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Archiv "Ambulante Versorgung: Der Ärztemangel hat den Bundestag erreicht" (05.11.2004)

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rztemangel? „Konkrete Hinweise auf dauerhafte oder drohende Ver- sorgungsengpässe in den neuen Ländern liegen zurzeit nicht vor“, befand die Bundesregierung im Juli 2003. Wie sich die Zeiten ändern. Am 21. Oktober haben die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen beigedreht. Sie brachten im Bundestag einen Antrag

„Die flächendeckende ambulante haus- ärztliche Versorgung sichern“ ein. Darin wird die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert. Wichtigster Punkt: Ärzte und Ärztinnen in unterversorgten Pla- nungsbezirken sollen Kollegen anstellen können, ohne dass dabei die Leistungs- ausdehnung begrenzt wird (Textkasten).

Bisher gilt eine Obergrenze von 103 Pro- zent. Zwar sei die Arztdichte in Deutschland hoch, heißt es in der Antragsbegründung. „Dennoch gibt es Anzeichen eines begin- nenden Ärztemangels in struk- turschwachen und ländlichen Gebieten . . . Zahlreiche Haus- ärzte, aber auch Fachärzte finden keinen Nachfolger.“

Zudem wird eingeräumt,

„dass die Verhältniszahlen der Bedarfsplanungsrichtlinie nicht in jedem Fall die individuelle Si- tuation vor Ort sachgerecht ab- zubilden vermögen“. SPD und Grüne weisen zudem darauf hin, dass sich viele Ärzte lieber in den alten Bundesländern nie- derlassen: „Gründe hierfür sind die höhere Morbidität in den neuen Bundesländern und die damit verbundene höhere Ar- beitsbelastung der Allgemein- mediziner . . . sowie die schlech- teren Lebensbedingungen in

strukturschwachen Regionen mit an- haltend hoher Arbeitslosigkeit. Hinzu kommt, dass nach wie vor Unterschie- de hinsichtlich des Vergütungsniveaus zwischen alten und neuen Ländern bestehen.“

Die Bundestagsabgeordnete Maria Michalk (CDU) kritisierte in der De- batte, dass Rot-Grün Versorgungseng- pässe lange geleugnet habe. Die Regie- rung, so ließ sie anklingen, sei aber mit schuld, dass der Arztberuf bei Me- dizinstudenten wie bei praktizierenden Ärzten an Attraktivität verloren habe.

„Gewinnmaximierung für Ärzte ist nicht unsere Triebkraft“, betonte Mi- chalk für die Union. „Aber ihr Einsatz muss sich wieder lohnen.“ Ähnlich ar-

gumentierte der Abgeordnete Detlef Parr (FDP). „Ein bisschen Selbstkritik hätte Ihrem Antrag gut getan“, monier- te er. Zu schnell seien die Kassenärztli- chen Vereinigungen (KVen) als Schul- dige der Misere gefunden, antwortete er Dr. med. Marlies Volkmer (SPD).

Die Ärztin hatte zuvor erklärt, in er- ster Linie sei nicht die Politik gefordert, sondern die KVen: „Sie müssen Anreize schaffen.“

Wie üblich im parlamentarischen Ver- fahren, müssen sich nun die zuständigen Ausschüsse eine Meinung bilden. Die KVen der neuen Länder haben das in Bezug auf den Antrag schon getan. Als

„absolut sinnvoll“ bezeichnet Matthias Zenker den Vorschlag, dass angestellte Ärztinnen und Ärzte in unter- versorgten Gebieten ohne Lei- stungsbegrenzung in der Praxis arbeiten dürfen. „Es ist zwin- gend notwendig, dass diese Deckelung endlich aufgehoben wird“, findet der Referent für Grundsatzfragen bei der KV Thüringen. In diesem Bundes- land sind mittlerweile nur noch vier von 20 Planungsbezirken für Hausärzte gesperrt. Bis 2010 wird rund die Hälfte von ihnen in den Ruhestand gehen. „Das wäre schon etwas“, sagt zu die- sem Punkt des Antrags Dan Oli- ver Höftmann, Vorstandsrefe- rent der KV Mecklenburg-Vor- pommern. Dort scheidet in den nächsten fünf Jahren vermutlich rund ein Drittel der Hausärzte aus. Zustimmung auch in der KV Sachsen-Anhalt: Mit einer Aufhebung der Leistungsbe- grenzung wären die Vertrags- P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 455. November 2004 AA2993

Ambulante Versorgung

Der Ärztemangel hat den Bundestag erreicht

Die Regierungsfraktionen haben im Parlament einen Antrag zur Sicherung der flächendeckenden hausärztlichen Versorgung eingebracht. Noch im Sommer 2003

sah die Bundesregierung keine „konkreten Hinweise“ auf Versorgungsengpässe.

