Pharmazeutische Biologie – Genetik –
6. Vorlesung
Prof. Theo Dingermann
Institut für Pharmazeutische Biologie Biozentrum
Max-von Laue-Str. 9 60438 Frankfurt am Main
+/a +/a
männlich weiblich krank Träger
Erbkrankheiten
Rezessiver Erbgang
Typisch:
• heterozygote Personen sind gesund (aber Träger)
• kranke Personen selten (nicht in jeder Generation)
• unabhängig vom Geschlecht
• gesunde Nachkommen können das Allel weitervererben (Träger)
Mukoviszidose, Cystische Fibrose (CF)
autosomal-rezessiv vererbt Frequenz ca. 1:2.500
Träger ca. 1:25 (= 4% der Bevölkerung!) betroffenes Gen: CFTR; Locus: 7q31.2
(cystic fibrosis transmembrane conductance regulator) 1480 Aminosäuren, Chlorid-Transporter
Mehr als 550 verschiedene Mutationen im CFTR-Gen sind bekannt Häufigste Mutation: ΔF508
Viele Organe betroffen, insbesondere Lunge und Pankreas verschiedene Therapie-Möglichkeiten
Modell für Gentherapie-Entwicklung
Mukoviszidose, Cystische Fibrose (CF)
Hämochromatose (HFE)
autosomal-rezessiv vererbt Frequenz ca. 1:1.000
jeder 8. - 10. in Nordeuropa ist Träger!
betroffenes Gen: HFE1; Locus: 6p21.3 H = Häm; Fe = Eisen
Problem: Patienten haben statt 4 - 5 g Eisen bis zu 80 g Eisen Therapie: regelmäßiger Aderlass
Hämochromatose (HFE)
Phenylkenonurie
autosomal-rezessiv vererbt Frequenz ca. 1:10000
betroffenes Gen: Phenylalanin-Hydroxylase (PAH); Locus: 12q22- q24.2
Verminderte Umwandlung von Phenylalanin in Tyrosin
Folge: schwere Störungen der Gehirnentwicklung bei Säuglingen
Keine Therapiemöglichkeit außer lebenslange Einhaltung einer strikt phenylalanin-armen Diät
Phenylkenonurie
autosomal-rezessiv vererbt Frequenz ca. 1:10000
betroffenes Gen: Phenylalanin-Hydroxylase (PAH); Locus: 12q22- q24.2
Verminderte Umwandlung von Phenylalanin in Tyrosin
Folge: schwere Störungen der Gehirnentwicklung bei Säuglingen
Keine Therapiemöglichkeit außer lebenslange Einhaltung einer strikt Phenylalanin-armen Diät
Sichelzell-Anämie
autosomal-rezessiv vererbt
Sichelzell-Anämie: Häufigkeit 1:500 in Afrika betroffenes Gen: β-Globin
normales Hämoglobin: Heterotetramer α2β2
Falschsinn-Mutation in Codon 6 (GAG —> GTG; Glu —> Val) veränderte Löslichkeit von Deoxy-Hämoglobin
veränderte Morphologie der Erythrozyten chronische hämolytische Anämie
Gefäßverschlusskrisen
Vergleich Sichelzell-Anämie und Thalassämie
beide autosomal-rezessiv vererbt
Sichelzell-Anämie: Bildung eines nicht funktionellen β-Globins Thalassämien: Störungen in der Bildung von α- oder β-Globin heterozygote Träger sind weitgehend resistent gegen Malaria
Sichelzell-Anämie Thalassämien
Erbkrankheiten
Rezessiver Erbgang: Humangenetische Beratung
Wenn ein Elternpaar bereits ein erkranktes Kind hat, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein zweites Kind
ebenfalls krank sein wird?
+a +a
++ +a +a aa
+ a + a
X
gesund krank
Erbkrankheiten
Rezessiver Erbgang: Humangenetische Beratung Fallbeispiel:
Das Ehepaar Helga und Hans hat je ein Geschwister, das die autosomal-rezessive Krankheit Mukoviszidose
aufweist.
Sie selbst und ihre Eltern leiden nicht daran.
Bislang wurde auch nicht festgestellt, ob einer von ihnen heterozygoter Genträger ist.
Wie groß etwa ist das Risiko für ein Kind dieses Paares,
an der Mukoviszidose zu erkranken?
