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Archiv "Grundsatzfragen der Weiterbildung" (11.07.1983)

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DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 27/28 vom 11. Juli 1983

ln seinem Referat beim 86. Deutschen Ärztetag verzich- tete Professor Dr. Sewering darauf, Einzelheiten vorzu- tragen; dazu verwies er auf die Seiten 201 bis 206 des Tätigkeitsberichtes der Bun- desärztekammer, der eine Fülle von Details enthält;

dieser umfassende Tätig-

keitsbericht (432 Seiten) ist gegen eine Schutzgebühr von 46 DM erhältlich beim Deutschen Ärzte-Verlag, Ab- teilung Buchverlag, Diesel- straße 2, 5000 Köln 40 (Löve- nich). Wesentlicher erschien es ihm, auf einige Weiterbil- dungsprobleme von grund- sätzlicher Bedeutung einzu- gehen.

Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Grundsatzfragen der Weiterbildung

Hans Joachim Sewering

Weiterbildungskonferenz und Vor- stand der Bundesärztekammer ha- ben daran festgehalten, in diesem Jahr keine Anträge auf Änderung der Weiterbildungsordnung vorzu- legen. Ich hoffe, daß es - voraus- sichtlich -auch im nächsten Jahr keine größeren Veränderungen geben wird. Die Zahl begründeter Änderungen oder Ergänzungsan- träge ist gering. Es dürfte inzwi- schen doch eine gewisse Sätti- gung in der Schaffung neuer Ge- biets-, Teilgebiets- und Zusatzbe- zeichnungen erreicht sein.

Die Weiterbildungsordnung ist Landesrecht, weil es sich um eine reine Berufsausübungsregelung handelt. Wenn man aber aus der Tatsache, daß die Weiterbildungs- ordnung Landesrecht ist, den Schluß zöge, daß in jedem Bun- desland eine andere, eine eigene- dem jeweiligen Geschmack oder der Stammeszugehörigkeit ent- sprechende- Weiterbildungsrege- lung beschlossen und angewen- det werden könnte, wäre darin ei- ne außerordentlich große Gefahr für die ärztliche Selbstverwaltung zu sehen.

..,.. Die Einheitlichkeit der Weiter- bildungsordnung in allen Bundes- ländern ist ein unverzichtbares Gebot. Unsere Aufgabe besteht immer wieder darin, diese Einheit- lichkeit herzustellen und zu si- chern.

Die Landesärztekammern haben hier eine außerordentliche Verant- wortung. Ihre beschließenden Gremien müssen deshalb alle An- strengungen unternehmen, um die Einheitlichkeit der Weiterbil- dungsordnung, auch ihrer Durch-

tührung, zu gewährleisten. Wenn sie es nicht tun, müssen wir uns darauf einstellen, daß eine zentra- le Aufgabe der ärztlichen Selbst- verwaltung in Gefahr ist.

Ich darf dies an zwei konkreten Beispielen verdeutlichen:

Es wird darüber diskutiert, ob man die Weiterbildung nicht wesent- lich stärker an vollermächtigte Weiterbilder binden sollte. Die Vollversammlung der Landesärz- tekammer Hessen hat im Novem- ber 1982 einen solchen Beschluß gefaßt, der darauf abzielt, die Wei- terbildung mit Ausnahme der All- gemeinmedizin nur noch bei Wei- terbildern zuzulassen, die eine vol- le oder ein Jahr unter der vollen Weiterbildungszeit liegende Er- mächtigung besitzen.

Ich halte diesen Beschluß für ei- nen wesentlichen Beitrag zu unse- rer Diskussion über Fragen der verbesserten Qualität der ärztl i- chen Weiterbildung. Ich muß aber doch Bedenken anmelden im Hin- blick auf eine Passage in der Be- richterstattung aus der hessischen Kammerversammlung, wo es heißt: ln Anbetracht der Notlage, in der sich die Allgemeinmedizin befindet, und wegen de-r ungelö- sten Weiterbildungsmöglichkeiten ihres Nachwuchses soll aber ein Termin, der 30. 6. nächsten Jah- res, gesetzt werden. Dann müsse man eigene Wege gehen.

