KBV-Vertreterversammlung
Sozial- und gesundheitspolitische
Grundsatzfragen der Kassenärzteschaft an die im Deutschen Bundestag
vertretenen Parteien
I. System der ambulanten
Krankenversorgung
Stützt Ihre Partei unsere Auffas- sung, daß auch für die Zukunft das System der Sicherstellung der am- bulanten ärztlichen Versorgung der sozialversicherten Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland durch freiberuflich tätige, in eigener Praxis niedergelassene Ärzte erhal- ten werden sollte?Oder strebt Ihre Partei ein anderes System än?
Wenn ja,
a) soll diese Änderung grundsätzli- cher Natur — etwa durch die Einfüh- rung eines staatlichen Gesundheits- dienstes — sein oder
b) soll eine Umstrukturierung nur verändernder Natur sein; wenn dies der Fall ist, in welchen Punkten und in welche Richtung?
II. Vertragsfreiheit zwischen Arzten und Krankenkassen
Soweit Sie grundsätzlich für die Bei- behaltung der jetzigen Form ambu- lanter ärztlicher Versorgung eintre- ten, wird von Ihnen dann ebenso an der herrschenden Vertragsfreiheit zwischen Ärzten und Krankenkas- sen, insbesondere über das Hono- rierungssystem für ärztliche Lei- stungen (Vertragsfreiheit für jede Form der Vergütung) auch in Zu- kunft festgehalten, wobei sich die Vergütung der Ärzte im wesentli- chen nach den Bedürfnissen der Be- völkerung nach ärztlichen Leistun- gen und dem medizinischen Fort- schritt auszurichten hat? — Oder strebt ihre Partei für die Zukunft ein
anderes Vergütungssystem an; be- jahendenfalls, welches?
III. Formen der Teilnahme an der ambulanten
kassenärztlichen Versorgung
Halten Sie das gegenwärtige Sy- stem der Einbeziehung von anderen als von Kassenärzten in die ambu- lante ärztliche Versorgung der Be- völkerung in Gestalt von beteiligten und ermächtigten Krankenhausärz- ten nach vorheriger Bedürfnisprü- fung auch für die Zukunft für die geeignete Ergänzung ärztlicher Tä- tigkeit in der ambulanten Versor- gung?
Oder würden Sie andere Formen der Teilnahme an der ambulanten ärztli- chen Versorgung für erstrebens- wert halten?
Bejahendenfalls, welche — etwa a) eine uneingeschränkte und da- mit voraussetzungslose Öffnung des Krankenhauses für ambulante Patienten
b) andere Formen institutioneller ambulanter ärztlicher Versorgung — und sei es auch in Teilbereichen der Medizin (Medizintechnik)?
IV. Sicherung einer qualitativ hoch-
stehenden ambulanten kassenärztlichen
Versorgung
Angesichts der hohen Zahl an Me- dizinstudenten ist derzeitig die pra- xisbezogene Ausbildung zum Arzt nicht in dem Umfang gewährleistet, wie es für die Sicherstellung der
ärztlichen Versorgung der Bevölke- rung erforderlich wäre.
Die Konzertierte Aktion im Gesund- heitsweSen hat deshalb empfohlen, vorübergehend eine zweijährige Vorbereitungszeit auf die Tätigkeit als Kassenarzt einzuführen. Eine entsprechende Ausnahmeregelung von den EG-Ärzte-Richtlinien hat die Bundesregierung in Brüssel bean- tragt.
Wenn eine entsprechende Ausnah- meregelung europarechtlich nicht zu erreichen ist, würde Ihre Partei dann für eine derartige Vorberei- tungszeit nach innerdeutschem Recht eintreten?
Halten Sie entweder anstelle der Einführung einer Vorbereitungszeit auf die kassenärztliche Tätigkeit oder neben ihr weitere Instrumente zur Sicherung einer qualitativ zufrie- denstellenden ambulanten ärztli- chen Versorgung der Bevölkerung für notwendig?
Bejahendenfalls, welche?
V. Datenschutz für Patient und Arzt
Teilt Ihre Partei unsere Auffassung, daß es bei dem gegenwärtig gere- gelten — strengen — Schutz perso- nenbezogener Daten für Patient und Arzt auch im Bereich der Sozialver- sicherung, insbesondere der sozia- len Krankenversicherung, bleiben muß?Oder würden Sie eine Lockerung des Datenschutzes dahingehend be- fürworten, daß
a) Verwaltungsabläufe in der So- zialversicherung erleichtert werden;
b) Forschungs- und Planungs- vorhaben ermöglicht oder unter- stützt werden?
Teilt Ihre Partei unsere Auffassung, daß der Schutz personenbezogener Daten in der Sozialversicherung Vorrang vor jedem Verwaltungs-, Planungs- und Forschungsinteresse haben muß?
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 21 vom 22. Mai 1980 1369