an (DÄ 12/
2007: „Der kubani- sche Patient“ von Harald Neuber).
Systemwechsel verdient
Warum wird ein solches Aufheben um den kubanischen Diktator Castro gemacht? Gewiss, er ist ein kranker Mensch, aber zugleich auch einer der letzten stalinistischen Ge- waltherrscher auf dieser Erde, und ich glaube nicht, dass außer seinen