Dazu zwei Anmerkungen. Erstens:

Die Weiterbildungsordnung hat die rechtlich ganz klar abgegrenz- te Aufgabe, Ablauf, Inhalt und Qualität der Weiterbildung zu ge- währleisten. Sie kann deshalb Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 27/28 vom 11. Juli 1983 63

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schon aus ihrer Natur heraus nicht dazu dienen, Nachwuchsströme zu lenken, also der Allgemeinme- dizin mehr Nachwuchs zuzufüh- ren, wie es in Hessen mit der Än- derung der Weiterbildungsord- nung beabsichtigt ist.

Ich halte einen solchen Beschluß auch deshalb nicht für haltbar, weil es wohl weder fachlich noch rechtlich zu begründen wäre, daß etwa ein Chirurg mit einer gut ge- führten Abteilung und einer Er- mächtigung von bisher drei oder vier Jahren keine chirurgische Weiterbildung vermitteln könnte, die auf die Gesamtweiterbildung in der Chirurgie anrechenbar wäre.

Zweitens: Ich bedauere auch die Terminsetzung, die beschlossen wurde, nach deren Ablauf Hessen eigene Wege gehen möchte; denn damit träte genau das ein, was wir fürchten, nämlich die Uneinheit- lichkeit der Weiterbildungsord- nung in einem zentralen Punkt der Weiterbildung, nämlich der An- rechnung von Weiterbildungs- zeiten.

Appell an Hessen:

Keine „eigenen Wege"

in der Weiterbildung

Ich meine deshalb, an die hessi- schen Kollegen die Bitte richten zu müssen, daß sie diesen „eige- nen Weg" jetzt nicht gehen, son- dern daß wir gemeinsam über die- se Fragen diskutieren und Wege suchen, die gangbar sind, wobei allerdings nicht die Nachwuchs- lenkung im Mittelpunkt unserer Überlegungen stehen kann. Wir können nur überlegen, ob viel- leicht durch eine stärkere Anbin- dung an vollermächtigte Weiterbil- der eine Qualitätsverbesserung der Weiterbildung erreicht werden kann.

Nur dann, wenn wir uns darin ei- nig würden und wenn wir davon überzeugt wären, daß dieser Weg im Interesse der verbesserten Qualität der Weiterbildung sinn-

voll ist, sollten wir ihn gemeinsam gehen, aber eben auch wiederum nur gemeinsam, d. h. nach ent- sprechender Beschlußfassung durch den Deutschen Ärztetag ei- ne Konkretisierung durch alle Landesärztekammern, um wirklich die Einheitlichkeit zu gewährlei- sten.

Wir haben uns darüber Gedanken gemacht, ob man etwa mehr Qua- lität erreicht, wenn man die letzten beiden Jahre der Weiterbildung an einen vollermächtigten Weiterbil- der bindet oder wenn man Er- mächtigungen unterhalb von zwei Jahren mit Ausnahme der Allge- meinmedizin nicht mehr anrech- net. Das sind Überlegungen, die fortgeführt werden müssen. Gera- de nachdem die Landesärztekam- mer Hessen so wesentliche Beiträ- ge zur einheitlichen Weiterbil- dungsordnung geleistet hat, möchte ich meinen Appell wieder- holen und darum bitten, keinen Al- leingang zu machen, sondern die Dinge gemeinsam zu beraten und gegebenenfalls zu beschließen.

Von der Sache her bezweifele ich es auch, ob es sinnvoll wäre, für alle Gebiete zwangsweise einen Wechsel des Weiterbilders vorzu- schreiben. Wir haben dies auf die Innere Medizin und die Chirurgie beschränkt; für alle anderen Ge- biete ist ein Wechsel nicht vorge- schrieben.

Möglichst einheitlich:

Prüfung am Ende der Weiterbildung

Nun noch ein anderes Beispiel, ei- nes aus dem Gebiet der Anwen- dung der Weiterbildungsordnung.