Rot-Grün: Versorgung sicherstellen

„Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen und anzuregen, welche die Lösung der Versorgungsprobleme durch die vor Ort zuständigen Stellen unterstützen. Dazu sind folgende Maßnahmen erforderlich:

> Die Voraussetzungen für die Anstellung von Ärzten in Vertragsarztpraxen müssen vereinfacht werden. Daher sollte es in nicht wegen Überversorgung gesperrten Planungsberei- chen ermöglicht werden, dass ein Arzt in einer Vertragsarzt- praxis ohne Leistungsbegrenzung des Vertragsarztes ange- stellt werden kann. Die angestellten Ärzte sollten in der Be- darfsplanung mitgerechnet werden.

> Es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, dass Ver- tragsärzte auch in Teilzeit tätige Ärzte anstellen dürfen.

> Es soll den Krankenkassen ermöglicht werden, durch Einzelverträge mit Ärzten Versorgungslücken zu schließen, wenn die Kassenärztlichen Vereinigungen ihrem Sicherstel- lungsauftrag nicht nachkommen.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung wei- terhin auf, darauf hinzuwirken, dass bei der Feststellung von Unterversorgung künftig auch der Morbiditätsgrad der Bevöl-

kerung Berücksichtigung findet.“ )

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ärzte zudem den Ärzten in einem Medi- zinischen Versorgungszentrum gleichge- stellt, erläutert Martin Wenger, stellver- tretender Hauptgeschäftsführer. Außer- dem lassen sich seiner Meinung nach durch eine Anstellung junge Ärztinnen und Ärzte von einer Praxistätigkeit überzeugen, die eine eigene Niederlas- sung noch scheuen.

Der Vorschlag, die Krankenkassen Einzelverträge zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung schließen zu lassen, wird einhellig abgelehnt. Einzel- verträge können nach Auffassung der KV-Repräsentanten nicht dazu beitra- gen, einen Mangel an Hausärzten zu be- heben. In den neuen Ländern gebe es doch vom Oderbruch bis in den Thürin- ger Wald hinunter Unterversorgung, sagt Zenker – was sollten da ein paar Euro mehr für eine Handvoll Hausärzte mit Einzelverträgen bringen? „Wenn kein Arzt da ist, ist keiner da“, stellt auch Höftmann nüchtern fest.

Umsatzgarantien für die Hausärzte auf dem Lande

Die KVen der neuen Länder versu- chen inzwischen verstärkt, den Versor- gungsengpässen entgegenzuwirken. Dr.

med. Hans-Joachim Helming, Vorsit- zender der KV Brandenburg und Spre- cher der Arbeitsgemeinschaft der KVen der neuen Bundesländer, verweist bei- spielhaft auf das neue Sicherstellungs- statut und den Sicherstellungsfonds, aus dem Mittel zur Förderung der flächen- deckenden ambulanten ärztlichen Ver- sorgung entnommen werden können.

Die KV Brandenburg bietet derzeit in einigen dünn besetzten Bezirken Um- satzgarantien für niederlassungswillige Haus-, Haut- und Augenärzte, um ihnen den Praxisstart zu erleichtern – wohl wissend, dass die Neuen in unterver- sorgten Gebieten schnell in der Lage sein müssten, einen akzeptablen Um- satz zu erwirtschaften. Doch angesichts der enormen Kosten einer Niederlas- sung bedeuten Umsatzgarantien eine gewisse Sicherheit und sind nützlich für die Verhandlungen mit den Banken. Im Gegenzug müssen die geförderten Ärz- te fünf Jahre vor Ort bleiben. „Es ist ein Spagat“, sagt KV-Sprecher Ralf Herre gleichwohl. Manche Ärzte ärgern sich,

weil sie vor Jahren auch nicht unter- stützt wurden, als sie in die Niederlas- sung starteten. Andere monieren, dass neue Kollegen Geld bekommen, wäh- rend ihnen nicht einmal alle Leistungen vergütet werden. Außerdem gibt es Notdienstfallpauschalen sowie Zuschlä- ge zu den Wegepauschalen. Auch die KV in Mecklenburg-Vorpommern hat etwas unternommen, um Ärztinnen und Ärzten die Bereitschaft zu erleich- tern. Denn in unterversorgten Gebieten ist der Notdienst eine besondere Bela- stung.Wie vielerorts wurden im Norden die Notfalldienstbezirke vergrößert, so- dass zwar weitere Wege zu fahren sind, aber weniger Einsätze. Zudem gebe es Erschwerniszuschläge, falls sich nur bis zu sechs Ärzte in einem Bezirk am Not- dienst beteiligten, berichtet Höftmann.