Erbkrankheiten
Autosomal-rezessiver Erbgang
1/3 1/3 1/3
Eltern von Helga
1/3 1/3 1/3
Eltern von Hans
Helga Hans
Wahrscheinlichkeit für diese Paarung:
1/3 x 1/3 = 1/9 (11%)
Wahrscheinlichkeit krankes Kind:
Helga Hans
Wahrscheinlichkeit für diese Paarung:
2X (1/3 x 1/3) = 2/9 (22%) Wahrscheinlichkeit krankes Kind:
Erbkrankheiten
Autosomal-rezessiver Erbgang
1/3 1/3 1/3 1/3 1/3 1/3
Eltern von Hans
Helga Hans
Wahrscheinlichkeit für diese Paarung:
4X (1/3 x 1/3) = 4/9 (44%) Wahrscheinlichkeit krankes Kind:
11%
1/4 1/4 1/4 1/4
Eltern von Helga
Erbkrankheiten
X-chromosomaler Erbgang
Typisch:
• weibliche, heterozygote Träger sind gesund
• nur männliche Nachkommen können erkranken (müssen aber nicht)
• über mehrere Generationen auftretend
• gesunde männliche Nachkommen können das Allel nicht
X/Y X/X
X/X
Hämophilie A
X-chromosomal vererbt Frequenz ca. 1:10.000
verschiedene Schweregrade betroffenes Gen: Faktor VIII
Substitutionstherapie: rekombinanter Faktor VIII Modell für kausale Therapie (Gentherapie)
Duchenne Muskeldystrophie (DMD)
X-chromosomal vererbt Frequenz ca. 1:10.000
Progressiver Verlust der Muskelentwicklung Muskel-Fehlfunktionen in multiplen Organen Symptome nach ca. 3 Jahren
Lebenserwartung ca. 30 Jahre
betroffenes Gen kodiert Dystrophin 3.685 Aminosäuren
notwendiges Strukturelement in Muskelzellen keine kausale Therapie möglich
Fragiles X-Syndrom
X-chromosomal vererbt
Frequenz ca. 1:2.000-1:8.000 Trinukleotid-Expansions-Mutation Allgemeine mentale Retardation
(Minderbegabung, Lernschwäche, geistige Behinderung) betroffenes Gen: FMR1; Locus: Xq27.3
(CGG)n-Wiederholungen im FMR1-Gen (CGG)6-50 ist normal
(CGG)52-500 ist pathologisch keine kausale Therapie möglich
Erbkrankheiten
X-chromosomaler Erbgang: Humangenetische Beratung Wenn ein Elternteil weiß, dass es Träger ist, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, einen kranken Jungen zu
bekommen ?
XY XX
XX XX XY XY
X Y X X
krank
25%
Erbkrankheiten
Plasmatischer (mitochondrialer) Erbgang
Erbkrankheiten
Plasmatischer (mitochondrialer) Erbgang
Typisch:
• Erbgang folgt NICHT den Mendel'schen Regeln!
• ausschließlich maternal vererbt
• Schwere der Erkrankung hängt ab von der Zahl der betroffenen Mitochondrien
• meist Gene der oxidativen Phosphorylierung betroffen
• manifestiert in Geweben mit hohem Energieumsatz (Gehirn,
Erbkrankheiten
Hardy-Weinberg-Gleichgewicht
Das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht (HWG) ist ein Begriff der Populationsgenetik
Zur Berechnung dieses mathematischen Modells geht man von einer in der Realität nicht vorzufindenden idealen Population aus, in der sich weder die Häufigkeiten der Allele noch die Häufigkeiten der Genotypen verändern, da diese sich im modellierten Gleichgewicht befinden. Dies bedeutet, dass in einer idealen Population keine Evolution stattfindet, da keine Evolutionsfaktoren greifen und diese den hier konstanten Genpool verändern.
Erbkrankheiten
Hardy-Weinberg-Gleichgewicht
Das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht (HWG) ist ein Begriff der Populationsgenetik
Erbkrankheiten
Hardy-Weinberg-Gleichgewicht
Die beiden Formeln für das Hardy-Weinberg Gleichgewicht lauten:
p2 + 2pq + q2 = 1 p + q = 1
weiblich weiblich
A(p) a(q)
männlich A(p) AA(p2) Aa(pq)
männlich
a(q) Aa(pq) aa(q2) Allelfrequenzen
• Die Allelfrequenz eines Genpools ist in einer Idealpopulation konstant.
• Die relativen Häufigkeiten der betrachteten Allele sind zueinander komplementär.
• p + q = 1
• p: relative Häufigkeit des Auftretens des Allels A
Erbkrankheiten
Hardy-Weinberg-Gleichgewicht
Die beiden Formeln für das Hardy-Weinberg Gleichgewicht lauten:
p2 + 2pq + q2 = 1 p + q = 1
weiblich weiblich
A(p) a(q)
männlich A(p) AA(p2) Aa(pq)
männlich
a(q) Aa(pq) aa(q2) Genotypfrequenzen
• Die Genotypenfrequenz eines Genpools ist in einer Idealpopulation konstant.
• p2 + 2pq + q2 = 1
• p2 = h(AA)
Erbkrankheiten
Hardy-Weinberg-Gleichgewicht
Die Mukoviszidose (Phänotyp A) ist autosomal-rezessiv (Erkrankung nur bei Genotyp AA) und betrifft in Deutschland eins von 2.500
Kindern.
Die Häufigkeit des Genotyps AA beträgt daher F(AA)= 1:2.500 = 0,0004.
• Berechnung von p: p2 = F(AA) = 0,0004 <=> Wurzel aus p2 = p = 0,02 (d.h.
2 % der Allele in der Bevölkerung sind defekt)
• Berechnung von q: q = 1 - p = 1 - 0,02 = 0,98 (d.h. 98 % der Allele sind gesund)
• Berechnung der Heterozygotenfequenz: F(Aa) = 2 pq = 2 x 0,02 x 0,98 = 0,0392 (d.h. ca. 4 % der Bevölkerung sind gesunde Träger des defekten Gens).
• Häufigkeit homozygot Gesunder F(aa): F(aa) = q2 = 0,982 = 0,9604