Sie schreibt vor, daß am Ende der Weiterbildung eine mündliche Prüfung durchzuführen ist. Wenn Informationen, wie ich sie auch aus dem ausführlichen Brief eines geprüften Kollegen entnehmen konnte, zutreffen, dann sind die Vorstellungen über die Art und Weise, wie diese Prüfung am Ende der Weiterbildung durchgeführt werden soll und wird, außeror-

dentlich unterschiedlich. Die Pa- lette reicht offenbar, wenn die In- formationen zutreffen, von einem sehr freundlichen Gespräch über den beruflichen Werdegang des Kollegen bis hin zu einer vollen, konkreten Prüfung des erworbe- nen Wissens.

Ich meine, man sollte im Zusam- menhang mit der Prüfung folgen- des bedenken:

Der Arzt unterscheidet sich vom

„Medizinhandwerker" dadurch, daß er nicht nur praktische Fähig- keiten beherrscht, sondern gelernt hat, in naturwissenschaftlichen Zusammenhängen zu denken, die Physiologie und Pathophysiolo- gie, die Anatomie und Pathologie und nicht zuletzt die psychischen und somatischen Zusammenhän- ge in sein Denken und Handeln einzubeziehen. Von einem Arzt, der eine Weiterbildung in einem Gebiet abgeleistet hat, muß erwar- tet werden, daß er in diesem Ge- biet besonders vertiefte Kenntnis- se aufzuweisen hat.

Inhalt und Sinn der Prüfung liegen darin, daß der Kandidat für eine Gebietsbezeichnung nachweist, daß er diese Erwartungen erfüllt.

Die Tatsache, daß dort, wo die Prüfung entsprechend der darge- stellten Zielsetzung durchgeführt wird, immer wieder Kandidaten durchfallen, zeigt, daß die Prüfung einen guten Einblick in den Wis- sensstand des Kandidaten ermög- licht, wenn die Prüfungskommis- sion ihrer Aufgabe gerecht wird.

Es geht also nicht darum, etwa die Handfertigkeit beim Operieren zu überprüfen. Dies muß der alleini- gen Verantwortung des Weiterbil- ders überlassen werden.

Die Prüfung als überflüssigen oder gar bösartigen „Stolper- stein" zu bezeichnen ist abwegig und wird durch die bisherigen Er- fahrungen widerlegt. Wenn wir ge- genüber der Öffentlichkeit, auch gegenüber dem Gesetzgeber, glaubhaft bleiben wollen, wenn wir vermeiden wollen, daß uns DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Weiterbildungsordnung

Spiegelfechterei vorgeworfen wird, dann sollten wir die Prüfung ernst nehmen und damit erneut unter Beweis stellen, daß unser Bemühen allein von der Verpflich- tung bestimmt wird, für unsere Mitmenschen qualitativ hochwer- tige Gebietsärzte heranzubilden.

Ich möchte es deshalb als ein vor- dringliches Anliegen bezeichnen, daß wir so rasch wie möglich zu einer einheitlichen Durchführung der Prüfung kommen und ihre Be- deutung so ernst nehmen, wie sie es verdient. Dabei ist es keines- wegs erforderlich, eigene Prü- fungsordnungen oder Geschäfts- ordnungen zu beschließen, wie dies manchmal gewünscht wurde.

Inhalt und Ablauf der Prüfungen sind durch die Weiterbildungsord- nung und die Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung ausrei- chend definiert.

Die Weiterbildung ist „Nebenprodukt"

beruflicher Tätigkeit

Lassen Sie mich noch etwas ande- res in Erinnerung rufen, worauf ich im Laufe meiner langen Dienstzeit als Vorsitzender der Weiterbildungskonferenz wieder- holt hingewiesen habe: Die Wei- terbildung in einem Gebiet ist kei- ne Ausbildung, sondern ganz klar

„Nebenprodukt" beruflicher ärztli- cher Tätigkeit. Sie ist deshalb ar, eine verantwortliche Tätigkeit im Krankenhaus gebunden. Sie wis- sen 'alle, daß mit dieser Feststel- lung und dem Festhalten an dieser Feststellung auch erhebliche ar- beitsrechtliche, also existentielle Folgerungen verbunden sind.

Dem steht der Grundsatz der Wei- terbildungsordnung und auch der Berufsordnung keineswegs entge- gen, wonach der Weiterbilder die Pflicht hat, sich um seine Mitarbei- ter zu kümmern und die Weiterbil- dung gemäß dem Inhalt der Richt- linien zu gestalten.