Um den studentischen Nachwuchs zu gewinnen, zahlt die KV Mecklenburg- Vorpommern zudem für Famulaturen bei Vertragsärzten. Medizinstudenten, die sich für eine allgemeinmedizinische Pra- xis entscheiden, bekommen noch einen Zuschlag. Wenger berichtet, dass die KV Sachsen-Anhalt Ärzte in der Weiterbil- dung zu Gesprächen einlädt. „Viele sind ganz sicher, dass sie keine Landarztpraxis haben wollen“, bedauert er. Gerade Ärz- tinnen, die sich Kinder wünschen, scheu- ten die langen Arbeitstage und dazu den Notdienst. Aber auch etlichen angehen- den Ärzten ist die Arbeit in einer Land- praxis offenbar zu viel.

KV-Vertreter aus Mecklenburg-Vor- pommern reisen gezielt zu Landräten und Bürgermeistern, erkundigen sich nach preisgünstigen Immobilien und werben um Unterstützung für niederlas- sungswillige Ärzte. Sozialministerin Dr.

Marianne Linke unterstützt diese Regio- nalgespräche: „Die Sicherung der ärztli- chen Versorgung ist eine Zukunftsaufga- be für das Land.“ Selbst bei den Kran- kenkassen vor Ort finden die KVen teil- weise mehr Verständnis als früher – doch nicht unbedingt mehr Geld.

KV-Chef Helming hat unlängst be- dauert, dass zwar der Gesetzgeber den KVen durchaus Maßnahmen an die Hand gibt, einem Ärztemangel zu be- gegnen. Sogar Anstellungen von Ärzten in Eigeneinrichtungen der KVen sind möglich. „Das Problem ist jedoch, dass für effektive Maßnahmen die Feststel- lung des Landesausschusses Vorausset-

zung ist, dass eine Unterversorgung ein- getreten ist oder droht“, sagte Helming.

Im Landesausschuss sitzen Vertreter der KVen und der Krankenkassen. Die Kassen klammern sich jedoch an die Definition von Unterversorgung. Da- nach muss die hausärztliche Versorgung den ausgewiesenen Bedarf um 25 Pro- zent unterschreiten, den fachärztlichen um mehr als 50 Prozent. Sind die Stati- stiken besser, weigern sich die Kassen in der Regel, gegensteuernde Maßnah- men mitzufinanzieren. Deshalb greift auch eine neue Regelung des GKV-Mo- dernisierungsgesetzes nicht, nach der rund 15 Millionen Euro an Sicherstel- lungszuschlägen je zur Hälfte von KVen und Kassen in den neuen Ländern ge- zahlt werden könnten.

Die Grenzen sind jedoch teilweise ei- ne Farce. Rein rechnerisch ist der ein oder andere Bezirk zwar noch akzepta- bel versorgt. Der Preis dafür sind jedoch häufig sehr hohe Fallzahlen und damit eine extreme Arbeitsbelastung der Ärz- te. Dazu kommen häufig erhebliche Wartezeiten. In einigen ländlichen Re- gionen rechneten die Ärzte 1 800 bis 2 000 Scheine pro Quartal ab, verdeut- licht Brandenburgs Sprecher Herre das Problem.Auch im Bereich der KV Sach- sen wird seit Monaten darum gerungen, wie der drohenden Unterversorgung konkret begegnet werden soll. Sozialmi- nisterin Helma Orosz (CDU) begleitet die Gespräche mit Nachdruck. Bis zum Jahresende wollen KV und Kranken- kassen ein Modell vorlegen. Gefeilscht wird noch um Details.

Die Tücken der Bedarfsplanung näher aufdröseln

Helming hat die Hoffnung, dass sich doch etwas bewegen wird. Ende Okto- ber haben sich Vertreter der Ost-KVen mit Staatssekretär Dr. Theo Schröder getroffen sowie mit Klaus Kirschner, dem Vorsitzenden des Gesundheitsaus- schusses des Deutschen Bundestags.

Dabei war Zeit, die Tücken der Bedarfs- planung genauer aufzudröseln. Weitere Gespräche sollen folgen. Schröder hat nach Darstellung von Helming zuge- sagt, sich dafür einzusetzen, dass die be- stehenden Vorschriften leichter hand- habbar gemacht werden. Sabine Rieser P O L I T I K

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A2994 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 455. November 2004

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