Jede Forderung, für die Weiterbil- dung so etwas wie „Lehrpläne" zu

entwickeln, rückt die Weiterbil- dung in die Nähe der Ausbildung.

Jeder in Weiterbildung befindliche Assistenzarzt muß anerkennen, daß im Zweifelsfall die Belange der Krankenversorgung Vorrang haben vor den Wünschen nach ra- scher Erfüllung der Anforderun- gen der Weiterbildung, wie sie in den Richtlinien niedergelegt sind.

Daraus ergibt sich von selbst, daß jede in der Öffentlichkeit geäußer- te Befürchtung, es würden Opera- tionen oder diagnostische Eingrif- fe gemacht, nur um die An- forderungen der Weiterbildungs- ordnung zu erfüllen, unbegrün- det sind und unbegründet sein müssen.

In diesem Zusammenhang noch ein weiterer Hinweis:

Es wurde wiederholt die Frage ge- stellt, ob die Reduzierung der Be- reitschaftsdienste und damit der Arbeitszeit, auch verbunden mit einer Vermehrung der Zahl der As- sistenzärzte, zu einer Verlänge- rung der Weiterbildungszeit führe.

Die Antwort ist weder ja noch nein, denn hier ist die Frage falsch ge- stellt. Es gibt nämlich keine „Wei- terbildungszeiten", sondern es gibt seit eh und je nur Mindestzei- ten des einzelnen Gebiets. Wenn der Inhalt der Weiterbildung in der Mindestzeit nicht erfüllt werden kann, dann ist im Einzelfall eine Verlängerung der Zeit die automa- tische Folge, weil wir uns primär an der Erfüllung der Anforderun- gen zu orientieren haben. Wenn das in der Mindestzeit nicht mög- lich ist, muß der einzelne Arzt eben eine längere Zeit dafür auf- wenden.

Die Vermehrung der Assistenten- stellen infolge des Wegfalls von Bereitschaftsdiensten und ver- kürzter Arbeitszeit kann durchaus dazu führen, daß der einzelne Arzt weniger Chancen hat, Notwendi- ges zu tun und damit zu lernen.

Und — wie schon gesagt — eine künstliche Vermehrung der Lei- stungen könnte den Patienten ge- genüber niemals verantwortet werden.

Nachdem die Qualität der ärztli- chen Weiterbildung unabdingbar im Mittelpunkt stehen muß, kann auch eine Absenkung der Anfor- derungen mit dem Ziel, mehr Arz- ten die Chance der Weiterbildüng zu geben, unter keinen Umstän- den hingenommen werden.

Weiterbildungsordnung ist kein „berufspolitisches Instrumentarium"

Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Weiterbil- dungsordnung kein berufspoliti- sches Instrumentarium ist, son- dern daß die Regelung der Weiter- bildung eine uns vom Gesetzgeber übertragene Aufgabe im Interesse der Patienten ist. Wir können sie deshalb auch nicht „manipulie- ren" im Hinblick auf die Bewälti- gung von Problemen, die sich aus der Zahl von Ärzten ergeben. Das Interesse junger Ärzte an einer Weiterbildung, vor allem einer Ab- solvierung in der Mindestzeit, kann und darf also dem Anspruch unserer Mitbürger auf Versorgung durch qualitativ hochstehende Ärzte nicht übergeordnet werden.

Damit habe ich aber auch schon Stellung genommen zu dem si- cherlich gutgemeinten Vorschlag, jede Assistentenstelle mit zwei Ärzten bei halbem Gehalt zu be- setzen und damit gewissermaßen senkrecht zu teilen. Ich muß geste- hen, daß die damit verbundene massive Vermehrung der Zahl der Ärzte im Krankenhaus möglicher- weise die Krankenversorgung eher gefährden als verbessern würde. Vor allem eines ist sicher:

Eine vernünftige Weiterbildung in einer vernünftigen Zeit wäre dabei nicht mehr möglich, wenn wir die Weiterbildung wie bisher ernst nehmen und nach den bewährten

-Grundsätzen durchführen.

Dies gilt genauso für Teilzeitarbeit

— Jobsharing genannt — und damit Teilzeitweiterbildung. Man sollte durchaus prüfen, ob in dem einen oder anderen Gebiet gleiche Er- gebnisse zu erzielen sind, auch Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 27/28 vom 11. Juli 1983 67

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wenn man über den derzeitigen Rahmen hinausginge. Auf alle Fäl- le muß aber daran festgehalten werden, daß vier Jahre Weiterbil- dung in Halbtagsarbeit eben nur zwei Jahre Weiterbildung nach der Weiterbildungsordnung sein können.

Die schwerwiegenden Probleme der steigenden Arztzahlen sind durch Manipulationen an der Wei- terbildungsordnung nicht zu lö- sen. Es wären schwere qualitative Nachteile die Folge.

Man sollte auch keine übertriebe- nen Hoffnungen aus der Tatsache ableiten, daß der zukünftige Anteil junger Ärztinnen in den Nach- wuchsjahrgängen bis zu 40 Pro- zent betragen wird: Wenn diese jungen Ärztinnen als Gymnasia- stinnen so fleißig waren, daß sie aufgrund ihrer Leistungen bei der Auswahl Glück hatten, wenn sie ihr Medizinstudium absolviert und das Staatsexamen abgelegt ha- ben, muß man ihnen auch ein glei- ches Recht bei der Vergabe von Assitentenstellen einräumen wie ihren männlichen Kollegen.

Vielleicht werden manchmal Hoff- nungen darauf gesetzt, daß es dann recht viele Arztehepaare gibt. Das wäre gewiß für die fach- gleiche Gemeinschaftspraxis eine gute Basis, was wiederum ent- sprechenden Wünschen entge- genkäme. Aber im übrigen bin ich der Meinung, daß die Emanzipa- tion von der männlichen Seite her nicht so ausgelegt werden darf, daß man glaubt, daraus Benach- teiligungen der Kolleginnen ablei- ten zu können.

Auf diesem Ärztetag hat ein Kolle- ge sehr wohl- und gutmeinend be- richtet, daß er jetzt auf einer Stelle zwei Assistenten einstellen wird, nicht senkrecht gespalten, son- dern in echter Halbtagsarbeit, mit der Maßgabe, daß diese Kollegen am Nachmittag ihre Weiterbildung betreiben sollten. Er meinte: Die 40 Stunden müßten wir irgendwie hinkriegen. Ich muß sagen: Wenn er die 40 Stunden hinkriegen will,

dann muß er möglicherweise auch den Inhalt der Weiterbildung, den ein Kollege abgeleistet haben muß, „hinkriegen".

Mit diesem Beispiel sind wir schon mitten in der Manipulation der Weiterbildung mit der Folge, daß sie einfach nicht mehr glaubhaft wäre. Darauf muß ich immer wie- der hinweisen!

Wesentlicher Grundsatz:

Künftig striktere Einhaltung der Gebietsgrenzen

Eine weitere Anmerkung: Die Wei- terbildungsordnung regelt be- kanntlich nicht nur die Weiterbil- dung des Nachwuchses, sie statu- iert auch einen wesentlichen Grundsatz für das Verhalten von Ärzten, die eine Gebietsbezeich- nung führen: Sie haben sich grundsätzlich auf das Gebiet zu beschränken, dessen Bezeich- nung sie führen. Wer zusätz- lich eine Teilgebietsbezeichnung führt, ist gehalten, im wesentli- chen in diesem Teilgebiet tätig zu sein.

Es mag durchaus sein, daß in der Vergangenheit, als die Ärzte noch lockerer verteilt waren und die Pa- tienten reichlich kamen, da und dort mehr oder weniger großzügig über diese Vorschrift hinwegge- gangen wurde. Bei zunehmender Arztdichte kommt diesem Grund- satz entscheidende Bedeutung zu.

Je enger die Ärzte aufeinandersit- zen, desto mehr muß auch auf die Einhaltung der Gebietsgrenzen geachtet werden. Wenn wir das nicht tun, dann wird aus dem Wunsch nach genügend Patienten ein erbarmungsloser Vertenungs- kampf jeder gegen jeden werden.

Eine im Interesse der Bevölkerung notwendige und sinnvolle Zusam- menarbeit der Ärzte verschiedener Gebiete wäre dann nicht mehr möglich, eine Verschlechterung der ärztlichen Versorgung die un- mittelbare Folge.

Die Ärztekammern, vor allem aber die Kassenärztlichen Vereinigun-

gen, haben hier eine große Verant- wortung. Ich hoffe, sie werden sich ihr auch nicht entziehen.

Selbstverwaltung

nicht aus Opportunismus gefährden!

Letzter Punkt:

Seit mehr als zehn Jahren sind wir uns darüber einig, daß die Arztbe- zeichnungen vereinheitlicht wer- den sollen und die Bezeichnung

„Facharzt" nicht mehr geführt werden darf. Dies ist inzwischen geltendes Recht, bestätigt durch ein Urteil des Oberverwaltungsge- richts Münster und auch des Baye- rischen Verfassungsgerichtshofs.

Ich bin der Meinung, daß nach Ab- lauf der Übergangsfristen die zu- gelassenen Bezeichnungen mit Nachdruck durchgesetzt werden müssen, wenn wir nicht unglaub- haft werden wollen. Was sollen die Kollegen draußen von den Be- schlüssen ihrer Berufsvertretung halten, wenn sie nachher nicht durchgeführt werden?

Die uns in der Bundesrepublik ein- geräumte ärztliche Selbstverwal- tung ermöglicht es, Entscheidun- gen zu treffen, die den Belangen von Patienten und Ärzten und da-

mit den Erfordernissen einer hochwertigen ärztlichen Versor- gung gleichermaßen Rechnung tragen. Diese Selbstverwaltung ist ein kostbares Gut. Sie zu erhalten erfordert neben guter Sachkennt- nis Einsatzbereitschaft und Mut auch zu unpopulären Maßnah- men. Berufsordnung und Weiter- bildungsordnung sind tragende Säulen unserer Selbstverwaltung.

Wir müssen alles tun, damit nie- mand sie aus Opportunismus oder mangelnder Einsicht ansägt oder gar zum Einsturz bringt.

Ad-hoc-Stellungnahme:

Medizinalassistentenzeit und/

oder Pflichtweiterbildung

Soweit das, was ich vorzutragen vorhatte. Aber die Ärztetagsmehr- 68 Heft 27/28 vom 11. Juli 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Weiterbildungsordnung

heit hat beschlossen, nach diesem Referat über einige Anträge aus dem ersten Punkt der Tagesord- nung abzustimmen. Damit hat der Ärztetag mir den „Schwarzen Pe- ter" zugeschoben, auch dazu Stel- lung zu nehmen, was ich eigent- lich gar nicht vorhatte, um ihn nicht in der Meinungsbildung zu stören.

Eine allgemeine Bemerkung vor- weg: Es wurde mit Recht betont, daß der Ärztetag kein Juristentag sei. Das ist zutreffend. Aber kaum ein anderer Beruf ist in der Person und in der beruflichen Tätigkeit so sehr in unsere Rechtsordnung ein- gebunden wie der Arzt. Ich meine deshalb durchaus, daß es uns nicht erspart bleiben kann, bei al- len unseren Überlegungen und Beschlüssen diese Rechtsord- nung zu beachten, daß wir etwaige denkbare Änderungen in ihren Auswirkungen berücksichtigen und unter Umständen auch ver-, meiden, daß Schaden gestiftet wird.

Es ist deshalb sinnvoller, die Juri- sten vorher zu fragen, als dann, wenn es zu spät ist. Man sollte sich auf einem soliden Boden rechtlicher Realitäten bewegen.

Das gilt gerade auch im Bereich der Berufsordnung und Weiterbil- dungsordnung, deren Regelung uns übertragen ist.

Dabei muß — ich habe es schon betont — darauf hingewiesen wer- den, daß nach der Konstruktion in unserem Land die Zulassung zum Beruf bundesrechtlich geregelt ist, nämlich durch das Grundge- setz: Mit der Erteilung der Appro- bation tritt die Rechtsfolge ein, daß der Arzt zur vollen ärztlichen Tätigkeit berechtigt ist. Dann läßt sich durch Landesrecht und Sat- zungsrecht dieses Recht eben nicht mehr einengen. Das heißt, die Kammern haben gar nicht die rechtliche Möglichkeit, in der Wei- terbildungsordnung etwa die Pflichtweiterbildung zu bestim- men. Sie verstießen damit gegen das Grundgesetz. Das hielte kei- ner Nachprüfung stand.

Jede „Pflichtweiterbildung" ist ih- rer Rechtsnatur nach überhaupt nur als Ausbildung im Rahmen der Bundesärzteordnung und der Ap- probationsordnung zu regeln. Das heißt, wenn etwa zwei Jahre ge- wünscht werden — darüber besteht überhaupt kein Streit —, dann kann die Reihenfolge eben nur sein:

Staatsexamen, anschließend Ge- nehmigung zur beruflichen Tätig- keit für zwei Jahre unter Aufsicht approbierter Ärzte, dann Appro- bation. Daran kann sich dann die freiwillige Weiterbildung an- schließen, wie wir sie in unserer Weiterbildungsordnung verankert haben.

Freiwillige Weiterbildung

zum „Arzt für Allgemeinmedizin"

Wenn dieses Curriculum der prak- tischen Ausbildung in zwei Jahren für alle einheitlich gestaltet wird — das hielte ich für selbstverständ- lich —, dann ist auch die einheitli- che Approbation gewährleistet.

Damit sind die Voraussetzungen auch im Hinblick auf das, was die EG-Richtlinie will, nämlich für die berufliche Tätigkeit erfüllt. Für un- sere Kollegen ergäbe sich dann die Möglichkeit, ihre freiwillige Weiterbildung zum Arzt für Allge- meinmedizin zu betreiben, unter Anrechnung — was durchaus mög- lich ist — bereits abgeleisteter Zei- ten. Das würde dann bewirken, daß die Äquivalenz mit den übri- gen EG-Ärzten auf der Basis der ersten zwei Jahre erfolgt und die Bezeichnung „Arzt für Allgemein- medizin" eben nur von den Kolle- gen geführt werden darf, die bei uns eine weitere Weiterbildung nach der Weiterbildungsordnung abgeleistet haben. Ich frage mich wirklich, warum diese schöne Be- zeichnung so billig an die EG ver- kauft werden sollte.

Es sind von diesem Ärztetag be- reits zwei Beschlüsse gefaßt wor- den, welche die Medizinalassi- stentenzeit fordern, zum einen der Antrag mit „zwei Jahren" und zum anderen ein Antrag, in dem es heißt: „Eine der früheren Medizi-

nalassistentenzeit entsprechende Praxisphase. ist wieder einzu- führen."

Damit hat sich der Ärztetag mit Mehrheit für die Wiedereinfüh- rung der Medizinalassistentenzeit entschieden, und damit ist dem Antrag, der eine Pflichtweiterbil- dung fordert, der Boden entzogen.

Der Ärztetag kann ja nicht heute das Gegenteil von gestern be- schließen!

Wenn der Ärztetag heute den An- trag auf „allgemeine Pflichtweiter- bildung" annähme, während er gestern beschlossen hat, daß die

„Medizinalassistentenzeit" kom- men soll, dann müßten alle, die angesprochen sind, wenn man den Beschlüssen folgte, zwei Jah- re Medizinalassistentenzeit und dann noch einmal zwei Jahre Pflichtassistentenzeit absolvieren.

Das sind — zusammen mit der Stu- dienzeit — zehn Jahre „Pflicht"!

Ich weiß nicht, ob der Ärztetag das will. Wenn er konsequent bleibt, dann ist der Antrag auf „Pflicht weiterbildung" erledigt.

Ich bin es nach Jahrzehnten ge- wöhnt, daß man nicht immer Zu- stimmung findet. Die Ärztetagsde- legierten kennen mich lange ge- nug, um zu wissen, daß ich ihnen nicht nach dem Mund rede, wenn meine Überzeugung verlangt, et- was anderes zu sagen. Das werde ich auch weiterhin so halten.

(Referat auf dem 86. Deutschen Ärztetag in Kassel, 12. Mai 1983, für den Druck von der Redaktion gekürzt)

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med.

Hans Joachim Sewering Ärztehaus Bayern Mühlbaurstraße 16 8000 München 80 Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 27/28 vom 11. Juli 1983 73

Referenzen

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